Evangelische Journalistenschule

Zum Schluss bleibt nur der gute Name

Raeume der Evangelischen Journalistenschule (EJS) in der Jebenstrasse 3 in Berlin-Charlottenburg (Foto vom 20.09.2021)
Foto: epd-bild/Christian Ditsch

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„Wie wird man das eigentlich, Journalist?“, werde ich ab und an gefragt. Die Antwort lautet: Indem man etwa ein Volontariat macht, für ein paar Praktika anheuert, sich früh bei Medien ausprobiert. Doch Sender und Verlage bilden nicht so viele Nachwuchskräfte aus, wie benötigt werden. Deshalb belegen Nachwuchsjournalist*innen auch journalistische Studiengänge. Das habe ich vor einigen Jahren auch gemacht, am Journalistischen Seminar der Uni Mainz, wo ich später als Lehrbeauftragter den Nachwuchs mit ausgebildet habe.

Neben diesen beiden Wegen gibt es aber (mindestens) noch einen weiteren: Den Besuch einer Journalistenschule, etwa der DJS in München oder der Axel-Springer-Journalistenschule FreeTech Academy. Auch an diesen wenigen Standorten wird zumeist in Jahrgängen von 15 bis 30 Teilnehmer*innen das journalistische Handwerk gelehrt. Und einer davon ist nun weggebrochen.

Seit 1995 wurden an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin junge Journalist*innen ausgebildet. Sie ist eine Abteilung des Gemeinschaftswerks der Evangelischer Publizistik (GEP), zu dem unter anderem die Nachrichtenagentur epd, das Online-Portal evangelisch.de und das Magazin „Chrismon“ gehören*. Doch nun hat der Aufsichtsrat des GEP beschlossen: Nach 27 Jahren und 13 Jahrgängen ist Schluss. Eine Entscheidung, die vor allem für Absolvent*innen der EJS, von denen sich einige in den vergangenen Jahren für deren Erhalt engagiert haben, schwer zu akzeptieren ist.

Eine Pressemitteilung ohne Würdigung

Kritik gab es auch für die Art, mit der das GEP den Beschluss kommunizierte: mittels einer Pressemitteilung, die das Ende der traditionsreichen Schule knapp verkündet und begründet, dann aber doch fix zu einem positiven Spin kommt. „Bis zu fünf“ Volontariate wolle das GEP ab 2023 anbieten.

Zum Vergleich: Im letzten EJS-Jahrgang wurden 16 Nachwuchsjournalist*innen ausgebildet. Und von einer Würdigung der Leistung des Studiengangsleiters Oscar Tiefenthal, der Mitarbeiter*innen, Dozierenden, der Ehemaligen, des Freundes- und Förderkreises – kein Wort.

Jörg Bollmann, Direktor des GEP, sagt dazu im Gespräch mit Übermedien:

Es steht außer Frage, dass wir die Leistungen, die in der Schule erbracht worden sind, die der Lehrenden, der Mentorinnen und Mentoren und der Schülerinnen und Schüler würdigen und über all die Jahre hinweg immer gewürdigt haben. Wenn das so nicht wäre, hätten wir uns nicht zwei Jahre lang intensiv bemüht, Wege zu finden, um die EJS trotz der wirtschaftlichen Zwänge fortführen zu können.

Den Beschluss an sich stellt Bollmann als alternativlos dar, spricht von einer „sehr schwierigen, rein wirtschaftlich begründeten Entscheidung“ und „ganz klaren und sehr massiven finanziellen Zwängen“. Was in der Pressemitteilung noch als etwas krude wahrgenommene Begründung daherkam, etwa mit dem Beispiel gestiegener Rohstoffpreise (für Papier), erläutert Bollmann im Gespräch mit Übermedien jetzt ausführlicher:

Wir müssen eine deutlich schwindende Finanzkraft der Kirchen verkraften und sehen eine deutliche Abnahme der Zahl derer, die Mitglied in der evangelischen Kirche sind. Wir nehmen auch zur Kenntnis, dass wir nicht mit einfach wachsendem Interesse für die Themen rechnen können, die der Kirche wichtig sind. Wir stehen mit den Themen der evangelischen Publizistik in einem immer härter werdenden Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Interesse. Das bedeutet – kalkuliert von der EKD und vom GEP –, dass wir mit einem Finanzkraftverlust von 20 Prozent zu rechnen haben. Deshalb müssen wir ein Kostenvolumen von mindestens 1,9 Millionen Euro jährlich einsparen. Das wollen wir sozialverträglich erreichen. Der Kostenaufwand , den das GEP für die Evangelische Journalistenschule zu tragen hatte, lag bei rund 400.000 Euro jährlich.

