Woran erkennt man Fake-News? Was sind verlässliche Quellen? Und welche Rolle spielen Medien in einer Gesellschaft? Dass junge Menschen so etwas in der Schule lernen, ist nicht selbstverständlich, weiß Jörg Sandrozinski. Schließlich besucht der Journalist regelmäßig Schulklassen.
Er ist Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins „Journalismus macht Schule“. Die Idee, dass professionelle Journalist:innen in Schulen gehen und dort erklären, wie sie arbeiten und wie Medien funktionieren, gibt es schon länger. Anfang des Jahres wurde der Verein offiziell gegründet.
Aber ist das eigentlich die Aufgabe von Journalist:innen? Und nicht etwa die der Lehrer:innen? Sadrozinski:
„Ich finde schon, dass es in der Zwischenzeit zu unseren Aufgaben gehört, für Transparenz zu sorgen; zu schauen, dass wir als Medien verstanden werden. Wir müssen uns viel mehr erklären, um Leser, Zuschauer und Zuhörer zu finden und Vertrauen zu schaffen.“
Selbst bei einigen Lehrer:innen stelle er immer wieder fest, dass sie nicht wissen, wie Redaktionen arbeiten; und dass sie misstrauisch sind. „Nicht nur Schüler, auch Lehrer glauben teilweise, dass die Medien und die Politik unter einer Decke stecken“, erzählt Sadrozinski.
Wie geht er darauf ein? Was erlebt er in den Klassen? Und warum schickt sein Verein keine „Bild“-Mitarbeiter:innen in die Schulen? Darüber sprechen Holger Klein und Jörg Sadrozinski diese Woche in unserem Podcast.
Das ganze Gespräch hören Sie hier:
(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)
Der Gesprächspartner
Jörg Sadrozinski ist freier Journalist und Journalistenausbilder. Er unterrichtet an Hochschulen und Bildungseinrichtungen in Deutschland und der Schweiz. Sadrozinski arbeitete mehr als 20 Jahre für die ARD, wo er u.a. tagesschau.de aufbaute und leitete. Von 2011 bis 2017 war er Direktor der Deutschen Journalistenschule. Er ist Vorstand des gemeinnützigen Vereins „Journalismus macht Schule“.
Hallo. Super Sache. Diese Initiative wäre ebenfalls in der Erwachsenenbildung wichtig. Und nicht zuletzt im Journalismus selbst. Nach meiner Wahrnehmung fehlt es da an Kompetenz. Ich würde das ein systemisches Problem nennen. Viele, sehr viele individuelle Ausnahmen gibt es natürlich. Für mich geht es an der Kritik am Journalismus über das Erkennen von Fake News usw. hinaus. Es geht auch um die ständige Selbstreflektion, ob man nicht bei der Recherche zu einem Thema oder selbst beim Schreiben eines Kommentars nicht einem der menschlichen Wahrnehmungsfehler unterliegt oder einem logischen Fehlschluss aufsitzt. Der verbreitetste ist sicherlich der Bestätigungsfehler. Das Buch „Medien in der Klimakrise“ beschreibt einen guten Teil dessen, was ich ua. meine. Letztens gab es ja von euch dazu einen Beitrag von Sara Schurmann, die ja ebenfalls im Buch was geschrieben hat. Was aber wie gesagt fehlt, ist eben der Umgang mit diesen Biases usw. und zB. das Kommunizieren von Unsicherheiten. Wo gibt es Evidenz, verlässliche Daten usw. Wo hören diese auf und wo fängt eine Einschätzung, eine Meinung an. Und wie verlässlich ist diese, bzw. wie sieht die Expertise derer aus, die diese Einschätzungen von sich geben.
An zwei Ereignissen, so schrecklich diese auch sind, könnte man den Unterschied zwischen Wissenschaft (mit allen Unsicherheiten) und reinen politischen Fragen wunderbar zeigen: Corona und der russische Angriffskrieg.
