Wahlkampf gegen Trump

Besser genau hinsehen: Wer und was hinter dem Lincoln Project steckt

Geigen spielen leise im Hintergrund, während Dan Barkhoff, Ex-Navy-Seal, in die Kamera spricht:

„Vor Monaten hat Donald Trump erfahren, dass die Russen Kopfgelder auf tote amerikanische Soldaten in Afghanistan ausgesetzt haben. Er hat sich entschieden, nichts dagegen zu tun. Jeder Oberbefehlshaber mit Rückgrat würde ein paar Russen jetzt die Scheiße aus dem Leib prügeln – diplomatisch, ökonomisch, oder, wenn nötig mit derselben asymmetrischen Kriegsführung, die sie verwenden, um unsere Kinder in Särgen nach Hause zu schicken.“

Das Video wurde vom Lincoln Project produziert. Das Super-PAC (Political Action Committee) wird geführt von (ehemaligen) Republikanern, die sich als „Never-Trumper“ bezeichnen. Und es bekam in den vergangenen Wochen auch in deutschen Medien jede Menge Aufmerksamkeit.

„Trumps gefährlichster Gegner kommt aus den eigenen Reihen: das Lincoln Project”, titelte beispielsweise „Der Spiegel“ vergangene Woche. Doch Überschriften wie diese (wie auch Berichte der Tagesschau, des Bayrischen Rundfunks oder des Deutschlandfunks) schreiben dem Lincoln Project entweder eine potentielle Effektivität zu, die es bisher nicht unbedingt hat, oder bleiben in der Betrachtung recht oberflächlich – auch wenn der „Spiegel“-Autor anmerkt, dass die, die von den Videos des Lincoln Projects begeistert sind, Trump vermutlich sowieso nicht gewählt hätten.

17 Millionen Dollar in drei Monaten eingenommen

Das selbstgesteckte Ziel des Lincoln Projects ist es, „genug unzufriedene Konservative, Republikaner und Republikaner-nahe Unabhängige in Swing-States und Swing-Wahlbezirken zu überzeugen, um einen Sieg im Electoral College und Mehrheiten zu gewährleisten, die Trumps Verfassungsbrüche nicht möglich machen und begünstigen; selbst wenn das bedeutet, dass Demokraten den Senat kontrollieren und die demokratische Mehrheit auch auf das Weiße Haus ausgeweitet wird“.

Die Spots des Lincoln Projects gehen viral, sind produziert, um in die Nachrichten zu kommen, Trump zu kränken – das tun sie. Ob sie aber bisherige republikanische Wähler überzeugen, ist fraglich.

Es gibt einige Aspekte, die bisher in der deutschen Berichterstattung zu kurz gekommen sind. Da sind zunächst einmal die Finanzen: Laut „Vox“ (Stand 20.08.20) hat das Lincoln Project allein im zweiten Quartal diesen Jahres knapp 17 Millionen Dollar an Spenden eingenommen, aber bisher weniger als 8 Millionen für Wahlwerbung ausgegeben – verglichen mit demokratischen PACs ist das sehr wenig.

Ein weiterer Kritikpunkt: die Orte, an denen die Spots ausgestrahlt werden. Einer der größten Werbeblock-Einkäufe für über zwei Millionen Dollar betrifft nur Washington DC – einen Teil des Landes, der wenig Auswirkung auf den Wahlausgang hat, weitere 200.000 Dollar wurden für New York City ausgegeben, schreibt Peter Kafka von „Vox“ – in New York, wo Trump ohnehin keine Chance auf einen Sieg hat.

Attacken auf Trump im Stile von Trump

Trump mit den stilistischen Mitteln eines republikanischen Wahlkampfs zu besiegen, das ist das Ziel des Lincoln Projects. Trump hatte Hillary Clintons Gesundheit und Tauglichkeit für die Präsidentschaft 2016 immer wieder in Frage gestellt. Das Lincoln Project teilte jetzt unter dem Hashtag #TrumpIsNotWell im gleichen Stil gegen ihn aus.

Es gibt durchaus Demokraten, die sich wünschen, die eigene Partei würde sich trauen, so theatralische, reißerische Spots zu produzieren, wie das Lincoln Project es tut.

