Im Auftrag von Bundesministerien

Morgens Redaktion, abends Podium: Wie brisant ist die Liste der Nebenjobs von Journalisten?

Rund 1,5 Millionen Euro hat die Bundesregierung seit 2018 an Journalistinnen und Journalisten gezahlt, die sie für verschiedene Projekte engagiert hat. Rund 600.000 Euro gingen an Mitarbeiter privater Medien, etwa vom „Spiegel“ oder der „Zeit“, und gut 875.000 Euro an freie und feste Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, inklusive der Deutschen Welle.

Diese Nachricht sorgt seit der vergangenen Woche für Aufregung. „Gefährliche Nähe“, titelte etwa „Bild“ mit Blick auf ausschließlich die öffentlich-rechtlichen Kollegen. Über eine „Geheim-Liste“ mit „brisanten Namen“, raunt der „Pleiteticker“ von Julian Reichelt. Und der Sportjournalist Jens Weinreich schreibt auf Twitter: „Die Fakten sind so wie sie sind: irritierend, besorgniserregend – sowohl die Höhe der Honorare als auch die Zahl der Journalisten, die sich für diese Nebenjobs sehr gut bezahlen lassen.“

Bekannt wurden die Zahlen durch eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Bundestag. Dort werden Beschäftigungen von Journalisten „für Moderationen, Texte, Lektorate, Fortbildungen, Vorträge und andere Veranstaltungen“ aufgelistet, beauftragt von Ministerien und Behörden: insgesamt rund 440 Posten. Bei den meisten davon handelt es sich um Moderationen, etwa von Podiumsdiskussionen.

Liste der Bundesregierung mit Engagements von Journalisten und den bezahlten Honoraren.
Wer hat wie viel verdient? Screenshot: bundestag.de

Wirkliche Transparenz stellt die Liste nicht her, was problematisch ist, weil das viel Raum für Spekulationen bietet. Seit die Liste kursiert, wird gerätselt und recherchiert, wer wohl die insgesamt 200 Journalisten sind, denn „aus Gründen des Datenschutzes“ wurden sie durch Nummerierung anonymisiert, etwa als „Journalist 23“ oder „Journalist 78“.

Meistens ist auch unklar, für was gezahlt wurde, also für welche „Moderation“, welche „Workshopleitung“ genau. Vereinzelt lässt es sich nachvollziehen, mit dem angegebenen Datum und Google. Allerdings weisen manche Ministerien lediglich das Jahr des Auftrags aus, zudem wurden die gezahlten Beträge für die Aufträge aufsummiert, mit Blick auf das „Geschäftsgeheimnis“, wie es heißt. Wie viel wofür gezahlt wurde, lässt sich so ebenfalls nicht immer sagen. Was dann zu noch mehr Spekulationen führt.


Wie skandalös ist die Liste tatsächlich? In den vergangenen Tagen haben wir sie uns genau angesehen, um die ganze Sache möglichst differenziert einordnen zu können. Wir haben Sender und Ministerien mit Fragen konfrontiert, haben Veranstaltungen recherchiert und einzelne Engagements auf konkrete Journalisten zurückführen können. Wir konzentrieren uns hier insbesondere auf Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, weil sie bei Debatten über Nebenjobs, auch aktuell, besonders in der Kritik stehen.

Jones, Kupferberg, Gellinek

Monika Jones, zum Beispiel, ist eine der gebuchten Moderatorinnen („Journalist 21“). Sie moderiert freiberuflich bei der Deutschen Welle, dem Auslandssender der Bundesrepublik, und im Auftrag von „internationalen Konzernen, Europäische Ministerien und Verbänden, sowie Hilfsorganisationen und NGOs“. Sie moderierte Veranstaltungen verschiedener Bundesministerien, unter anderem den „Schienengipfel“ oder ein Treffen der EU-Verkehrsminister.