Bei Corona gibt es eben Daten und Fakten, wo man sogar beim Forschen und dem „Wir irren uns empor“ zuschauen konnte. Der NDR hat das auch super gemacht, wie ich finde. Andere Formate, die sonst nicht so wissenschaftlich unterwegs sind, solche Themen aber behandeln (nach dem Motto, WissenschaftsjournalistInnen dürfen zwar als Erklärbären fungieren, aber die Deutungshoheit über die Daten und Erkenntnisse ist gefälligst den politischen JournalistInnen und FeuilletonistInnen vorbehalten. Regelmäßig für mich gerade in Sachen Energie- und Mobilitätswende sowie Klimaberichterstattung zum Haareraufen. Ich weiss nicht, wie viele Beisshölzer schon durch sind. Und damit meine ich nicht Ulf, ihr wisst schon wen. Das ist eh ein Spezialfall. Nein, in ganz normalen Zeitungen, Radio und Fernsehformaten.
Und auf der anderen Seite das Thema Russland und Krieg. Alle können irgendwie eine Meinung dazu haben. Alle können dazu etwas sagen-zumindest gefühlt. Ob etwas stimmt oder nicht, vollkommen wurscht. Im Unterschied zu Corona lässt sich das nicht mit Daten und Fakten untermauern. Auch da könnte der Journalismus einhaken und erklären, wie man anhand zB. vom PLURV Prinzip Fake News und Bullshit von validen Äußerungen zu unterscheiden sind. Auch bei Maischberger und Illner. Kurzer Einschub: vor ein paar Monaten hörte ich ein Interview mit Maischberger. Da gings um False Balance und ExpertInnentum zB. in ihrer Talkshow. Sie sagte da so sinngemäß, wie man denn ExpertInnen erkennen könne. Das sei ja schwierig. Man habe aber dazugelernt……also hier ist eine ganze professionelle Redaktion die Zielgruppe der Schulung. Ich hatte mir bei dieser Aussage sehr weh getan. Ich flog rückwärts vom Stuhl.
Und dass die Äußerungen zum
Krieg eine ganz andere Grundlage haben.
Es gibt keine verlässliche Datenbasis dazu, niemand kann in den Kopf von Putin schauen. Aber es gibt dennoch ExpertInnen, die deutlich mehr dazu zu sagen haben als andere. Es ist an der Stelle eigentlich die journalistische Aufgabe, diese Expertise zu suchen und auch transparent zu kommunizieren, warum gerade diese Person zu Wort kommt.
Ich bin jetzt mit großer Wahrscheinlichkeit am eigentlichen Thema vorbeigerauscht mit diesem Kommentar. Nehme ich aber in Kauf. Ob ihr das hinnehmt oder sogar lest, weiss ich nicht. Grundsätzlich finde ich es gut, als regelmäßiger Übermedien-Leser, dass es diese Medienkritik von euch gibt. Das hat aber nur einen Haken. Medien beschäftigen sich mit Medien. Man kocht im eigenen Saft. Das wäre in meiner beruflichen Branche undenkbar, dass wir uns nur selbst mehr oder weniger auf die Finger schauen und mal hier und mal uns gegenseitig kritisieren. Am Ende machen dann doch alle wieder weiter wie bisher. Selbstreflektion?. Lernen aus sachlicher Kritik? Fehlanzeige. Immer wieder nur die gleiche unerträgliche Arroganz von irgendwelchen Leitartiklern, KommentatorInnen, BerichterstatterInnen you name it.
Journalismus will einordnen. Grundsätzlich ok. Nur wie kommt der Journalismus immer auf den Gedanken, dass er in anscheind allen Fragen, von Politik bis Wissenschaft, die Deutungshoheit zu haben hat?
Einordnen ja, wenn man mindestens aureichend Kenntins von dem hat, was man für andere einordnen will.
Wenn ich mal wieder eine Arte-Doku ansehe, wo aus dem Off Bedeutungsschwanger eine Stimme erklärt, warum erneuerbare Energien dreckiger seien als fossile, unterlegt mit dramatischer Musik, muss ich erst mal selbst einordnen, wen die da zu Wort kommen lassen.
Zurück zu dem, dass Medien sich mit
Medien beschäftigen. Das reicht nicht. Es reicht auch nicht, wenn man Kommentare schreibt, so wie diesen hier. Es reicht nicht, wenn Redaktionen immer wieder auffordern, dass die Medienkonsumenten ihre „Meinung“ zu dies oder jenem äußern. Alle haben eine Meinung, viele keine Ahnung. Ich habe allerdings auch keine Lösung parat, wie man das, was ich meine und kritisiere, praktisch umsetzen könnte. Das ginge wahrscheinlich so in Richtung des Bürgerklimarates, bei dem zufällig Personen zusammen kommen, aus allen gesellschaften Schichten und dann mit Redaktionen usw. in Austausch gehen. Direkt diskutieren.
