Medienkritiker im Faktencheck

Der erstaunlich laxe Umgang von Precht und Welzer mit der Wahrheit

Lanz, Precht, Amann, Welzer, Alexander
Moderator Markus Lanz mit Richard David Precht, Melanie Amann, Harald Welzer und Robin Alexander (von links nach rechts) Fotos: ZDF/Cornelia Lehmann

Und es gibt sie doch, die Fernsehmomente, über die alle reden: Bei Markus Lanz im ZDF war es am Donnerstagabend so weit, als der Philosoph Richard David Precht und der Sozialpsychologe Harald Welzer mit zwei prominenten Journalisten über die Kritik am Journalismus diskutierten, die sie in ihrem Buch „Die vierte Gewalt“ veröffentlicht haben.

Der Hauptvorwurf, der bereits im Untertitel steht, lautet: „Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist“. Um dieses Meinungsmachen zu belegen, greifen sich die beiden Autoren unter anderem das Beispiel des Ukraine-Krieges heraus. Precht und Welzer vertreten eine Haltung, die aus ihrer Sicht von der medialen Mehrheitsmeinung abweicht. Sie wenden sich gegen eine Unterstützung der Ukraine mit schweren Waffen, da das die Gefahr eines Weltkriegs heraufbeschwöre und auch das Leid der Zivilbevölkerung in der Ukraine nicht mindere, sondern verlängere. Sie plädieren für eine Verhandlungslösung mit Russland und einen Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren könnten.

Eine mediale Kränkung

Mit dieser Position geriet Welzer bereits im Mai in der Talkshow von Anne Will in einen verbalen Schlagabtausch mit dem ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk. Melnyk diskreditierte Welzer ziemlich plump und warf ihm unter anderem „moralische Verwahrlosung“ und Ahnungslosigkeit im Professorenzimmer vor. Welzer unterlief ein Faux-Pas, der jemandem, der sich professionell mit Erinnerung befasst, nicht hätte passieren dürfen: Er benutzte die deutsche Erfahrung mit dem Zweiten Weltkrieg, um gesellschaftliche Ängste vor einem Weltkrieg zu begründen.

Das klang nicht nur für Melnyk wie eine Täter-Opfer-Umkehr, zumal die Deutschen damals einen verbrecherischen Angriffskrieg führten, der nur durch die militärische Gewalt der Alliierten beendet wurde – und nicht durch Verhandlungen mit Hitler. Und so sprach Welzer in überheblichem Tonfall zu einem, dessen Land gerade angegriffen wird und dessen Mitbürger:innen Opfer von Kriegsverbrechen werden, in der Tat so, als sei er Teilnehmer in einem Welzer’schen Seminar zur familiären Erinnerungsgeschichte. Dass es „nur zynisch klingen kann, wenn ein Nachfahre der Aggressoren im Zweiten Weltkrieg ausgerechnet gegenüber dem Vertreter des aktuellen Angriffsopfers besseres Wissen über die Lehren aus der Geschichte reklamiert“, wie Lukas Wallraff in der „taz“ treffend schrieb, sieht Welzer bis heute nicht ein.

Gegen diese mediale Kränkung wehrte sich Welzer schon kurze Zeit nach der Will-Sendung im RND-Podcast „Die Wochentester“ mit Argumenten, die nun auch im Buch zentral sind: Es sehe so aus, so Welzer, „als habe sich die komplette Medienblase auf eine Interpretation des gegenwärtigen Konflikts geeinigt – und wir sind gewissermaßen die Partykiller.“ Die Reaktionen auf seinen Auftritt seien daher ein psychologischer Affekt. Kritik als Affekt der anderen zu bezeichnen, ist immerhin ein interessanter Versuch, die eigene Position gegen diese Kritik zu immunisieren.

„Das steht nicht im Buch!“

Harald Welzer und Robin Alexander

Bei Lanz hatten die beiden Autoren nun die Gelegenheit, im direkten Streitgespräch mit Melanie Amann vom „Spiegel“ und Robin Alexander von der „Welt“ ihre Kritik am Journalismus darzulegen. Alexander führte aus, das Buch erhebe zwei Vorwürfe, die sich gegenseitig widersprächen: zum einen, dass man zu nah an der Regierung sei und deren Position lediglich übernehme, zum anderen, dass man die Regierung in der Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine moralisch vor sich hertreibe, um sie zu solchen zu nötigen. Da behauptete Precht einfach: „Nö, steht nicht im Buch.“ Dort stehe stattdessen, dass sich Journalisten und Politiker trotz einer in Wirklichkeit unübersichtlichen Situation auf ein Narrativ zum Krieg geeinigt hätten.

Nein. Tatsächlich ist es genau, wie Alexander sagte. Einerseits beschreiben die Autoren den „immensen und immer stärker anwachsenden medialen Druck“ auf den zögernden Bundeskanzler, schnell mehr Waffen und insbesondere „schwere Waffen“ zu liefern. Andererseits heißt es nur wenige Seiten später: „Im Angesicht von Kriegen rücken die Medien sehr nahe an die Regierung heran. (…) Das Dilemma bei der konzertierten Übernahme des Regierungs-Narrativs durch sämtliche Leitmedien aber ist, dass sie nun nicht mehr in der Lage sind, die Position eines Dritten gegenüber den Angegriffenen und den Angreifern einzunehmen; jene Position, die auf bestmögliche Weise dazu geeignet ist, objektiv über das Geschehen und seine Deutungsmöglichkeiten zu berichten.“

Robin Alexander wollte anhand verschiedener Beispiele deutlich machen, dass selbst in der grundsätzlich äußerst Russland-kritischen „Welt“ sehr unterschiedliche Positionen und vom vermeintlichen Mainstream abweichende Meinungen zu lesen waren:

Darauf entgegnete Precht, Alexander habe „von 1000 Artikeln eine Ausnahme gefunden“ und sei „auch noch stolz drauf“.

