ARD-Intendanten überlegen, seltener Politmagazine auszustrahlen
In der ARD wird nach Informationen von Übermedien diskutiert, die Politmagazine vom kommenden Jahr an seltener auszustrahlen. „Panorama“, „Monitor“, „Kontraste“, „Fakt“, „Report Mainz“ und „Report München“ sollen nach Plänen, über die die Intendantinnen und Intendanten des Senderverbundes gerade beraten, jeweils statt 15- nur noch 11-mal im Jahr laufen. Insgesamt entspräche das einer Reduzierung der Sendetermine von 90 auf 66.
Für einen Teil der wegfallenden Termine sollen die betroffenen Redaktionen nach diesen Plänen Dokumentationen statt Magazine zuliefern: je zwei pro Format und Jahr. In der Diskussion ist offenbar auch, den festen Sendeplatz der Doku-Reihe „Die Story im Ersten“ am Montagabend nach den „Tagesthemen“ aufzugeben.
Beschlossen ist das alles noch nicht.
Ein Sprecher der ARD-Programmdirekton sagte auf Anfrage, er könne die Informationen „nicht bestätigen“.
Nicht Mediatheken-tauglich?
Hinter dem Vorstoß soll die Sendezentrale des Ersten in München stehen, das heißt: die neue ARD-Programmdirektorin Christine Strobl, der neue ARD-Chefredakteur Oliver Köhr und ARD-Mediathek-Chef Florian Hager. Offenbar argumentieren sie damit, dass die klassische Magazinform in der digitalen Welt nicht so gut funktioniert. Das stimmt, allerdings werden die Politmagazine in der ARD-Mediathek auch vergleichsweise stiefmütterlich behandelt. Anders als die Dokumentationen, aktuellen Nachrichtensendungen und Talkshows haben sie zum Beispiel keinen besonders prominenten Platz auf der Startseite.
Geht es wirklich darum, nach zeitgemäßen Formaten für die digitale Welt zu suchen, oder will man auch lästige Redaktionen zurechtstutzen? Einige Politmagazine haben offenbar das Gefühl, bei der Senderführung nicht besonders beliebt zu sein, auch nicht bei den eigenen Intendanten. Die unbequeme Art der Berichterstattung sei nicht mehr gewollt, heißt es aus einer Redaktion.
Die Intendantinnen und Intendanten sollen in diesen Tagen über die Veränderungen entscheiden. Auf Anfrage von Übermedien bei den Sendern, ob die jeweiligen Intendanten für eine Verringerung der Schlagzahl der Magazine sind, wollte sich keiner äußern. Alle verwiesen an die Programmdirektion in München.
Die Programmdirektion teilte mit:
Die ARD befindet sich derzeit in intensiven Beratungen zum digitalen Umbau der Gemeinschaftsprogramme Das Erste und der ARD-Mediathek. In diesem Zusammenhang ist es das Bestreben, die Informationsangebote in allen Ausspielwegen zu schärfen und zu stärken und damit die Informationskompetenz in der ARD insgesamt zu stärken. Die Politikmagazine gehören zur DNA der ARD. Es geht darum, ihre Themen und Inhalte auch in der Mediathek nach vorne stellen zu können. Der dokumentarische Bereich soll in der Mediathek ausgebaut und für die Primetime des Ersten gestärkt werden.
Was klingt wie ein Dementi, widerspricht im Kern den genannten Überlegungen nicht: Die Formulierung, es gehe darum, die Themen und Inhalte der Politmagazine auch in der Mediathek nach vorne stellen zu „können“, deutet an, dass das nach Überzeugung der Münchner Zentrale in der aktuellen Form nicht möglich sei. Dass Dokumentationen „ausgebaut“ und für die Primetime des Ersten „gestärkt“ werden sollen, passt ebenfalls dazu: Dieser Ausbau würde dann auf Kosten der klassischen Magazine geschehen.
Welche Art von Dokumentationen die ARD für Mediatheken- und Primetime-tauglich hält, kann man nur erahnen. Die Frage nach der Zukunft des politischen Dokumentationsformates „Die Story im Ersten“ hat die ARD nicht konkret beantwortet.
Kleinerer Etat?
Zur Zeit laufen die Politmagazine dienstags und donnerstags um 21:45 Uhr im Ersten. Vor fünfzehn Jahren wurde ihre Länge von 45 auf 30 Minuten gestutzt. Teilweise haben die Sendungen eine jahrzehntelange Tradition: „Panorama“ vom NDR feierte gerade seinen 60. Geburtstag.
