Springer, Funke, Burda

Baby heimlich fotografiert: Helene Fischer wehrt sich erfolgreich gegen Paparazzibilder

Vor zwei Monaten konnten „Bild“ (Axel Springer), „Freizeit Revue“ (Burda) und „Superillu“ (ebenfalls Burda) endlich präsentieren, worauf sie sooo lange gewartet hatten: „Die ersten Fotos!“ von Helene Fischers Baby.

(Alle Unkenntlichmachungen von uns.)

In den Wochen und Monaten davor hatten sich viele Medien immer wieder darüber beschwert, dass die Sängerin ihr Kind nicht sofort nach der Geburt vor der Weltöffentlichkeit zur Schau gestellt, sondern sich – im Gegenteil – aus dem Rampenlicht zurückgezogen und ihre Zeit privat mit ihrer Familie verbracht hatte. Doch nun, endlich:

„Zeigt uns ihr Baby-Glück“ – hier im Sinne von: Sie war mit ihrem Baby in der Münchner Innenstadt spazieren, wurde dort von Paparazzi verfolgt und heimlich fotografiert, und wir zeigen die Fotos jetzt ohne ihr Einverständnis unserem Millionenpublikum.

Mit ihrem Baby im Arm wirkt die Sängerin entspannt und jeder darf, ja soll sehen, wie sehr sie ihre neue Mutterrolle liebt. (Bild.de)

Das ist eine beliebte Argumentation von „Bild“: Wenn eine prominente Person etwas außerhalb ihres eigenen Zuhauses mache, dann solle das jeder sehen, und dann dürfe „Bild“ auch Fotos davon verbreiten. Doch das stimmt nicht: Nicht alles, was in der Öffentlichkeit passiert, darf auch automatisch Teil der Berichterstattung werden.

Das machen Gerichte immer wieder deutlich, etwa der Bundesgerichtshof, der im September 2020 urteilte, dass Fotos, die eine Prominente vor einem Scheidungstermin auf dem Weg in ein Gericht zeigten, nicht hätten gedruckt werden dürfen. Die Richter erklärten, dass „nicht alles, wofür sich die Menschen aus Langeweile, Neugier und Sensationslust interessieren“, auch von Medien veröffentlicht werden dürfe. „Privatheit“ erfordere „nicht notwendig eine durch räumliche Abgeschiedenheit geprägte Situation“, vielmehr könne sie „auch außerhalb örtlicher Abgeschiedenheit entstehen“. (Das Urteil richtete sich übrigens gegen: „Bild“.)

Aber was Gerichte sagen, kümmert die Leute bei „Bild“ bekanntlich nicht immer, und so widmeten sie den Paparazzifotos von Helene Fischers Baby nicht nur den Titel und die letzte Seite ihrer Bundesausgabe, sondern auch einen prominenten Platz auf der Startseite von Bild.de, ein Video („So süß ist die kleine Nala: Erste Aufnahmen von Helenes Baby!“) und mehrer Online-Artikel („Helene Fischer mit Baby: So geht ihr cooler Mami-Style“, „Helene Fischer im Baby-Glück: Nala ist ihr größter Fan!“).

Auch viele andere Medien veröffentlichten die Fotos, insbesondere Zeitschriften der Verlage Burda, Bauer und Funke.

Helene Fischer ist dagegen juristisch vorgegangen. Ihr Anwalt forderte von den Verlagen, die Fotos aus ihren Onlineangeboten zu löschen und sich per Unterlassungserklärung dazu zu verpflichten, die Fotos nicht weiter zu veröffentlichen.

Es ist bezeichnend, wie die Verlage darauf reagiert haben.