Shelly Kupferberg („Journalist 10“) ist offenbar auch dabei. Die Kultur- und Gesellschaftsjournalistin arbeitet für den rbb und das Deutschlandradio und moderierte nebenbei für Bundesministerien, zum Beispiel die Bundeskonferenz der Integrationsminister oder die Gedenkveranstaltung zu „70 Jahre Luxemburger Abkommen“.

Oder Andrea Thilo („Journalist 73“). Auch sie moderierte häufiger im Auftrag von Ministerien. Ohnehin moderiert sie oft Veranstaltungen, auch jenseits der Politik. Früher arbeitete Thilo für die ARD, so mancher dürfte sie auch noch als Moderatorin der ProSieben-Sendung „Liebe Sünde“ in Erinnerung haben, die im Jahr 2000 eingestellt wurde. Später gründete Thilo eine Film-Produktionsfirma.

Oder Anne Gellinek („Journalist 58“), die stellvertretende Chefredakteurin des ZDF und Leiterin der Hauptredaktion Aktuelles. Sie moderierte ein Gespräch zwischen Robert Habeck und Ursula von der Leyen im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Gellinek habe dafür aber, teilt das ZDF mit, kein Honorar erhalten. Auf der Liste bezahlter Beschäftigungen taucht die Veranstaltung dennoch auf.


Grundsätzlich ist es problematisch, wenn Journalisten, von denen in einer Demokratie Unabhängigkeit erwartet wird, auch in Diensten der Politik stehen, die sie kontrollieren sollen. Bekommen sie Geld von politischen Auftraggebern, sieht das niemals gut aus. Schon der bloße Anschein von zu großer Nähe reicht ja oft aus, um Misstrauen in die Unabhängigkeit zu wecken.

2021 hatten wir beispielsweise hinterfragt, ob es so eine gute Idee ist, dass Anja Heyde, die man unter anderem aus dem ZDF-„Morgenmagazin“ kennt, nebenbei einen Podcast des Bundesinnenministeriums moderiert. Laut Medienberichten soll sie auch auf der aktuellen Honorarliste stehen. Auf unsere Anfrage antwortete sie damals, sie könne verstehen, wenn es bei manchen Zuschauern zu Fragen nach einem Interessenskonflikt kommt:

„Um diesem Eindruck vorzubeugen, arbeite ich, in Absprache mit meinem Redaktionsleiter, für die Zeit während ich den Podcast moderiere nicht als aktuelle politische Reporterin.“

Aber was ist danach? Geht das dann einfach wieder?

Schwierig wird es insbesondere dann, wenn sich Journalistinnen und Journalisten bei ihren Nebentätigkeiten Vorgaben machen lassen, also etwa Fragen diktiert bekommen. Meistens kommt sowas zwar nur auf Umwegen heraus, aber wenn es rauskommt, beschädigt es die Glaubwürdigkeit des Journalisten – und des ganzen Berufsstands.

Ausgeschlossen sein sollte eigentlich auch, beispielsweise Videos für Politiker oder die Bundesregierung zu produzieren. Oder Interviewtrainings zu geben. Das ist nicht Aufgabe von aktiven Journalisten. In der Liste tauchen aber auch solche Tätigkeiten auf.

Doch, auch das gehört zur Wahrheit: Nicht jeder Nebenjob führt gleich zu einem journalistischen Kuschelkurs mit der Politik. Und nicht jede der Nebentätigkeiten ist auf dieselbe Weise problematisch. Ist es zum Beispiel verdächtig, wenn Shelly Kupferberg eine Gedenkveranstaltung zu einem Wiedergutmachungsabkommen mit Israel moderiert? Oder wenn Monika Jones den „Schienengipfel“ lenkt? Oder wenn Andrea Thilo, eine professionelle Moderatorin, generell politische Events leitet?

