Wochenschau (84)

Fackeln im Shitstorm

Dieter Nuhr, der Gegenwartsexeget mit der Vorwärtsgewandtheit eines Autotelefons, erklärt uns in einem Gespräch mit Phoenix-Moderator Alfred Schier die Wirkungsmechanismen eines Shitstorm: „Der Shitstorm ist ja quasi, hab ich neulich gesagt, und ich fand die Formulierung wirklich lustig und gut“, fängt er an, „die humane Variante des Pogroms.“

Wirklich alles an diesem Satz, den er schon mal bei Gabor Steingart im Podcast geäußert hat und den er für so „lustig und gut“ befindet, dass er ihn auf Phoenix wiederholt, ist so grenzenlos falsch, dass selbst Reporter ohne Grenzen aufgeben würden. Was soll das sein, ein humaner Pogrom? Wäre es eine satirisch legitime Spitze zu sagen, es gebe so etwas wie humane Hexenverbrennungen? Wie kann ein Shitstorm gegen eine Person ein Pogrom sein, der sich per Definition gegen religiöse, ethnische oder politische Minderheiten richtet?

Er ist ja „Satiriker“

Aber halt! Wir sollten den Satz nicht aus dem Kontext reißen. Vielleicht war es ja wieder mal alles ganz anders gemeint. Möglicherweise fängt er diese historische Anmaßung durch einen gekonnten Bruch wieder ein. Womöglich sagte er diese genau gewählten Worte ja auch in der Rolle einer geschickt inszenierten Kunstfigur? Hören wir also weiter.

Journalist Schier macht Nuhr darauf aufmerksam, dass der Begriff Pogrom in Deutschland eng mit der Judenverfolgung verknüpft ist. Nuhr erklärt, dass es Pogrome schon seit dem Mittelalter gebe. Er benutze hier einen „überspitzten Vergleich“, schließlich sei er ja „Satiriker“. Außerdem habe er ja deswegen das Wort „human“ benutzt – aber die „Funktionsweise“ sei dieselbe:

„Menschen rotten sich zusammen und sind bereit – ich habe ja extra gesagt, die humane Variante -, weil es geht nur um die soziale Vernichtung. Also der Shitstorm funktioniert: Eine Masse rottet sich zusammen und setzt an zur sozialen Vernichtung. Und insofern habe ich gesagt, […] die humane Variante funktioniert so, wie auch ein Pogrom funktioniert. Nur dass das Pogrom in der richtigen Welt funktioniert hat und zur physischen Vernichtung geführt hat, und das will ich keinesfalls vergleichen.“

Also meint das „human“ in „humaner Pogrom“, dass dieser einfach nicht in physische Handlungen übersetzt wird? Sind Shitstorms dann gewissermaßen erfolglose Pogrome? Und was ist mit Shitstorms, die physische Konsequenzen haben, wie beispielsweise die Notwendigkeit eines Umzugs aufgrund von Bedrohungen vor der eigenen Haustür? Sind die betroffenen JournalistInnen, die Opfer eines Shitstorms wurden, der reale Auswirkungen außerhalb der sozialen Medien hatte, also dann Opfer eines inhumanen, weil richtigen Pogroms geworden?

Im Mittelalter waren Pogrome auch nicht weniger schlimm

Egal wie man diesen Vergleich auch brät und wendet: Er ist falsch und geschichtsrevisionistisch.

Und selbst wenn Nuhr die Pogrome in erster Linie mit dem Mittelalter assoziiert, wäre dieser Vergleich nicht minder falsch, da sich einerseits Pogrome im Mittelalter ebenfalls vornehmlich gegen Juden richteten (besonders tödlich waren die sogenannten Pestpogrome im 14. Jahrhundert, als den Juden vorgeworfen wurde, die Brunnen vergiftet zu haben, um Christen zu ermorden) und sich andererseits Pogrome im erweiterten Sprachgebrauch immer menschenfeindlich gegen eine von den Ausschreitenden stigmatisierte Gruppe richten.

Aber: Welcher gesellschaftlich verfolgten Gruppe fühlt sich Nuhr denn zugehörig, wenn er das Gefühl hat, dass systematische, „humane Pogrome“ gegen ihn organisiert würden, die ihn vernichten wollten? Der Volksgruppe der geächteten Satiriker?

Der Cousin vom „lyrischen Ich“

Und überhaupt: Sprechen wir mal über seine Funktion als Satiriker in diesem Gespräch. Als Entschuldigung für eine „überspitzte Äußerung“ zu sagen „Ich bin Satiriker!“ ist die kleine Schwester von „Ich bin eine Kunstfigur!“ und der Cousin vom „lyrischen Ich“. Natürlich gibt es in der Satire das uneigentliche Sprechen, das Nicht-Meinen und das aggressive Moment als ästhetisches Instrument, um einen Missstand besonders wirkungsvoll zu kritisieren, aber es gibt bei Nuhrs Aussage mindestens drei Probleme:

Erstens die Verhältnismäßigkeit. Wenn eine Aussage nicht durch absichtliche, ins Absurde driftende, dadaistische Überzogenheit komisch gemeint war, sondern ein Ernstgenommenwerden einfordert, braucht die Überspitzung Verhältnismäßigkeit. Man kitzelt das Publikum mit dem Messer, aber man sticht als Satiriker nicht zu, da sonst die Kritik nicht mehr gehört wird.

Das führt zweitens zur Uneindeutigkeit: Im Gespräch sitzt Nuhr nicht als Bühnenperson. Wir haben es hier mindestens mit einer Unschärfe seiner Rolle zu tun, die dem Thema nicht gerecht wird. In einer Interviewsituation gelten andere Kommunikationskonventionen als auf einer Kabarettbühne. Und selbst der satirische Modus gestattet eigentlich keinen historischen Vergleich, der so aufgeladen ist, wenn in der Ansprache nicht eindeutig klar ist, dass der Satiriker ihn selbst für absurd hält. Solange diese Uneindeutigkeit über die Ernsthaftigkeit des Vergleichs besteht, ist er unlauter.

Erst das Groteske macht Überhöhungen zu Witzen

Nehmen wir mal ein anderes Beispiel: die inflationäre ironische Nutzung des Wortes „Nazi“, wie in „Grammatik-Nazi“ oder „Ordnungs-Nazi“ oder Hitlervergleiche wie ihn „Hitlervergleiche sind schlimmer als Hitler“. Das Groteske dieser Vergleiche ist derart eindeutig, dass allen Beteiligten klar sein muss, dass niemand ernsthaft eine orthografische Pedanterie für so erbarmungslos wie die Gewalt der Nationalsozialisten hält. Man muss das nicht gut oder lustig finden, aber anerkennen, dass es nicht ernst genommen werden will.

Und drittens: die Sprecherposition. Als herkunftsdeutscher und hierzulande erfolgreicher Künstler ist es schlicht anmaßend, eine vermeintliche Verfolgtheit der eigenen Person durch trollende FollowerInnen mit der historischen Verfolgung marginalisierter Gruppen in ihrer Dynamik gleichzusetzen.

Zu alledem fußt die Analogie auch noch auf der falschen Prämisse, Shitstorms seien immer systematische, orchestrierte, bewusste Versuche, Menschen zu brechen, obwohl sie in seinem Fall einfach aggregierte Kritik an einem Künstler sind, dessen Arbeit so prominent wie kritikabel ist. Eben weil er erfolgreich ist, eben weil er durch seine Auftritte in den öffentliche-rechtlichen Medien eine Relevanz hat, wird jede öffentliche Kritik schon rein statistisch eine Geballtheit haben, die er als ungerecht wahrnimmt – und diese Einschätzung selbst demonstriert seinen blinden Fleck in Bezug auf das Privileg, sich auf so vielen Kanälen und immer wieder dazu äußern zu können.

Kein Weg zurück

Dabei könnte man ohne diese Überspitzung und Analogie-Polemik selbstverständlich über die psychologische Bedeutung eines Shitstorms sprechen, wenn dieser tatsächlich orchestriert wurde, wie zum Beispiel die rechten Shitstorms gegen die Journalisten des WDR nach dem „Omagate“, gegen Aktivistinnen wie Luisa Neubauer oder die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl.

Interessanterweise gelingt es Nuhr nicht, sich während des Gesprächs in den Raum der Uneindeutigkeit zu flüchten, denn bei der Nachfrage von Schier scheint ihm selbst aufzufallen wie verbogen sein Vergleich ist. Zweimal rudert er zurück, zweimal vor – aber vom Vergleich an sich rückt er nicht ab. Und das konnte er natürlich auch nicht, denn das wäre ein performativer Widerspruch gewesen, denn sein gesamtes Oeuvre und seine künstlerische Person basieren auf der betonten Unbegrenztheit der freien Meinungsäußerung.

