Fußnoten (35)

Lambrecht scheitert an der eigenen Habeckisierung

Christine Lambrecht (SPD) und Generalleutnant Carsten Breuer (Kommandeur Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr)
Ex-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht im August 2022. Foto: IMAGO / Christian Spicker

Immerhin ist Christine Lambrecht die Lust an der Satire nicht vergangen: Ihre Rücktrittserklärung hat sogar mehr schwarzen Humor als das Silvestervideo, in dem sie vor Berliner Böllerkulisse vom Krieg und tollen Begegnungen erzählte.

„Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu“, schreibt sie jetzt in ihrer Erklärung.

Das hätte man Annegret Kramp-Karrenbauer oder Ursula von der Leyen doch mal sagen können, oder noch besser Karl-Theodor zu Guttenberg, dass mediale Aufmerksamkeit die Arbeit fast unmöglich macht. Die hatten als Verteidigungsministerinnen bzw. -minister ja nicht weniger von beidem, weder von medialer Aufmerksamkeit noch Arbeit.

Lambrechts eigensinnige Position kann man eigentlich nur so beschreiben: Sie setzt sich gern in den Kakao, möchte aber bitte nicht hindurch gezogen werden.

Lambrecht hatte keinen Summer of Love

Dabei ist es nicht so schwierig, das zu umgehen: Wer mediale Fokussierung auf die eigene Person ablehnt, sollte als Ministerin keine privaten Silvestervideos veröffentlichen. Deutsche Medien sind auch heute zum Glück noch erstaunlich zivil, wenn es darum geht, Persönliches von Politikern privat zu lassen. Man muss sie schon einladen. Lambrecht hat es getan und beklagt jetzt die Folgen.

Aber es gibt, wie immer, auch die andere Seite: Ihre Sünden sind lässlich. Keins ihrer Fettnäpfchen erreicht auch nur annähernd das Ausmaß der Peinlichkeit von Rudolf Scharpings Summer of Love, als der damalige Verteidigungsminister im August 2001 – direkt vor einem gefährlichen Einsatz der Bundeswehr in Nordmazedonien – seine neue Liebe in Talkshows und einer 9-seitigen Fotostrecke aus einem mallorquinischen Pool in der „Bunten“ zelebrierte 1)Er wurde damals übrigens nicht entlassen, wobei der 11. September 2001 ihn möglicherweise rettete, weil anderes wichtiger wurde. Entlassen wurde Scharping erst im Sommer darauf, als herauskam, dass er sich für zigtausende Euro Klamotten von einem PR-Berater hatte bezahlen lassen.. Und über zu Guttenberg müssen wir gar nicht reden2)Falls wir es doch müssen, also für die jüngsten Leser: zu Guttenberg hatte seine Doktorarbeit in weiten Teilen abgeschrieben und darüber so abstrus gelogen, dass der Eindruck entstand, er hätte das nicht einmal selbst gemacht sondern in Auftrag gegeben. Er musste in der Folge zurücktreten.. Gegen ihn wirkt Lambrechts Fehlerliste wie eine Fußnote3)Haha!.

Lambrecht hat also durchaus auch recht, wenn sie sich unfair behandelt fühlt. Sie versteht nur die Gründe falsch. Lambrecht war eine erfolgreiche Politikerin und Ministerin, sowohl im Justiz- als auch im Familien-Ressort. Sie kann eine Behörde führen4)Auch wenn es heute manchmal wirkt, als habe Lambrecht das Verteidigungsministerium nie ganz im Griff gehabt, begleitet sie ihre gesamte Karriere hindurch eher der Vorwurf, sie wäre vor allem bei Personalentscheidungen eher zu rabiat. . Ihr fehlt nur offensichtlich das Gespür für ihre Außenwirkung.

Sie begann ihre Amtszeit mit schlechten Witzen darüber, ob sie sich wirklich alle Dienstgrade bei der Bundeswehr merken müsse. Sie wollte 5.000 Helme als starken militärischen Beitrag für die angegriffene Ukraine verkaufen und versuchte gegenüber der „Bild“ lange zu verschleiern, dass sie selbst das Foto ihres Sohnes in einem Bundeswehr-Hubschrauber gemacht hatte.

Alles Kleinkram, aber ironischerweise alles missglückte Versuche, eben gerade weniger bescheuert dazustehen. Und dann das unglückliche Silvestervideo: Der selbst beigebrachte Fehler, zu versuchen, ein bisschen an der Robert-Habeckisierung der deutschen Regierungskommunikation teilzunehmen. Mehr mediale Fokussierung auf die Person kann es gar nicht geben, als sich selbst ungefragt vor eine Kamera zu stellen, einfach weil man gerne vor einer Kamera etwas sagen möchte. Ihre Rücktrittserklärung hätte lauten sollen:

„Seit Monaten kann ich mich auf nichts mehr konzentrieren als darauf, wie ich medial ein bisschen besser rüberkomme, das lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu.“

Fußnoten

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1 Er wurde damals übrigens nicht entlassen, wobei der 11. September 2001 ihn möglicherweise rettete, weil anderes wichtiger wurde. Entlassen wurde Scharping erst im Sommer darauf, als herauskam, dass er sich für zigtausende Euro Klamotten von einem PR-Berater hatte bezahlen lassen.
2 Falls wir es doch müssen, also für die jüngsten Leser: zu Guttenberg hatte seine Doktorarbeit in weiten Teilen abgeschrieben und darüber so abstrus gelogen, dass der Eindruck entstand, er hätte das nicht einmal selbst gemacht sondern in Auftrag gegeben. Er musste in der Folge zurücktreten.
3 Haha!
4 Auch wenn es heute manchmal wirkt, als habe Lambrecht das Verteidigungsministerium nie ganz im Griff gehabt, begleitet sie ihre gesamte Karriere hindurch eher der Vorwurf, sie wäre vor allem bei Personalentscheidungen eher zu rabiat.

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