Es ist ja auch naheliegend, dass Journalisten für solche Jobs engagiert werden. Weil sie Erfahrung haben und/oder Expertise in einem bestimmten Themenfeld. Und für manche freie Journalisten sind solche Nebenjobs (leider) ein notwendiges Zubrot, wenn das Gehalt im Journalismus nicht reicht. Anders ist es, und da sollte man vielleicht differenzieren, bei festangestellten Mitarbeitern, etwa vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die obendrein Chef oder Abteilungsleiter sind und Programmverantwortung haben. Muss Anne Gellinek vom ZDF unbedingt nebenbei noch ein Politiker-Gespräch eines Ministeriums moderieren? Oder eine verantwortliche Kultur-Redakteurin des MDR den Deutschen Buchhandlungspreis der Bundesregierung?


Speziell eine Nebenbeschäftigung sorgte schon vor Veröffentlichung der Liste für Diskussionen und für durchaus berechtigte Kritik. Weil der Fall ein Paradebeispiel ist für eine tatsächlich bedenkliche und unsensible Vermischung von Rollen – und für fragwürdige Kommunikation.

Linda Zervakis

Linda Zervakis, früher „Tagesschau“-Sprecherin bei der ARD, heute Moderatorin bei ProSieben, hatte im Juni 2022 bei der Digitalkonferenz Republica in Berlin Bundeskanzler Olaf Scholz interviewt. Wie die „taz“ nun im Januar aufdeckte, hatte das Kanzleramt Zervakis als Moderatorin selbst ausgesucht und bezahlt, was aber von keiner Seite transparent gemacht wurde. Und heraus kam dann kein wirklich kritisches Interview, sondern ein netter Talk.

Linda Zervakis auf der Digitalmesse Republica.
Linda Zervakis, als sie Olaf Scholz interviewt. Screenshot: youtube.com/republica

So entstand der Anschein, dass sich Olaf Scholz eine ihm gewogene Fragenstellerin eingekauft hatte. Dubios wirkte das Ganze zudem, weil Zervakis versucht hatte, juristisch gegen die Berichterstattung der „taz“ vorzugehen, und das Honorar, das sie bekommen hatte, nicht nennen wollte. Zunächst hieß es, sie habe eine „Kostenpauschale“ erhalten: etwas mehr als 1.000 Euro.

Ausweislich der nun vorliegenden Liste gab es möglicherweise mehr. Für das Gespräch bei der Republica und ein weiteres Format, auch unter anderem mit Olaf Scholz, erhielt Zervakis („Journalist 97“) im Jahr 2022 etwas mehr als 12.000 Euro. Wie viel für die einzelnen Aufträge angewiesen wurde, geht aus der Liste nicht hervor. Darüber hinaus moderierte sie 2018, 2019 und 2020 die Vergabe des Nationalen Integrationspreises der Bundesregierung. Wie viel Honorar sie hierfür bekam, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

(Nachtrag, 20.3.2023. Das Bundeskanzleramt hat inzwischen präzisiert, wie viel es für die einzelnen Aufträge an Linda Zervakis bezahlt hat.)

Zervakis sah sich angesichts der Kritik an ihrem Nebenjob genötigt, öffentlich ihre Unabhängigkeit zu versichern. Sie moderiere regelmäßig Veranstaltungen, auch Bundesbehörden und -ministerien fragten bei ihr an, erklärte sie. Und beteuerte: „Ich habe mich zu keiner Zeit von irgendeiner Seite vereinnahmen lassen und werde diesen Weg auch fortsetzen.“

Doch da war das Kind längst in den Brunnen gefallen. Unterlagen aus dem Kanzleramt, aus denen die „taz“ zitierte, legen nahe, dass sich Zervakis und das Kanzleramt über das Gespräch im Vorhinein abgestimmt haben. Wie frei war sie? Auf Instagram hatte Zervakis den Scholz-Talk als „große Ehre“ („#greathonour“) bezeichnet. Auch das klingt eher devot als kritisch-distanziert.

