Das Wort „von“ ist der Adelstitel der Vermischtes-Spalte, das von Medien verliehene Prädikat für die verwandten oder sonst wie mit Promis verbandelten Personen, die den Reality-Hofstaat als „Freund von“ oder „Tochter von“ besiedeln. Ihre eigene Popularität mussten sie sich zuweilen ganz bürgerlich in den Sommerhäusern von RTL oder als „Queen“ des Promi-Shoppings hart erarbeiten. Und doch bleiben sie immerzu der oder die „von“.
Für Medien ist dieses „von“ wertvoll, denn so nichtig auch der Berichtsanlass ist, dieses „von“ treibt die Klickzahlen garantiert in die Höhe.
Patricia Blanco zum Beispiel ist die Tochter von Roberto Blanco, dessen Auftritt auf der Buchmesse 2017 sie vor laufenden Kameras störte. Davor hatte sie eine wenig erfolgreiche Coverversion eines Barry-Manilow-Hits dargeboten und später präsentierte sie sich bei einem Kurztrip ins RTL-„Dschungelcamp“. Es folgten Reality-TV-Gastspiele bei RTL und Sat.1.
Andreas Ellermann aus Reinbek bei Hamburg war bis zum Frühling 2023 der Freund von Patricia Blanco. Inzwischen ist er der Duett-Partner und (finanzielle Unterstützer) einer weiteren prominenten „Ex-Freundin von“, nämlich von Nadja Abd el Farrag.
Mit diesem Doppel-und-dreifach-von-Status katapultierte sich Andreas Ellermann in den Gossip-Olymp, wo er nun als zuverlässiger Schlagzeilen-Lieferant haust und von Medien so täglich wie möglich hofiert wird.
Mogul und Millionär
Als Ellermann vor vier Jahren als Patricia Blancos Begleiter debütiert, wird er in der Presse mal als Moderator, mal als Makler aus Hamburg vorgestellt. Mit zunehmender Bekanntheit an der Seite Patricia Blancos mutiert er vom „wohlhabenden Gönner“ zum angeblich schwerreichen Immobilien-Investor oder Immobilien-Mogul, dann zum Millionär und Multimillionär. In den Klatschspalten verzinst sich Geld schneller.
Im Gespräch hält sich das Öffentlichkeits-Paar damals mit dem üblichen Mix der Reality-Branche: Einblicke in die Wohnsituation, begleitete Aufenthalte bei Fachkräften des Körpertuning-Gewerbes und – die Königsdisziplin – öffentlich ausgetragene Konflikte rund um den Beziehungsstatus. Höhepunkt der Saison 2022 ist ein Auftritt auf dem „Bild“-Sommerfest in Hamburg. Wichtigstes Requisit: ein Verlobungsring.
So ein Heiratsantrag vor laufender Kamera hat immer eine gefährliche Nähe zur Peinlichkeit, aber dieser Auftritt auf einem Bootssteg der Außenalster ist die inszenierte Unterzeichnung eines Schengener Abkommens für die sofortige Aufhebung sämtlicher Schamgrenzen.
„Diesen Ring, weltexklusiv für die ,Bild‘, habe ich vorhin eingekauft, und den Ring wird sie im nächsten Jahr von mir bekommen“, sagt Ellermann und klappert mit einer Schmuckschatulle von Tiffany. „Schau ihn Dir gut an! Und ich frage jetzt einfach mal: Möchtest Du im nächsten Jahr …“
„Tiffany?“, fragt Patricia Blanco. „Was ist los?“
Darauf Ellermann: „Möchtest Du mal die Klappe halten …? Möchtest Du im nächsten Jahr meine Frau werden? Frag ich Dich einfach mal. Du, sag bitte nein, dann habe ich 10.000 gespart.“
(Was man so alles für „Bild“ macht, beantwortet auf dem Sommerfest die ebenfalls eingeladene Verena Kerth: „Also, ich persönlich würde ja alles für die ‚Bild‘-Zeitung möglich machen“, und ihr Partner Marc Terenzi betont: „Yes, alles!“ Darauf sie: „Ja, alles!“, was Marc mit „Alles!“ unterstreicht.)
Was fehlt? Eine dritte Hauptfigur!