Als Melanie Amann später darauf hinwies, dass Precht seine Zahlen (er sprach auch noch von 500 und 2000 Artikeln) einfach aus der Luft greife, verwiesen beide Autoren darauf, dass das Buch keine empirische Studie sei, diese werde aber noch folgen. Amann erwiderte, weder Precht noch Welzer könnten ihre Behauptungen mit Fakten oder Daten untermauern: „Die Leute, die das Buch jetzt kaufen, bekommen die Behauptung ohne die Recherche.“

Richard David Precht und Melanie Amann

Tatsächlich steht im Buch sogar ein weit stärkeres Diktum über die angebliche Einseitigkeit der deutschen Leitmedien:

„Auffällig ist auch, dass diese Konformität im deutschen Journalismus stärker ist als etwa in Frankreich und in vielen anderen europäischen Ländern, ja, sogar geschlossener als in den USA, wo die Herausgeber der ‚New York Times‘, der einflussreichsten Zeitung der Welt, dem Weißen Haus vorwarfen, mit seinem militärischen Engagement den ‚langfristigen Frieden und die Sicherheit auf dem europäischen Kontinent‘ zu gefährden. Ein derartiger Chef-Kommentar in der ‚Zeit‘, im ‚Spiegel‘, in der ‚Welt‘, der ‚Süddeutschen Zeitung‘ oder der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘ – im Frühjahr oder Sommer 2022 undenkbar!“

Diese Behauptung entpuppt sich allein anhand von Alexanders Auswahl als falsch – von der Frage, wie die Autoren auch noch einen internationalen Vergleich (jenseits eines einzigen „New York Times“-Artikels) bewältigt haben, ganz abgesehen.

Anscheinend haben die Autoren noch nicht mal ihr vermeintliches Leuchtturmbeispiel sorgsam ausgewählt. Als Quelle geben sie im Buch erstaunlicherweise nicht das Original an, sondern die „Berliner Zeitung“, die den Artikel originell interpretiert. Die „New York Times“ klinge „plötzlich wie Sahra Wagenknecht“, behauptet sie: Sie fordere Biden dazu auf, Selenskyj Einhalt zu gebieten, und vertrete das Gegenteil dessen, was sie noch im März vertreten habe.

Wer sich das Original durchliest, muss an dieser Deutung Zweifel hegen: Die Hauptforderung der „New York Times“ besteht vor allem darin, von Biden Führungsstärke einzufordern und klare Ziele und Grenzen amerikanischer Unterstützung zu definieren. Das im März formulierte Ziel der bedingungslosen Unterstützung ukrainischer Souveränität dürfe sich dagegen nicht verschieben. Precht und Welzer verkürzen das.

Das permanente Abstreiten dessen, was angeblich nicht im Buch stünde, machte einen nicht unerheblichen Teil der Sendung aus. Robin Alexander führte aus, eine der ersten Forderungen der Ukraine sei eine Flugverbotszone gewesen. Diese sei von der Bundesregierung (als direkter Kriegseingriff der NATO) zurückgewiesen worden – und deutsche Leitmedien hätte sich keineswegs einhellig hinter diese Forderung gestellt. Dies komme im Buch aber gar nicht vor. Darauf entgegnet Precht: „Die Flugverbotszone kommt in unserem Buch vor“ – und behauptet sogar, eine entsprechende Einlassung von Springer-Chef Mathias Döpfner werde zitiert.

Die Wahrheit ist: Die Flugverbotszone kommt im Buch mit keiner Silbe vor, genau wie von Alexander konstatiert. Entweder weiß Precht nicht, was in seinem Buch steht (oder vielleicht auch, was möglicherweise mal im Manuskript stand, aber dem Redigat zum Opfer gefallen ist) oder er lügt.

Auch als Melanie Amann die Haltung der Autoren zum Thema „Direktmedien“ (so nennen Precht und Welzer Twitter, TikTok und andere Soziale Medien) mit „generelle Verteufelung“ zusammenfasst, weist Precht diese Einschätzung entrüstet und mit großer Gestik zurück. Dabei versteigt er sich zu der Aussage, Amann habe wohl schlicht „nicht verstanden, worüber wir reden“, denn dass Twitter „Teufelswerk“ sei (wohlgemerkt: Amann sprach von „genereller Verteufelung“) stehe „einfach nicht“ im Buch.

Richard David Precht

Doch was im Buch dazu steht, ist unter anderem Folgendes:

„Erschreckender noch sind das moralistische Hyperventilieren und der Hang zur Diffamierung Andersdenkender – gefährliche Übernahmen aus der Unkultur der Kommunikationsformen in den Direktmedien, für die Deutschlands Qualitätspresse zuvor gerade nicht bekannt war. […] Der Reichweiten- oder Erregungsjournalismus der Direktmedien verließ sein ursprüngliches Habitat und siedelte sich überall dort an, wo die Leitmedien verzweifelt auf Kundenfang gingen. […] Im Zeitalter der Direktmedien bemisst sich Qualität halt nach der Quantität, nach Quoten und Klickzahlen.“

Wer diese (und zahlreiche andere Stellen) des Buches zusammenfassend als „Verteufelung“ interpretiert (wie Amann), macht sich wohl kaum der üblen Nachrede schuldig.