Die „taz“ fragt zurecht:

„Kann Linda Zervakis eine vom Kanzleramt bezahlte Moderation mit ihrer journalistischen Unabhängigkeit vereinbaren und beim nächsten Mal wieder den Kanzler im TV interviewen, als sei nichts gewesen? Und wieso wurde die Sache nicht zumindest transparent kommuniziert?“

Johannes B. Kerner

Ein anderes Engagement wirkt dagegen geradezu egal.

Johannes B. Kerner moderiert das Musikfest der Bundeswehr.
Johannes B. Kerner beim Musikfest der Bundeswehr. Screenshot: musikfestbw.de

Das Portal t-online.de titelt: „Auch Johannes B. Kerner steht auf der Liste“ und raunt: „Das könnte problematisch werden“. Aber das ist Clickbait. Kerner hat in den Jahren 2018, 2019 und 2022 das „Musikfest der Bundeswehr“ moderiert, was man eher in der Kategorie Folklore verbuchen kann. Kerner ist Unterhaltungsmoderator, kein politischer Journalist. Er hat Galas moderiert und berichtet sonst nicht über die Bundeswehr. Weshalb das problematisch sein soll, bleibt auch bei t-online.de offen.

Welches Honorar Kerner bekommen hat, ist unklar. Das Portal t-online.de schlussfolgert jedenfalls falsch, wenn es schreibt: „Sein Honorar belief sich jeweils aber wohl nur auf einen dreistelligen Eurobetrag“. Das ist nicht nur äußerst unwahrscheinlich, in der Liste steht auch neben den mutmaßlichen Kerner-Engagements („Journalist 114“), dass vertraglich vereinbart sei, keine Angaben zu Honoraren zu machen. Was die neue Leitung des Bundesverteidigungsministerium aber künftig transparenter gestalten will.

Judith Rakers

Problematischer wird es wieder bei Personen wie Judith Rakers. Den größten Teil ihrer Glaubwürdigkeit und Prominenz verdankt sie ihrer Rolle als „Tagesschau“-Sprecherin im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, für den sie seit Jahren arbeitet. Freiberuflich zwar, aber in hervorgehobener Position. Sie ist eines der bekanntesten Gesichter der ARD.

Daneben tritt Rakers als Moderatorin großer Events in Erscheinung, im Auftrag von Unternehmen, und auch im Auftrag der Politik. Mal steht sie dann (wie 2015) im frittengelben Kleid bei McDonalds auf dem Teppich und lobt „fette Burger“, mal moderiert sie beispielsweise beim „Digital Gipfel 2020“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, wo sie unter anderem eine Diskussion mit Andreas Scheuer leitete.

Mit einer so bekannten Persönlichkeit kaufen sich die Auftraggeber natürlich auch etwas von der öffentlich-rechtlichen Glaubwürdigkeit ein, das schmückt. Und auch wenn das Ministerium Rakers als freie Moderatorin bucht, kann es für die Öffentlichkeit wie eine freundliche Kooperation zwischen Politik und ARD wirken. Was ein ungutes Bild erzeugt.

Judith Rakers moderiert in der "Tagesschau" einen Beitrag über den Deutschen Umweltpreis 2017 an.
Dritte und elfte von links: Judith Rakers Screenshot: Das Erste

Zu einer kuriosen Doppelung führte ein Rakers-Engagement im Jahr 2017. Vormittags hatte sie die Vergabe des Deutschen Umweltpreises moderiert, den eine bundeseigene Stiftung verleiht. Um dann am selben Abend in der Hauptausgabe der „Tagesschau“ eben diese Preisvergabe zu vermelden. Auf dem Foto hinter ihr war Rakers nur zu erahnen, weil sie von einem Preisträger verdeckt wurde. Im dann folgenden Beitrag aber war sie moderierend auf der Bühne zu sehen, was den Eindruck wecken konnte, dass Rakers‘ Rolle bei der Preisvergabe einen Einfluss darauf hat, was die „Tagesschau“ berichtet.