Bis zu dem „Bild“-Sommerfest läuft noch der Viertakter eines herkömmlichen Reality-Star-Motors. Aber dann zündet Andreas Ellermann den Turbo.
Anfang 2023 trennt er sich von Patricia Blanco und findet bei „Bild“, „t-online“, „Focus“, „Stern“, „Bunte“, „tz“, „OK! Magazin“, RTL, ProSieben und im Feuilleton von „TAG24“ dankbare Abnehmer für seine Version des Beziehungsendes, denen er von der Konsumsucht seiner Ex berichtet, die auf den gleichen Kanälen von seinem Geltungsdrang erzählt. Was jetzt noch fehlt, um der Geschichte wirklich Drive zu geben, ist eine dritte Person, die die Trennungsarie mit Eifersucht aufladen kann.
Ein Dramatiker würde an dieser Stelle eine dritte Hauptfigur – als mögliche Rivalin platziert – ins Spiel bringen. Das könnte Spannung, Konflikte und emotionale Intensität in die Handlung bringen: Warum also nicht Nadja Abd el Farrag? Die war lange „die Freundin von Dieter Bohlen“ und wurde in der Öffentlichkeit noch bekannter, als ihr die bis dahin weitgehend unbekannte Verona Feldbusch über einige Wochen diesen Status streitig machte. Aber das war in einem anderen Jahrtausend.
Im aktuellen Jahrtausend sind die Schlagzeilen, die von ihr handeln, häufig tragisch. Es geht um Alkohol, Abstürze, Geldnot. Auch sie, die Frau, die viele als „Naddel“ kennen, ging in Reality-Formaten ein und aus.
Kurz bevor Andreas Ellermann in ihrem Leben auftaucht, ist sie abgetaucht. Ein angeblicher Freund, der Zugang zu ihren Social-Media-Kanälen besaß, startet einen Suchaufruf nach ihr. Monatelang habe er nichts von ihr gehört. Die Klatschpresse berichtet natürlich. Und kurz darauf ist Nadja Ab el Farrag wieder da und gibt zu Protokoll, sie habe sich zurückgezogen. Der angebliche Freund soll ihre Social-Media-Identität gestohlen haben. Sie wolle sich nun weiter aus der Öffentlichkeit heraushalten, erklärt Nadja Abd el Farrag.
Wird Ellermann ihren Wunsch nach Ruhe erfüllen? Die Antwort ist: Nein.
Ellermann will ihr helfen, behauptet er, und ernennt sie, nach Patricia Blanco, zur zweiten Botschafterin seiner Andreas-Ellermann-Stiftung, die nach eigenen Angaben Personen unterstützt, „die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes“ auf Hilfe angewiesen sind „oder wirtschaftliche Not leiden“. Abd el Farrag soll dort unter anderem Bedürftige bei einem Grillfest betreuen. Zwei Mal lässt sie angeblich Termine sausen und beide Male landet es in Echtzeit bei den Medienpartnern.
Ellermann vermittelt ihr eine Wohnung in Schwarzenbek, vor den Toren Hamburgs, und lässt eine „amerikanische Ledercouch“ aus eigenem Besitz anliefern. Gleich zwei Journalisten von „t-online“ berichten über Wohnung und Couch-Ankunft. Hätten sie einfach geholfen, die schwere Sitzgelegenheit reinzutragen, aber sie haben sich entschlossen, stattdessen drüber zu schreiben. Kurz darauf zieht Abd el Farrag wieder aus, weil ihr Schwarzenbek zu weit draußen ist – schönes Thema für eine weitere Story.
Die neuen Entwicklungen können auch der ersten Botschafterin der Andreas-Ellermann-Stiftung nicht verborgen bleiben, aber sie betont in einem 17-minütigen Instagram-Reel, „das Krönchen zu richten und weiterzugehen“. Bis Anfang August wohnt sie allein in Ellermanns Haus, während der seinen Part des Rosenkriegs inszeniert: den unfreiwilligen Hotel-Aufenthalt (teuer), den Streit um diverse Sachwerte (teuer), die Fahrten im Maybach (teuer) und die angeblichen Beziehungsinterna (ziemlich billig).
