Impfgegner als „Biotech-Investor“

Wer wundert sich über Djokovic und seine Wundermedizin?

Der Tennisspieler Novak Djokovic hat in den vergangenen Tagen für ordentlich Wirbel gesorgt, weil er an den Australian Open teilnehmen wollte, aber nicht durfte. Er ist nicht gegen Corona geimpft, und seine Einreise-Angaben waren offenbar fehlerhaft. Zudem wurde bekannt, dass er sich im Dezember trotz nachweislicher Corona-Infektion nicht an die Isolationsregeln gehalten hat. Der Fall wurde binnen Tagen zu einem Politikum, unter Impfgegner:innen erlangte Djokovic den Status eines Märtyrers. Sein Vater verglich ihn gar mit Jesus Christus. Halleluja!

Umso überraschender die Schlagzeilen, die wenige Tage später folgen: „Investition in der Corona-Forschung – Novak Djokovic ist Mehrheitseigner bei Biotech-Unternehmen“, heißt es in der „Stuttgarter Zeitung“, „Novak Djokovic will mit neuer Technologie Covid-19 bekämpfen“, titelt der Schweizer „Tagesanzeiger“. Auch viele weitere Medien wie die „Hamburger Morgenpost“, „Sport1“ und „t-online“ berichten darüber. Der Inhalt der Meldungen: Djokovic und seine Frau Jelena halten angeblich 80 Prozent der Anteile an dem dänischen Biotech-Unternehmen QuantBioRes – behauptet zumindest der Geschäftsführer Ivan Loncarevic. Bei QuantBioRes handelt es sich den Meldungen zufolge offenbar um ein großes Unternehmen, mit Sitzen in Dänemark, Slowenien, Großbritannien und sogar in Australien. Welch Ironie.

Schlagzeilen wie „Djokovic-Firma kämpft gegen Corona“

Doch wie genau will QuantBioRes Corona bekämpfen und uns so alle von dem penetranten Virus erlösen? Das beantwortet in den Artikeln der Geschäftsführer Locarevic höchst persönlich: „Wir wollen eine neue Technologie zur Bekämpfung von Viren und resistenten Bakterien entwickeln und haben uns entschieden, COVID als Beispiel zu nutzen.“ Corona soll also sogar nur der Anfang sein, eine kleine Kostprobe für die Ungläubigen.

„Resonant Recognition Model“ (RRM) nennt sich die Technik, „die sich elektromagnetischer Frequenzen bedient“. Nach Ansicht von Loncarevic ein echter Gamechanger: „Wenn wir bei Corona erfolgreich sind, werden wir bei anderen Viren erfolgreich sein.“ Gepriesen sei QuantBioRes! Es scheint ein herber Schlag für all die angeblichen Qualitätsmedien, die Djokovic noch vor kurzem in die Ecke von Verschwörungstheoretiker:innen und Wissenschaftsfeind:innen stellen wollten.

Aber wie das immer so ist bei Wundern, kommen schnell die ersten Skeptiker:innen aus ihren Löchern gekrochen. Auf Twitter meldet sich Ludger Weß zu Wort, Wissenschaftsjournalist und studierter Chemiker und Biologe.

Er schreibt, die Technologie des „angeblichen Biotech-Unternehmens“ klinge „verdächtig nach Bioresonanz und esoterischem Geschwafel“. Esoterisches Geschwafel im Zusammenhang mit Djokovic? Um Himmels Willen! Danach kommt es noch dicker: Auch die „Süddeutsche Zeitung“ hat sich mal umgehört, um was es sich bei der so revolutionären RRM-Technologie von QuantBioRes handelt. „Das ist Voodoo“, lautet das Fazit eines nicht namentlich genannten Wissenschaftlers.

„Stern“-Autor Christoph Koch fällt ebenfalls ein vernichtendes Urteil über die „sonderbare Fake-Medizin“ namens RRM, die in einigen Ländern längst verboten sei. Der „Guardian“ verortet das Unternehmen in der Homöopathie.

David Beck, Redakteur in der Wissenschaftsredaktion des SWR und studierter Biologe, hat sich die „Studie“ zu dem RRM-Modell ebenfalls angeschaut. Er sagt zu Übermedien:

„Allein schon die Methode, die Funktion von Proteinen an bestimmten elektromagnetischen Frequenzen zu erkennen – unabhängig von der Struktur – macht mich extrem skeptisch. Ich glaube, ich wage mich mich kaum aus dem Fenster, wenn ich sage: Das kann nicht funktionieren.“

Wie die „Studie“ auf der Unternehmenswebseite zudem verrät, soll am Ende der Forschung ein „vaccine“ – also Impfstoff – stehen. Was wohl Djokovic dazu sagen würde? Und wenn wir schon bei der Homepage sind: „Worüber ich herzhaft lachen musste, sind die Bilder: Offensichtliche Stockfotos mit sehr informativen Titeln wie ‚Laborexperiment‘, ‚Mikroskop‘ oder einfach nur ‚Wissenschaftler‘“, sagt Beck. Lachen ist ja bekanntlich die beste Medizin.

Super-Symbolfotos Ausrisse: quantbiores.com

Djokovic wird uns also sehr wahrscheinlich nicht bei der Suche nach einem Wundermittel gegen das Coronavirus behilflich sein. Auch von einem plötzlichen Seitenwechsel des Tennisspielers kann nicht die Rede sein. Eines hat er jedoch mithilfe der von den Nachrichtenagenturen AFP und Reuters verbreiteten und von vielen Medien weltweit ungeprüft übernommenen Meldung erreicht: Das Unternehmen QuantBioRes ist plötzlich in aller Munde – zusammen mit dem heldenhaften Djokovic, dem Kämpfer gegen das Coronavirus. Amen!

2 Kommentare

  1. Zur Causa Djokovic empfehle ich gerne die letzte Folge des Podcast „BallaBalla-Balkan“. Die beiden Podcaster kommen selbst aus der Region und haben einige interessante Dinge zur Familie Djokovic zu sagen.

  2. #1
    Tausende Dank für den Link zu „Balla Balla Balkan“, ich habe schon lange nach einem informativen Podcast zum Balkan gesucht, der über Djocovic ist Spitze, man lacht sich kaputt, bis es einem im Hals steckenbleibt.

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