Der Burda-Verlag gab die geforderten Unterlassungserklärungen zwar ab, veröffentlichte zwei Ausgaben später in der „Freizeit Revue“ aber neue Paparazzifotos – wieder von Helene Fischer und ihrem Baby, diesmal „ERWISCHT BEIM JUWELIER“:


Der Bauer-Verlag (gegen den Fischers Anwalt ebenfalls erfolgreich vorgegangen war) nahm die Fotos zum Anlass, eine „SCHOCK-NACHRICHT“ zu konstruieren:

„Woche Heute“

Schließlich war Helene Fischers Lebensgefährte auf den Fotos nicht zu sehen. „Sollte das Paar am Ende womöglich getrennt sein?“


Die Funke-Mediengruppe ging (nach unterschriebener Unterlassungserklärung) in eine ähnliche Richtung, aber noch einen erstaunlichen Schritt weiter: In ihrer Zeitschrift „Die Aktuelle“ dichtete auch sie Helene Fischer eine Beziehungskrise an, nutzte dafür aber nicht nur die Fotos an sich, sondern auch die Tatsache, dass sich Fischer gegen deren Veröffentlichung gewehrt hat:

Helene & Thomas - Liebes-Beben! - Hat sie überreagiert?

Als Helene mit Töchterchen Nala einen Stadtausflug machte, wurde sie von ihrer Mama begleitet. Von Thomas wieder mal keine Spur! (…) Was ist bloß passiert? Läuft es mit dem Akrobaten Thomas etwa nicht mehr gut? Bei dem ehemals so leidenschaftlichen „Traumpaar“ scheint offenbar nicht mehr viel Romantik in der Luft zu liegen. Oder warum sonst ist sie die ganze Zeit solo unterwegs?

Dass Paare nach der Geburt eines Kindes in eine Beziehungs-Krise rutschen, ist keine Seltenheit. (…) Man muss sich als Familie eben erstmal neu finden. Das ist eine anstrengende Zeit, die an den Nerven zehrt, Streits provoziert. In so einer Phase könnte nun auch Helene stecken …

Und genau davon gab es nun diese Fotos, die ihr aus Zeitungen und Magazinen entgegensprangen. Hat Helene es nicht ausgehalten und deswegen überreagiert? Denn keines der Bilder ist mehr in der Öffentlichkeit zu finden. Alles verboten! Weil sie ihr eigenes Unglück nicht mehr sehen wollte?


Der Verlag Axel Springer weigerte sich, für einen Teil der Fotos und mehrere Textstellen eine Unterlassungserklärung abzugeben. In einem Schreiben an Fischers Anwalt gab der Verlag an, dass man sich hinsichtlich der Bilder, auf denen Helene Fischer ihren Kinderwagen schiebt und das Kind nicht zu erkennen ist, „nicht zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung veranlasst“ sehe. Zur Begründung heißt es (Fehler im Original):

Ihre Mandantin hat von der Bühne herab immer wieder von ihrem Kindestraum gesprochen und damit kokettiert, hat inzwischen nicht nur als erfolgreichste deutsche Sängerin, sondern auch als Mutter eine erhebliche Vorbildfunktion für die breite Gesellschaft und nahm nun, da das Kind bereits ein halbes Jahr alt ist, ganz bewusst ein Bad in der Menge, insbesondere an Münchner Promi-Spots, und hat dies, wie hier zu sehen, sehr genossen: [hier dann eines der Paparazzifotos]

Sie wollte es doch so!, scheint also die Argumentation zu sein, schließlich sah sie auf einem der Fotos nicht unglücklich aus! (Übrigens nicht das erste Mal, dass der Axel-Springer-Verlag besser weiß als Helene Fischer, was im Leben von Helene Fischer vor sich geht.)

Das Landgericht Berlin zeigte sich allerdings wenig überzeugt von den Springer-Argumenten. Die Berichterstattung diene „allein der Neugierbefriedigung“, stellte das Gericht Anfang Juli in einem einstweiligen Verfügungsverfahren fest. Die Fotos seien „in einem privaten Moment der Entspannung“ entstanden und „ganz offensichtlich durch Ausnutzung von Heimlichkeit“ und „durch beharrliches Nachstellen“ gewonnen worden. („Bild“ hatte in extremer Detailgenauigkeit den Ablauf des Spaziergangs beschrieben; viele der Bilder waren offenbar aus größerer Entfernung, durch Scheiben oder aus einer Deckung heraus aufgenommen worden.)

