Kostenlose Imagepflege

Widersteht Markus Söders Flauschfell mit Knopfaugen

Awww, wie niedlich! Oder wie man in Teilen Süddeutschlands sagt: Mei, wie liab! Bayern hat, falls Sie es noch nicht mitbekommen haben, einen neuen First Baby-Dog. Eine „süße junge Hundedame“ namens Molly, und Markus Söder, der Hunde-König von Bayern, hat zehntausende Likes für ein Foto der Welpin abgestaubt, als er es kürzlich auf seinen digitalen Kanälen postete.

 

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Ein Beitrag geteilt von Dr. Markus Söder (@markus.soeder)

Sowas lassen sich Medien natürlich nicht nehmen: #dogcontent geht ja immer, deshalb verkündeten etliche Nachrichtenseiten den Familienzuwachs bei den Söders. Neben der seriösen Fachpresse, also „Gala“ (Rubrik: „Royals“) und „Bunte“ („ein echter Wauwau!“), brachten auch die „Süddeutsche“, das Redaktionsnetzwerk Deutschland oder n-tv („Immer wieder schreiben Nutzer ,süß‘ unter den Eintrag.“) die BREAKING NEWS. Selbst die Deutsche Presse-Agentur hat’s vermeldet, und der „Münchner Merkur“ hat Reaktionen zusammengetragen („Damit Sie auch nach 21 Uhr noch raus dürfen?“) und analysiert in einem Video:

„Die Hundefreunde hat er damit schon mal auf seiner Seite, denn einfacher wird es in den nächsten Wochen bestimmt nicht.“

Tja, gut.

Dass Medien über den Hunde-Status des CSU-Chefs berichten, ist nicht neu. Als ein früherer Hund Söders 2019 starb, trauerten die „Passauer Neue Presse“, „Focus“, „Bild“ und andere mit. Und die „Welt“ berichtete, Söder habe im Radio gesagt, dass er noch Zeit brauche, „das Ganze irgendwie zu verdauen“.

Instagram abschreiben

Nix gegen Hunde! Und es ist freilich traurig, wenn so ein vierbeiniges Familienmitglied stirbt. Aber bei aller Tierliebe und allem Mitgefühl: Haben die Haustiere von Parteichefs Nachrichtenwert? Ist es generell überhaupt Journalismus, wenn Medien zeigen, was Politiker*innen und andere prominente Personen (womöglich aus Kalkül) in digitalen Netzwerken so posten? Das ist ja inzwischen ein ganzes Genre geworden: Instagram abschreiben.

Markus Söder weiß es, Bilder, Worte, Anlässe und nicht zuletzt Medien gekonnt für sich zu nutzen. Wir erinnern uns: Als er Kanzlerin Merkel im Juli 2020 zu Kutschfahrt und Bootstour unter weiß-blauem Himmel am Chiemsee einlud, erschienen nur wenige Zeitungen, die nicht auf die Inszenierung reingefallen waren. Die Titelseiten: voll mit den pompösen Bildern.

Söder schafft es immer wieder, auch mit banalen Nachrichten oder Aktionen, nicht nur über seine Hunde, dass Medien über ihn berichten und er im Gespräch bleibt, zur Not mit Hilfe einer Tasse. Ganz zufällig stand sie auf dem Tisch, als Söder sein Volk auf einen harten Corona-Winter einstimmte. Der „Game of Thrones“-Werbepott wechselte passgenau die Aufschrift von „Winter is coming“ in „Winter is here“, als Söder heiße Flüssigkeit eingoss. Und, zack: überall Artikel. Dabei wollte Söder gar nichts gewusst haben von der Zauberkraft. Na, klar.

Da schau her: Söder als Obama

Söder sagt was, macht was, irgendwas – und Redaktionen im ganzen Land stürzen sich drauf. Söder sagt, er will an Weihnachten so viele Predigten wie nie im Internet verfolgen? Ok, bringen wir, denkt sich die „Augsburger Allgemeine“. Söder hat keine Zeit, die Reden der Kandidaten beim virtuellen CDU-Parteitag anzuhören? Der „Spiegel“ ruft: Das nehmen wir in die Überschrift! Söder setzt sich auf eine Bank in Elmau und imitiert eine Pose von Barack Obama? Alle rufen: Da schau her, diese Bilder zeigen wir mal!

Fake-Obama auf Bank Screenshot: tagesspiegel

Oder dies: Am 5. Januar hatte Markus Söder 54. Geburtstag. Einer der Tage, an dem sich die Kanzlerin wieder mal mit den Ministerpräsident*innen traf, um über Corona-Maßnahmen zu entscheiden. Angela Merkel tat, was höfliche Menschen tun, wenn jemand ein Jahr älter wird: Sie gratulierte. Danach gab es mehr OnlineMeldungen mit dem Titel „Merkel gratuliert Söder“ als über den immerhin halbrunden 65. Geburtstag des Bundespräsidenten, der am selben Tag Geburtstag feiert.

