Heimliche Paparazzi-Fotos

„Bild“ stalkt Markus Lanz über mehrere Tage und bis zur Schule seiner Kinder

Ausriss der "Bild"-Schlagzeile "Ein Lanz süßes Flirt-Ritual" vom 27.6.2023
Lanz und Elend des Wortspiels: „Bild” vom 27. Juni 2023 Ausriss: „Bild“

 

„Bild“ hat dem ZDF-Moderator Markus Lanz offensichtlich über einen längeren Zeitraum nachgestellt. In der Ausgabe von Dienstag schreibt das Blatt, in Lanz‘ Alltag gebe es „wieder eine Frau“, er verbringe „viel Zeit“ mit ihr. In welcher Beziehung die beiden zueinander stehen, lässt „Bild“ offen, insinuiert aber, sie würden sich nahestehen und es gebe ein „lanz süßes Flirt-Ritual“.

In dem Artikel heißt es:

„BILD hat beobachtet: Lanz und seine Begleitung […] treffen sich regelmäßig am frühen Morgen.“

Um das zu beobachten, hat „Bild“ Markus Lanz an verschiedenen Tagen verfolgt oder verfolgen lassen. Der Moderator und seine „schöne Begleitung“ wurden auf dem Weg zu einem Café beschattet und als sie durch „Hamburger Altbaustraßen“ spazierten. „Bild“ beschreibt, was die beiden in dem Café bestellen, wie sie sich geben und wie sie, in den Augen der Autorinnen, dabei wirken. Sogar als Lanz und die Frau ihre Kinder morgens zur Schule begleiteten, war das Boulevardblatt ihnen und den Kindern auf den Fersen.

Zur Illustration des Textes druckt „Bild“ verschiedene Fotos, auf denen Lanz und die Frau zu erkennen sind, aufgenommen anscheinend an unterschiedlichen Tagen und aus Entfernung. Es sind typische Paparazzi-Bilder, ein bisschen unscharf, aus einem Hinterhalt geknipst. Als Fotoquelle hat „Bild“ lapidar „Privat“ angegeben. Das Blatt nennt die Frau zudem mit Vor- und abgekürztem Nachnamen und schreibt abstrakt, wo sie arbeitet.

Eingriff in die Privatspähre

Aufgrund der „Massivität der Rechtsverletzung“ werde er umfassende rechtliche Schritte gegen „Bild“ einleiten, teilt Markus Lanz‘ Medienanwalt, Christian Schertz, auf Anfrage von Übermedien mit – „auch um präventiv so etwas für die Zukunft zu unterbinden“.

Schertz schreibt:

„Neben der Unterlassung der gesamten Wort- und Bildberichterstattung werden wir zusätzlich eine Geldentschädigung in hoher fünfstelliger Höhe fordern und auch gerichtlich durchsetzen.“

Ferner sei er beauftragt, Strafantrag zu stellen:

„Die ‚Bild‘-Zeitung hat hier vorsätzlich das Recht am eigenen Bild von Markus Lanz und auch der abgebildeten Frau verletzt. Sie wusste, dass derlei Fotos nicht zulässig sind und hat dennoch eine entsprechende Berichterstattung gefahren. Damit ist auch Vorsatz eindeutig im Raum. Die Verletzung des Rechts am eigenen Bild stellt auch eine Straftat dar und wird auf Antrag durch die zuständige Behörde verfolgt.“

Selbstverständlich werde er in diesem Fall auch den Presserat anrufen, schreibt Schertz weiter: „Noch dazu, da hier eine völlig unbescholtene Frau ohne hinreichenden Berichterstattungsanlass in eine Berichterstattung hineingezogen wurde und in ihrer Privatsphäre massiv verletzt wurde.“

Im Pressekodex, den zu befolgen sich auch „Bild“ verpflichtet hat, heißt es unter Ziffer 8:

„Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung.“

„Bloße Sensationsinteressen“, heißt es dort weiter, rechtfertigten „keine identifizierende Berichterstattung“.