War früher alles besser?

Man findet im Buch andauernd weitere Behauptungen, die einer näheren Überprüfung nicht standhalten. So verweisen die Autoren etwa in nostalgischem Tonfall darauf, der sogenannte „Historikerstreit“ 1986/87 (in dem es grob vereinfacht um konservativen Geschichtsrevisionismus und die Frage der Singularität der Shoah ging), sei zwar „ziemlich intensiv und hart in der Auseinandersetzung“ gewesen, aber man werde „keinen personalistisch geführten Debattenbeitrag finden; keinen Text also, in dem die Persönlichkeiten der Streitenden oder ihre Eigenschaften verhandelt würden. Qualifizierungen wie ‚herablassend‘, ‚ahnungslos‘, ‚naiv‘ usw.“, werde man vergeblich suchen, „Stil und Form der Auseinandersetzung“ seien damals deutlich anders als heute. „Eine solche harte sachliche Auseinandersetzung um Geschichtsauffassungen wäre in der Öffentlichkeit gegenwärtig nicht mehr möglich“, so die Autoren.

Wirklich? So beschrieb Peter Schneider 1987 in der „Zeit“ „Stil und Form der Auseinandersetzung“:

„Das Interesse des Publikums verdankt sich wohl eher jener Art Neugier, die ein Badephoto der britischen Königsfamilie erregt. Plötzlich sah man die Würdenträger einer Zunft, die ihre Arbeit, einer alten Legende zufolge, sine ira et studio verrichtet, ohne Kopfschutz im Ring antreten. Dort schlugen sie sich Schimpfwörter wie „Demagoge“, „Regierungshistoriker“, „konstitutioneller Nazi“, „Himmlerapologet“ um die Ohren. Auf einmal wurde es offenbar, daß auch Historiker Leidenschaften besitzen.“

Wie häufig bei der Überprüfung kulturpessimistischer Prognosen bleibt am Ende vom nostalgischen Blick vor allem eines übrig: Früher war nicht alles besser, sondern höchstens anders.

Auch in der Lanz-Sendung ließ der Umgang von Precht und Welzer mit Erinnerung und deutscher Vergangenheit (und ihrer Bewältigung) zu wünschen übrig: Der Verlag hatte das Buch zunächst damit beworben, die deutschen Leitmedien hätten sich „selbst gleichgeschaltet“ – und damit einen NS-Begriff benutzt, der historisch für den mit den „Gleichschaltungsgesetzen“ forcierten Terror des Regimes gegen oppositionelle Parteien und Personen, unabhängige Medien, Kunst und so weiter steht. Die Kritik daran tun Precht und Welzer seitdem als Nebensache ab, schließlich sei der Text geändert worden, dort heißt es nun „Selbstangleichung“.

Tatsächlich drehten sie den Spieß sogar um: Precht empörte sich wortreich über die T-Online-Chefreporterin Miriam Hollstein, weil die getwittert hatte, er sei nun „endgültig im Schwurbellager“ angekommen. Zugegebenermaßen ist der Tweet eine ziemlich stumpfe Polemik (und möglicherweise auch im juristischen Sinn ehrenrührig). Doch statt dagegen vorzugehen, behauptet Precht seitdem, Hollstein habe das Buch kritisiert, ohne es zu lesen.

Ähnliches behaupten die Autoren auch über den „Tagesspiegel“-Redakteur Joachim Huber, weil der die Ankündigung des Verlages zu einer Meldung gemacht hatte: Im RND-Podcast „Geyer & Niesmann“ legen die Autoren noch einmal nach und zwar damit, dass „Doofheit früher keine Tugend gewesen“ sei, ein Satz, den Welzer „noch einmal bekräftigt“ wissen wollte. So viel musste zu Stil und inhaltlicher Debatte offenbar noch gesagt werden.

Nonchalanter Umgang mit Erinnerung und Wahrheit

Es stimmt allerdings schlichtweg nicht, dass Buchrezensionen erschienen wären, ohne dass die Rezensenten das Buch gelesen hätten. Was stimmt, ist, dass die Autoren offenbar eine Verlagsankündigung freigegeben haben, in der deutsche Leitmedien mit einem Begriff aus dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch belegt wurden. Die Empörung darüber war und ist völlig berechtigt, und die Nonchalance, mit der Welzer bei „Lanz“ sagt, es sei „unerheblich, weil wir es geändert haben und es im Buch nicht vorkommt“, ist für jemanden, der für sich reklamiert, gegenüber Sprache, Geschichte und Erinnerung äußerst sensibel zu sein, ein starkes Stück, um nicht zu sagen: eine Frechheit.

So zu tun, als hätten Hollstein und Co. in Unkenntnis ein Buch rezensiert und darüber auch noch charakterliche Urteile gefällt, ohne zu erwähnen, woran sich diese Reaktionen entzündeten, ist darüber hinaus unredlich. Und es erinnert fatal an genau jene Methoden der Aufmerksamkeitsökonomie, mit denen Precht und Welzer angeblich nichts zu tun haben wollen: erst Krawall erzeugen, um dann zurückzurudern.