Auf unsere Anfrage damals antwortete ein NDR-Sprecher:

„Die Entscheidung, den Bericht über die Verleihung des Deutschen Umweltpreises in die Sendung zu nehmen, hat die Redaktion unabhängig von Frau Rakers allein nach journalistischen Erwägungen und Relevanzkriterien getroffen.“

Judith Rakers sei ja auch nicht Preisträgerin gewesen, schrieb der Sprecher, „und daher nicht Thema des Beitrags“. Weder der Deutsche Umweltpreis selbst noch deren Stifter, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, seien überdies „geeignet, Zweifel an der Integrität der redaktionellen Entscheidung zu wecken“. Schlecht ausgesehen hatte es dennoch.


Neben Moderationen, die den größten Teil der Liste ausmachen, finden sich auch Aufträge, die als „Medientraining“ deklariert sind oder als „Erstellung von Videoinhalten“ – für das Bundespresseamt (BPA). Was natürlich merkwürdig klingt: Ein Journalist macht Videos für die Bundesregierung?

„Erstellung von Videoinhalten“

In der Liste sind es insgesamt 15 Posten. Der Journalist, der dem ZDF zugeordnet wird, soll für die Engagements insgesamt rund 32.000 Euro bekommen haben. Um wen handelt es sich? Und was für Filme waren das?

Der Sender geht zunächst auf keine unserer Fragen ein, schickt bloß ein allgemeines Statement zu seinen Compliance-Regeln und will sich auch auf abermalige Nachfrage nicht äußern. Erst später teilt eine Sprecherin mit, bei der Person handle es sich „um einen freien Mitarbeiter, der im Rahmen eines begrenzten Tagekontingents bis Mitte 2021 für die Landesstudios in Brandenburg und Berlin sowie die Redaktion Tagesmagazine gearbeitet hat“. Das ZDF habe von Tätigkeiten für andere Auftraggeber nichts gewusst. Und für Mitarbeiter, die in solch geringem Umfang beschäftigt seien, gebe es „arbeitsrechtlich keine Verpflichtung, andere Tätigkeiten anzuzeigen“.

Das BPA bestätigt auf Anfrage, der Journalist habe an Videos für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung mitgewirkt. Anders gesagt: Er machte freundliche Filmchen fürs Internet, laut BPA unter anderem über „Impfschutz für die Pflege“, einen „EU-Projekttag“ und Reisen von Kanzlerin Angela Merkel nach Brüssel, Nigeria oder in den Libanon. Offenbar reiste er nicht persönlich mit und filmte, sondern bekam vom BPA Rohmaterial zur Verfügung gestellt, aus dem er dann Videos schnitt. Ein anderer Film trägt den Titel: „Das Bundeskanzleramt – ein Blick hinter die Kulissen“.

In der Außenwirkung ist es natürlich fatal, wenn ein Journalist Werbefilme für die Kanäle der Bundesregierung macht. Problematischer wäre es noch, wenn dieser Journalist auch über die Bundesregierung berichten würde. Der Interessenkonflikt wäre offenkundig. Auf unsere Anfrage über das BPA hat der Journalist bisher nicht reagiert.

Das BPA schreibt zumindest, er habe nur „im Hinblick auf die beauftragten Leistungen“ mit dem BPA in Kontakt gestanden, sonst nicht. Man verfüge auch eigentlich über festes Personal. Wegen Krankheit oder Urlaub beauftrage man aber „in Einzelfällen externe Auftragnehmer/innen“, schreibt das BPA, unabhängig davon, ob parallel auch journalistische Tätigkeiten ausgeübt würden.

„Medientraining“

Eine weitere Kategorie in der Liste sind Engagements mit Titeln wie „Medientraining“ oder „Lehrauftrag Medientraining Führungskräfte“. Mehrere Termine werden hier unter anderem vom Bundesfinanzministerium ausgewiesen. Geleitet wurden diese „Medientrainings“ einzeln von insgesamt drei verschiedenen Journalisten, die in der Liste der ARD zugeordnet werden.