Wieder einmal: Tanja May

Verantwortlich für den Artikel sind „Bild“-Reporterin Nicola Pohl und die stellvertretende „Bild“-Chefredakteurin Tanja May, eine ausgewiesene Prominenten-Privatleben-Reporterin. Was May über Promis berichtet, verstößt immer wieder gegen deren Persönlichkeitsrecht; die Artikel ziehen deshalb häufig juristische Auseinandersetzungen nach sich, auch schon als May bei der Illustrierten „Bunte“ arbeitete. Nicht selten müssen ihre Artikel gelöscht oder zumindest teilweise geschwärzt werden, weil sich Prominente anwaltlich dagegen wehren. Und in mindestens einem Fall hatte ein „Bunte“-Artikel von May (über den schwer erkrankten Rennfahrer Michael Schumacher) eine Geldentschädigung in Höhe von 50.000 Euro zur Folge, zu zahlen vom Burda-Verlag an die Familie Schumacher.

Im aktuellen Fall sei Markus Lanz „offenbar bewusst über längere Zeit durch Fotografen verfolgt und beobachtet“ worden, schreibt Anwalt Schertz:

„Tanja May hat dann hieraus, wofür sie bekannt ist, auf verwerflichste Art und Weise eine Geschichte konstruiert, die jeglicher Grundlage entbehrt.“

Noch in der Nacht zum Dienstag habe er die Chefredakteurin per SMS aufgefordert, die Berichterstattung sofort offline zu stellen. Offenbar ohne Erfolg. Der Beitrag befindet sich weiterhin im Online-Angebot von „Bild“.

Zuckerbrot & Paparazzi

Bereits im Februar war bekannt geworden, dass sich Markus Lanz und seine Ehefrau getrennt haben. „Bild“ berichtete dazu groß auf der Titelseite und in Tanja Mays Klatsch-Video-Format „Zuckerbrot & Peitsche“.

Szene aus dem "Bild"-Videoformat "Zuckerbrot & peitsche" mit Tanja May (r.).
Privatleben-Reporterin Tanja May (r.) Screenshot: „Bild“

Nach eigenen Angaben hat das Blatt damals forciert, dass die Trennung öffentlich wird:

„BILD hatte die Hintergründe zum Ehe-Aus schon länger recherchiert, hatte dazu am Montag bei Lanz angefragt. Kurios: Sein Medien-Anwalt hatte auf die Anfrage geantwortet, dass die Trennungs-Information falsch sei. Derselbe Anwalt bestätige dann gestern eine Anfrage der Deutschen Presseagentur zu der Sache.“

Seither hat „Bild“ weiter über Lanz und seine Ex-Frau berichtet. Ein Artikel mit privaten Details über sie ist inzwischen nicht mehr abrufbar.

Die Deutsche Presse-Agentur schrieb im Februar anlässlich der Trennung:

„Der Anwalt bat auch im Interesse der gemeinsamen Kinder, die Privatsphäre seines Mandanten zu respektieren und von weiteren Anfragen Abstand zu nehmen.“

Tanja May und ihrer „Bild“-Kollegin ist offensichtlich beides egal: die Privatsphäre wie auch der erbetene Verzicht auf Anfragen. Ihr aktueller Stalking-Artikel endet mit dem Satz: „Eine BILD-Anfrage ließen Markus Lanz und […] bisher unbeantwortet.“

„Mit der Berichterstattung der ‚Bild‘-Zeitung fällt diese, was die Qualität der Rechtsverletzungen angeht, in ihre schlimmste Zeit zurück“, schreibt Medienanwalt Schertz. Man könne zu Julian Reichelt, dem früheren „Bild“-Chefredakteur, viel sagen, aber: „Eine solche eklatante Verletzung durch Paparazzifotos und massiven Eingriffen in die Privatsphäre von Personen, noch dazu Unbeteiligten, ist mir in seiner Zeit als Chefredakteur nicht erinnerlich.“

Dem „Spiegel“ hatte Julian Reichelt 2018 gesagt, dass er Paparazzi-Fotos von Prominenten nicht mehr ohne deren Zustimmung in „Bild“ drucken wolle: „Ich will mir nicht anmaßen, darüber zu urteilen, wo die Privatsphäre von Leuten beginnt.“ Unter der aktuellen „Bild“-Chefredakteurin Marion Horn scheint das nicht mehr zu gelten.

Nachtrag, 29.6.2023. Inzwischen hat „Bild“ die Paparazzi-Fotos aus dem Beitrag entfernt, die Foto-Unterzeilen und der Text sind unverändert online.

Nachtrag, 30.6.2023. Nun ist der ganze Artikel nicht mehr abrufbar.

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