Precht und Welzer agieren als öffentliche Intellektuelle, allerdings mit einem bemerkenswerten Unterschied beispielsweise zu den Beteiligten am Historikerstreit, den die Autoren als Positiv-Beispiel für Streitkultur in ihrem Sinne anführen. Denn dort stritten (Tonfall und Stil dahingestellt) tatsächlich vor allem Koryphäen ihres Fachs – der akademischen Geschichtswissenschaft – über die Einordnung der deutschen Zeitgeschichte. Die berühmteste Ausnahme bildet Jürgen Habermas, dessen Rolle als (Mit-)Auslöser des Historiker-Streits zwar nicht direkt mit seinem eigenen wissenschaftlichen Wirken als Philosoph zu tun hatte, dafür aber sehr viel mit der Rolle des öffentlichen Intellektuellen, deren Geschichte und Gegenwart er selbst in „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ skizziert hatte.

Precht hingegen ist vor allem eine Medienfigur. Er hat philosophische Populärliteratur geschrieben, die ihre Verdienste hat, weil sie einem breiten Publikum einen unterhaltsamen und verständlichen Einstieg in philosophische Grundgedanken und Gebäude bietet. Das ZDF bezeichnete ihn abwechselnd als „TV-Moderator“, „Publizist“, „Bestsellerautor“ und „Philosoph“. Doch letzteres ist er trotz zweier Honorarprofessuren, die vor allem seiner Bekanntheit geschuldet sind, nur im populären Sinn. Einen nennenswerten Beitrag zur akademischen Philosophie leistet er nicht.

Welzer hat als Soziologe und Sozialpsychologe durchaus wissenschaftlich geforscht, wobei sein 2002 erschienenes Hauptwerk „Das kommunikative Gedächtnis“ öffentlich eher weniger wahrgenommen wurde. Bekannter sind seine Bücher über die familiäre Erinnerung an den Nationalsozialismus („Opa war kein Nazi“) und über Kriegsverbrecher und Massenmörder („Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden“). Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde auch er vor allem durch seine publizistische Tätigkeit, die sich in den letzten Jahren vermehrt um die sozialen, ökologischen und ökonomischen Folgen des Klimawandels dreht. Er hat (zusammen mit Diana Kinnert) einen wöchentlichen Podcast bei Phoenix, kommentiert ebenfalls wöchentlich auf Radio Eins und ist in vielen Talkshows zu Gast.

Das medienkritische Geschäft

Nähmen die Autoren den hehren Anspruch an Nähe und Distanz im Journalismus ernst, müssten sie sich eigentlich fragen, warum Precht in einer Sendung, mit deren Moderator er einen Podcast hat, in einem Sender, in dem seine eigene Sendung läuft, über mehr als eine Stunde zusammen mit seinem Co-Autor schamlos das eigene Buch bewerben darf. Am Ende der Sendung sprach Robin Alexander diese Merkwürdigkeit indirekt an, indem er amüsiert einwarf, „nur an Lanz“ hätten sich die Autoren mit ihrer Kritik nicht „rangetraut“, woraufhin Lanz erwidert, das stimme nicht, er könne „jetzt mehrere Stellen zitieren“. Tatsache ist: Lanz oder seine Sendung kommen in dem Buch nicht namentlich vor.

Wenn Compliance überhaupt irgendetwas bedeuten soll, dann dass es genauso so eine Sendung in dieser Konstellation im ZDF eigentlich nicht geben dürfte. Dann wäre uns aber ein äußerst erhellendes Kapitel Fernsehgeschichte entgangen. Doch das ist eben auch das Ärgerliche. Es nützt nichts zu konstatieren, dass Precht und Welzer durchaus wichtige Fragen aufwerfen, die allerdings auch schon seit Jahren aufgeworfen werden: einseitige Berichterstattung, Regierungsnähe, Gruppendenken, Ausgrenzung Andersdenkender. Über all das kann und sollte man nachdenken, allerdings wäre es vielleicht angebrachter, man spräche dann auch mit echten Expert:innen zum Thema.

So erwähnen Precht und Welzer zum Beispiel die „Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen“ leider nicht, obwohl sie als langfristig angelegte Studie zum Medienvertrauen bereits seit 2008 in bislang sieben Befragungswellen Entwicklungen, Ursachen und Folgen des Medienvertrauens erhebt – und zwar ohne Auftraggeber, im reinen Forschungsinteresse. Dabei wurde bei der Publikation der Ergebnisse der letzten Welle 2021 „ein deutlich gestiegenes Vertrauen in die Medien“ festgestellt.

Auch das heißt in keiner Weise, dass es im Journalismus nichts zu kritisieren gäbe. Aber wer ernsthaft „in Sorge“ um den medialen und demokratischen Diskurs ist, wie Precht und Welzer es behaupten, von dem dürfte man als erstes erwarten, seine Hausaufgaben zu machen, anstatt Dampfplauderei zu betreiben. Doch dann hätte man womöglich keinen neuen Bestseller mit der eigenen Medienpräsenz als Vehikel. Bei Lanz zu bewundern war demzufolge ein Perpetuum mobile der Aufmerksamkeitsökonomie. Alle reden drüber – wir auch.