Aber es hat einen Grund, warum die Biden-Kampagne weniger auf Negativ-Ads im Blockbuster-Stil setzt. Spots sind teuer und die Wahlkampagnen der Kandidaten investieren stark in gezielte Umfragen, um herauszufinden, was bei den Wählergruppen zieht, die sie ansprechen sollen. Wer jetzt – nach Trumps Politik der letzten Jahre und nach seinem katastrophalen Management der Pandemie – noch immer unentschlossen ist, wen er/sie wählen soll, der wird sich durch einen Spot, der nur darauf abzielt, Trump zu kränken, nicht überzeugen lassen, für Biden zu stimmen.

Wer steckt eigentlich dahinter?

Das Lincoln Project selbst gibt zu, dass es derzeit vor allem einen Adressaten hat: den Twitter-Junkie im Weißen Haus. Wenn die Strategie lediglich lauten würde: Trump zur Weißglut zu bringen, um öffentliche „Meltdowns“ zu produzieren (beziehungsweise, mehr als üblich), dann wäre das effektiv genug. Denn bei Trump kommen die Spots an: Er twittert regelmäßig wütend über die abtrünnigen Republikaner, die er als demokratische U-Boote sieht.

Auch auf demokratischer Seite wird die Motivation des Lincoln Projects skeptisch beäugt. Einigen scheint das Lincoln Project eher ein Grundstein für die Beteiligten, in der Post-Trump-Ära politisch durchzustarten – mit den Spots als Beweis ihrer einsamen „Aufrichtigkeit“ in der GOP (Grand Old Party). Das mag auf den ersten Blick zunächst zynisch klingen – doch Vorsicht ist von demokratischer Seite durchaus angebracht. Denn es wirkt in der Tat moralisch fragwürdig, wenn die Mitglieder des Lincoln Projects selbst jahrelang Kampagnen gegen Demokraten gefahren haben, die nicht viel anders klangen als die Trumps.

So beispielsweise einer der Co-Gründer des Lincoln Projects, der frühere republikanische Stratege Rick Wilson. Er war verantwortlich für einen Wahlspot im Rennen um den Senatssitz Georgias im Jahr 2002 zwischen Saxby Chambliss (Republikaner) und Max Cleland. In diesem Spot wurde Cleland (ein Vietnam-Veteran mit dreifachen Amputationen) als feige im Kampf gegen den Terror bezeichnet. Tonfall und Narrativ sind dem des Lincoln Projects ähnlich. 2016 sagte Wilson der „Huffington Post“ dazu: „Der Spot war hässlich gebaut. Er sollte primitiv sein und schnell. Es ist ein sehr hässlicher Spot, denn wir wollten, dass die Leute sich auf die Stimmen [Clelands Abstimmungsverhalten] konzentrieren.“

Der „berüchtigte Negativ-Campaigner“

Wilson produzierte unter anderem Spots für George W. Bush und Rudy Giuliani, sich selbst bewirbt er auf seiner Website als „berüchtigten Negativ-Campaigner“. John Weaver, ebenfalls Co-Gründer des Lincoln Projects, war lange einer der engsten Berater von John McCain und arbeitete als Stratege für das Ticket McCain/Palin, Steve Schmidt war für George W. Bush, Arnold Schwarzenegger und John McCain tätig. Ebenfalls von Anfang an mit dabei war George Conway III., auch er ein langjähriger Republikaner und pikanterweise Ehemann von Kellyanne Conway, eine Beraterin von Trump.

Zumindest ist sie das noch bis Ende August. Dann will Kellyanne Conway sich aus dem Weißen Haus zurückziehen. Ihr Ehemann hat das Lincoln Project bereits verlassen. Beide gaben als Grund an, dass sie sich mehr ihrer Familie widmen wollten.

Kritiker*innen halten dem Lincoln Project vor, nur Trump als Problem zu sehen und nicht den Weg der Republikanischen Partei zu Trump, an dem sie selbst mitgearbeitet haben.

Positive Botschaften über eigenen Kandidaten wirken stärker

Es ist durchaus angebracht, ihre Absichten kritisch zu hinterfragen. Trotzdem kann es für die Demokraten hilfreich sein, durch Lincoln-Project-Spots die Fehler des Präsidenten immer wieder dramaturgisch aufgearbeitet in den Timelines der Wähler*innen und im Nachrichtenfluss der Sender zu haben, genau wie es Trump in Rage versetzt, die Spots zu sehen. Allerdings gibt es auf die Frage vieler Demokarten „Warum können wir solche Videos nicht produzieren?“, eine einleuchtende Antwort: Die liefert die Wissenschaft.

