„linksunten.indymedia“ bleibt verboten

Ein bedenkliches Signal für die Pressefreiheit

Szene bei Soli-Demo
Solidaritätsbekundung bei Demo in Frankfurt 2017Foto: imago images / Tim Wagner

Vor fünf Jahren, im August 2017, verbot der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Webseite „linksunten.indymedia“. In diesem Zuge wurde auch ein Strafverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB gegen angeblich Beteiligte eingeleitet. Das wurde nun aus Mangel an Beweisen eingestellt, wie unter anderem netzpolitik.org berichtet.

Die strafrechtliche Verfolgung war bereits im Sommer 2019 vorläufig eingestellt worden, wie Übermedien berichtete. Hintergrund war die Klage von Betroffenen, denen die Verbotsverfügung zugestellt worden war. Vor dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht argumentierten sie, „linksunten.indymedia“ sei kein Verein gewesen, sondern eine Publikation nach Telemediengesetz.

Denn so sehen es Kritiker:innen des Verbots: Mit dem juristischen Kniff, hier das Vereinsrecht anzuwenden, umgingen die Behörden die hohen juristischen Hürden des Verbots eines Presseerzeugnisses. Sie sparten sich damit die Prüfung milderer Maßnahmen, etwa von den Betreibern zu verlangen, problematische Beiträge zu sperren – und eben nicht die gesamte Seite zu verbieten. Unter anderem „Reporter ohne Grenzen“ bezeichnete das Verbot damals als „bedenkliches Signal“:

„Dass die Bundesregierung ein trotz allem journalistisches Online-Portal durch die Hintertür des Vereinsrechts komplett verbietet und damit eine rechtliche Abwägung mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit umgeht, ist rechtsstaatlich äußerst fragwürdig.“

Bundesverwaltungsgericht bestätigte Verbot

Doch das Bundesverwaltungsgericht entschied Ende Januar 2020, dass die Webseite verboten bleibt. Die presserechtlichen Fragen wurden jedoch gar nicht erst diskutiert: Denn den Kläger:innen war zwar die Verbotsverfügung zugestellt worden. Weil sie allerdings behaupteten, dass es keinen Verein gibt und sie demnach auch kein Teil davon seien, argumentierte das Gerichte: Nur Mitglieder eines Vereins könnten gegen dessen Verbot klagen. Deshalb sei ihre Klagebefugnis hier eingeschränkt.

Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die Kläger:innen lediglich überprüfen lassen konnten, ob es sich um einen Verein handele oder nicht. Das Gericht bejahte das. Schließlich hätten sich mehrere Personen freiwillig zusammengefunden und arbeitsteilig organisiert, mit dem Ziel, eine linke Gegenöffentlichkeit herzustellen. Dies sei ein Verein im Sinne des Vereinsgesetzes. Wäre das Gericht zu einem anderen Ergebnis gekommen, wäre das Verbot rechtswidrig gewesen. Sven Adam, einer der Verteidiger:innen, bewertete das Urteil so: „Das Gericht hat sich um eine Entscheidung bei der Auseinandersetzung mit der Medien- und Pressefreiheit gedrückt.“ Folgerichtig legten die Anwält:innen Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein.

Der Verein jedoch blieb verboten – und die Karlsruher Staatsanwaltschaft nahm ihr Verfahren wieder auf. Nun stellt sie es aus Mangel an Beweisen ein. Trotz Einbeziehung von Daten-Forensiker:innen war es nicht gelungen, die 2017 beschlagnahmten, verschlüsselten Datenträger zu knacken.

Rechtsanwalt David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, die das Verbotsverfahren kritisch begleitete, sagte dem Portal Golem.de zur aktuellen Entscheidung: „Dass das Verfahren jetzt eingestellt wurde, zeigt einmal mehr, dass der Paragraf 129, der Verhalten weit im Vorfeld einer konkreten Rechtsgutsverletzung unter Strafe stellt, vor allem dazu genutzt wird, Personen zu überwachen und Strukturen auszuleuchten.“ Werdermann betonte zudem, dass die Betreiber nicht gegen das Verbot vorgehen konnten, weil sie sich dafür auch im Rahmen der Strafverfahren hätten zu erkennen geben müssen.

Geringes mediales Interesse

Wie Übermedien bereits 2019 kritisierte, ist das mediale Interesse an dem Fall äußerst gering. Dabei hatten alle großen Medien im Zuge der Krawalle rund um den Hamburger G20-Gipfel intensiv über das Verbot berichtet. Es stand von Anfang an im Verdacht, auf Kosten der Betroffenen und der Pressefreiheit behördlichen Aktionismus gegen Linksextremisten zu demonstrieren. So schrieb beispielsweise „Spiegel Online“ damals von einem „schweren Schlag gegen die linksextreme Szene in Deutschland“.

Von alldem ist fünf Jahre später nicht viel übrig – bis auf das nach wie vor gültige Verbot der Webseite. Die Strafverteidigerin Angela Furmaniak, die ebenfalls Betroffene vertreten hat, sagte auf Anfrage von Übermedien:

„Wir haben gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt, weil wir meinen, dass das Verbot das Grundrecht der Pressefreiheit verletzt. Seit mehr als zwei Jahren warten wir nun darauf, dass Karlsruhe eine Entscheidung trifft. Nach wie vor ist aber unklar, wann es dazu kommt.“

Die Exekutive hat ihr Ziel so oder so erreicht: Das Portal hat seine Bedeutung für die linke Szene längst eingebüßt. Die Betroffenen mussten über Jahre Verfahren führen und die laufenden Anwaltskosten durch die Einstellungen mangels Tatverdachts (aber ohne Freispruch) selbst tragen.

Für die Pressefreiheit in Deutschland sind das bedenkliche Signale: Ohne dass bislang der Nachweis strafbarer Inhalte gerichtlich erbracht worden wäre, noch dass die dafür vermeintlich Verantwortlichen strafrechtlich verurteilt werden konnten, bleibt ein vorher viel genutztes Portal verboten. Dass dort neben den inkriminierten Inhalten überwiegend vollkommen legale Diskussionen zu linken Themen von Feminismus bis Veganismus geführt wurden, ist unbestritten. Dennoch hat die eigentlich gebotene verfassungsrechtliche Abwägung auch fünf Jahre später nicht stattgefunden. Ein Schelm, wer dieses Vorgehen Zensur nennt.

2 Kommentare

  1. Ein Dankeschön für das beobachtende Auge jenseits der medialen Aufmerksamkeiten.
    Das vermittelt einem die langen Zeitskalen, auf denen der Kampf durch den Dschungel der Rechtsstaatlichkeit geführt werden muss. Und wenn er geführt wurde, liegen die Ereignisse so lange zurück, dass es keinen mehr interessiert. Und der Initiator – Thomas de Maizière, die christdemokratische Rotznase – braucht sich dazu dann auch nicht mehr zu äußern. Aber ihr Fingerabdruck, bleibt im kollektiven deutschen Gedächtnis: „…wir haben was gegen Linksradikal unternommen…“.

  2. Dass ein Presseerzeugnis nicht von einem Verein erstellt werden darf, um von der Pressefreiheit zu profitieren, ist doch ähnlich willkürlich wie die Forderung, dass ein Presseerzeugnis auf Papier erscheinen muss, oder?

Einen Kommentar schreiben

Mit dem Absenden stimmen Sie zu, dass Ihre Angaben gemäß unseren Datenschutzhinweisen gespeichert werden. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.