Dieter Nuhr in der Sendung "phoenix persönlich"
Screenshot: Phoenix

Während solch eines Dialogs innezuhalten und festzustellen, „Nein, Moment, das kann man einfach nicht sagen, das ist ungehörig und totaler Quatsch“ würde tatsächlich seine Arbeit grundsätzlich infrage stellen, weil er öffentlich eingestehen müsste, dass es Grenzen des Sagbaren gibt und Satire nicht alles darf.

Opfer und Ankläger der Gesellschaft

Dementsprechend preschte er in die genau andere Richtung. Durch die Größe und Krassheit dieser historischen Anmaßung fordert er sein von ihm wahrgenommenes Recht auf Deutungshoheit ein, beziehungsweise: Er gewinnt es aus seiner Perspektive zurück.

Denn dadurch, dass er sich offenbar als Opfer einer sozialen Brutalität wahrnimmt, die seiner Aussage nach in ihrer Dynamik nur mit der systematischen und gewaltsamen Verfolgung von gesellschaftlichen Gruppen vergleichbar ist, überhöht er sich gleichzeitig zum Opfer wie zum Ankläger der Gesellschaft – und delegitimiert die KritikerInnen, indem er ihnen rhetorisch Fackeln in die Hände legt – auch wenn es „humane“ sein sollen.

Je unerbittlicher er den Angriff zeichnet, desto mehr steht es ihm zu, Kritik daran zu üben, ohne selbst dafür kritisiert werden zu dürfen – da er sich ja stets auf die Satire berufen kann.

In Deutschland liebt man historische Analogien mehr als die Gruppen, die davon betroffen sind. Aber da, wo wir besonders differenzieren müssten und gleichzeitig eine gleichgültige Aufmerksamkeitsökonomie Lautstärke belohnt, klingen diese schrillen Vergleiche noch lauter durch. Auf jeden Versuch der Mehrheitsgesellschaft, doch auch mal zuzuhören, sei es beim Rassismus- und Sexismus-Diskurs oder in der Wissenschaftskommunikation bei Corona und Klima, tröten Turbo-Rabulisten mit einer medialen Vuvuzela irgendein brachiales Scooterlativ dazwischen.

Unsere Fixierung auf Nazi-Vergleiche

Dementsprechend ist die Öffentlichkeit mittlerweile zurecht sensibilisierter für überspitzte Vergleiche, da diese in den letzten Monaten ohnehin auffallend oft in den Diskurs hupten: Ob das Wort „Hexenjagd“, um Cancel Culture zu umschreiben, ob „Holocaust“ um Schwangerschaftsabbrüche zu bezeichnen, ob SUV-Fahrer, die sich als politisch verfolgte Minderheit gerieren, oder Demo-Teilnehmer, die sich einen Judenstern aufs Rever kleben – geschichtsvergessene Metaphern-Torpedos erreichen so schnell neue Eskalationsstufen, dass es dafür in der Rhetorik eigens das sogenannte „Godwin’s Law“ gibt, das besagt, dass mit Fortschreiten einer Diskussion sich die Wahrscheinlichkeit eines Hitler-Vergleichs oder einer Nazi-Analogie erhöht.

Der französische Philosoph François de Smet hat dieses Phänomen in seinem Buch „Reductio ad Hitlerum. Une théorie du point Godwin“ untersucht. Er geht darin auf die Frage nach dem Nationalsozialismus als wiederkehrenden Bezugswert in unserer diskursiven Vorstellungswelt ein und stellt fest, dass wir aus Angst vor dem Bösen, bei gleichzeitiger Faszination für das Böse, unseren ständigen Rückbezug auf die Nazizeit stets in Halbernsthaftigkeit kleiden, weil wir uns für diese Fixiertheit insgeheim auch schämen:

„Godwins Gesetz erinnert an unsere tiefsitzende Animalität, unser Interesse an Stärke.“

Möglicherweise lässt sich demnach bei manchen „Satirikern“ der ständige satirische Bezug auf markante Begriffe der Menschenfeindlichkeit damit erklären, dass die Gleichzeitigkeit von der Faszination für den Abgrund wie der damit einhergehenden Scham einen komischen Effekt erzeugt, welchen die Künstler unbedarft oder willentlich mit einer gelungenen satirischen Schärfe, gar mit einer Pointe verwechseln.

Clickbait-Comedy

Ungelöst bleibt für mich in diesem Fall wie eigentlich bei allen anderen, in denen es um das vermeintliche satirische Handwerk der Persona Nuhr geht: Inwieweit ist er sich der Macht, den Bedeutungen und der Assoziationen seiner Worte bewusst? Inwieweit argumentiert er hier wirklich naiv – oder kommt er nach all den vergangenen Debatten heute nicht mehr ohne diese provozierende Clickbait-Comedy aus? Weshalb geriert er sich bei all seinem Erfolg beständig als ein missverstandenes Opfer? Oder ist eventuell damals in seinem Studium der Kunst und Geschichte auf Lehramt irgendetwas vorgefallen, das dazu führte, dass er Geschichte heute vor allem künstlerisch auslegt?

Ich wünschte mir, man würde bei ihm irgendwann mal so etwas wie eine Bereitschaft erkennen, sich die Kritik nicht als Angriff und Vernichtung, sondern als ein ernstgemeintes, empörtes, verzweifeltes Bitten zu Herzen zu nehmen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass er sich irgendwann doch noch mal unvoreingenommen die Zeit nimmt, um das alles etwas eingehender zu prozessieren, um einmal etwas strenger mit sich selbst ins Gericht zu gehen. Sehr gerne könnte er diesen Weg der Selbsterkenntnis auch auf satirische Weise verarbeiten – aber die Auftritte bitte dann nicht „das neue Bühnenpogrom“ nennen oder „Nuhrberger Prozesse“.

57 Kommentare

  1. Intellektuelle Abwertung des Mittelalters sollte mit tatsächlich intellektuellem Wissen unterfüttert sein, oder einfach mal die Klappe halten, denn:
    Das mittelalterliche Gegenstück zum Shitstorm ist der Pranger. Nur dass die Exkremente wirklich flogen.

    „…weil wir uns für diese Fixiertheit insgeheim auch schämen“ Wer ist „wir“? Wir Deutsche? Wir Satiriker? Wir Nazivergleichzieher? Wir Übermedienleser? (alles mwd)
    Ich fühle mich nicht angesprochen…

  2. „humanes Pogrom“ ist wahrscheinlich so etwas wie „verbale Gaskammer“

    Fixundfascho sowie 88 Kameraden liked that

  3. Nuhr hat die heilige Gretel verspottet.
    Da verstehen die ach so liberalen Klimabewegten keinen Spaß.

    Ich kann es immer nur wiederholen:
    Geht mal was arbeiten, bevor ihr die Klappe aufreißt.

  4. @4: Applaus, Niveau-Limbo aller erster Güte. „Geht arbeiten“ habe ich nun lange nicht mehr gehört? Reichen meine Steuern nicht mehr für Ihre Stütze? Ich werde ein paar Überstunden machen.

    Falls Sie mal ein Beispiel für einen durch orchestrierten Shitstorm suchen: Sie sind sicher ein Teil der schäbigen Bewegung, die versucht einen schwedischen Teenager ausschliesslich per „ad hominem“ Verbalinjurien zu vernichten. Nuhr ist auch ein Teil davon, was seine Aussagen nur noch beknackter erscheinen läßt.

    Jesus Christ Pose sagt der Amerikaner. Sehr peinlich das.

  5. Ich bin mir bei Nuhr nicht sicher, ob er ein Heuchler ist oder eher schlichten Gemütes. Manchmal habe ich den Eindruck er glaubt sich selbst. Tragisch.

    @Andreas Ich beneide Sie ein bisschen um die Schlichtheit Ihres Weltbildes. Das muss das Leben so ungemein vereinfachen.

    PS: Bei der Arbeit…

  6. „Nuhr hat die heilige Gretel verspottet.
    Da verstehen die ach so liberalen Klimabewegten keinen Spaß.“

    Nuhr hat (in einem Jahresrückblick) vor fünf bis sieben Jahren tatsächlich es fertig gebracht, zu erzählen, der von Menschen hervorgerufene Klimawandel sei gar nicht wirklich vorhanden. Also, lange vor Greta. Seitdem bin ich mit ihm als ernst zu nehmenden Kabaretisten durch…

    „Ich kann es immer nur wiederholen:
    Geht mal was arbeiten, bevor ihr die Klappe aufreißt.“

    da es dämlicher kaum geht, unterstelle ich mal, Ihr gesamter beitrag war ein versuch der satire?