So schmerzhaft das für die engagierten Mitglieder des EJS-Freundeskreises, die die Kampagne „EJS retten!“ in den vergangenen beiden Jahren vorangetrieben haben, auch ist: Die fehlende Finanzierung kann man kaum von der Hand weisen.

Zumal das GEP nicht nur an der EJS sparen will: Aus vier Spitzenpositionen im GEP werden künftig zwei. Die Position des Geschäftsführenden Herausgebers von „Chrismon“ werde nach Arnd Brummers Ausscheiden nicht erneut besetzt, sagt Bollmann. Und seine eigene Position als Direktor und Geschäftsführer „wird im März 2024, wenn ich in den Ruhestand gehe, ebenfalls nicht eins zu eins nachbesetzt, sondern mit der Position des Theologischen Vorstands im GEP, der als Medienbeauftragter des Rates der EKD tätig ist, verschmolzen“. Bollmann versichert:

Einen solchen Beschluss, eine hoch anerkannte Einrichtung des GEP wie die EJS zu schließen, trifft niemand von den Verantwortlichen im GEP mit leichter Hand. Ein solcher Beschluss ist für alle Beteiligten schmerzhaft.

Was wurde aus dem Konzept „EJS 4.0“?

Eine davon ist Natascha Gillenberg aus dem Vorstand des Freundeskreises der EJS. Zwei Jahre lang hat sie an einem neuen Konzept „EJS 4.0“ gearbeitet, an einer Neuausrichtung der Schule mit dem Schwerpunkt Digitalisierung. Dazu gab es unter anderem eine Task-Force, zu der auch Thorsten Dörting aus der „Spiegel“-Chefredaktion, der Publizist Sascha Lobo, Lina Timm („Media Lab Bayern“) und andere gehört haben. Gillenberg sagt:

Ich nehme die Sparzwänge der Kirche sehr ernst, und ich respektiere das Ringen aller Beteiligten darum. Aber: Momentan hat die Kirche noch Geld. Dieses sollte sie gezielt und strategisch klug in die Zukunft investieren, und sie sollte es in Menschen und Institutionen investieren, die große Lebendigkeit haben und als Botschafter:innen fungieren.

Gillenberg sagt, sie habe die Gespräche mit dem GEP „durchaus als sehr ernsthaft erlebt“. Mit „EJS 4.0“ hätte man, bezogen auf das Digitale, auch „wertvolle und notwendige Impulse im eigenen Haus“ schaffen können.

Das Konzept identifiziert Herausforderungen durch den digitalen Wandel; für die Medienwelt ingesamt und innerhalb der evangelischen Publizistik. Die grundständige Ausbildung der Nachwuchsjournalist*innen sollte sich „noch deutlich weiter und radikaler in Richtung Digitalisierung“ orientieren.

In diesem Umbauprozess über drei bis fünf Jahre hätte der 14. Jahrgang der EJS bereits der Erste sein können, der davon profitiert. Das Konzept umfasst außerdem Fort- und Weiterbildungen, auch als Einnahmequelle, und Debattenformate. Doch nun kam es also anders. Gillenberg nennt das eine „verpasste Chance“.

Dass es am Ende aber nur eine Entweder-Oder-Entscheidung gab, scheint mir dem Ringen und den unterschiedlichen Haltungen innerhalb des Gremiums nicht gerecht zu werden. Die Fortführung bzw. Neuausrichtung scheiterte meines Erachtens nicht am Konzept, denn das war mit großer Sympathie aufgenommen worden bzw. war ja sogar aufgrund von konkreten Rückmeldungen aus dem Aufsichtsrat zustande gekommen. (…) Dass man nach zwei Jahren intensiver Verhandlungen miteinander und mit einem Zukunftskonzept, das für große Zustimmung gesorgt hat, am Ende dann doch nur die Radikallösung der Schließung entscheidet, ist sehr enttäuschend. Ich halte es weder für klug noch für besonders kreativ.

Die EJS zu priorisieren, habe nicht stattgefunden. Stattdessen wolle man die anderen Marken des Hauses schützen, sagt Gillenberg. „Die Zukunftsfähigkeit dieser Entscheidung darf man bezweifeln.“

Laut Geschäftsführer Bollmann habe das GEP die Bemühungen um das neue Konzept unterstützt. Er habe mit Gillenberg „über den gesamten Zeitraum auf einer soliden Basis intensiv und vertrauensvoll zusammengearbeitet“.