Eine neue Studie von Politikwissenschaftlern der Universität Berkeley hat gezeigt, dass Demokraten sich in ihren Spots auf den eigenen Kandidaten konzentrieren sollten, da positive Botschaften über ihn effektiver seien als negative über Trump. Die Studie zeigt, dass selbst dann, wenn die Sicht auf Trump durch negative Ads verändert wurde, sich die Wahlabsicht derer, die vorher für ihn stimmen wollten, trotzdem nicht änderte.

Das bedeutet: Diese Wahl ist auch insofern ungewöhnlich, weil die Demokraten gegen einen Kandidaten antreten, dessen Anhänger*innen ihm kulthaft folgen. Der republikanische „Attack Ad“-Stil wird aber genau deswegen eher nicht auf Republikaner wirken, die vorhaben, Trump zu wählen. Denn es zeigt sich: In einem Kult ist der Kultführer gegenüber den Gläubigen nicht angreifbar, selbst wenn man versucht, ihn mit der eigenen Ikonographie und Sprache anzugreifen.

Die Demokraten täten gut daran, sich in ihren Wahlkampf-Spots weiter auf ihren eigenen Kandidaten und seine Vize zu konzentrieren. Denn es gibt, wenn es um Negatives über Trump geht, eine Art „Sättigungseffekt“ von Informationen über Trump auf Wähler*innen: Manche schalten eher ab, als sich das Gesagte zu Herzen zu nehmen.

Zu viel Kritik an der Republikanischen Partei?

Es gibt noch einen weiteren Grund, den auch „Vox“ nennt, warum das Lincoln Project auf Republikaner eher abschreckend wirken dürfte: Das Lincoln Project belässt es mittlerweile nicht mehr bei Attacken auf Trump. In einem Spot schwören die selbst-ernannten „Never-Trumper“, dass sie (und die Zuschauer) sich die Namen aller Republikaner im Kongress und Senat, die Trump nach wie vor unterstützen und sich somit mitschuldig machen, zur Verantwortung ziehen werden: „Lernt. Ihre. Namen. Erinnert euch an das, was sie getan haben. Und vertraut ihnen niemals, niemals wieder.“

Das ist für Trump-kritische Republikaner, die die Partei nicht verlassen haben, ein Problem: Denn dort heißt es oft, lediglich Trump sei das Problem. Diese Lesart verkennt, dass es das Establishment der Konservativen Partei war, das Trump erst möglich gemacht hat, dessen jahrelange populistische, rassistische und spalterische Rhetorik Trump den Weg ebnete.

Wenn das Lincoln Project also schwört, sich prominente Trump-Unterstützer der GOP – also mit Ausnahme des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney quasi das gesamte Partei-Establishment – vorzunehmen und ihnen nie wieder zu vertrauen, wird das Konservative, die nur gegen Trump sind, verschrecken. Denn ihr Ziel ist lediglich, von der peinlichen Person Trump wegzukommen, ohne dass die Partei noch mehr Schaden nimmt.

Gleichzeitig wurden Vorwürfe laut, dass manche Meme-Inhalte, die das Lincoln Project auf Social Media Kanälen als seine eigenen geteilt habe, Plagiate seien.

Nicht bei Twitter? Nicht gesehen.

In den vergangenen Wochen hat das Lincoln Project seinen Kurs leicht geändert. Anstatt nur Videos zu produzieren, in denen Trump oder sein politisches Umfeld angegriffen werden, veröffentlichten sie Werbespots, die auf positivere Art und Weise für Biden werben. So beispielsweise zum Tod von Bürgerrechtslegende John Lewis, dem sie ein Video widmeten, oder Spots, in denen Biden als guter und fürsorglicher alleinerziehender Vater gezeichnet wird. Zudem werben sie in lokalen Wahlen für demokratische Kandidat*innen.

Außerdem nutzt das Lincoln Project für seine Videos andere Ausspielwege. Vor Kurzem verkündete das Super-PAC, dass man Wahlkampfanzeigen in Höhe von einer Million Dollar in Ohio, Michigan, Pennsylvania und Wisconsin gekauft habe.