Aber was heißt das? Haben ARD-Journalisten den Finanzminister geschult, wie er gut kontert, wenn ihn etwa „Tagesthemen“-Moderator Ingo Zamperoni in die Zange nimmt? Offenbar nicht. Die Trainings wurden, das ist auch so angegeben, in Unterbehörden des Ministeriums abgehalten: in der Generalzolldirektion (GZD) und dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt).

Auf unsere Nachfrage erklärt die GZD, bei dem Medientraining, das öffentlich ausgeschrieben worden sei, handle es sich um „ein Interviewtraining vor der Kamera unter Echtbedingungen“. Die Journalisten stünden darüber hinaus nicht wegen Berichterstattung mit der GZD in Kontakt, das sei auch „so beabsichtigt“. Wer konkret geschult wurde, sagt die GZD nicht.

Beim BZSt handelte es sich, schreibt die Behörde auf Anfrage, um Medientrainings für „ein sicheres Auftreten vor der Kamera“, bei denen ein Bewusstsein entwickelt werden sollte „für die eigene Außenwirkung in Interviewsituationen/bei Podiumsdiskussionen“; außerdem habe es „Impulsvorträge zum Thema ‚Interne Kommunikation‘ mit anschließender Moderation einer Fragerunde/Gruppendiskussion“ gegeben. Auch hier bleibt offen, wer geschult wurde und wer der Journalist oder die Journalistin war. Aber auch er oder sie soll nach Angaben des BZSt nicht über die Behörde berichten.

Anders war es vor zwölf Jahren beim NDR: Der Sender trennte sich damals von einem Politik-Redakteur im Regionalstudio Kiel, nachdem der Politikern aus der Region Medientrainings gegeben hatte. Das war in der Tat eine fragwürdige Nähe, die auch Kollegen ärgerte.

In den geschilderten Fällen geht es nun wohl eher um Schulungen für Leute, die wahrscheinlich nur selten in der Öffentlichkeit stehen, aber lernen wollen oder sollen, wie sie sich im Fall der Fälle am besten verhalten. Dennoch hinterlässt auch das einen faden Beigeschmack.


Es ist wichtig, über Nebenjobs von Journalisten zu diskutieren. Wichtig ist aber auch, diese Debatte sachlich zu führen. Zu schnell wird sie von jenen dominiert, die „Mainstreammedien“ generell Abhängigkeit unterstellen. Kein Wunder deshalb, dass rechtskonservative Medienangebote wie „Tichys Einblick“ oder Reichelts „Pleiteticker“ die Liste genüsslich zerpflücken.

Ist es so einfach? „Die Einseitigkeit und völlige Überdrehung, mit der auf Moderatoren draufgehauen wird und sie als gekauft an den Pranger gestellt werden, ist absurd und geht vorbei an den echten Problemen im Journalismus bzw ÖRR“, schrieb interessanterweise ausgerechnet der stellvertretende „Bild“-Chefredakteur Paul Ronzheimer auf Twitter.

Auch politisch wird die Liste natürlich instrumentalisiert: Die AfD erhoffte sich mit ihrer Anfrage vermutlich weitere vermeintliche Belege insbesondere dafür, ihre pauschale Behauptung zu unterfüttern, bei ARD und ZDF handle es sich um „Staatsfunk“, auch noch gut bezahlt. Aber sind gleich alle geschmiert und regierungstreu, wenn sie eine Podiusmdiskussion oder eine Konferenz moderieren und für diese Arbeit Geld bekommen? Mitnichten.

Geradezu verdächtig still ist es derzeit bei ARD und ZDF. Dabei täten die Sender gut daran, etwas Licht ins Dunkel zu bringen und aktiv in die Debatte einzusteigen – statt immer nur zu beteuern, die Unabhängigkeit sei schon nicht gefährdet, Ehrenwort. Denn natürlich bleiben, auch jetzt immer noch, viele blinde Flecken. Etlichen Posten auf der Liste lässt sich kein Name, keine Veranstaltung zuordnen. Hier könnten Journalisten und Ministerien Abhilfe schaffen: durch Transparenz, von Anfang an.

