Die Podcast-Kritik (64)

Jane Goodall und das Prinzip Hoffnung

Podcastkritik: Jane Goodall Hopecast, zweifelndes Hörergesicht

Es gibt ja dieses schöne Konzept der Weisheit. Das Konzept des alten Mannes oder der alten Frau, die am Kamin sitzt und die Erfahrungen des eigenen Lebens zum Besten gibt. Und die jungen Menschen sitzen drumherum im Schneidersitz auf dem Boden, lauschen gebannt und lernen aus diesen Sagen für ihr eigenes Leben.

Wenn ich so überlege, dann fallen mir nicht sehr viele weise Menschen ein. Jane Goodall ist es aber auf jeden Fall. Und zu meinem Glück podcastet sie seit einem guten Jahr.

Eine kurze Erinnerung, falls der Name nicht auf Anhieb ein ganzes Glockenspiel zum Klingen bringt: Jane Goodall ist die Frau, die 1960 nach Tansania reiste, in den Jahrzehnten danach mit Schimpansen lebte, sie studierte, sie beschützte, der Welt von ihnen erzählte. Heute ist diese beeindruckende Frau 87 Jahre alt und veröffentlicht den „Hopecast“.

300 Tage im Jahr ist Jane Goodall normalerweise unterwegs. „Ich bin in England geboren, arbeite in Afrika und lebe in Flugzeugen“, heißt es in einem Zitat von ihr auf der Internetseite ihres Instituts. Sie hält Vorträge und versucht vor allem die junge Generation davon zu überzeugen, dass Natur und Tiere schützenswert sind. 1991 hat sie das Programm „Roots & Shoots“ gegründet, bei dem sich Kinder und Jugendliche in Projektgruppen zusammenschließen können, um etwas für Natur, Tiere und Menschen zu erreichen.

Sie selbst ist das beste Vorbild: Als Jane zehn Jahre alt war, das war mitten im zweiten Weltkrieg, beschloss sie, dass sie nach Afrika reisen und dort mit wilden Tieren leben wollte. Sie hatte Tarzan gelesen und war hin und weg. Ihre Mutter lachte sie nicht aus, sondern sagte nur: Gut, wenn es das ist, was du willst, dann musst du dich aber sehr anstrengen. Und das tat sie seitdem.

Sie verwirklichte ihren Traum, wurde eine Ikone, hielt Vorträge, war ihrer Zeit oft voraus, kämpfte für das Gute – und dann kam Corona. Sie musste sich überlegen, ob sie während der Pandemie nur in ihrem Häuslein in Großbritannien sitzen oder etwas unternehmen wollte. Klar – sie unternahm was. Sie rief „Virtual Jane“ ins Leben, also eine virtuelle Jane Goodall, die weiterhin ihre Botschaft verbreitet – unter anderem über einen Podcast. Und damit mehr Menschen erreicht, als sie es persönlich je tun könnte.

Die Herzen erreichen, nicht die Köpfe

Es gibt Menschen, denen hört man einfach gerne zu. Jane Goodall ist so ein Mensch. Unaufgeregt und mit klarem britischem Englisch erzählt sie von ihrem Leben. Sie klagt nicht an, sie deutet nicht mit dem Finger auf uns Nicht-Aktivistinnen und Nicht-Weltverbesserer. Sie nimmt uns vielmehr an die Hand und stupst uns vorsichtig dazu an, etwas anzupacken, zu verändern. „I believe in the power of hope“, sagt sie. Denn die Hoffnung sei ein Teil der Evolution und eine starke Antriebskraft. Und: „Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir ihre Herzen erreichen, nicht ihre Köpfe“. Und das aus dem Munde einer Frau, die im Zweiten Weltkrieg aufwuchs und damit eine der düstersten Zeiten erlebt und überlebt hat.

Mit dieser grundlegenden Botschaft holt sie sich passende Gäste ans Mikrofon. Zum Beispiel Dave Matthews, den US-amerikanischen Musiker, den die britische Dame respektvoll „David“ nennt. Er wuchs zum Teil in Südafrika, zum Teil in den USA auf. Sein Vater war Wissenschaftler und weckte bei Matthews das Bewusstsein für die Natur und für Tiere. Als sie sich kennenlernten, war der Musiker angetan von der Aktivistin. Seither haben sie oft Seite an Seite für ihre Sache gekämpft. Matthews nutzt seine Bekanntheit, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Und Goodall begrüßt ihn in der Episode mit einem Schimpansen-Ruf.

Sie schafft es aber auch, auf Augenhöhe mit Genesis Butler zu sprechen, einer Tierschutz-Aktivistin, die gerade erst 13 Jahre alt ist. Es sind keine Interviews, sondern „Chats“, wie sie selbst sagt. Sie stellt zwar Fragen, erzählt aber auch selbst aus ihrem Leben. Und da sind wir schon am Knackpunkt des Podcasts.