Eine Reduzierung der Sendungszahl würde auch einen deutlich kleineren Etat für die Magazine bedeuten. Außerdem ginge damit wohl eine gewisse Entmachtung der Redaktionen einher, die großen Wert auf ihre Unabhängigkeit legen: Die Dokumentationen, die die Magazine teilweise ersetzen sollen, könnten aus München gesteuert werden.
Aus den Politmagazinen heißt es, man hänge keineswegs an der klassischen Fernseh-Magazinform mit dem Wechsel von Moderation und Beitrag. Verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung würden schon ausprobiert; auch gibt es bereits immer wieder monothematische Ausgaben.
Während die ARD darüber berät, ihre renommierten politischen Magazine zu stutzen, haben die Privatsender RTL und ProSieben Informations-Offensiven mit neuen regelmäßigen Magazinen und Sendungen angekündigt – teilweise mit Personal, das bisher bei ARD auf dem Schirm war.
Nachtrag, 1. Juli. Der „Spiegel“ hat weitere Informationen über die Pläne der ARD-Programmdirektion.
Grundsätzlich finde ich die Idee nicht so falsch. Aber die Lösung ist typisch für das Problem des ÖR. Anstatt ein paar Magazine einzustampfen und dafür die übrigen zu stärken, werden alle abgespeckt. Wahrscheinlich Eitelkeiten der Sendeanstalten.
Insgesamt ist glaube ich das System ARD überholt, weil WDR, NDR usw keinen Zweck mehr im Sinne regionaler Versorgung haben, wenn alle Mediathek gucken. Da müssen die nicht alle ihre eigene Zoosendung haben, und auch nicht alle ein Politmagazin. Lieber ein oder zwei richtig teure Formate.
Weniger Sendungen könnte ja auch mehr Zeit für Recherche der Beiträge bedeuten – das täte vielleicht mal ganz gut. Lieber Qualität statt Quantität!
@2: Siehe Artikel: „Eine Reduzierung der Sendungszahl würde auch einen deutlich kleineren Etat für die Magazine bedeuten.“
Qualität würde bedeuten, mehr Leute einzustellen. Dazu gehört ein besserer Sendeplatz im Ersten und eine bessere Vermarktung der Inhalte im Netz.
Von 15 auf 11+2 Sendetermine runterzukürzen zeigt nur, in welche Richtung es geht: bergab. Bei der ARD versteht man offensichtlich nicht, dass gerade solche kritischen Magazine einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk vom Staatsfunk abgrenzen.
#3 Marvin hat Recht.
Die ARD schafft ihre eigene Relevanz ab.
Wenn der Platz zumindest mit Dokumentarfilmen aufgefüllt werden würde. Aber warum so ein Aufwand wenn auch die kleinen PR-Filmchen ähh Dokumentationen den Platz füllen können.
Ohjeminee! Die Politmagazine werden abgebaut, weil sie in der Mediathek nicht genug „nachgefragt“ werden, die einzige vernünftige Auslandsberichterstattung (Weltspiegel) wird ins Nachtprogramm geschoben und als Konkurrenz hat sich die Intendantin ausgerechnet das Ü80-ZDF ausgeguckt, schreibt der Spiegel. Dieses Schielen auf „Quote“ ist doch sowas von irre. Dass die ARD davon einfach nicht runterkommt, ist mir nur als Sucht- bzw. Abhängigkeitsphänomen erklärlich. Untermauert wird der Kahlschlag dann garantiert durch die Ergebnisse des merkwürdig vorstrukturierten „Zukunftsdialogs“. Letzterer erinnert mich sehr an die jährlichen Umfragen, die WAZ/NRZ (heute „Funke-Mediengruppe“) in den 1990gern bei ihren Leser*innen veranstaltet haben. Das damalige „Ergebnis“ bestand allerdings darin, dass die genannten Blätter von Jahr zu Jahr weniger taugten.
@ #6:
„Dass die ARD davon einfach nicht runterkommt, ist mir nur als Sucht- bzw. Abhängigkeitsphänomen erklärlich.“
Naja, die dauerbeleidigte, private Konkurrenz (und ihre willigen Nachplapperer in Foren) schläft halt nicht und nimmt jede „Schwäche“ des ÖRR zum Anlass, ihn zu deligitimieren. Sinkende Zahlen eigenen sich in einer immer stärker durchkommerzialisierten Welt sehr gut dazu. Dass der ÖRR einen anderen Auftrag hat, ist meist dabei nur Randnotiz. So wie Krankenhäuser ja eigentlich auch nicht zum Geldverdie … Ok, schlechtes Beispiel ;)