  7. „Wie kann ein Shitstorm gegen eine Person ein Pogrom sein, der sich per Definition gegen religiöse, ethnische oder politische Minderheiten richtet?“

    Das entspricht meines Wissens nach nicht mehr der aktuellen Definition von Pogrom. (siehe z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Pogrom)

    Wenn man sich mal ansieht wie Menschen bei Twitter in Massen EINEN anderen Menschen beschimpfen und sie/ihn durch ihre Wortwahl teilweise die Menschlichkeit an sich absprechen und ihr/ihm nichts weniger wünschen als ihre/seine Existenzgrundlage zu verlieren, kann ich verstehen warum man sich dazu hinreißen lässt dies eine abgeschwächte Variante eines Pogroms zu nennen. (Ich finde „Pranger“ viel passender)

    Das Ziel des Shitstorms ist dann auch immer gleich „weinerich“ wenn es den Shitstorm kritisiert obwohl die Kritiker oft selbst völlig hysterisch reagieren.

    Für mich sind die Menschen, die ihre gute Kinderstube verlieren weil ein Kabarettist, Komiker, Politiker etwas gesagt oder geschrieben hat was ihnen nicht passt oder ihrer Meinung nach geschmacklos ist, das größere Problem.

    Wie kann man auf die Idee kommen geschmacklos etwas geschmackloses zu kritisieren? Wie kann man so wenig Selbstreflektion haben?

  8. „Aber: Welcher gesellschaftlich verfolgten Gruppe fühlt sich Nuhr denn zugehörig, wenn er das Gefühl hat, dass systematische, „humane Pogrome“ gegen ihn organisiert würden, die ihn vernichten wollten? Der Volksgruppe der geächteten Satiriker?“

    Diese Frage kann ich der Autorin beantworten: Der Gruppe der Menschen, die nicht links sind.

  9. @ Daniel, #11

    „Diese Frage kann ich der Autorin beantworten: Der Gruppe der Menschen, die nicht links sind.“

    Ah, jetzt kommen wir der Sache auf die Spur: Die gefühlte Volksmehrheit, die schweigende Mehrheit, die mit dem gesunden Menschenverstand.
    Wobei, qua Selbstdefinition fällt da der Begriff „Progrom“ ja weg, weil -> Mehrheit!
    Also ist der Begriff doch wieder falsch.
    Es ist wirklich nicht so einfach heute, als besorgter Bürger…

  10. @ST
    Sie habens ja schon gesagt: die schweigende Mehrheit.
    Weil der linke Tugendfuror aus Redaktionen, Politik und „Kultur“ so lautstark ist, trauen sich nur wenige, mutige, Positionen rechts des linken Mainstreams einzunehmen. Denn die Konsequenzen reichen von Ächtung bis zur völligen Vernichtung, sozial wie ökonomisch. Diese Wenigen erleben die progromartigen Kampagnen, sie wirken also wie eine Minderheit. Das ist übrigens wichtig, denn würden die Tugendwächter zulassen, dass die schweigende Mehrheit sich ihrer Mehrheit bewusst wird, wäre der Zauber zuende. Man könnte endlich sagen, dass der Kaiser nackt ist. Dazu darf es nicht kommen.

  11. #13
    »Denn die Konsequenzen reichen von Ächtung bis zur völligen Vernichtung…«

    Gott, dieses rechte Herumgeopfer ist so nervig. Nennen Sie mir bitte einen einzigen Rechten, der vom »lautstarken linken Tugendfuror völlig vernichtet« wurde. Ich kriege ja schon Krämpfe, wenn ich so einen Bullshit nur abtippen muss.

  12. @16 Daniel

    mich stört dieser »lautstarken linken Tugendfuror« ebenfalls. Immer wenn ich meine Juden-, Frauen-, Behinderten-, Neger- oder Schwulenwitze zum besten gebe bekomme ich statt Applaus und Anerkennug bloß blöde Kommentare und Ablehnung. Dabei sind die Witze voll lustig – in meiner Kameradschaft wird da immer herzlich gelacht und gegröhlt …

    Schon interessant wie du den rassistischen „Joke“ von Sacco (jaja, war natürlich wieder nur Mausgerutscht …) als „mutige Position rechts des linken Mainstreams“ einordnest. Rechts von dir scheint nur noch die Wand zu sein – FJS lässt schön grüßen.

  13. @14 Justine Sacco ist rechts, die Gegner sind Linke? Was bringt Sie zu der Behauptung?
    Sind also alle Atheisten, Unverheiratete etc. die von der Caritas oder irgendwelchen kirchlichen Schulen/Kindergärten/Krankenhäusern … entlassen wurden jetzt Opfer des rechten „Tugendwahns“.

    Von LBTGS brauchen wir ja gar nicht anfangen.

    Sehr beliebig die rechte Blase.

  14. @Kleitos
    Auch wenn ich Saccos Witz nicht witzig finde, gibt es doch ungefähr alle angemessenere Reaktionen, als die Frau durch eine spontane Massenbewegung in die Depression zu treiben. Oh, und weil sie eine Frau ist, ihr noch schön ne Vergewaltigung zu wünschen. Denn für Frauen sollen sich Shitstorms ja doppelt lohnen.
    Der zweite Beitrag oben ist nicht, was ich denke. Ich hab nur mal ausprobiert, wie gut ich es hinkriege, diese papagaienhafte Argumentation nachzumachen. Tatsächlich sehe ich in Nuhrs Argument, das allerdings etwa so aussieht, wie mein erster Beitrag, die moderne Version der Klartext-Legende, die in Bild und Welt und Co. lange gepflegt wurde, nach der es eben besonders mutig war, das zu sagen, was alle denken.
    Aber, der Sacco-Fall ist für mich ein so krasses Beispiel für lebensbedrohenden Online-Furor, dass ich mich gerade wundere, dass man das noch irgendwie verteidigen kann …

  15. Sacco wird als rassistisch bezeichnet und ausgegrenzt. Rassismus gilt als rechts. Antirassismus als links.

    Was ist jetzt genau das Argument:
    1. Sacco ist ein Einzelfall von anekdotischer Evidenz und es gibt keine cancel culture?
    2. Sacco ist hat es verdient, also ist es keine cancel culture?
    3. Sacco ist links und ihre Gegner rechts, also ist es keine linke cancel culture?

    Wie schon gesagt, „moderner Pranger“ ist für mich die deutlich bessere Metapher, und dergleichen nur auf einer Seite des politischen Spektrums zu verorten, ist naiv, aber ja. Dass Nuhr ein bisschen zu selbstverliebt ist, beweist, dass er mit allem unrecht hat.

  16. #16: „Justine Sacco.“

    Sie meinen die Dame, die „Chief Communications Officer“ des börsennotierten US-Unternehmens Match Group, Betreiber u.a. von Tinder und anderen Datingplattformen, ist?

    Jaja, „totale Vernichtung“ trifft da unbedingt zu. Ein anderer total vernichteter wäre Sarrazin, stimmt’s?

    Ekelt ihr Knallrechten euch eigentlich manchmal vor euch selbst? Wenn ihr wissen wollt, was „totale Vernichtung“ ist, besucht mal eine KZ-Gedenkstätte eurer Wahl.

  17. @Someonesdaughter
    Erstens, sorry, hab erklärt, dass das nicht von mir kommt. Also schon aber wirklich nur als Versuch, das Argument nachzubauen. Ausgehend von der, wie ich finde, noch immer richtigen Antwort auf die Frage, welcher Minderheit sich Nuhr zugehörig fühlt.
    Zweitens, was? Es ist lustig, wie Sacco noch immer noch böser gejazzt werden muss. Nein, sie war keine C-Level-Mitarbeiterin sondern „senior director of corporate communications at IAC“, eher sowas wie Gruppenleiterin in der PR, als Tinder noch keiner kannte. Und übrigens mit einem Twitter-Account von 170 Leuten und dem Pech, dass Gawker ihren Tweet als skandalisierbar identifiziert hat.
    Aber nochmal, selbst wenn: Sacco hat ihren Job verloren, Freunde verloren. Ihr wurde gewünscht, man solle sie doch mal von einem Aidskranken vergewaltigen lassen, damit sie merkt, dass auch Weiße Aids kriegen. All das ist OK?
    Ich finde nicht, obwohl sie natürlich weich gefallen ist, jetzt wieder bei IAC arbeitet und, ehrlich gesagt, schon vorher auf einem hohen Ross saß. Aber dennoch kann ich die Folgen für einen missverständlichen Tweet grausam und unmenschlich finden.

