Ob steigende Gaspreise oder Verbrenner-Aus – der Podcast „Pod steh uns bei“ bespricht jede Woche aktuelle Politik- und Wirtschaftsnachrichten und bewertet sie durch die „Klimabrille“. Das Ziel ist es, politisches Handeln verständlich zu machen und die Folgen für die Klimakrise zu erklären. Ein wichtiges und gutes Anliegen.
Pro Episode gibt es mehrere Themen – beispielsweise das 9-Euro-Ticket, anstehende Landtagswahlen oder auch Emmanuel Macrons Klimakurs in Frankreich. Sie werden nacheinander behandelt, weshalb hier eine Kapitelfunktion hilfreich wäre, um springen zu können. Manchmal hört man auch die Schnitte, wenn eine Diskussion nachträglich gekürzt wurde.
Einen Podcast-Titel wie hier im Logo in fetten Großbuchstaben zu schreiben und damit die Hörer:innen gleich mal anzuschreien, finde ich nervig und unnötig. Auch den Titel an sich finde ich nicht gelungen, er sagt zu wenig darüber aus, worum es geht. Die brennende Erde auf der Grafik zeigt dagegen gut, was hier Sache ist.
Mein Hauptkritikpunkt lautet aber: Es sind zu viele Stimmen, zu viele Leute am Mikrofon.
Wer spricht da jetzt?
Bei diesem Podcast gibt es nicht den einen gewohnten Host oder das Duo, das jede Folge wiederkehrt. „Wir sind eine Gruppe von Journalist:innen, Aktivist:innen, Wissenschaftler:innen und Politikberater:innen“, heißt es im Vorspann. Dazu zählen zum Beispiel Aktivistin Luisa Neubauer von „Fridays For Future“, Moderator und Journalist Tobias Krell, die Politikberater Matthias Riegel und David Wortmann, die Deutschlandfunk-Journalistin Katharina Hamberger, Valerie Höhne vom „Spiegel“ und die Autorin und Journalistin Sara Schurmann. Und noch mehr.
Da fällt es schwer, Beziehungen zu den Personen am Mikrofon aufzubauen und die einzelnen Menschen und ihre Positionen einzuordnen oder kennenzulernen. Klar, manche bleiben hängen und Luisa Neubauer kennt man sowieso, dennoch ist es mir einfach zu viel. Aus angestrebter Vielfalt und wahrscheinlich auch produktionstechnischer Machbarkeit wird bei diesem Podcast schlichtweg Hörverwirrung. Nach Folge 20 wird es langsam leichter, die Stimmen auseinanderzuhalten – aber bleiben alle so lange dran? Wohl eher nicht.
Alle Beteiligten haben eine klare Agenda: Sie suchen nach Lösungen, wie man die menschengemachte Klimakrise stoppen kann. Nur über das Wie sind sie sich nicht immer einig. Die Aktivist:innen wiederholen immer wieder ihre jeweiligen Positionen zu Themen wie Elektroautos oder Atomkraft. Das wirkt oft schon fast einstudiert, aber nicht minder emotional. Etwas sachlicher sind da erwartungsgemäß die Journalist:innen, die sich ebenfalls seit Jahren mit Klimathemen beschäftigen und daher viel Fachwissen beitragen.
Die Kolumne
Podcasts haben es verdient, wie andere Medien besprochen, gelobt und kritisiert zu werden. Alle zwei Wochen machen das Larissa Vassilian und Sandro Schroeder hier abwechselnd: in der Podcast-Kritik.
Foto: Mathias Vietmeier
Larissa Vassilian war unter dem Pseudonym Annik Rubens eine der ersten deutschen Podcasterinnen und zehn Jahre lang „Schlaflos in München“. Seit 2007 widmet sie sich mit „Slow German“ deutschlernenden Hörer:innen aus der ganzen Welt. Sie hat zwei Bücher zum Thema Podcasting geschrieben, arbeitet unter anderem beim Bayerischen Rundfunk, wo sie eine der „Podcast-Entdecker“ des gleichnamigen Newsletters ist und mit Christoph Süß den „quer“-Podcast „Nachmittags Schwimmschule“ moderierte.
Der Podcast spricht vor allem junge Leute an, und das soll er gerne tun. Auch wenn ich finde, dass ein Podcast zu diesem Thema möglichst viele Menschen aus unterschiedlichen Filterblasen erreichen sollte. Dafür ist das Angebot aber leider nicht niederschwellig genug. Haufenweise Wichtigtuer-Anglizismen („Incentives“, „Grund-Mindset“, „klares Messaging“, „neue Player“, „Deep-Dive“) und unerklärte Fachbegriffe („Stromsektor dekarbonisieren“, „LNG-Gas“) sorgen dafür, dass die Kritik, die häufig auch an „Fridays for Future“ herangetragen wird, hier leider zutrifft: Das Thema wird aus der Ecke der privilegierten Akademiker:innen beleuchtet, zu wenig aus der Sicht des „normalen Menschen“.
Der Podcast sollte mehr auf die Fragen und Ängste eingehen, die viele Leute haben: Wie wird sich die Wirtschaft entwickeln, vor allem für Menschen, die nicht viel verdienen? Wird es bestimmte Berufe überhaupt noch geben? Werden die jetzigen Kinder später mal eigene Kinder bekommen können? Wird es große Wellen der Zuwanderung geben und wie gehen wir damit um? „Klimaangst“ ist jetzt schon ein feststehender Begriff – und viele Menschen fühlen sich angesichts der Größe und Komplexität des Problems ohnmächtig.
Gute Zahlen und Fakten – aber bitte mehr Belege
Es gibt gute Texte unter den Episoden, aber sie könnten noch besser sein. Eigentlich wäre es gut, wenn alle genannten Fakten hier nachlesbar wären – und zwar mit Quelle. Denn genau diese Fakten könnten wir Hörer:innen dazu verwenden, um in alltäglichen Diskussionen zum Thema Klimakrise zu punkten. Ich habe zum Beispiel im Podcast Zahlen darüber gehört, wie wasserintensiv die Stromgewinnung mit verschiedenen Kraftwerken ist – von Kohle bis Atom, Gas und Solar. Beeindruckende Zahlen, die ich aber nach einer Internetsuche nicht verifizieren konnte. Das heißt nicht, dass sie falsch sind – aber ohne Beleg werde ich diese Zahlen nicht weitertragen.
Dass der Podcast viele Zahlen und Fakten präsentiert, finde ich grundsätzlich gut. Das macht die Sache anschaulich. Aber ich muss mich darauf verlassen können. Da der Podcast in der glücklichen Lage ist, eine kleine Redaktion im Hintergrund zu haben, wäre es also kein großer Aufwand, die ohnehin recherchierten Inhalte noch transparenter zu machen.
Am stärksten ist der Podcast immer dann, wenn sich die Beteiligten mal nicht einig sind. Das heißt nicht, dass ich Krawall möchte, sondern schlichtweg, dass ich mir besser meine eigene Meinung bilden kann, wenn ich verschiedene Standpunkte zu einem Thema höre. Zur Sache geht es zum Beispiel bei der Frage, ob Olaf Scholz nun wirklich ein Klimakanzler ist, wie er sich selber im Wahlkampf positioniert hat. Irritationen gibt es auch darüber, warum vor allem über die Grünen gesprochen wird und weniger über die anderen Parteien und ihre Klimathemen. Es dürfen gerne noch viel mehr Statements der Gesprächsteilnehmer:innen hinterfragt werden, auch das gehört zur Glaubwürdigkeit eines solchen Podcasts.
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