Die Debatte ploppt ja immer wieder aufs Neue auf. Schon 2009 berichtete das NDR-Medienmagazin „Zapp“ über üppige Nebenverdienste prominenter Moderatoren, etwa des damaligen „Tagesthemen“-Moderators (und heutigen WDR-Intendanten) Tom Buhrow. In diesen Fällen ging es um Vorträge oder Moderationen für große Unternehmen, was ähnlich problematisch ist, weil auch das die Glaubwürdigkeit untergraben kann.

An der Praxis der Sender, ihren Mitarbeitern solche Nebentätigkeiten zu gestatten, haben alle Diskussionen bisher wenig geändert. In vielen Fällen können die Sender solche Jobs, wenn es um freie Mitarbeiter geht, auch nicht grundsätzlich verbieten. Mitarbeiter festanzustellen, wenn man sie exklusiv haben will, wäre eine Möglichkeit. Aber auch die Journalisten selbst können abwägen, welche Jobs sie annehmen – und welche sie besser ablehnen, weil sie kein gutes Bild hinterlassen. Gerade, wenn es um Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geht, die ohnehin unter besonderer Beobachtung stehen, wenn es um Nähe und Distanz zur Politik geht.


* Nachtrag, 24.3.2023. Das Bundespräsidialamt liefert doch keine Angaben zu journalistischen Engagements. Wie ein Sprecher auf Nachfrage mitteilt, richten sich Anfragen an die Bundesregierung nicht an das Bundespräsidialamt, „da der Bundespräsident nicht in parlamentarischer Verantwortung steht“. Es bestehe auch keine Verpflichtung zur Zusammenstellung. „Grundsätzlich können wir mitteilen, dass bei Veranstaltungen gelegentlich Journalisten als Moderatoren engagiert werden, z.B. für Ordensveranstaltungen oder das Bürgerfest. Das Honorar beläuft sich dann pauschal auf 800 Euro.“

Korrektur, 24.3.2023. Wir hatten zunächst geschrieben, Monika Jones sei „im Hauptberuf“ Moderatorin bei der Deutschen Welle. Frau Jones hat uns darauf hingewiesen, dass sie bei der Deutschen Welle nicht angestellt ist, sondern freiberuflich tätig. Sie arbeite „für eine ganze Reihe von Kunden“, überwiegend auf internationalen Fachkonferenzen und auch für „Ministerien bei Fachveranstaltungen“. Wir haben das im Text präzisiert und bitten, den Fehler zu entschuldigen.

7 Kommentare

  1. Ich kenne jemand, der guckt regelmäßig „Achtung, Reichelt!“. Ich sehe das selten, weil es zu einseitig und vorhersehbar ist. Aber heute habe ich mal wieder vorbeigeschaut. Das einzige, was mich interessierte war die Sache mit den „von der Regierung bezahlten Journalisten“. Darüber hat Reichelt schon vor 9 Tagen berichtet. Aber was soll das schon heißen, ist ja nur Reichelt. Und die Anfrage zu diesem Thema kam von der AfD. Dann wechsele ich zu „Übermedien“ und welche Überraschung: Ein Artikel zum gleichen Thema. Kritisch, aber zugleich abwägend und sachlich. Mein Lob an „Übermedien“.

  2. Krasse Recherche, chapeau!

    Wenn Journalisten im Nebenjob irgendwelche Diskussionsrunden oder Konferenzen moderieren, finde ich das erstmal unproblematisch – vorausgesetzt, sie haben dort eine neutrale Rolle. Bei Preisverleihungen kommt es auf die Preisverleiher an: Stiftungen „für den guten Zweck“ okay; Parteien, Konzerne, Verbände, etc. schwierig. (Und Werbung für eine Fastfoodkette ist ein Sargnagel für die journalistische Integrität).