Der anfangs genannte Spot mit dem konservativen Ex-Navy-Seal könnte trotz aller Kritik am Lincoln Project dennoch einer der wirksamsten sein, schreibt Abdul El-Sayed auf Crooked Media, denn, das sagt auch Wahlkampf-Experte Dan Pfeiffer (Video), konservative Wähler hörten eher auf konservative Überbringer von politischen Botschaften.

Doch auch hier spielen Ort und Zeit eine Rolle: El-Sayed schreibt, dass der Navy-Seal-Spot nur einen Tag lang im Fernsehen lief. Wer also nicht in der politischen Twitter-Bubble lebt, hat ihn vermutlich nicht gesehen.

57 Kommentare

  1. Das wird ein Spaß im November, wenn das Trumpeltier hoffentlich verloren hat. Dann werden sich Abgründe auftun und die USA, wenns richtig schlecht läuft, in den Bürgerkrieg/Diktatur übergehen. Trump wird die Wahl nicht anerkennen, wie seinen eigenen Sieg 2016 und wird dadurch Proteste hervorrufen, die von seinen Paramilitärs und den Gunnuts niedergeschossen werden. Diese Gewaltspirale endet damit, dass er den Notstand ausruft und die Wahlen oder die Übergabe annulliert. Mark my words.

  2. @Myki
    Die Meinung haben Sie nicht gerade exklusiv und sie ist auch nicht wirklich neu. Also warum es gerade Ihre Worte sein sollten… Außerdem ist es nicht logisch, dass die Gewaltspirale damit enden sollte, wenn Trump den Notstand ausruft. Die Gewalt gegen weite Teile des Volkes wäre damit eher vielmehr etabliert. Und das weitere Geschehen im Kampf Trumps gegen die Demokraten (im Sinne von Unterstützern der Demokratie) und der Demokraten gegen Trump völlig unabsehbar.

    Finde übrigens die Formulierungen „Spaß“ und „Trumpeltier“ in dem Zusammenhang etwas fragwürdig.

  3. Eine Frage die mich in letzter Zeit immer wieder umtreibt ist ob nicht Trump zuviel Aufmerksamkeit in den deutschen Medien bekommt. Ich bestreite nicht dass die USA ein wichtiger „Partner“ Deutschlands sind, aber vieles was über Trump und die USA berichtet wird sind innenpolitischen Vorgänge, die nur bedingt Auswirkungen auf uns haben. Ich würde mir wünschen dass unsere Nachbarstaaten genauso viel Aufmerksamkeit bekommen würden wie die USA, zumal sie für den Zusammenhalt der EU und damit für unsere Wirtschaft ungleich wichtiger sind als die USA. Aber wann war das letzte Mal ein*e Politiker*in aus Dänemark, Belgien, Schweiz, Tschechien oder den Niederlanden z.B. auf dem Titelblatt vom Spiegel? Oder ist das ganze ketzerisch gefragt ein Fremdsprachenproblem? Weil Englisch haben die meisten Journalist*innen in der Schule gelernt, aber andere Sprachen?

  4. Wer sich ausschließlich in deutschen Medien über den Zustand der USA informiert und ggf. noch ab und zu einen Colbert-Spot auf Youtube goutiert, ist genau so vollständig verloren wie 2016, und wird im November genauso vollständig ungläubig auf die Wiederwahl Trumps schauen wie 2016 auf seine erste.

    Dabei wollte man doch vor 4 Jahren unbedingt etwas aus diesem seltsamen Totalversagen lernen. Aber der Wille, die Realität den eigenen Vorstellungen und Grundüberzeugungen anzupassen, war anscheinend stärker; gepaart mit der offensichtlichen Unfähigkeit etablierter, behäbiger journalistischer Netzwerke zwischen D.C.-Bubble und NYT-lesenden deutschen Edelfedern, auch nur irgendetwas zu ändern.

    Trump wird im November mit allergrößter Sicherheit wiedergewählt, und wie oft sich so etwas noch wiederholen muss, bis deutsche Journalisten merken, dass nicht nur Fox News einseitige Propaganda sendet, wüsste der Allmächtige allein, wenn es ihn gäbe.