  18. Sacco ist definitiv außer ein paar Beleidigungen nichts passiert. Von „völliger Vernichtung“ zu reden ist albern. Im Übrigen: Wer als PR-Fachfrau so eine rassistische Scheiße in die sozialen Medien haut, beherrscht sein Metier in keinster Weise und gehört selbstverständlich gefeuert. Genauso wie der Zimmermann, dessen Dachstuhl über meinem Kopf zusammenbricht, weil ein Eichhörnchen über den Giebel turnt.

  19. @23
    Und wenn der Zimmermann zuhause, privat, eine undichte Hundehütte baut? Dann auch? Ehrlich, ich bin ja auch der Meinung, dass die Legenden-Opfer-Bildung der Rechten BS ist. Und wollte das einfach mal nachmachen um zu gucken, wie gut das geht und wie einfach das ist. Jetzt bin ich aber etwas schockiert, wie leichtfertig man jemandem wie Justin „außer ein paar Beleidigungen nix passiert“ Sacco es gönnt, den Job zu verlieren und von einem Online-Mob mal eine Woche lang deangasliert zu werden.
    Oder, als Frage: Ist ne Vergewaltigungsdrohung gegen eine Frau eine „Beleidigung“ oder ist das dann ein Witz, der geht? Frage für eine Freundin.

  20. Sammeln wir mal:
    @Mycroft: „Sacco wird als rassistisch bezeichnet und ausgegrenzt. Rassismus gilt als rechts. Antirassismus als links.“
    Rechte sind also alles Rassisten, Linke sind durchweg Antirassisten.
    Soweit so unterkomplex. Linke gelten auch als feministisch, wenn ich Ihre Logik anlege, wie kann es also ein Linker sein, der ihr eine Vergewaltigung wünscht?

    Ich sehe, was Sie versuchen ( auch was Sie extra auslassen ), leider scheitert der Versuch aber an grober Schlichtheit.
    Natürlich gibt es auch ( und nicht wenige ) linke Rassisten ( Frau Wagenknecht und Herr Lafontaine haben sich unlängst erst beworben ), so wie es durchaus auch rechte Rassismus-Gegner gibt.
    Und vielleicht fragen Sie doch mal die jüngsten Opfer öffentlicher Hinrichtung ( echte Opfer, nicht solche Jammerlappen wie Nuhr ), was man Ihnen an Vergewaltigung, Verstümmelung, Schlachten ihrer Kinder und sonst so, anscheinend mit Hilfe aus Polizeikreisen ( Datenabfragen ) so angedroht hat.

    Linke Politik sollte internationalistisch und sozial sein, der Rest ist kein Automatismus.

    Es ist übrigens überhaupt kein Zufall, dass die selbe Handvoll Namen und Ereignisse immer wieder bemüht werden, um eine vorgebliche Cancel-Culture von Links zu belegen. Einige leben davon, oder betreiben damit Upcycling ihrer Karrieren ( Eckhart, Nuhr, Pirinci ) andere sind halt schön plakativ und lange her, was Legenden befördert.

    Es werden aber weit mehr Karrieren durch christliche Institutionen, erzkonservative Vereinigungen und/oder wegen vermeintlichem „unpatriotischen“ Verhalten zerstört, als durch linke Agitation.
    Ist so wie das Gejammer über „linke Journalisten“, die in der Mehrheit sind.
    An den Unis, klar. Aber wem gehören denn die Medien und die Verlage?
    Wer verteilt die Arbeit?
    Springer, Funke oder Burda sind natürlich links wie nur was.

  21. „Rechte sind also alles Rassisten, Linke sind durchweg Antirassisten.“
    Nein. Ich sagte, Rassismus _gilt_ als Rechts, Anti-Rassismus _gilt_ als links. Ich gebe also die Vorurteile anderer Leute wieder.
    Dass cancel culture _nur_ von links ausgeht oder _nur_ gegen rechts sein kann, ist eine Behauptung, die ich mir davon unabhängig nicht zu eigen mache, aber wie auch immer. Die Behauptung war, dass Nuhr das so sieht. Nicht, dass Nuhr damit Recht hat.

    „Linke gelten auch als feministisch“ Tja. Das behaupten Linke vor allem selbst.

    „Linke Politik sollte internationalistisch und sozial sein“ Soweit ich weiß, ist echter Sozialismus nie wirklich ausprobiert worden, woher will man daher wissen, was Linke Politik in Wahrheit ist?

    „Es werden aber weit mehr Karrieren durch christliche Institutionen, erzkonservative Vereinigungen und/oder wegen vermeintlichem „unpatriotischen“ Verhalten zerstört, als durch linke Agitation.“ Das beweist auch nur, dass linke Agitation nicht so effektiv ist, wie man es linkerseits gerne hätte.

    Persönlich würde ich cancelculture auch weiter fassen als „von links, gegen rechts“; Woody Allen bspw. ist mWn nicht besonders rechts, es wurde aber von u.a. Linken (erfolglos) versucht, ihn zu känzeln. Dass es möglicherweise auch Rechte gibt, die über Allens Abkanzelung nicht allzu traurig wären, und/oder sogar mitmachen, macht die Sache ja nicht besser.

  22. #22: „Erstens, sorry, hab erklärt, dass das nicht von mir kommt.“

    MFD hat Sie (in #14) aufgefordert:

    „Nennen Sie mir bitte einen einzigen Rechten, der vom »lautstarken linken Tugendfuror völlig vernichtet« wurde.

    und sie antworten (in #16, mit ausdrücklichem Bezug auf #14): Justine Sacco.

    Selbstverständlich kommt das von Ihnen.

    „Aber nochmal, selbst wenn: Sacco hat ihren Job verloren, Freunde verloren. Ihr wurde gewünscht, man solle sie doch mal von einem Aidskranken vergewaltigen lassen, damit sie merkt, dass auch Weiße Aids kriegen. All das ist OK?“

    Nein, das ist NICHT ok – und das behauptet auch keiner. Sparen Sie sich sowas. Das ist nur so ziemlich genau das, was zahllose Nicht-Rechte jeden Tag vor die Füße gekotzt bekommen, von Renate Künast bis Margarete Stokowski.

    Und zwar ohne dass diese vorher rassistischen Dreck in die Welt posten.

    Der Protest Ihrer nicht-linken angeblichen Mehrheit (die angeblich schweigt und zu der auch die Kriminellen gehören, die solchen misogynen und anderen Dreck als NSU 2.0 verbreiten) ist ziemlich überschaubar.

    „Ich finde nicht, obwohl sie natürlich weich gefallen ist, jetzt wieder bei IAC arbeitet und, ehrlich gesagt, schon vorher auf einem hohen Ross saß.“

    Herrje, besuchen Sie eine KZ-Gedenkstätte, wenn Sie das allen Ernstes als „totale Vernichtung“ hysterisieren. Ihnen ist jeglicher Maßstab verloren gegangen.

