Man könnte fast meinen, uns Menschen in Deutschland interessieren nur zwei Themen: Verbrechen und Sex. Zumindest, wenn es um Podcasts geht, da florieren beide Genres. Zu dem einen gehört auch „Ich frage für einen Freund – der Sex-Podcast für Erwachsene“ des „Hamburger Abendblatts“.
Der Titel deutet schon an, dass wohl etwas Humor in diesem Podcast steckt, der von einem Mann und einer Frau gehostet wird, also perfekt für den Perspektivwechsel. Und der Hinweis „für Erwachsene“ und das kleine „18+“ in der Titel-Grafik macht die Sache schon mal spannend. Wir aufgeklärten Erwachsenen brauchen ja keine Tipps von Dr. Sommer mehr, oder?
An einem der Mikrofone sitzt Sexual-Therapeutin Katrin Hinrichs, ihr gegenüber Journalist und Kolumnist Hajo Schumacher. Sie ist klinische Sexologin (wovon es in Deutschland offenbar nur sechs gibt) und zertifizierte Heilpraktikerin der Psychotherapie. Ihn kennt man wohl am besten als ehemaligen Lauf-Kolumnisten Achim Achilles des „Spiegel“ und häufigen Talkshow-Gast aus dem Fernsehen. Schumacher ist mittlerweile auch Viel-Podcaster, er macht zum Beispiel auch „Wir. Der Mutmach-Podcast“ der „Berliner Morgenpost“ (gemeinsam mit seiner Frau, einer Psychologin) oder Auftragsproduktionen für die Deutsche Bahn oder die Brost-Stiftung.
Domina und Hase
Die Grundvoraussetzungen stimmen also: Da sitzt eine Expertin mit einem am Thema interessierten Laien zusammen. Oder, wie Schumacher es ausdrückt: „Du bist die Domina aller Sexpodcasts, ich bin der kleine Dienstleister im Hasenkostüm“. Und damit sind wir schon bei genau dem, was Schumacher besonders gut kann: Er formuliert gewitzt und schlagfertig (spricht etwa von „sich entküsst haben“ und „sich wieder ranküssen“), und bleibt seiner Rolle als Hofnarr in diesem Podcast quer durch alle Themen treu.
Dass das eine Kombination ist, die gut funktioniert, ist bekannt. Experte oder Expertin und Clown sind ein beliebtes Gespann, beispielsweise auch beim hier schon besprochenen Podcast „Betreutes Fühlen“ mit Atze Schröder und Leon Windscheid. Die Frage ist, ob sich beide genug Raum lassen.
Bei Schröder/Windscheid ist das ein klares „Ja“, bei Schumacher und Hinrichs eher nicht. Denn die Sexualtherapeutin versucht manchmal fast schon verzweifelt wieder auf ihr Thema zu kommen, während Schumacher keine Chance für einen Gag auslässt und ihr gerne ins Wort fällt. Dadurch wirkt Hinrichs oft gehetzt, wahrscheinlich weil sie so viel wie möglich an Inhalt rüberbringen möchte, bevor er wieder reingrätscht. Dadurch hat der Podcast eigentlich zu viel Tempo – etwas mehr Ruhe würde der Sache guttun.
Küss-Obst oder Küss-Eis?
Andererseits ist es natürlich auch charmant, zwei so unterschiedliche Menschen ans Mikro zu setzen. Die kindliche Neugier von Schumacher führt zu schönen Situationen in diesem Duett. Wenn Katrin Hinrichs beispielsweise dazu ermutigen möchte, dass Paare sich wieder öfter küssen, dann sagt sie: „Nimm den mal in den Arm, den anderen. Und das musst Du zwei, drei Mal die Woche machen, und dann mal richtig zwei Minuten küssen.“ Und Schumacher erwidert erschrocken: „Zwei Minuten? Weißt Du, wie lang das ist? Das ist wie Zähneputzen!“ Kurz darauf fragt er, ob es ein Obst gebe, mit dem man das Küssen üben könne. Sie einigen sich schließlich auf Softeis.
Die Kolumne
Podcasts haben es verdient, wie andere Medien besprochen, gelobt und kritisiert zu werden. Alle zwei Wochen machen das Larissa Vassilian und Sandro Schroeder hier abwechselnd: in der Podcast-Kritik.
Larissa Vassilian war unter dem Pseudonym Annik Rubens eine der ersten deutschen Podcasterinnen und zehn Jahre lang „Schlaflos in München“. Seit 2007 widmet sie sich mit „Slow German“ deutschlernenden Hörer:innen aus der ganzen Welt. Sie hat zwei Bücher zum Thema Podcasting geschrieben, arbeitet unter anderem beim Bayerischen Rundfunk, wo sie eine der „Podcast-Entdecker“ des gleichnamigen Newsletters ist und mit Christoph Süß den „quer“-Podcast „Nachmittags Schwimmschule“ moderiert.