  5. Ich bin ja immer auf der Suche nach Fahnemwörtern. Hier sind es „Totalversagen“ und „Edelfedern“.

  6. @Illen
    Kann mich nicht erinnern, dass die Wahl Trumps völlig ausgeschlossen wurde 2016… Und kaum ein Kommentar dieser Tage beinhaltet nicht das warnende „auch 2016 lag Trump in Umfragen weit hinten, man darf ihn nicht abschreiben“. Worüber reden Sie also?

  7. @Illen: „Trump wird im November mit allergrößter Sicherheit wiedergewählt“
    Ich hoffe einfach mal, dass Sie damit genauso daneben liegen wie bei so vielen anderen Themen auch.
    (Wie man sich, in der einen oder anderen Richtung, zum jetzigen Zeitpunkt sicher sein kann, wie diese Wahl ausgehen wird, will mir einfach nicht in den Kopf.)

  8. „Kann mich nicht erinnern, dass die Wahl Trumps völlig ausgeschlossen wurde 2016… “

    Wenn Sie sich nicht erinnern können, ist das Ihre Angelegenheit. Dies können Sie in diesem Strang noch durch ein paar Spitzfindigkeiten und Haarspaltereien bekräftigen, wenn Sie wollen.
    An der Bilanz ändert das nichts. In der Darstellung unserer Medienmeute lag Trump von Anfang an hoffnungslos abgeschlagen hinten, und ist dann immer weiter zurückgefallen.

    Das war der Tenor in 99% der Publikationen der MSM. Wer will die 1% als Gegenbeweis einführen?

  9. #5 Daniel

    Entschuldigung, aber wenn die (Vor)Wahlberichterstattung 2016 in Deutschland kein Totalversagen war, dann gibt es kein Totalversagen. In den USA gab es viele mediale Stimmen, die Trumps Siegchancen realistisch einschätzten und nüchtern(er) darüber schrieben. Von links (zB Matt Taibi vom Rolling Stone) bis konservativ (zB Washington Examiner). Deutsche Auslandskorrespondenten hielten es nur für ausreichend, die NYT zu rezepieren und etwas CNN zu schauen: die selbsterklärten, freiwilligen medialen Flagschiffe der Clinton-Kampagne. Das hatte mit Journalismus wirklich gar nichts mehr zu tun.

  10. #7 Earendil

    Wie man sich, in der einen oder anderen Richtung, zum jetzigen Zeitpunkt sicher sein kann, wie diese Wahl ausgehen wird, will mir einfach nicht in den Kopf.

    Ich bin mir nicht sicher, ich halte es nur für überwiegend wahrscheinlich. Das ist auch keine Magie, sondern ich interessiere mich schlicht für die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA und lese dazu täglich von links bis konservativ einige Stimmen aus dem Land selbst. Ob so etwas in Ihrem Kopf vorgesehen ist? Wer weiß.

  11. #6 Peter Sievert

    Worüber reden Sie also?

    Mein Eindruck war bisher ehrlich gesagt eher, dass 2016 zwar angeführt wird, aber mehr pflichtschuldig und ohne es als tatsächliche Warnung zu verstehen. Der Tenor ist mE doch recht klar, dass Trump jetzt derart gezeigt habe, dass er es nicht kann, und dann ist Harris noch eine schwarze Frau, der Wahlsieg für Biden/Harris sei so sicher wie er sein kann.

    Ich weiß nicht, inwieweit Sie amerikanische Entwicklungen selbst verfolgen, aber wenn Sie es aus amerikanischen Quellen aus dem gesamten Spektrum tun, dann wissen Sie, wie weit weg vom tatsächlichen Geschehen die Berichterstattung auch aktuell wieder ist.

  12. Trump und US-Wahl zum Hunderttausendsten, dabei wurde doch letztens noch die Hoffnung geschürt, die Pandemie könne die Berichterstattung beeinträchtigen. Wie schön das wäre.

    Wenn in den Niederlanden oder in Polen gewählt wird, ist das bestensfalls eine Randnotiz wert. Dabei sind das unsere Nachbarn und Freunde und die USA ein entfernter Bekannter, den man als großartig erinnert und bei dem man froh sein kann, dass man ihn nie wiedersehen wird.

    Jedes Mäuschen mit ein bisschen Schulenglisch und Austauschsemester kann da ja aber mitschreiben und tut es auch. Das ist, es wurde schon festgestellt, auf Dänisch und Tschechisch dann nicht mehr so leicht.