  23. @ 23 Justine Sacco hatte Ihren Job verloren und anschließend mehr als 10 Jahre lang nichts mehr in Ihrem Beruf gefunden. Das ist offensichtlich schlimmer als „ein paar Beleidigungen“
    Ihr Twitter-Account hatte jahrelang fast niemanden interessiert. Sie hat ihre dummen Witze also für ein paar Twitter-Freunde geschrieben, auch wenn der Account technisch gesehen öffentlich einsehbar war. Das war eher „mal kurz nicht nachgedacht“ als komplett inkompetent. Das ist wie wenn dem Zimmermann einmal der Hammer aus der Hand fällt.
    https://m.youtube.com/watch?v=wAIP6fI0NAI

  24. @someonesdaughter
    Weil mir das wichtig ist: Nichts, was ich in 13 geschrieben habe, ist meiner Ansicht nach wahr. Es war der Versuch, das Argument, das die Rechte führt zu imitieren. Weil ich das immer mal versuchen wollte. Und weil ich es seltsam fand, dass El Ouassil mit ihrer Frage mach der Minderheit, der Nuhr sich zugehörig fühlt, die offensichtliche und wichtige Antwort nicht gegeben hat.
    Also meine ich nicht, dass Sacco “ totale Vernichtung“ widerfahren ist. Aber was der Frau passiert ist, ist dennoch eines der krassesten Beispiele für spontane Online-Mobs, die völlig rücksichtslos mit einem Menschen umgehen. Jaheira hat den Ron Jonson -Ted-talk ja schon verlinkt. RJ hat auch den NYT-Artikel geschrieben, ein Buch verfasst.
    Und natürlich haben Sie recht. Einer meiner Lieblings-Netzfiguren, Anita Sarkeesian hat fast parallel zu Sacco mit ihrer Tropes vs. Women-Videoreihe sehr ähnliche Reaktionen „provoziert“. Sie kriegt glaube ich keinen RJ-Artikel. (Ein Privileg der bürgerlichen Rechten, wer Erste Klasse nach Südafrika spielt, kriegt seinen Shitstorm auch erste Klasse aufgearbeitet …)
    Nochmal, weil es mir wichtig ist, Kommentar 13. ist eine Parodie der Immergleichen Argumente, warum man Rechte angeblich nicht kritisieren darf.
    @Jaheira
    Saccos Tweet war von 2012. Keine vier Jahrespäter arbeitet sie wieder bei IAC, nachdem sie in der Zwischenzeit als PR-Managerin gearbeitet hat. Die Frau *ist* von ihrem hohen Ross weich gefallen. Und das sage ich als jemand, der grundsätzlich findet, dass sie das Opfer ist und den „Shitstorm“ nicht verdient hat.

  25. @Jaheira
    “ 23 Justine Sacco hatte Ihren Job verloren und anschließend mehr als 10 Jahre lang nichts mehr in Ihrem Beruf gefunden“

    Was bei einem Tweet von 2013 im Jahr 2020 festgestellt ein erstaunlicher Effekt ist.

  26. @Frank Gemein
    Sie haben recht. Der Tweet war von 2013. Gefeuert wurde sie 2014. Wieder eingestellt 2018, deswegen 4 Jahre. Man, die Frau ist *wirklich* weich gefallen.

  27. @26:
    „Soweit ich weiß, ist echter Sozialismus nie wirklich ausprobiert worden, woher will man daher wissen, was Linke Politik in Wahrheit ist?“
    Nach Marx ist der Sozialismus die Stufe der Entwicklung, die letztlich zur Überwindung des Kapitalismus führt. Da Marx kein Marxist war, blieb er bei der Ausgestaltung wesentlich unpräziser, als die marxistischen Nachfolger. Die waren dafür komplett heterogen in ihren Ansichten.
    „Schon in den 1920er Jahren sammelte der Soziologe Werner Sombart 260 Definitionen von Sozialismus.“ [wiki] Die ich nur zu einem kleinen Teil der marxistischen Linie entsprangen.

    Ich schrieb von der Linken, genauer der heutigen Linken.
    Die ist ohne die diversen INTERNATIONALEN schwer denkbar.
    Egalitäres Denken sollte auch dazu gehören, aber ab da wird es dann bunt.

  28. Also vielleicht mal zur Verdeutlichung:
    Ich möchte unter gar keinen Umständen ein Plädoyer pro shitstorm abliefern. Dieses Phänomen gehört zu den hässlicheren Seiten der neuen Medienrealität. Was gerade z.B. auf J.K.Rowling einprasselt ist, und das finde ich obwohl ich absolut nicht ihrer Meinung bin, sehr häufig bizarr überzogen und auf viele Arten falsch.

    Ein shitstorm aber, wie ihn bspw. Herr Lübke 2015 nach dem Satz „Und wer diese (christlichen) Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er will.“ abbekam, ein Shitstorm, der letztlich in seiner Ermordung gipfelte, ist eine andere Kategorie.
    Dennoch-, oder gerade deswegen würde niemand diesen Shitstorm geschichtsvergessen „Pogrom“ nennen.
    Der Cicero schrieb dazu:

    „Sein Satz, er wirkte wie der sprichwörtliche Funke, der die explosive Stimmung entzündete. „Vaterlandsloses Schwein“, „Drecksau“, „Volksverräter“, „Polit-Bakterium“, das waren noch einige der harmloseren Schimpfworte, die sich Lübcke in den kommenden Tagen im Internet gefallen lassen musste.
    Befeuert wurde der Shitstrom von dem rechtsextremen Blog PI-News. Einen Tag später veröffentlichte jemand, der dabei war, einen Bericht über die Bürgerversammlung auf dem Blog: Titel: „Wem das nicht passt, hat das Recht und die Möglichkeit, das Land zu verlassen.“ Die Anschrift und die Telefon-Nummer von Lübckes Büro lieferte das Blog gleich mit. “

    FALL WALTER LÜBCKE
    – Ein Satz, ein Funke, ein Schuss
    VON ANTJE HILDEBRANDT am 17. Juni 2019

    Derzeit ist es eine freie Autorin der Taz, ein Opferanwältin des NSU Verfahrens, eine SPD Politikerin, eine Kabarettistin mit türkischen Wurzeln und andere, die erheblich bedroht werden.

    Auf den diversen Demos gegen die Corona Maßnahmen werden Journalisten bedroht und angegriffen, es wird gepöbelt, wen man alles hinrichten möchte am Tag X.

    Aber Herr Nuhr schwallt von Pogromen wegen der Kritik an seinen schlechten Witzchen.

    Klappern gehört zum Handwerk, oder wie?

  29. @ Frank Gemein und Daniel
    Das mit den 10 Jahren hatte ich falsch im Gedächtnis, Sie haben offensichtlich Recht.

  30. Ach, der Herr Nuhr! Der Satiriker. Ha, ha, ha..
    Der Eingangssatz trifft meine Stimmungslage, die sich einstellt, wenn ich von ihm höre oder – wider besseres Wissen – doch irgendwas lese, höre oder sehe, was er inzwischen so von sich gibt:
    „…der Gegenwartsexeget mit der Vorwärtsgewandtheit…“.
    Er macht inzwischen das, was Stefan Gärtner hier https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/satire“ (Über Herrschaftssatire können alle lachen“) als Herrschaftssatire in wenigen Worten im Jahr 2015 charakterisiert, kurz nach dem Anschlag auf Charlie Hebdos Redaktion.
    Seine Ehrungen und die Sendungen bei der ARD geben ihm wohl so etwas wie einen Diplomatenstatus jeden Quatsch von sich geben zu dürfen, um dann hinterher zu jammern „wir haben ein Problem mit Denunziation, Diffamierung und Etikettierung von Andersdenkenden“. Das Video erspare ich mir.
    Er folgt damit brav dem inzwischen Sagbaren. Vielleicht gibt es ja bald ein neues Format mit SatirikerInnen wie Lisa Eckhard und Interviewpartnern mit Sarrazin, Lafontaine und Jürgen Elsässer. Das würde dann in das Format „Nuhrberger Prozesse“ passen.
    Wäre ich Lehrer würde ich mit dieser Kolumne im Unterricht arbeiten.

  31. „Was gerade z.B. auf J.K.Rowling einprasselt ist, und das finde ich obwohl ich absolut nicht ihrer Meinung bin, sehr häufig bizarr überzogen und auf viele Arten falsch.“
    Nach dem Pranger auch noch Bücherverbrennungen.

    „Ein shitstorm aber, wie ihn bspw. Herr Lübke 2015 … ist eine andere Kategorie.“ Mord statt Bücherverbrennungen.

    Ja, Nuhrs Vergleich ist überzogen. Das beweist nicht, dass die Diskurskultur hier noch ohne mit viel Ironie und Gänsefüßchen „Diskurs“-höhö-„Kultur“*schenkelklopf genannt werden kann oder sollte.

    Ein Shitstorm, der nicht in einem Mord endet, ist nicht so schlimm wie einer, der es doch tut. D’oh.
    Sind Rechtsextreme inzwischen unser moralischer Kompass geworden? Solange wir nicht ganz so schlechte Menschen sind wie die, ist doch alles tutti?

  32. Ich weiß, ich komme spät zu dieser Party, möchte aber auch noch meinen Senf dalassen:
    Ich behaupte, es gab schon immer eine „Cancel Culture“. Das brechen von Tabus wurde immer gesellschaftlich sanktioniert. Zu anderen Zeiten wurde man gecancelt (oft auch in seiner physischen Existenz), wenn man z.B. Atheist war oder schwul. Da Tabus im Laufe der Zeit neu verhandelt werden und immer dem moralischen Zeitgeist unterworfen sind, wird es heute eben sanktioniert, wenn man sich rassistisch oder homophob äußert. Auch wenn das manchmal, wie bei Frau Sacco, wie ich finde, jede Verhältnismäßigkeit vermissen lässt, sehe ich im Wandel der Tabus an sich erstmal einen Fortschritt.
    Dass Leute wie Dieter Nuhr das Brechen von Tabus und Rebellentum zu ihrem Markenkern machen und sich bei Gegenwind zu Opfern von Pogromen stilisieren, und das vermutlich sogar selbst glauben, finde ich ein Bisschen erbärmlich.