36 Kommentare

  1. Dankenswerterweise berichtet ihr darüber. So konnte ich die Stunde Lebenszeit anders nutzen: mit Kelleraufräumen.

  2. Zu den unwahren „Ist nicht wahr“ – Stellen gehört noch Alexanders Vorwurf, Welzer habe gegenüber Melnyk aus seiner eigenen Familiengeschichte heraus argumentiert ( „haben Sie nicht gesagt „aus Weizsäckers Familie oder meiner Familie“? „), woraufhin Welzer sagte, den Satz habe er nie gesagt. Welzers Widerrede ist insofern korrekt, als das der Teil zu Weizsäcker unklar formuliert ist. Zu seiner eigenen Familie sagte er das aber.

  3. Toller Text, der leider zu wenig daran ändern wird, dass Prechts und Welzers bauchfühliges Buch das Bauchgefühl vieler Leute treffen wird. Damit wird auch der Nachfolger garantiert ein Erfolg.
    Denn beide, Precht und Welzer, spielen gerade die kritisierte Klaviatur der Sozialen Medien sehr gut, nahezu perfekt.

  4. Ich könnte mir vorstellen, die inneren Widersprüche im Buch und das Unwissen darüber, was drin steht, rührt daher, dass Precht und Wenzel ihre Teile recht unabhängig voneinander geschrieben haben und nicht (aufmerksam genug) nachgelesen haben, was der jeweils andere schrieb. Passte immerhin zur allgemeinen Recherchefaulheit, die ihnen ja auch in anderen Artikel hier auf Übermedien attestiert wurde.

  5. Toller Artikel! Ich möchte die Feststellung Scheufens noch konkreter machen, Welzer hat glatt gelogen als er widersprach er hätte seine eigene Familiengeschichte nicht gegenüber Melnyk erwähnt. Das tat er nämlich sehr wohl in der Sendung vom 8. Mai.

    Zitat aus der ZEIT, die die Sendung zitiert (zentrale Stelle mit ** hervorgehoben):
    > Es dauerte genau eine halbe Stunde, bis Welzer seine Antwort dazu formulierte: „Zum 8. Mai“ wolle er „gerne was sagen, nämlich über die Sprecherposition“: „Wir sprechen als Mitglieder dieser Gesellschaft vor dem Hintergrund einer Kriegserfahrung, die durch die Generationen durchgezogen hat, und da ist möglicherweise in jeder Familie derjenigen der 45 Prozent gegen die Lieferung eine ganz präsente Kriegserfahrung in der Familie selber drin. **Ich könnte meine eigene erzählen** oder wir könnten zum Beispiel Bezug nehmen auf die Rede von Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985, die legendäre Rede, wo die Person Richard von Weizsäcker von ‚Befreiung‘ gesprochen hat, obwohl sein eigener Vater in Nürnberg verurteilt worden ist als Kriegsverbrecher.“ Abschließend riet er im paternalistischen Tonfall Melnyk: „Bleiben Sie beim Zuhören!“
    Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2022-05/kriegserfahrungen-anne-will-andrij-melnyk-harald-welzer-ukraine-krieg/komplettansicht

  6. Sarrazin hat noch sperrige Pseudostatistiken herbeigezogen, um seine kruden Thesen zu untermauern. Welzer/Precht sind da schon einen Schritt weiter zugegangen auf ihre Zielgruppe, die potentielle Käuferschicht. Schappoh! So sieht echter Fortschritt aus in unsrer aktuell gescholtenen „Mediokratie“. (Also wenigstens im Sinne der Gewinnmaximierung…)

  7. Nun arbeite ich wissenschaftlich an einer schwedischen Uni mit einem halben Standbein in der Medien- und Kommunikationswissenschaft und kann mit ziemlicher Sicherheit sagen: Wer behauptet 0,1% eines Samples (1 von 1000 Artikeln) zeigen irgendwas dann bin ich sehr, sehr skeptisch. 500, 1000 oder 2000 Artikel analysiert man auch nicht mal eben so und beide Autoren arbeiten nicht quantitativ in diesem Bereich. Sehr viel Lärm und nichts…

  8. Sehr starke Analyse und vielen Dank fürs Nachblättern. Zu Precht und Welzer sollte wirklich alles gesagt sein.

    Ich würde aber zu der Szene mit Prechts meme-gewordenen Mansplaining-Ausraster gerne noch etwas hinzufügen: Ganz so einfach ist es nicht. Der Szene voraus ging ein Redebeitrag von Welzer, der eine Kernthese des Buches darlegte, dass die Medien sich bestimmte Charakteristika von Social-Media-Debatten für ihre Berichterstattung angeeignet hätten. Amann antwortete falschdeutend, dass man in den Redaktionen längst nicht mehr blind Tweets übernehme, was nicht der Punkt war. Daraufhin der Raster von Precht, im Stil brutal daneben, aber dahingehend richtig, dass Frau Amann diese These tatsächlich entweder nicht verstanden hatte oder bewusst an dieser vorbei argumentiert hatte. Er wiederholte dann nochmal sehr ausführlich, was Welzer vorher schon gesagt hatte, und Amann wollte oder konnte immer noch nicht darauf eingehen, sondern wiederholte weiterhin missdeutend ihre Aussage von vorher.