  13. Was noch viel mehr stört bei der Wahlberichterstattung ist die Zuspitzung auf Personen, denn das hilft nun überhaupt nicht beim Verständnis. Man braucht keinen 100sten Bericht darüber, was für ein schrecklicher Mensch dieser Trump ist, das wissen wir inzwischen. Und das sagen auch Viele innerhalb seiner Anhängerschaft. Die gleichen Leute sagen aber auch, dass Trump vieles macht, was der Wirtschaft zugute kommt oder insbesondere der Bevölkerung in Mid West oder Rust Belt. Aber welche policies sind das denn, das ist unglaublich schwer nachzuvollziehen innerhalb der deutschen Berichterstattung. Dies ist im übrigen ein Meta-Trend, der nicht nur USA/Trump betrifft, sondern sehr viele andere Themenfelder auch, z.B. Putin/Russische Außenpolitik, Drosten vs. Bild, Greta Thunberg, …

    Wenn ich dramatische Personenschicksale haben möchte, sehe ich mir Theateraufführungen an, in den Nachrichten hätte ich gern anderes.

  14. @MARTINF, #3

    Eine Frage die mich in letzter Zeit immer wieder umtreibt ist ob nicht Trump zuviel Aufmerksamkeit in den deutschen Medien bekommt.

    Naja. Dazu gehört auch, dass Trump einfach zieht. Seit nun 4! Jahren gibt es doch fast keinen Artikel mit Trump, der nicht zigfach geklickt und kommentiert wird. Würde mich überraschen, wenn es Artikel mit weniger als 100 Kommentare in den größeren Onlinepublikationen gibt. Klickzahlen dann noch mal multipliziert. – und dabei gleichgültig, ob nicht schon x andere Trumpartikel auf der Startseite stehen, kommentiert wird dennoch weltmeisterlich.

    Brexit konnte eine Zeit mithalten und jetzt Corona.

    Aber das Produkt Trump wird doch vom Publikum immer und immer wieder angenommen. Völlig verständlich, dass die Berichterstattung nicht innehält. (Einer Aussage zu der Qualität oder des Inhaltes will ich mich enthalten,aber der Mechanismus ist für mich einleuchtend.)

  15. @Zet:
    Ja, die Medien (außer den ÖR) sind kapitalistische Unternehmungen, die produzieren, was der Markt konsumiert – obwohl das nicht bedeutet, dass die Konsumenten nicht auch gerne mal etwas anderes kaufen würden, wenn es denn angeboten würde. Aber die Medien berufen sich ja darauf, auch eine gesellschaftliche Aufgabe wahrzunehmen, weshalb sie gewisse Privilegien genießen (z.B. keine Rückrufaktionen wegen fehlerhafter Berichterstattung). Die Frage ist, tuen sie genug, um ihre Privilegien zu rechtfertigen? Berichten sie über das was wirklich wichtig ist (und ich bin mir komplett im Klaren darüber, dass „wichtig“ ein absolut schwammiger Begriff ist) für Entscheidungen über unsere Lebensführung oder produzieren sie nur Klatsch und Tratsch, der uns die Zeit stiehlt und ansonsten keine Auswirkungen auf unser Leben hat? (Das ist wie immer eine Einzelfallentscheidung.)

  16. #16 Mr Re

    Ja, ich meinte überwiegend wahrscheinlich (vgl #10), das war zu eindeutig formuliert. Projekte wie fivethirtyeight sind sicher alle Ehren wert, aber am Ende sagen ihre Zahlen mE nicht mehr als 2016; zumindest habe ich in den letzten 4 Jahren nirgendwo eine überzeugende Darstellung über Änderungen der Datenerhebung gelesen. Meine zeitlich recht lückenlose und Ideologisch bemüht breite Verfolgung amerikanischer Debatten In den letzten vier Jahren gibt mir ein gänzlich anderes Gefühl bzgl der Siegchancen. Wer recht behält werden wir dann wohl im November wissen.

  17. Hm. Jetzt habe ich in dem Artikel wieder mehrfach gelesen, was alles nicht hilft um jemanden zu überzeugen, Trump nicht zu wählen. Hat die Autorin vielleicht auch eine Idee, was denn wirksamer ist? Ich meine, dass es keine Fakten oder politische Ideen sind, ist ja mindestens genauso offensichtlich.