Natürlich finde ich es super, wenn mir verschiedene Menschen erzählen, was sie alles für unseren Planeten und insbesondere die Tiere tun. Das tendiert allerdings immer dazu, zu einer Charity-Spendengala zu werden; es wirkt auf mich zu lieblich, zu unkritisch, zu beweihräuchernd. Stark sind die Passagen, in denen Jane Goodall selbst spricht. Hätte es also die Gäste vielleicht gar nicht gebraucht? Hätte eine Gastgeberin die Grande Dame des Tierschutzes und Aktivismus einfach selbst zum „Chatten“ bringen sollen, anstatt ihr die Rolle der Gastgeberin zu überlassen? Darüber grübele ich bei jeder Folge. Und ich glaube, meine Antwort ist: Ja.

Denn eindrucksvoll sind die Szenen aus ihrem Leben, die sie erzählt, die Anekdoten. Meist mit einem Schmunzeln. Man merkt natürlich, dass sie diese Geschichten schon oft erzählt hat. Dadurch sind sie geschliffen, das Timing ist perfekt. Zum Beispiel wie ihre Mutter sie dabei erwischte, als sie mit gerade mal eineinhalb Jahren Würmer mit ins Bett nahm, um sich diese genauer anzusehen. Wie die Mutter krank vor Sorge war, weil ihre vierjährige Tochter plötzlich verschwunden war – letztlich fand man sie im Hühnerstall, wo sie darauf wartete, endlich das Legen eines Eis beobachten zu können. Heute legt sie das als frühes Zeichen ihres Forschungsdrangs aus.

Dann der Wendepunkt in ihrem Leben: Sie war 1986 auf die erste internationale Konferenz zum Thema „Schimpansen verstehen“ in Chicago eingeladen, um dort zu sprechen. Sie sei als Wissenschaftlerin dorthin gekommen, und habe die Konferenz als Aktivistin verlassen, sagt sie heute. Mit einem Schlag war ihr bewusst geworden, wie stark die Zerstörung des Lebensraumes dieser Tiere vorangeschritten war. Also beschloss sie, dagegen zu kämpfen.

Dass das ein Weg ist, den nur wenige gehen können und wollen, ist ihr klar. Von uns verlangt sie das nicht. Sie sagt: „Ja, wir brauchen Nachrichten, News. Aber wir brauchen auch Infos darüber, was wir aktiv tun können, um die Situation zu verändern und zu verbessern.“ Ihre Antwort darauf ist klar: Sie fordert uns alle dazu auf, ethische Kaufentscheidungen zu treffen, und das jeden Tag.

In diesem „Hopecast“ dreht sich alles um die Hoffnung. „If you don’t have hope, then what’s the point?“ fragt sie. Junge Leute machen ihr Hoffnung, „sie verändern die Welt“, sagt die alte Dame, und es ist so schön, keine Verbitterung, keine Resignation in ihrer Stimme zu hören. 16 Episoden gab es in Staffel 1, Staffel 2 soll bald starten.

Menschen brauchen Natur

Und dann erwähnt Jane Goodall eine Studie, die mir sehr zu denken gegeben hat. Eine Untersuchung in Chicago hat ergeben, dass die reichen Viertel dort mit Bäumen und viel Grün gesäumt sind, die armen Viertel allerdings eher Betonwüsten glichen. Ein Teil wurde dann renaturiert, es wurden Bäume gepflanzt, die Natur wieder in die Stadt gebracht – und die mentale und physische Gesundheit der Bewohner und Bewohnerinnen stieg, die Kriminalität sank. Menschen brauchen Grün. Menschen brauchen Natur. „Die Menschen beginnen zu verstehen, dass wir in Harmonie mit der Natur leben müssen“, sagt Jane Goodall.

Ach ja, und dann sind da noch die „Mailbag“-Folgen. Hier werden Sprachnachrichten der Hörer und Hörerinnen abgespielt, und Jane Goodall beantwortet sie. Der Niedlichkeitswert schießt in die Höhe, als ein kleines Mädchen aufspricht, dass sie die Kinder in ihrer Umgebung vom Tierschutz zu überzeugen versucht. Unbezahlbar.

Klar ist nichts an diesem Podcast neu. Nicht die Botschaft, nicht das Format. Aber es tut einfach gut, so aktive, positive Menschen zu hören. Mir hat es den letzten Stups gegeben, endlich vegetarisch zu leben. Wer weiß, was sie sonst noch alles erreicht hat. Denn bekanntlich sind es ja auch die kleinen Schritte von uns allen, die die Welt verändern können. Und das Schlusswort von Jane Goodall: „This is how we grow hope, hopecasters!“


Podcast: „The Jane Goodall Hopecast“ von Dr. Jane Goodall

Episodenlänge: ca. 30 Minuten, wöchentlich

Offizieller Claim: „A Reason for Hope“

Inoffizieller Claim: Wahre Weisheit mit einer Prise britischem Humor

Wer „The Jane Goodall Hopecast“ mag, hört auch: „1,5 Grad – der Klima-Podcast mit Luisa Neubauer“ und „TED Radio Hour“

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