    Durch Schnitzer solcher Art und Amanns oft süffisante Art (die als Gegenpol zur triefenden Arroganz der beiden sicher auch angebracht war) durften die beiden leider wieder in ihre übliche Opferrolle schlüpfen. Auch Lanz schnitzte hier in meinen Augen einmal hart, als er nicht anerkennen wollte, dass er als Beteiligter an seiner eigenen Sendung schwerlich eine neutrale Beobachterrolle über diese einnehmen könne, und Welzer für diese Aussage deutlich zurechtwies.

    Eine aufschlussreichere Auseinandersetzung mit dem Buch hat übrigens im vorher aufgezeichneten Lanz-Precht-Podcast stattgefunden, wo Lanz engagiert Kontra gab und deutlich klarer wurde, wo die gedanklichen Sollbruchstellen von Precht liegen.

  9. Ich finde es vor allem beeindruckend, dass sich niemand über die Überheblichkeit von Precht und Welzer beschwert, die ja offensichtlich annehmen, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht in der Lage wäre, Medienberichte kritisch einzuordnen. Sie kommen gar nicht auf die Idee, dass die Mehrheitsmeinung nicht alleine durch die Medien gemacht wird, sondern eben noch viele andere Faktoren eine Rolle spielen. Die „paar Ausnahmen von 1000 Artikeln“ spiegeln einfach nur das Meinungsbild in Deutschland wider, nicht umgekehrt. Was Precht & Welzer sich aber offenbar wünschen, ist die berühmte False Balance (die sie in dieser Sendung und im Podcast ja auch bekommen haben).

  10. Entlarvend für Precht und Welzer – leider. Weder mit dem Lanz-Auftritt noch dem offenbar schluderig zusammengeschriebenen Buch haben sich die beiden selbst oder der öffentlichen Debatte einen Gefallen getan.

    Vielen Dank für den differenzierten und akribisch recherchieren Beitrag!

  11. Von allen Twitter-Debatten zur Sendung ist dies die beste Einschätzung. Mir fehlt nur noch die Erwähnung von Prechts körperlich übergriffigem Verhalten gegenüber Ammann, das in die Meme-Gestaltung für „Mansplaining“ eingegangen ist.

  12. Jetzt bestärkt sich jeder Journalist gegenseitig, dass die Kritik der „Selbstangleichung“ von Precht & Welzer nicht stimmt, dann können wir ja so weiter machen wie bisher und alle sind glücklich.

  13. Nach ca. 30 Minuten musste ich aufhören mir die Lanz-Ausgabe mit diesen selbstverliebten pseudointellektuellen Gockeln anzuschauen.

    Beiden trieft aus jeder Pore die gefühlte Erhabenheit über jede Kritik. Zu Recht verweist man Herrn Precht, den „Experten“ in das Reich der Schwurbler, zeichnet er sich doch durch genau die gleiche unerschütterliche Überzeugung aus mehr, besser und tiefer alles in dieser Welt verstanden zu haben.

    Tragisch daran ist die Fülle an kritikfreien Bühnen die dem Herrn geboten werden.

  14. Wenn uebermedien zu dieser wichtigen Frage, die Welzer und Precht mit ihrem Buch aufwerfen, auf diesem Niveau bleibt, kündige ich mein Abo. Das ist ein Artikel, der in seiner Selbstgefälligkeit einmal mehr beweist, wie notwendig dieses Buch ist.

  15. Bin da ganz bei Herrn Ackermann: selbst wenn die Autoren ggf. den ein oder anderen Punkt haben, trägt ihr Auftreten in dieser Gesprächsrunde in keiner Weise dazu bei, dass man sich mit ihnen darüber in einen Dialog auf Augenhöhe begeben möchte. Denn offenbar besteht an Augenhöhe ihrerseits kein Interesse, was sich trefflich durch das demonstrative und mehrfache Fingernägelreinigen Welzers zeigte. Deutlicher kann man Verachtung ja kaum darstellen.

  16. Also wirklich Übermedien:

    Entweder schreiben Sie jetzt etwas, was meiner Meinung entspricht, oder ich kündige hier mein Abo!
    Und kommen Sie mir nicht mit „Inhalt“ oder „Recherche“.
    just kiddin,
    Ich wollte jetzt endlich auch mal mit Kündigung drohen.

    Guter Artikel. ( Und nein, wieder hat niemand behauptet, es gäbe an der Medienwelt nichts zu kritisieren. )

  17. Wie können Sie es wagen, meine Einschätzung zu bestätigen.

    Besten Dank für den Beitrag.
    Ich hatte ja trotz Warnungen auf Twitter mich auf die Sendung über Mediathek mit doppelter Wiedergabegeschwindigkeit eingelassen. Anschließend war ich hin- und hergerissen, ob ich mir bei nächster Gelegenheit, das Buch einmal ausleihe, um es einmal gegenzulesen, um die Diskussion besser einordnen zu können. Allerdings fand ich das Auftreten der „Autoren“ im Ganzen dermaßen daneben, dass ich keine große Lust dazu verspürte.

    Danke, dass ihr mir die Entscheidung abgenommen habt, ich investiere lieber meine Zeit auf eurer Seite und die anderer Medien, national, wie international.

  18. Precht war schon immer ein Schwätzer, der sich ständig zu Themen äußert, von denen er nichts versteht (z.B. zu volkswirtschaftlichen Fragen, wie dem bedingungslosen Grundeinkommen). Dennoch ist die Einseitigkeit in der medialen Berichterstattung über den Ukrainekrieg wohl kaum zu leugnen. Natürlich hätten Precht und Welzer besser recherchieren müssen um das Offensichtliche auch in konkrete Zahlen zu gießen.