    Die Nummer mit Zervakis und Scholz spielt aber in einer anderen Liga: Zum einen hat Zervakis sich als Stichwortgeberin und Schmeichlerin vom Kanzler bezahlen lassen; zum anderen hat sie das Publikum in dem Glauben gelassen, sie würde ihn als Journalistin befragen. Da bleibt von Integrität wenig übrig – die PR-Abteilung im Kanzleramt hat Regie geführt und die Re:publica-Leute haben sich ihrem eigenen Bekunden nach übertölpeln lassen:

    https://re-publica.com/de/news/zur-moderation-der-programm-session-mit-bundeskanzler-olaf-scholz-durch-linda-zervakis-auf-der

  3. Die Implikation von BILD und Co. ist natürlich der, dass, wenn einige Jounalisten, die beim ÖRR arbeiten, „Gefälligkeitsinterviews“ o.ä. für Politiker führen, alle anderen Journalisten beim ÖRR auch so sind.
    Also irgendwas mit abschaffen und/oder gleichschalten. ;-)

  4. Ich wundere mich sehr, wenn ich a. mitbekomme, wer da alles was zugeschustert bekommt und b. noch größeres wundern: wo nehmen diese vielbeschäftigten, oft ja auch in höheren Ebenen der ARD-Sender angesiedelten Redakteurinnen und/oder Redakteure nur die Zeit her, sich auch noch auf so ein Event vorzubereiten?? Es heißt doch immer, die Personaldecke bei den ARD-Anstalten sei so knapp…. Dass auf diese Art und Weise Freiberuflern Verdienstmöglichkeiten genommen werden, ist diesen Herrschaften anscheinend schnuppe. Aber vom Umgang der ARD mit den freiberuflich, arbeitnehmerähnlich angestellten Mitarbeitern hört man immer wieder Horrormeldungen.

  5. Man kann nicht allen Kolleginnen, die Moderationsaufträge annehmen, automatisch unterstellen, sie würden damit ihre Unabhängigkeit verhökern. Ich habe die junge Judith Rakers vor 15 Jahren (!) bei einer Moderation in München erleben dürfen. Der Gast- und Auftraggeber war ein notorischer Macho, der seinen Altherrenhumor nie unter Kontrolle hatte, und natürlich konnte er im Angesicht einer vermeintlichen Beuteschema-Blondine nicht die Schnauze halten, sondern plapperte irgendetwas Gönnerhaft-Chauvimäßiges daher. Ich kann mich nicht mehr an seine Worte erinnern, auch nicht an den Inhalt ihrer Antwort, nur dass sie ihn mit einer schlagfertigen Replik sprachlos machte und er blamiert dastand. Sie bekam spontanen Applaus, und der Auftraggeber konnte nur noch versuchen, die Sache betreten wegzugrinsen. Eine Mauseloch zum Verkriechen gab es in dem Hotel ja nicht.

    Will sagen: Die Frau hatte schon in jungen Jahren das nötige Selbstbewusstsein, um sich nicht von irgendwelchen Auftraggebern, die sich mit ihr schmücken wollen, zum Affen machen zu lassen. Deshalb habe ich ihr das Honorar wirklich gegönnt.

  6. @Ulf J. Froitzheim (#5):

    Nun ja. Dass Frau Rakers schlagfertig mit Machos umgehen kann, ist schön. Löst aber nicht den Konflikt, der entsteht, wenn man im Nebenjob von denen bezahlt wird, die man im Hauptberuf kritisch beobachten soll. Was ja der Kern dieses Textes ist…

  7. Aus dem Bauch heraus wäre mein Gedanke, dass ÖRR eben mehr Festanstellungen, oder am besten ausschließlich, anbieten sollte, so dass keine Nebentätigkeiten mehr nötig wären.
    Andererseits ist es vllt. doch gut, dass es „feste Freie“ gibt, da die evt. mehr Perspektiven ins Boot bringen.

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