Bollmann sagt aber auch:

Sich um die wirtschaftlichen Belange des GEP zu kümmern, ist natürlich nicht Aufgabe von Frau Gillenberg, sondern meine als Geschäftsführer des GEP. Frau Gillenberg war darauf fokussiert, das Konzept für die EJS 4.0 aufzubauen. Ihr verständliches Interesse ist es, dieses Konzept umzusetzen, auch gegen alle Widerstände.

Zwar sei es sein Ziel gewesen, das Konzept „EJS 4.0“ umzusetzen, wenn das GEP in der Lage gewesen wären, diese Aufgabe wirtschaftlich zu tragen. „Für mich ist der Konzeptansatz, die Ausbildung maßgeblich digital zu erweitern, voll und ganz überzeugend.“ Es sei aber nicht finanzierbar gewesen:

Wenn wir das Konzept EJS 4.0 umsetzen würden, müssten wir von einem höheren Kostenaufwand ausgehen. Die Kalulation würde sich dann auf nicht mehr 400.000 Euro, sondern auf mindestens 500.000, je nach Ausstattung auch auf 600.000 Euro pro Jahr belaufen.

Was wird aus dem Namen?

Natascha Gillenberg sagt, sie wolle sich „in dem Thema nicht auf unbegrenzte Zeit verkämpfen“, aber aufgegeben hat sie die EJS noch nicht:

Wir haben Angebote von Gesprächspartnern, die eine Finanzierung bzw. Neugründung der EJS außerhalb kirchlicher Strukturen für möglich und unser Konzept ,EJS 4.0‘ für innovativ und zukunftsorientiert halten. Diese Gespräche werden wir führen und dann entscheiden. Deswegen möchten wir auch die Namensrechte der Schule sichern und hoffen , dass sich das GEP dem nicht entgegenstellt.

GEP-Geschäftsführer Bollmann sagt zu Übermedien: „Wenn jemand dazu wirtschaftlich in der Lage ist, das Konzept umzusetzen, halte ich das inhaltlich für spannend.“ Und zu den Namensrechten:

Wenn Interesse an dem Namensrecht bekundet wird, werden wir für Gespräche offen sein.

Als Geschäftsführer sei es ihm aber nicht möglich sein, „einfach Unternehmenswerte zu verschenken“. Vorauszusetzen sei eine angemessene Prüfung und eine entsprechende Verhandlung über die Rahmenbedingungen:

Mit der Marke Evangelische Journalistenschule sind ja zum Beispiel bestimmte Qualitätsmerkmale verbunden, die bei Betrieb einer Einrichtung unter diesem Namen eingehalten werden müssten.

Qualitätsmerkmale, die es alleine offenbar nicht nahelegen, die Schule mit Unterstützung von Evangelischer Kirche und dem Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik zu erhalten.


* Offenlegung: Während meines Journalismus-Studiums habe ich rund ein Jahr lang als studentische Hilfskraft für „chrismon“ gearbeitet. Zur Kampagne „EJS retten!“ des Freundeskreises habe ich ein unterstützendes Zitat und eine der etwa 1.500 Unterschriften aus der Medienbranche beigetragen.

2 Kommentare

  1. Weniger Einfluss der (in diesem Fall envangelischen) Kirche auf Journalisten und Journalistinnen? Toll. Jetzt noch die epd abschaffen. Dann hat die Gesellschaft einen weiteren Schritt in Richtung Säkularisierung gemacht. Es wird Zeit diese demokratie- und menschenfeindliche Ideologie (Frauen und Minderheiten in jeglicher Weise leiden auch heute noch darunter) endlich ins Private zu verbannen.

    Auf der anderen Seite ist es für den Journalismus natürlich schlecht, dass künftig weniger Kolleginnen gut ausgebildet werden. Aber aus meiner Sicht ist das dennoch ein Gewinn für die Gesellschaft.

    Disclamer: Ich sage nichts gegen Gläubige oder die Ausübung jeglicher Religion (unabhängig davon, ob jemand an einen oder mehrere Götter, Energien oder heilige Kartoffeln glaubt). Jede/r möge nach ihrer/seiner Fasson glücklich werden. Mir geht es um den nach wie vor starken Einfluss der Kirchen, den sie stets für den eigenen Machterhalt einsetzen und damit gegen die Gesellschaftsinteressen. Der Vatikan is dafür immer noch das eindrücklichste, aber nicht das einzige Beispiel.

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