    Ein Autor auf „Makroskop“ hat neulich einen interessanten Check gemacht. Er hat für TAZ, Süddeutsche und FAZ in sämtlichen Artikeln aus 2003 (US-Invasion im Irak) sowie 2022 nach dem Wort „Angriffskrieg“ gesucht. Fazit: In der TAZ kommt das Wort heute 6 mal häufiger vor als 2003, in der Süddeutschen 11 mal häufiger und in der FAZ 22 mal häufiger.
    Meine These: Hätte der Autor nach „verbrecherischer Angriffskrieg“ gesucht, wäre die Häufigkeit mindestens um einen Faktor 100 größer gewesen. Zur Erinnerung: JEDER Angriffskrieg ist per Definition ein Verbrechen, man muss das also nicht extra dazu schreiben. Die Medien tun es trotzdem, aber halt nur dann, wenn Staaten involviert sind, denen „wir“ feindlich gegenüber stehen.

  19. Übrigens: Ich hätte mir hier auf Uebermedien einen Artikel gewünscht, der die mediale Berichterstattung rund um den Kriegsverbrecherprozess beleuchtet, der im Main in der Ukraine stattgefunden hat.

    Zur Erinnerung: Ein russischer Soldat ist auf seiner Flucht auf einen telefonierenden Zivilisten gestoßen und hat diesen erschossen, aus Angst, der Zivilist könnte seine Position verraten. Dafür wurde der Soldat zu lebenslanger Haft verurteilt, was, wenn wir unseren Medien glauben dürfen, ein starkes Zeichen dafür ist, dass „die Verbrechen der russischen Besatzer nicht ungesühnt bleiben müssen und dass der Krieg, auch wenn es oft so erscheint, kein rechtsfreier Raum ist“ (SZ).
    Ebenfalls zur Erinnerung: Den „Friedenstruppen“ in Afghanistan war es durchaus gestattet, Zivilisten mit Handy zu erschießen. Das Handy galt offiziell als Waffe; man will ja schließlich in keinen Hinterhalt der Taliban geraten. Australien untersucht gerade die Tötung von 39 afghanischen Zivilisten durch australische Truppen. Und das sind nur jene 39 Fälle, wo Fotos beweisen, dass das Handy erst nachträglich bei den getöteten Zivilisten platziert wurde (es war immer das gleiche).

    Gab es in irgendeiner Zeitung einen Artikel, wo das Erwähnung fand, damit der Leser die Ereignisse in der Ukraine besser einordnen kann? Gab es irgend eine Zeitung, die gefordert hat, die Verbrechen der westlichen Besatzer in Afghanistan mögen nicht ungesühnt bleiben? Falls ja, so habe ich es wohl überlesen.

  20. @25: Das Thema ist: Zwei Autoren behaupten, die Medien würden im Ukrainekrieg einseitig berichten. Die Berichterstattung rund um den Kriegsverbrecherprozess in Kiew zeigt eindrucksvoll, dass die beiden im Kern recht haben. Man kann anhand dieses Beispiels die Methoden erkennen, mit denen unsere Medien „Mehrheitsmeinungen“ erzeugen. Näher am Thema kann man kaum sein.

  21. @26: Sie halten den Verweis auf die (Nicht-)Berichterstattung über Kriegsverbrechen in Afghanistan für einen Beleg einseitiger Berichterstattung über die Ukraine? Das leuchtet mir nicht ein.
    Und welche Meinungen über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine vermissen Sie denn?

  22. @Helmut E.: Die beiden haben also „im Kern recht“, weil Sie anekdotisch im weitesten Sinne Fehlverhalten ( Nichtberichten ) der Medien meinen beobachten zu können?
    „Soldaten töteten Zivilisten und Gefangene: Australiens Armee …“
    tagesspiegel (19.11.2020)
    „Australische Kriegsverbrechen: Soldaten töteten afghanische …“
    Welt (19.11.2020)
    „Afghanistan: Australien will 13 Soldaten wegen … )
    Spiegel(27.11.2020)
    „Kriegsverbrechen verstören Australien (nd-aktuell.de)“ Neues Deutschland, „Australien ermittelt gegen Elitesoldaten“ – n-tv.de

    und so weiter und so fort.
    Wovon reden Sie eigentlich?

  23. @27: Ja, auch selektive Themensetzung ist ein Beweis von Einseitigkeit.

    @28: Ähnliche Artikel findet man übrigens auch zu britischen Elitesoldaten. Ach, das wussten Sie nicht? Man muss doch nur konkret danach suchen. Denn diese Artikel werden halt weniger prominent platziert als vergleichbare Ereignisse, an denen Russen beteiligt sind. Und natürlich sind Berichte über westliche Greultaten neutral und sachlich formuliert. Nirgendwo der Hinweis, dass die „Verbrechen der Besatzer nicht ungesühnt“ bleiben dürfen.