Gleichzeitig startet Ellermann, der sich gerne als Entertainer und Schlagersänger sieht und auch so nennt, ein Gesangsduo mit Nadja Abd el Farrag. Passend zum Namen seines YouTube-Kanals „Hossa Hossa TV“ nimmt er mit ihr die Single „Fiesta Mexicana“ auf. Im Juli treten sie mit dem Lied auf dem „Bild“-Truck beim Hamburger „Schlagermove“ auf. Mit auf dem LKW sind Erotik-Darstellerin Micaela Schäfer und Schauspielerin Yvonne Woelke, der schon im Februar 2023 eine Affäre mit Ellermann angedichtet wurde.
Ein Perpetuum mobile
Schwer zu entscheiden, wer in der Beziehung zwischen Medien und Andreas Ellermann nun das Wirtstier ist und wer der Symbiont. Die Instagram-Stories von Ellermann sind der Fundus, aus dem Medien Meldungen generieren; und sind sie erschienen, tauchen sie wiederum blitzschnell auf Ellermanns Instagram-Kanal auf, als Screenshot, seine private Presseschau.
Es ist ein Perpetuum mobile, eine gluckernde Güllepumpe aus Trash, die bereits mit minimaler Nährstoffanreicherung ein unfassbares Textwachstum düngt. In Spitzenzeiten sind allein auf „t-online“ mehrere Artikel am Tag von unterschiedlichen Autor:innen zu dem im luftleeren Raum wabernden Dreieck Ellermann-Blanco-Abd-el-Farrag zu lesen – und natürlich nicht nur dort. Stefan Schneider von „Bild“, zum Beispiel, fährt sogar an Ellermanns 58. Ehrentag raus nach Reinbek, um ihn bei seinem Geburtstags-Pils zu fotografieren. Ob er ebenfalls die „Berliner Leber mit Apfelmus“ bestellt hat, bleibt unerwähnt.
Der Staub, der aufgewirbelt wird, senkt sich mal hierhin, dann wieder in einer moderat umgeschriebenen Variante dorthin. Zum Beispiel das Erfolgsgeheimnis des Ellermanns, gelüftet am 1. Mai und am 20. Mai 2023 in „Bild“:
„Auf dem Weg zum NDR sprach ihn in der U-Bahn mal ein mysteriöser, älterer Herr an: ‚Im Alter werden Sie arm sein. Kaufen Sie sich eine Immobilie!‘ Gesagt, getan!“
So ein Tipp ist zu gut, um ihn den eigenen Lesern, die schließlich auch vor Altersarmut geschützt werden sollen, zu verheimlichen. Deshalb steht er dann, zwei Tage später, auch in „Bunte“:
„Auf dem Weg zur Arbeit sprach ihn irgendwann ein älterer fremder Mann an und riet ihm, sein Geld zu investieren: ‚Im Alter werden Sie arm sein. Kaufen Sie sich eine Immobilie!‘ Dem Rat folgte Andreas Ellermann – und machte mit Immobilien Millionen.“
Es wäre falsch, das als Unfug abzutun. Tatsächlich ist eine Immobilie, besser noch: sind mehrere Immobilien ein recht zuverlässiger Schutz gegen Verarmung. Aber immer auf die Lage achten!
Freunde fürs Medienleben
Während der ältere Mann, der ihn reich machte, anonym bleibt, sind die anderen Personen in Andreas Ellermanns Leben und Instagram-Kanal bekannt: Volksschauspielerin Heidi Kabel, Fußballer Uwe Seeler, Komiker Otto Waalkes und sogar Hamburgs erster Bürgermeister Peter Tschentscher, mit ihnen allen hat Ellermann schon einmal auf Fotos posiert.
Mit Tschentschers Vorgänger Olaf Scholz posierte er sogar zweimal, einmal bei einem Fußball-Spiel des HSV. Die Fotos tauchen in unregelmäßigen Abständen in Ellermanns Instagram-Storys auf. Da der Bundeskanzler aber nur ungern über seine Treffen mit Hamburger Multimillionären redet, reichen „Bild“ die Indizien, um Ellermann „Kanzler-Freund“ zu nennen und aus den Fotos eine „alte“ bzw. „langjährige Freundschaft“ zu stricken.