  33. @36:
    Wer hat denn jetzt exakt die rechte Karte initial gezogen ( Artikel, Inhalt/Thema )?
    Man kann diesen „Move“ irgendwie tatsächlich nur als typisches Rumgeopfer eines üblichen Verdächtigen auslegen, oder, vielleicht besser, wie Küppersbusch auf das dem zugrunde liegende Geschäftsmodel verweisen.
    „Haste mal einen Shitstorm?“
    https://www.youtube.com/watch?v=C0bEVt2xVpU

    Zum Thema Rowling nur so viel:
    Es scheint zu stimmen, dass Bücherverbrennungen in Deutschland anders assoziiert sind ( zu recht natürlich, schon seit dem Wartburgfest ) . Was sie nicht entschuldigt oder erklärt.
    Aber, „da wo Bücher brennen, brennen dereinst auch Menschen“ hatte vielleicht nicht unbedingt Tiktok Videos von queeren Aktivist:innen im Fokus.

    Mir zumindest fällt es schwer, eine Zukunft zu imaginieren in der die LBGT Community anfängt, Menschen zu verbrennen.

    Klar, wird von Berufenen gern als Argument genommen.
    Aber doch nicht, weil jemand tatsächlich in Angst lebte. So weit, so bigott.

  34. „Wer hat denn jetzt exakt die rechte Karte initial gezogen ( Artikel, Inhalt/Thema )?“ Das war Heinz Müller, glaube ich. Keine Ahnung, wer das exakt als allererstes thematisiert hat. Mir persönlich fiel es auf, als verschieden Leute auf verschiedenen Plattformen beklagten, dass der Anti-Umweltsau-Shitstorm nicht als „cancel culture“ gefrämt wurde, und da finde ich auch, zurecht. Entweder alle oder keiner.
    Hat Ihre Frage einen Hintergedanken oder fragen Sie nur aus Neugier?

    „Mir zumindest fällt es schwer, eine Zukunft zu imaginieren in der die LBGT Community anfängt, Menschen zu verbrennen.“ Ja, solange die keine Menschen verbrennen, stört es mich mehr, dass die nicht nur Rowling kritisieren, sondern auch HP-Leser. Gruppenschuld und Sippenhaft.

    Dass es CC schon immer gab, nur unter anderen Namen, bestreite ich ja nicht, ich bin aber gegen die Methode als solche, unabhängig von deren Zielen.

    Apropos, Johnny Depp anyone?

  35. @MYCROFT:
    Nuhr hat die rechte Karte gezogen, indem er bewußt den Begriff „Pogrom“ nutzte. Die Assoziationen waren ihm klar.
    Wie schon an anderer Stelle gesagt: Das Wort „Nazi“, eigenständig oder als Wortteil, wird nach meinen Beobachtungen von Rechts weit häufiger in Diskurse gestreut, als von Links. Inflationär als sog. „Nazikeule“ ( in der Funktion soll das dann meistens exakt das bewirken, was der Begriff unterstellt: Kritik unterbinden ), oder für die steile Behauptung, dass Linke die eigentlichen Nazis/Faschisten seien.

    Ich gehe davon aus, dass eine Bücherverbrennung auf TikTok im Gartengrill irgendwo JWD nur der Dummheit zuzuordnen ist. Kann man anders sehen.
    Zur Klarstellung:
    Queere Menschen sind nicht automatisch links, weil Linke sich für Minderheiten einsetzen.
    Ein schwuler Mann ist nicht zwingend politisch, weil er schwul ist. Er ist such nicht automatisch gut, böse, dumm, klug, gerecht oder sonst etwas. Er ist einfach nur schwul.

    Man kann also beklagen, dass es zu wenige Stimmen aus der Community gibt, die solche Auswüchse scharf kritisieren ( obwohl es die auch-, und nicht selten gibt ), mehr macht aber wenig Sinn.

    Interessant ist aber auch die bemerkenswerte Schieflage:
    In Hamburg hat es Null Drohungen gegen den Nochtspeicher wegen der Einladung Lisa Eckharts gegeben.
    Die ganze angebliche CC Geschichte war eine konstruierte Farce.
    Eckhart dürfte weit mehr zusätzlichen Umsatz und Reichweite daraus generieren, als es sie kostet, nicht aufzutreten.
    Ein Schuft, wer Böses dabei denkt.
    Gäbe es CC nicht, sie und Nuhr müssten die erfinden.
    Wenn wir CC ernst nehmen wollen, dann gibt es die solange, wie es Medien gibt. Nur waren die Inkubatoren früher notwendigerweise so etwas wie die Springerpresse.

  36. @40: „Ein Schuft, wer Böses dabei denkt.“
    Marketing halt.
    Wie ich schon mal woanders schrieb: Interessant wäre m. E. jetzt, was für ein Publikum sie sich nun sucht. Das gilt nicht nur für LE, sondern jeden Kunstschaffenden, der mal Kritik „von links“ abbekommen hat.
    Nuhr z. B. passt seine Wortwahl mit „Pogrom“ einer ganz bestimmten Zielgruppe an. Der Backlash ist vorprogrammiert – Empörung, Empörung über die Empörung, nächste kalkulierte Grenzüberschreitung, rinse and repeat.
    Das Ganze ist „self-evident“, weshalb ich so Probleme mit Nuhrs eigentlicher Aussage „Wir haben ein Problem mit der Diffamierung von Andersdenkenden“ habe.
    Bei LE bin ich da bisschen relaxter, sie macht das nicht schon seit 20 Jahren als Geschäftsmodell. Vermutlich fand sie die Witzchen selbst lustig. Ich würde mich hier jedenfalls über eine „redemption arc“ im 3. Akt freuen.
    In dem Zusammenhang würde mich mal Martin Sonneborns Meinung über den ehm. Kançlerkanditaten Somunçu interessieren.
    Der blasse, dünne Junge sagt ja, die Kunstfigur an sich sei tot. https://twitter.com/Ink_of_Books/status/1305794256603410432
    Schade eigentlich, ich mochte ja z. B. Herbert Knebel sehr gerne.

  37. „Progrom“ ist Mittelalter. Dass Linke und Rechte es nicht mögen, miteinander verglichen zu werden, ist eine Gemeinsamkeit der beiden.

    Dass LE die „Ausladung“ selbst gewollt habe, geht schon in Richtung VT. Aber ja, bestimmt will Nuhr das auch. Am besten hören Sie auf, ihn zu kritisieren. Oder Harry Potter zu verbrennen.

  38. Es ist eine VT, dass Provokationen eine Gegenreaktion auslösen und man diese zur Inszenierung nutzt? Sagen Sie das mal der Bildzeitung.
    Pogrom hat auch eine historisch jüngere Dimension, als „Mittelalter“, das wissen Sie, das weiß Nuhr.
    Harry Potter höre ich gerade zum Einschlafen als Hörbuch.

  39. „Der Begriff Pogrom stammt von dem russischen погром [pɐˈgrom] und bedeutet „Verwüstung“, „Zerstörung“, „Krawall“. […]Er ist im Zusammenhang mit Übergriffen auf Juden im Russland der 1880er Jahre aufgekommen.“ /wiki
    Dass man nachträglich das Wort auch für antijudaistische Verbrechen im MA benutzt, macht den Begriff nicht älter.
    Natürlich weiss Nuhr, was passiert wäre, wenn er bspw. den Begriff „Holocaust“ gewählt hätte. Dafür macht er das billige upcacling nun schon zu lange.
    Und, wie gesagt, es gibt da eine ganze Sparte, die davon lebt. Ein schlechter Kabarettist ist immer noch ein verhältnismäßig guter rechter Kabarettist. Die Konkurrenz ist da halt kleiner.
    Gilt auch für Autoren und besonders Musiker,

    Ich gehe nicht davon aus, dass explizit der Nochtspeicher Auftritt von LE selber torpediert wurde. Das war eher der Vernstalter, der so doch erheblich mehr Karten in Corona Zeiten absetzen konnte und jede Menge kostenlose Werbung erhielt.