    Übrigens: In diesen Artikeln wird nur über jene Fälle berichtet, bei denen den ermordeten Zivilisten nachträglich ein Handy untergeschoben wurde. Wie viele Morde gab es, die aus Sicht der US-geführten Allianz vollkommen legal waren, weil die Ermordeten tatsächlich ein Handy dabei hatten? Wir werden es wohl nie erfahren.
    Man kann zu solchen Vorfällen durchausunterschiedliche Meinungen vertreten; z.B. die Tötung eines Zivilisten aufgrund eines Handys als furchtbares Kriegsverbrechen ansehen, oder auch als legitimen Akt der Selbstverteidigung. Der Punkt ist: man sollte unabhängig davon urteilen, ob der Schütze nun aus Australien, Großbritannien, den USA oder aus Russland ist. Das ist in unseren Medien augenscheinlich nicht der Fall. Fälle mit russischer Beteiligung dominieren tagelang die Schlagzeilen und man „vergisst“ dazuzuschreiben, dass westliche Einheiten seit Jahren auf die gleiche Weise verfahren. Ich finde, dass das eine relevante Information für die Leser wäre, um die Geschehnisse besser einordnen zu können.

  24. @29
    Erst werden keine Artikel dazu veröffentlicht, nachdem die Links zu genau diesen Artikeln auftauchen, werden sie nicht deutlich genug platziert.

    Sehr flexible Meinung haben Sie da.

  25. @29 Sie schreiben, „Fälle mit russischer Beteiligung dominieren tagelang die Schlagzeilen“. Ist das ein Wunder, wenn Russland gerade jetzt einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt? Ich komme, je länger ich Ihren Einlassungen folge, zu dem Schluss, dass es Ihnen gar nicht um „Ausgewogenheit“ geht, sondern schlicht um Verharmlosung russischer Kriegsverbrechen durch Relativierung.

  26. @30 Ich habe nicht behauptet, dass es dazu keine Artikel gibt. Ich habe lediglich festgestellt, dass kein Artikel, der über den Kriegsverbrecherprozess in Kiew berichtet, die für die Leser durchaus relevante Information enthält, dass auch westliche Soldaten regelmäßig Zivilisten erschießen, weil diese Handys dabei haben. Bitte lesen Sie genauer und konstruieren Sie nicht Widersprüche, wo keine sind. Sonst müsste man das als „flexiblen Umgang mit der Wahrheit“ ansehen und nicht bloß als Schlamperei.

    @31 Wer Ausgewogenheit fordert, dem geht es also gar nicht um Ausgewogenheit? Interessante These. Aber bevor wir diesen Gedanken weiterverfolgen, überlegen wir zuerst, welches Kriegsverbrechen „relativiert“ werden soll. Konkrete Frage: Ist es ein Kriegsverbrechen, wenn ein Soldat im Feindesland einen Zivilisten erschießt, nur weil dieser ein Handy dabei hat und damit die Position des Soldaten verraten könnte? Mögliche Antworten sind:
    a) Ja klar, Zivilisten erschießen ist immer ein Verbrechen.
    b) Nein, es ist Selbstverteidigung weil der Zivilist das Leben des Soldaten gefährden könnte.
    c) Es ist nur dann ein Verbrechen, wenn der Soldat Russe ist. Bei Briten, Australiern, Deutschen oder US-Amerikanern ist es Selbstverteidigung.

    Bitte um ehrliche Antwort.

  27. War tatsächlich nahezu verstört, wie pampig-beleidigt die beiden in der Sendung saßen. Absolute Kritikresistenz und dann die ganzen Behauptungen, die sich im Nachhinein – und beim Lesen des Buches – nahezu vollumfänglich als falsch herausstellen.
    Bei solchen Sendungen frage ich mich teilweise, ob es vielleicht Zeit für Live-Faktenchecks ist. Bei den diversen „das steht nicht im Buch“ Ausreden von Precht wäre es sehr praktisch, wenn man im Hintergrund einfach mal schnell nachschauen und Lanz dann die entsprechenden Stellen im Buch aufs Ohr schicken könnte. Ansonsten verlaufen diese Diskussionen da leider mehrfach wirklich ins Leere, obwohl es durchaus interessant und wichtig wäre, die beiden Mal mit der Tatsache zu konfrontieren, dass sie scheinbar ihr eigenes Buch nicht gelesen haben.

  28. @33 (von #30)

    Nun ich las: „Gab es in irgendeiner Zeitung einen Artikel, wo das Erwähnung fand, damit der Leser die Ereignisse in der Ukraine besser einordnen kann? Gab es irgend eine Zeitung, die gefordert hat, die Verbrechen der westlichen Besatzer in Afghanistan mögen nicht ungesühnt bleiben? Falls ja, so habe ich es wohl überlesen.“

    Und das liest sich mehr als „da gibt es keine Artikel“ denn „das wurde in den aktuellen Artikeln nicht ausdifferenziert“.

    Die Verwendung von „regelmäßig“ in Ihrem Beitrag empfinde ich krass.

  29. Dass Herr Welzer trotz allem noch immer im öffentlich-rechtlichen Radio (dem sehr geschätzten Radio1 des RBB) kommentieren darf, ist traurig. Denn es geht nicht um seine Meinungen (offensichtlich sympathisch faktenfrei hergeleitet), sondern vor allem um seinen Umgang mit Kritikern, wie Herrn Schumacher und Frau Amann. Da stellt sich jemand außerhalb des gesellschaftlichen Diskurses, diskreditiert und – jedenfalls wenn die Fakten dieses übermedien-Artikels stimmen – lügt. Aber offensichtlich ist die Sorge des Vorwurfs der wokeness zu groß… und so profitieren er und sein Co-Pilot durch regelmäßige (und honorierte) Auftritte im ÖRR. Das ist mal ein Zirkelschluss.

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