Das Ungefähre und Unscharfe plus ein paar pikante Infobrocken sind ein guter Humus für bunte Geschichten, die von einem Mann handeln, bei dem niemand so genau weiß, welcher Teil seiner Vita stimmt. Vielleicht ist es am ehesten die wunderschöne erste Version seines Wikipedia-Artikels, den ein User mit dem Namen „Andreas Ellermann“ schrieb:
„Mit seiner unverwechselbaren Art und Stimme hat Ellermann das Publikum bereits durch zahlreiche Veranstaltungen geführt, von Spiel- und Talkshows über Galaabende bis hin zu Produktpräsentationen. […] All dies führt seine Vielseitigkeit vor Augen. Er ist regelrecht in keine Schublade zu stecken und in der Perle des Nordens sowie weit darüber hinaus als ‚bunter Hund‘ bekannt.“
In dieser gerade mal 18 Monate alten Selbstbeschreibung bleibt der Broterwerb als so genannter Mogul völlig unerwähnt. Als 58-Jähriger ist man zu alt, um als Entertainer und Sänger zufällig von einer größeren Öffentlichkeit auch außerhalb Hamburgs entdeckt zu werden. Aber doch vernetzt genug, um sich selbst bekannt zu machen. Indem man etwa Frauen wie Nadja Abd el Farrag, deren Leben von Medien schon zur Genüge ausgeschlachtet wurde, vor Kameras für die eigenen Zwecke inszeniert.
Der Autor
Peter Breuer ist Kommunikationsdesigner und Texter. Als freier Konzeptioner in Hamburg beschäftigt er sich mit vor allem mit der Markenführung von Unternehmen und ihrem Employer Branding. Außerdem ist er ein begeisterter Zeitungsleser und ging schon an dieser Stelle für Übermedien in den Bahnhofskiosk.
5 Kommentare
@ »Aber dann zündet Andreas Ellermann den Turbo.«
Turbobrand der Woche?
„Stop making stupid people famous.“
„eine gluckernde Güllepumpe aus Trash“
Vielen Dank für diese präzise Beschreibung der allermeisten Boulevard-Postillen und speziell der BLÖD-„Zeitung“.
Ich hoffe ich kann die Existenz dieses Herren schnell wieder vergessen.
Mir war der Herr gänzlich unbekannt. Teotzdem (oder gerade deswegen) ein äußerst amüsanter Artikel aus der Welt der yellow press des 21. Jh.
Zitat Artikel:
“ … Es ist ein Perpetuum mobile, eine gluckernde Güllepumpe aus Trash, die bereits mit minimaler Nährstoffanreicherung ein unfassbares Textwachstum düngt …“
Im ganzen Artikeltext gab es mehrere heiße Anwärter, doch nur einer kann gewinnen. Obiges Zitat hatt es geschafft und kann sich rühmen, die besten Zeilen des ganzen herrlich stets mindestens leicht sarkastischen Gesamttext darzustellen.
Tja, die Klatschpresse eben, die einem eine Schlangengrube von Welt präsentiert, in der sich der Intriganten- und oft genug Faltenadel gegenseitig die Butter vom Brot nimmt und sich benimmt, wie der wilde Stier im alpinen Stadel.
@ »Aber dann zündet Andreas Ellermann den Turbo.«
Turbobrand der Woche?
„Stop making stupid people famous.“
„eine gluckernde Güllepumpe aus Trash“
Vielen Dank für diese präzise Beschreibung der allermeisten Boulevard-Postillen und speziell der BLÖD-„Zeitung“.
Ich hoffe ich kann die Existenz dieses Herren schnell wieder vergessen.
Mir war der Herr gänzlich unbekannt. Teotzdem (oder gerade deswegen) ein äußerst amüsanter Artikel aus der Welt der yellow press des 21. Jh.
Zitat Artikel:
“ … Es ist ein Perpetuum mobile, eine gluckernde Güllepumpe aus Trash, die bereits mit minimaler Nährstoffanreicherung ein unfassbares Textwachstum düngt …“
Im ganzen Artikeltext gab es mehrere heiße Anwärter, doch nur einer kann gewinnen. Obiges Zitat hatt es geschafft und kann sich rühmen, die besten Zeilen des ganzen herrlich stets mindestens leicht sarkastischen Gesamttext darzustellen.
Tja, die Klatschpresse eben, die einem eine Schlangengrube von Welt präsentiert, in der sich der Intriganten- und oft genug Faltenadel gegenseitig die Butter vom Brot nimmt und sich benimmt, wie der wilde Stier im alpinen Stadel.