    „. Am besten hören Sie auf, ihn zu kritisieren. Oder Harry Potter zu verbrennen.“
    Ich jetzt?

    „Dass Linke und Rechte es nicht mögen, miteinander verglichen zu werden, ist eine Gemeinsamkeit der beiden.“

    Gäääähn.

  40. Was ich an Nuhrs Äußerungen bezüglich seiner Kritiker seltsam finde, ist, dass er eine Unversöhnlichkeit/Diffamierung beklagt, die er mit recht harschen Worten selber an den Tag legt, wenn er auf Kritik an seiner Person/Satire/KollegInnen zu sprechen kommt (auch und vor allem in seinen Bühnenauftritten). Sätze wie „Manche Leute sind zu dumm, um…“ sind da sehr typisch.
    In Wahrheit sind seine Aussagen ja gar nicht allzu streitbar, sondern oft einfach sehr vage und die öffentliche „Hysterie“ hält sich mE auch im überschaubaren Rahmen. Harsche kritische, aber leider auch beleidigende Tweets und Kommentare findet wohl praktisch jede Person der Öffentlichkeit in seinen Postfächern, egal wie sie politisch verortet ist. Man kann sich leicht vorstellen, was wohl Frau El Ouassil und Frau Stokowski in Ihren Postfächern täglich vorfinden. (Und die Kommentarspalten bei SPON sind auch „nicht immer nett“. )
    (Selbst)Überhöhung der Kunstfigur/Person Dieter Nuhr ist letztlich exakt die treffende Analyse.

  41. @Frank Gemein

    In #7 schreiben sie selbst das man versucht Greta per Shitstorm zu „vernichten“

    Also was denn jetzt. Ist ein Shitstorm der Versuch eine andere Person zu vernichten oder nicht. Welches Wort ist angemessen um auf den Umstand hinzuweisen, dass dieser Vernichtungswille einem Shitstorm (egal gegen wen) innewohnt.

    Glauben sie Herr Nuhr benutzt „Pogrom“ eher um provokant auf den Umstand hinzuweisen, dass ein Shitstorm eine finstere Anglegenheit ist die wir uns besser wieder abgewöhnen sollten oder denken sie er möchte damit die Verbrechen an den Juden relativieren?

  42. Der Begriff „shitstorm“ zeigt an, dass es wohl eher nicht um etwas Positives geht.
    Was aber tatsächlich im Internetzeitalter neu hinzukam, ist eine quasi „Demokratisierung“ des Phänomens, weil nun alle partizipieren können.
    Trotzdem ist es ein Mittel und die Intention wird erst hineingelegt.

    „Glauben sie Herr Nuhr benutzt „Pogrom“ eher um provokant auf den Umstand hinzuweisen, dass ein Shitstorm eine finstere Anglegenheit ist die wir uns besser wieder abgewöhnen sollten oder denken sie er möchte damit die Verbrechen an den Juden relativieren?“

    Ich glaube, dass das Ganze Teil seines Geschäftsmodels ist. Die Handtaschenausgabe des Milo Yiannopoulos in älter und hetero.
    Die Masche mit der gesetzten Provokation und dem erläuternden Zurückrudern ist ja mittlerweile auch schon inflationär in Verwendung. Die gesamte AfD Führung macht quasi nichts anderes.

  43. „Dass man nachträglich das Wort auch für antijudaistische Verbrechen im MA benutzt, macht den Begriff nicht älter.“ Ok, dann ist der Vorwurf, dass er nicht den mittelalterlichen Begriff genommen hat, den heute keiner mehr kennt?

    „Ich gehe nicht davon aus, dass explizit der Nochtspeicher Auftritt von LE selber torpediert wurde.“ Nicht? Aber sie hat doch davon profitiert?

    „Das war eher der Vernstalter, der so doch erheblich mehr Karten in Corona Zeiten absetzen konnte…“ Wieso jetzt der Veranstalter? Die falschen Behauptungen kamen vom Veranstaltungsort.

    „Ich jetzt?“ Oder fangen halt gar nicht erst an. Das kann Gratiswerbung für Rowling werden, und das wollen wir doch nicht.

    „Gäääähn.“ Ja, genau. Das Offensichtliche ist uninteressant.

    Wie gesagt, eine Beschwerde im Zusammenhang mit dem Umweltsau-Shitstorm war, dass man vor diesem eher rechten Shitstorm eingeknickt ist, vor dem eher linken gegen Nuhr nicht.

  44. “ Ok, dann ist der Vorwurf, dass er nicht den mittelalterlichen Begriff genommen hat, den heute keiner mehr kennt?“
    „Vorwurf“ stammt von Ihnen, die Behauptungen Pogrom sei mit dem MA assoziiert auch.
    Kleiner Tip: Der Begriff ist 1880 in Russland nicht etwa entstanden, weil man an das MA dachte. Und die „Novemberpogrome von 1938“, auch bekannt als „Reichskristallnacht“, deuten auch nicht auf das MA hin.
    Sie sollten Ihre Wissenslücken nicht verallgemeinern.

    Im übrigen habe ich noch niemanden getroffen, der Wert darauf legt, sich als weder rechts noch links zu outen, der dann nicht doch rechts gewesen wäre.
    Seltsamer Effekt. Das Internet ist voll davon. Es hat sonst einfach niemand ein Interesse daran, das zu behaupten.
    Wenn man es dann genauer beleuchtet, dann ist es halt die „echte“ Mitte, bevor sich alle diesem „Linksruck“ hingegeben hätten.
    Also so eine Art Mitte Hilfskonstruktion. Der Punkt, den es gäbe, wenn nicht alle verrückt geworden wären …

  45. @47

    Wenn das so durchschaubar ist, warum wird Herr Nuhr nicht primär vorgeworfen nur ein geschmackloser Geschäftemacher zu sein sondern man schimpft ihn als Rechten und Klimaleugner?
    Sind alle anderen zu dumm zu erkennen was für sie ein leichtes war?

    Am Ende hat es doch viel mit dem eigenen Menschenbild zu tun.
    Ich persönlich interpretiere es so:

    Herr Nuhr benutzt „Pogrom“ eher um provokant auf den Umstand hinzuweisen, dass ein Shitstorm eine finstere Anglegenheit ist die wir uns besser wieder abgewöhnen sollten.
    Sie könne mir jetzt gerne Naivität vorwerfen und das muss ich dann auch akzeptieren.

    Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass die Angewohnheit den Menschen immer ein möglichst schlechtes Motiv zu unterstellen, die Spaltung unserer Gesellschaft nur weiter vorantreibt.

    Flame War scheint es tatsählich besser zu beschreiben als Shitstorm.

  46. „„Vorwurf“ stammt von Ihnen,“ Ähh, nein, der ganze obige Artikel oben ist ein Vorwurf. Was sonst?
    „die Behauptungen Pogrom sei mit dem MA assoziiert auch.“ Eigentlich von Nuhr, und Ouassil greift das mit den Hexenverbrennungen auf, die ja auch mit dem Mittelalter assoziiert sind. Zu Unrecht, ja. Deshalb sagt man ja auch „assoziiert“ für „gefühlte Verbindung“.

    „Im übrigen habe ich noch niemanden getroffen, der Wert darauf legt, sich als weder rechts noch links zu outen, der dann nicht doch rechts gewesen wäre.“ Ja? Liegt vllt. an Ihrer Blase?

    „Wenn man es dann genauer beleuchtet, dann ist es halt die „echte“ Mitte, bevor sich alle diesem „Linksruck“ hingegeben hätten.“ Welcher Linksruck? Welche echte Mitte? Der Median? Der Durchschnitt? Wie kann man das ausrechnen?
    Ich bin für mehr Klimapolitik und für eine flüchtlingsfreundliche Politik und für mehr Europa schon deshalb, weil man als Europa mehr in beiden Bereichen tun kann. Also typisch rechts, woll? Ich bin gegen Shitstorm/Flamewar/cancel culture als politisches Mittel, weil damit Meinungsfreiheit, Demokratie und Rechtsstaat unterlaufen werden.
    Wenn ich das bei Rechten kritisiere, kann ich das bei Linken nicht gutheißen, auch wenn ich die Nazikeule in dem Fall drinnen lasse.

    Und die Argumentation ist halt bescheuert: Es gibt keine cancel culture, sondern nur Kritik, aber wenn doch, ist die cancel culture gerechtfertigt, aber in Wahrheit ist die sogenannte cc eine kapitalistische Verschwörung, mit denen die vorgeblichen Opfer mehr Profit erwirtschaften.
    Ja, dann hört doch einfach auf damit. Oder überlasst das den Rechten. Damit die linken Känzelopfer den Profit absahnen und das System überlisten. D’oh.