Damit könnte man vielleicht auch dem Manko entgegenirken, welches der Journalismus auch hat.
Jemand, der oder die sich vielleicht nicht ganz unfallfrei in der Sprache bewegen kann aber trotzdem was zu sagen hat, fände auch gehör.
Oder so.
Viele Grüße.
Andreas
Es ist ja keine Frage, dass es an Medienkompetenz mangelt. (Allerdings: Kann man davon überhaupt genug haben??)
Nur möchte ich mal steil in Frage stellen, ob das vor 10,2o,30,40,50,60,70,… Jahren jemals besser war. Das jedenfalls erscheint so als implizite These, wenn man den Schüler:innen von heute diesen Mangel diagnostiziert.
Ich sage mal so: Im Klassenraum begegne ich nicht weniger Medienkompetenz als z.B. in der Umkleidekabine des Sportvereins.
Hallo. Super Sache. Diese Initiative wäre ebenfalls in der Erwachsenenbildung wichtig. Und nicht zuletzt im Journalismus selbst. Nach meiner Wahrnehmung fehlt es da an Kompetenz. Ich würde das ein systemisches Problem nennen. Viele, sehr viele individuelle Ausnahmen gibt es natürlich. Für mich geht es an der Kritik am Journalismus über das Erkennen von Fake News usw. hinaus. Es geht auch um die ständige Selbstreflektion, ob man nicht bei der Recherche zu einem Thema oder selbst beim Schreiben eines Kommentars nicht einem der menschlichen Wahrnehmungsfehler unterliegt oder einem logischen Fehlschluss aufsitzt. Der verbreitetste ist sicherlich der Bestätigungsfehler. Das Buch „Medien in der Klimakrise“ beschreibt einen guten Teil dessen, was ich ua. meine. Letztens gab es ja von euch dazu einen Beitrag von Sara Schurmann, die ja ebenfalls im Buch was geschrieben hat. Was aber wie gesagt fehlt, ist eben der Umgang mit diesen Biases usw. und zB. das Kommunizieren von Unsicherheiten. Wo gibt es Evidenz, verlässliche Daten usw. Wo hören diese auf und wo fängt eine Einschätzung, eine Meinung an. Und wie verlässlich ist diese, bzw. wie sieht die Expertise derer aus, die diese Einschätzungen von sich geben.
An zwei Ereignissen, so schrecklich diese auch sind, könnte man den Unterschied zwischen Wissenschaft (mit allen Unsicherheiten) und reinen politischen Fragen wunderbar zeigen: Corona und der russische Angriffskrieg.
Bei Corona gibt es eben Daten und Fakten, wo man sogar beim Forschen und dem „Wir irren uns empor“ zuschauen konnte. Der NDR hat das auch super gemacht, wie ich finde. Andere Formate, die sonst nicht so wissenschaftlich unterwegs sind, solche Themen aber behandeln (nach dem Motto, WissenschaftsjournalistInnen dürfen zwar als Erklärbären fungieren, aber die Deutungshoheit über die Daten und Erkenntnisse ist gefälligst den politischen JournalistInnen und FeuilletonistInnen vorbehalten. Regelmäßig für mich gerade in Sachen Energie- und Mobilitätswende sowie Klimaberichterstattung zum Haareraufen. Ich weiss nicht, wie viele Beisshölzer schon durch sind. Und damit meine ich nicht Ulf, ihr wisst schon wen. Das ist eh ein Spezialfall. Nein, in ganz normalen Zeitungen, Radio und Fernsehformaten.