Darum untersagten die Richter Axel Springer unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro, die betroffenen Fotos und Textpassagen weiter zu verbreiten.

7 Kommentare

  1. Muss sie eigentlich für jedes Bild eine neue Unterlassung erklagen? Kostet das für Verlage irgendwann etwas, also mehr als nur Prozesskosten?

  2. @erwinzk: Oft werden Fotos der gleichen Serie (in diesem Fall also z.B. alle Fotos, die in der Münchner Innenstadt entstanden sind) in einer Unterlassungserklärung zusammengefasst. Für die Verlage geht es in der Regel erst dann richtig ins Geld, wenn der oder die Betroffene Schadensersatz/Schmerzensgeld fordert, was in diesem Fall aber (noch) nicht passiert ist.

  3. @erwinzk:
    Die Rechtsabteilungen der Verlage planen all den Aufwand durch Unterlassungsklagen und auch Schadensersatzzahlungen mit ein. Die Auflage soll das dann kompensieren.

  4. Natuerlich weiss ich, dass das juristisch nicht geht, aber bei diesen ritualisierten Katz-und-Maus-Fotos die ja meistens gleich vor Gericht ausgehen, muessten sich Gerichte einfach eine andere Strafe ausdenken, die auf die Zeitschriften zugeschnitten sind: Unterlassungsklage-und als Strafe darf in 4 Wochen eine Ausgabe der Zeitung nicht erscheinen. Solange Anwaltskosten und Schmerzensgelder einfach eingepreist werden und man online dann ein paar Seiten schwärzt wird sich da nichts ändern. Oder statt Unterlassung wird schon der originale Erstdruck bestraft: Paparazzi-Fotos aus Muenchen? Erstmal 250.000 Euro latzen und dann sehen wir weiter…

  5. @#4: Ich finde, Teekay spricht da einen wichtigen Aspekt an. Das ist schließlich wie beim Stehlen: Wenn die Strafe immer nur wäre: „Gib das zurück und wenn du genau dieses Ding nochmal klaust. Dann.. ja DANN…!!!!“, ja dann würde einfach jeder immer klauen. Manches darf mal behalten, den Rest gibt man halt wieder zurück und erklärt zur Not noch öffentlich, dass die Aktion jetzt nicht so knorke war… uuund weiter geht’s.

    Es gibt doch auch strafverschärfende Umstände: Wiederholungstäter, Vorsatz etc. Warum führen die nicht zu empfindlichen/schwer zu kalkulierenden Strafen?

  6. @5: Ich, kein Anwalt, denke es gibt die entsprechenden empfindlichen Strafen nicht – es sei denn Schmerzensgeld wie schon erwähnt, aber eine Zivilklage dauert halt. Übermieden könnte mal einen Beitrag dazu machen, welche Strafverfschärfungen sinnvoll sein könnten und sinnvoll abwägen, da man die Pressefreiheit auch nicht gern beschneidet.

  7. @#6: Das ist ja der Punkt: Die (möglichen?) Strafen sind offensichtlich viel zu gering, haben also keinerlei abschreckende Wirkung bzw. lassen sich locker mit dem auf diese Weise verdienten Geld bezahlen.

    Mit der Pressefreiheit hat das Ganze meiner Ansicht nach nichts zu tun. Denn verboten ist es auch heute schon, von jemandem heimlich intime Fotos zu schießen und zu veröffentlichen, ebenso wie Lügen und Verleumdungen über andere Menschen zu verbreiten.

    Stattdessen läuft das Geschäftsmodell wie die Kalkulation von notorischen Falschparkern: Wenn das widerrechtliche Parken auf Anwohnerparkplätzen 15 Euro kostet, man aber nur alle zwei, drei Monate mal erwischt wird, parken viele einfach nie im Parkhaus, weil das eben immer 1,50 Euro pro Stunde kostet. Viel billiger für die Allgemeinheit wäre es daher, kein Parkhaus zu haben und sich das Personal für die Kontrollen zu sparen. Leidtragende sind die Anwohner in jedem Fall.

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