  47. „Und die Argumentation ist halt bescheuert“
    Absolut d’accord, außer Ihr Strohmann argumentiert auch keiner so.

  48. @MYCROFT
    Deshalb tauschen wir beide uns ja auch gerade aus, weil ich in „meiner Blase“ verhaftet bin.
    Und noch einmal: Wer ist das „Ihr“, das irgendetwas sein lassen soll?
    Die Vorstellung, nur weil Linke dazu tendieren, Minderheiten zu unterstützen ( das ist Resultat der egalitären Komponente ), gäbe es plötzlich ein linkes ZK, welches irgendwelche „shitstorms“ steuert, ist nicht wirklich plausibel.
    Das ist so ähnlich unterkomplex wie der Antifa Mythos der AfD.
    Ich nehme mir das Recht heraus, Nuhr zu kritisieren. Ich befürchte aber fast, dass er das eben schon als gotteslästerlichen shitstorm wertet.

    Oder ein anderes Beispiel: Wenn schon die Ahnung eines Bühnenbetreibers dazu führt, dass Künstler ausgeladen werden, was soll dann denn wer jetzt machen, um das zu verhindern?
    Die Bühne wurde in einem
    Natürlich haben Personen des öffentlichen Interesses auch schlicht Fans und Hater. Auch Greta Thunberg.
    Wenn jemand irgendetwas gegen Billie Eilish öffentlich sagen würde, würde es Todesdrohungen und Selbstmordankündigungen hageln.
    Interessant wird es, wenn es justiziabel ist, besonders wenn das Leben und die Unversehrtheit der Person bedroht wird.

    „Kapitalistische Verschwörung“- nee, ist klar.
    Zwischen bauernschlauer Umsatzoptimierungstrick und „kapitalistischer Verschwörung“ spannt sich sich 99,99% der normalen Welt.

  49. „Deshalb tauschen wir beide uns ja auch gerade aus, weil ich in „meiner Blase“ verhaftet bin.“ Ja dann. Jetzt haben erstmalig einen Menschen getroffen, der sich von rechts und links distanziert, weil er beide Extreme nicht mag. Glückwunsch.

    „Und noch einmal: Wer ist das „Ihr“, das irgendetwas sein lassen soll?“ Die, die das jetzt tun bzw. gut finden vllt.? Nur so als Idee…

    „Die Vorstellung, nur weil Linke dazu tendieren, Minderheiten zu unterstützen ( das ist Resultat der egalitären Komponente ), gäbe es plötzlich ein linkes ZK“ Wieso jetzt ZK? Einfach die „unsichtbare Hand“ und so. Gibt’s auch außerhalb der Wirtschaftswissenschaften. Ein Shitstorm ist nicht nur dann schlecht, wenn er zentral koordiniert wird. Ansonsten richten sich Shitstorms selten gegen Mehrheiten, sondern gegen Einzelne.

    „Ich nehme mir das Recht heraus, Nuhr zu kritisieren. Ich befürchte aber fast, …“ Dieses Recht haben Sie. Und möglicherweise wird er jede Kritik als Shitstorm främen, was in Ihrem Fall tatsächlich faktisch falsch wäre, weil sie ganz sachlich den Begriff „Pogrom“ zerpflücken.

    „Wenn schon die Ahnung eines Bühnenbetreibers dazu führt, dass Künstler ausgeladen werden, was soll dann denn wer jetzt machen, um das zu verhindern?“ Hmm, wenn diese „Ahnung“ einfach eine Lüge war? Tja, dann ist die Bühne offenbar kein ehrlicher Geschäftspartner. Ich bin aber kein Jurist und kenne auch die Verträge nicht.

    „Zwischen bauernschlauer Umsatzoptimierungstrick…“ Ok, meinetwegen „bauernschlauer Optimierungstrick“.

    „Absolut d’accord, außer Ihr Strohmann argumentiert auch keiner so.“ Ja, stimmt. Es ist ein bauernschlauer Optimierungstrick, keine kapitalistische Verschwörung. Sorry, my bad.
    Punkt war das Argument, dass die cc in Wahrheit denn Gecanzelten helfen würde, was entweder stimmt, dann ist das ein hartes Argument gegen Shitstorms u.ä., oder nicht, dann ist es gar kein Argument.

  50. In meiner Wahrnehmung ging es in der CC Debatte nicht um „gibt’s nicht“ sondern um „gab’s immer schon, hier früher z. B. Boykott (ö. Ä.)“.

    Mich stört das „in Wahrheit“ in Ihrem letzten Absatz.
    Ich selbst habe nur gesagt, dass Nuhr (mein zweites Beispiel war die Bildzeitung) genau weiß, wie man so einen künstlichen Aufruhr anstachelt und diesen für die eigene Vermarktung ausnutzt.
    Nicht, dass jeder, der einen Aufruhr verursacht das nur deshalb tut, weil es seiner Selbstvermarktung nutzt.

    LE wäre dafür ein gutes Beispiel: Anlass für den Aufruhr war ja die Absage des Veranstalters. Die hat sie m. Mn. n. nicht absichtlich provoziert – aber hat ihr dennoch einen krassen Aufmerksamkeitsschub beschert, wie z. B. Google Trends belegt: https://trends.google.de/trends/explore?q=%2Fg%2F11c52bp9jv&geo=DE
    Eben darum finde ich es wirklich spannend, ob es bei der „boshaftem Missverstehen“ These bleibt oder ob sie tatsächlich mal über den Inhalt ihrer Witze nachdenkt.

    Ich wollte eigentlich nur auf „Auch schlechte PR ist PR“ hinaus.
    Nach wie vor halte ich das nicht für eine VT.
    Reicht jetzt auch, denke ich.

  51. „In meiner Wahrnehmung ging es in der CC Debatte nicht um „gibt’s nicht“ sondern um „gab’s immer schon, hier früher z. B. Boykott (ö. Ä.)“.“ Irgendwo habe ich erst letztens einen Artikel gelesen, wir sollten besser die Idee eine cancel culture canceln, weil es die nicht gäbe. Keine Ahnung, wo und von wem das war, ich habe ja leider keine beschränkte Wahrnehmung, aber ein Gedächtnis wie ein Sieb.
    Persönlich sehe ich tatsächlich nicht ein, warum das Ding einen neuen Namen kriegen soll, oder mehr als einen, je nach politischer Richtung, aber das zu verharmlosen, halte ich auch für falsch.

    „Mich stört das „in Wahrheit“ in Ihrem letzten Absatz.“ Ja, in Wahrheit ist das ja auch nicht so.

    „Ich selbst habe nur gesagt, …“ Bitte nicht böse sein, aber ich diskutiere manchmal auch mit anderen Leuten. Sorry.

    „Anlass für den Aufruhr war ja die Absage des Veranstalters…“ Ja, weil die Bühne, die der Veranstalter gemietet hat, eine Bedrohungslage ausgedacht hat. Finde ich extremst schlecht. Wenn die Bühne sagt: „LE wird von uns boykottiert.“ wäre das ja erstens transparent und zweitens tatsächlich der Anfang von Diskussion und Kritik. Oder, wenn es wirklich Drohungen gegeben hätte. (Wäre auch nicht gut, aber nicht Schuld der Bühne…)

    „Ich wollte eigentlich nur auf „Auch schlechte PR ist PR“ hinaus.“ Tja, wofür braucht man da noch PR-Abteilungen? Also, soll LE jetzt der Bühne dankbar sein oder nicht?

  52. „Während solch eines Dialogs innezuhalten und festzustellen, „Nein, Moment, das kann man einfach nicht sagen, das ist ungehörig und totaler Quatsch“ würde tatsächlich seine Arbeit grundsätzlich infrage stellen, weil er öffentlich eingestehen müsste, dass es Grenzen des Sagbaren gibt und Satire nicht alles darf.“

    Amen. Ich warte nur darauf, dass der erste anfängt Satire soweit zu treiben, dass man „aus Spaß“ den Holocaust leugnet. Das wird lustig, denn Satire darf ja alles.

    @4

    Ich gehe 55 Stunden die Woche arbeiten und in meiner wenigen restlichen Freizeit setze ich mich u.a. auch für Umweltschutz ein. Jetzt muss ihr Weltbild ja komplett zerstört worden sein. Gern geschehen.

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