Markus Söder sei nicht nur Ministerpräsident, sondern „irgendwie auch Instagram-Star“, schreibt nordbayern.de und präsentiert dazu „Perlen“ seines Accounts, die die Redaktion „ausgegraben“ hat – für eine eigene Bildergalerie. Und auch, wenn der Fasching 2021 pandemiebedingt ausfällt, kann man davon ausgehen, dass trotzdem in diesem Jahr wieder irgendwo ein Kollege eine Fotostrecke mit Söder als Prinzregent Luitpold von Bayern, Shrek oder Gandhi aus dem Archiv hervorholt. Und wer so lange nicht warten will, für den hat die Ippen-Gruppe gerade Karnevals-, Kinder- und Jugendbilder, die Söder gepostet hat, in einen sehr, sehr langen Artikel gepackt: „Markus Söder: Frau, Kinder, Privatleben – das ist der Ministerpräsident privat“.

Da steht dann alles drin, was die Autorin so finden konnte über Söder, zum Beispiel bei Wikipedia. Nicht zuletzt, schreibt sie, habe er „seinen Erfolg auch seiner ganz speziellen Fähigkeit zu verdanken, mit Medien umzugehen“. Was ein bisschen so klingt, als gefalle Journalisten das. Auch, dass er sich so richtig privat eher nicht zeigt. Es gibt die Insta-Bilder, es gab auch mal die Show „Markus Söder persönlich“, mit der der Ministerpräsident durch die Lande tingelte. Aber auch dort gab es allenfalls zarte Einblicke, natürlich durchinszeniert. Und sonst: keine Homestorys, kein Pipapo.

Auch bei Lanz, wenn er nicht bei Lanz ist

Söder behält die Kontrolle, während Medien sie verlieren. Es ist ja ihre Entscheidung, was sie bringen und was nicht. Ob sie, zum Beispiel, eine Bildergalerie aus Instagram-Fotos basteln – oder es lassen. Den Leser*innen entginge ja nichts. Wer sich für Söders Hunde, seine Bilder und all das interessiert, abonniert einfach seine Kanäle.

Söder ist in der aktuellen Pandemieberichterstattung ohnehin schon überpräsent. Durch häufige Pressekonferenzen, seine – wie sie oft betitelt werden – „bayerischen Alleingänge“ wie das Vorpreschen bei der FFP2-Maskenpflicht oder seine Auftritte in Talkshows, in denen sich Moderator*innen an der Frage abarbeiten, ob er Kanzler werden will/kann/sollte, wie neulich erst bei „Anne Will“. Oder bei Markus Lanz. Da war Söder zwischen Mitte Oktober und Mitte Dezember drei Mal per Videoschalte zu Gast. Und selbst, wenn er nicht anwesend ist, ist er da: Mit dem früheren CSU-Finanzminister Theo Waigel etwa redete Lanz gut zehn Minuten über Söders Kanzler-Potential.

Nachrichten über Söders frommes Streaming-Verhalten an Weihnachten oder sein neues Welpen-Glück sind nicht nur banal, sondern dienen vor allem der Imagepflege des bayrischen Ministerpräsidenten, den sich einige offenbar als Kanzler wünschen. Und Medien, die vergessen, wie man Nachrichten gewichtet, bieten kostenlos Hilfe bei dieser Imagepflege an.

13 Kommentare

  1. Spon berichtet heute ausführlich über die Hunde Präsident Bidens. Sie heißen Champ und Major. Einer schläft vorm Kamin, der andere rennt durch den Garten. Und in den Kommentaren alle so: „Hach, wie schön, im Weißen Haus ist wieder Menschlichkeit eingezogen!“

    Dummer Fehler, Mr. Trump: Mit Hund hätten Sie die Wahl doch noch gewonnen.

  2. Um an den Schlussabsatz anzuknüpfen, lehnt man sich vielleicht gar nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn man sagt, dass manche Medien da nichts vergessen, sondern ganz bewusst und absichtlich dabei helfen, das Image zu pflegen.

  3. Also, als Medienkritiker(m/w/d) bräuchte Übermedien doch auch einen Hund.
    Und zwar einen Grubenhund.
    Der schlägt immer an, wenn in den Medien dummes Zeug steht.
    Ehrenhund!

  4. Eilmeldung: Der Spiegel berichtet ein weiteres Mal über die Präsidentenhunde im Weißen Haus – diesmal ergänzt um die Nachricht, dass Jill Biden gerne auch eine Katze hätte.

    Katze! Da kann sich M. Söder noch eine Scheibe abschneiden.

  5. @ Jörn (#11)

    Tierquäler!

    Aber nein. Von Jill Biden kann er sich eine Scheibe abschneiden, nicht von der Katze.

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