Und auf der anderen Seite das Thema Russland und Krieg. Alle können irgendwie eine Meinung dazu haben. Alle können dazu etwas sagen-zumindest gefühlt. Ob etwas stimmt oder nicht, vollkommen wurscht. Im Unterschied zu Corona lässt sich das nicht mit Daten und Fakten untermauern. Auch da könnte der Journalismus einhaken und erklären, wie man anhand zB. vom PLURV Prinzip Fake News und Bullshit von validen Äußerungen zu unterscheiden sind. Auch bei Maischberger und Illner. Kurzer Einschub: vor ein paar Monaten hörte ich ein Interview mit Maischberger. Da gings um False Balance und ExpertInnentum zB. in ihrer Talkshow. Sie sagte da so sinngemäß, wie man denn ExpertInnen erkennen könne. Das sei ja schwierig. Man habe aber dazugelernt……also hier ist eine ganze professionelle Redaktion die Zielgruppe der Schulung. Ich hatte mir bei dieser Aussage sehr weh getan. Ich flog rückwärts vom Stuhl.
Und dass die Äußerungen zum
Krieg eine ganz andere Grundlage haben.
Es gibt keine verlässliche Datenbasis dazu, niemand kann in den Kopf von Putin schauen. Aber es gibt dennoch ExpertInnen, die deutlich mehr dazu zu sagen haben als andere. Es ist an der Stelle eigentlich die journalistische Aufgabe, diese Expertise zu suchen und auch transparent zu kommunizieren, warum gerade diese Person zu Wort kommt.
Ich bin jetzt mit großer Wahrscheinlichkeit am eigentlichen Thema vorbeigerauscht mit diesem Kommentar. Nehme ich aber in Kauf. Ob ihr das hinnehmt oder sogar lest, weiss ich nicht. Grundsätzlich finde ich es gut, als regelmäßiger Übermedien-Leser, dass es diese Medienkritik von euch gibt. Das hat aber nur einen Haken. Medien beschäftigen sich mit Medien. Man kocht im eigenen Saft. Das wäre in meiner beruflichen Branche undenkbar, dass wir uns nur selbst mehr oder weniger auf die Finger schauen und mal hier und mal uns gegenseitig kritisieren. Am Ende machen dann doch alle wieder weiter wie bisher. Selbstreflektion?. Lernen aus sachlicher Kritik? Fehlanzeige. Immer wieder nur die gleiche unerträgliche Arroganz von irgendwelchen Leitartiklern, KommentatorInnen, BerichterstatterInnen you name it.
Journalismus will einordnen. Grundsätzlich ok. Nur wie kommt der Journalismus immer auf den Gedanken, dass er in anscheind allen Fragen, von Politik bis Wissenschaft, die Deutungshoheit zu haben hat?
Einordnen ja, wenn man mindestens aureichend Kenntins von dem hat, was man für andere einordnen will.
Wenn ich mal wieder eine Arte-Doku ansehe, wo aus dem Off Bedeutungsschwanger eine Stimme erklärt, warum erneuerbare Energien dreckiger seien als fossile, unterlegt mit dramatischer Musik, muss ich erst mal selbst einordnen, wen die da zu Wort kommen lassen.
Zurück zu dem, dass Medien sich mit
Medien beschäftigen. Das reicht nicht. Es reicht auch nicht, wenn man Kommentare schreibt, so wie diesen hier. Es reicht nicht, wenn Redaktionen immer wieder auffordern, dass die Medienkonsumenten ihre „Meinung“ zu dies oder jenem äußern. Alle haben eine Meinung, viele keine Ahnung. Ich habe allerdings auch keine Lösung parat, wie man das, was ich meine und kritisiere, praktisch umsetzen könnte. Das ginge wahrscheinlich so in Richtung des Bürgerklimarates, bei dem zufällig Personen zusammen kommen, aus allen gesellschaften Schichten und dann mit Redaktionen usw. in Austausch gehen. Direkt diskutieren.
Damit könnte man vielleicht auch dem Manko entgegenirken, welches der Journalismus auch hat.
Jemand, der oder die sich vielleicht nicht ganz unfallfrei in der Sprache bewegen kann aber trotzdem was zu sagen hat, fände auch gehör.
Oder so.
Viele Grüße.
Andreas
Es ist ja keine Frage, dass es an Medienkompetenz mangelt. (Allerdings: Kann man davon überhaupt genug haben??)
Nur möchte ich mal steil in Frage stellen, ob das vor 10,2o,30,40,50,60,70,… Jahren jemals besser war. Das jedenfalls erscheint so als implizite These, wenn man den Schüler:innen von heute diesen Mangel diagnostiziert.
Ich sage mal so: Im Klassenraum begegne ich nicht weniger Medienkompetenz als z.B. in der Umkleidekabine des Sportvereins.