Wie der Titel schon sagt, fragt Hajo Schumacher für seinen fiktiven verdrucksten Freund Lars. Jede Folge behandelt ein Thema: mal Swingerclub, mal „Harmoniefalle“, mal Beckenboden, mal Streit. Eben alles, was mit Sex und/oder Partnerschaft zu tun hat. Die Episodentitel lauten dann „Ein Dreier ist wie Camembert – er braucht Reife“, „Wo sind denn die Christbaumkugeln geblieben?“ oder „Mach es wie der Gartenschlauch – Sex in der zweiten Lebenshälfte“. Katrin Hinrichs hält meistens die Zügel in der Hand und erzählt von wissenschaftlichen Studien zu den Themen oder Fällen, die sie in ihrer eigenen Praxis erlebt hat. Und Schumacher fragt dazwischen und blödelt. Hin und wieder versucht er, Privates aus der Sexualtherapeutin herauszulocken („Bist du eher elfenmäßig zart oder eher mit der Mistgabel?“), was sie aber gekonnt übergeht.
Hinrichs ist eine Frau, die gerne „potztausend“ oder „Blitzbirne“ sagt und die zu lustigen Versprechern neigt. Sie sagt dann „verspeist“ statt „versteift“, oder dass sie „Petersilie zwischen den Füßen“ hat, statt zwischen den Zähnen. Wenn Hinrichs von einem Beispielspaar erzählen möchte, dann sagt sie gerne: „Stell dir mal vor, Isolde räkelt sich an Hans-Dieter ran“ – was bei mir amüsantes Kopfkino auslöst.
Hinrichs ist mit Enthusiasmus beim Thema und bringt natürlich die nötige Unverkrampftheit aus ihrer beruflichen Praxis mit, wenn es darum geht, über das Allerprivateste zu sprechen. Ganz selbstverständlich benutzt sie also Wörter wie Vagina oder Vulva, während Schumacher eher wie ein Teenager grinsend „wir sind vor der Garage“ sagt.
Zu wenig Zeit für Tiefe
Vor einigen Jahren machte ein Podcast von sich reden, in dem Amerikas wohl bekannteste Paartherapeutin Esther Perel uns in ihre Therapiestunden hören ließ. Da konnten wir lauschen, was die Paare so redeten, und was Esther ihnen riet. Das war zum einen reizvoll, weil irgendwie verboten – man fühlte sich wie ein Eindringling in eine sehr private Welt. Zum anderen war es charmant, weil Esther Perel einen unglaublich netten Akzent hat (sie ist in Belgien aufgewachsen) und eine sehr direkte und dennoch humorvolle Art und Weise, mit den Paaren umzugehen. So konnte man einiges für die eigene Beziehung oder das eigene Leben aus diesen Gesprächen mitnehmen.
Da kommt dieser Podcast hier leider nicht ganz ran. Wie bei vielen anderen wird man mit Hosts zwar schnell warm und kennt bald ihre Redewendungen und Macken – und das ist es schließlich, was das Ganze unterhaltsam macht. Aber ein tieferer Sinn, ein längeres Nachdenken, eine neue Erkenntnis bleibt nicht zurück. Dafür sind etwas mehr als 20 Minuten pro Folge vielleicht auch zu kurz. Der Lerneffekt ist eher ein flüchtiger. Aber vielleicht muss das auch gar nicht sein. Vielleicht ist das Ziel des Podcasts ein ganz anderer: und zwar Lust auf Sex und Liebe zu machen. Hinrichs jedenfalls formuliert ein Mantra: „Das Ziel der Dinge ist, gemeinsam frei zu sein.“
Mein erster Gedanke zu diesem Podcast: „Ui, ein Sexpodcast und dazu noch fachlich begleitet von einer Heilpraktikerin. Da muss ich unbedingt reinhören. Vielleicht empfiehlt sie ja noch was anderes außer Zuckerkugeln und Bergkristalle.“
Mein zweiter Gedanke: „Ein Journalist, der auf Clown macht, und eine Expertin (immerhin ist sie „klinische Sexologin“ (Hat sie also Medizin studiert oder beschäftigt das Krankenhaus ne Heilpraktikerin aka einen medizinischen Laien?)) plappern über Sex. Das lockt mich jetzt nicht hinterm Ofen hervor. Sorry“
Mein erster Gedanke zu diesem Podcast: „Ui, ein Sexpodcast und dazu noch fachlich begleitet von einer Heilpraktikerin. Da muss ich unbedingt reinhören. Vielleicht empfiehlt sie ja noch was anderes außer Zuckerkugeln und Bergkristalle.“
Mein zweiter Gedanke: „Ein Journalist, der auf Clown macht, und eine Expertin (immerhin ist sie „klinische Sexologin“ (Hat sie also Medizin studiert oder beschäftigt das Krankenhaus ne Heilpraktikerin aka einen medizinischen Laien?)) plappern über Sex. Das lockt mich jetzt nicht hinterm Ofen hervor. Sorry“