    Oder ist es wie bei der AfD in Deutschland, wo ja bekanntlich auch immer jede Form der Berichterstattung nur der AfD hilft.

  18. @17: Ja, aber das ist dann ja der Unterschied zwischen Gefühl und datenbasierter Wahrscheinlichkeit. Meine Sorge ist es auch, dass Trump es irgendwie wieder schafft. Und eine 30%ige Siegchance, wie derzeit von 538 berechnet, ist ja auch keine geringe Chance. Aber die Daten beruhen auf (Zehn-)Tausenden Modellrechnungen, in die Tausende Umfragewerte einfließen – und diese Umfragewerte waren schon 2016 nicht falsch: Clinton hat landesweit mit dem prozentualen Vorsprung gewonnen, der prognostiziert war. Half bloß im Electoral College nicht. Und da sind die Umfragen derzeit tatsächlich besser für Biden als im direkten zeitlichen Vergleich mit Clinton.
    Aber auch das sollte niemanden in Sicherheit wiegen, was z.B. 538 auch immer wieder betont (und schon 2016 betont hat).

  19. @FixUndFoxi @Illen
    Zuerst: Ich kann mich erinnern. Und zwar, dass eben nicht der Sieg Trumps ausgeschlossen wurde. Also doch nicht mein Problem :-p Werde in Zukunft genauer formulieren, damit mir Spitzfindigkeit vorwerfende Kommentatoren nicht mehr so spitzfindig aufs Maul schauen können.

    Zur Sache:
    Ist schon richtig, damals war der Tenor stark, dass man von einem Sieg Clintons ausging, ähnlich wie beim Brexit. Aber auch damals wurde schon gesagt: Achtung, niemand hätte damit gerechnet, dass der überhaupt Kandidat wird und das US-Wahlsystem ist tricky.
    Was ich nur absolut nicht so sehe, ist, dass die hiesigen Medien nicht daraus gelernt hätten. Ich glaube nicht, dass das reine Pflichtschuldigkeit ist, wenn jetzt stetig Zweifel am Eintreffen der Umfragen geäußert werden, das ist ja ne wohlfeile Unterstellung. Mag schon sein, dass manchmal der Wunsch durchschimmert, es möge mit ihm vorbei sein, aber niemand schreibt doch etwas wie: „Zum Glück ist es im November dann vorbei, Biden liegt ja uneinholbar vorne.“ Habe den Eindruck, dass Sie das ein bischen in die Medienberichte hinein interpretieren bzw. aus der eigenen Beurteilung der Medien hinein projezieren: diese weiterhin anhaltende (und in dem Falle wäre sie ja geradezu stupide) Unterschätzung Trumps.
    Natürlich sind die Szenarien im Falle einer Wahlniederlage gerade so spektakulär, dass diese stark diskutiert werden, wodurch der Fokus auf eine mögliche Niederlage gerade stärker gelegt ist. Aber ich bin mir sicher: je näher der November rückt, umso mehr werden die hiesigen Medien es immer deutlicher als „alles ist möglich“ darstellen.

  20. Momentan wird ja eigentlich weit und breit darüber spekuliert, was passieren könnte, wenn Trump verliert, dies aber nicht Anerkennen will.
    Es wird schon ein Bürgerkrieg befürchtet. Das ist aus meiner Sicht durch die deutschen Medien gerade das Hauptthema.
    In diesen Überlegungen steckt immer das Szenario, dass diese Befürchtungen dann wahr werden könnten, wenn Trump knapp verliert.
    Und wenn man darüber redet, was passiert, wenn jemand knapp verliert, dann steckt da immer die Möglichkeit drinnen, dass dieser jemand, Trump, auch knapp gewinnt.

    In so fern, wenn man mal ganz normal die deutschen Medien verfolgt, dann steht da zwar immer drin, dass die Vorhersagen klar gegen Trump als Gewinner sprechen. Diese Klarheit aber in den deutschen Medien absolut nicht so gesehen, sondern momentan extrem stark und oft über ein knappes Ergebnis geschrieben/geredet wird.

    Es gibt aber eben bestimmte Menschen, die was sehen/lesen wollen, womit sie irgend eine Gegenposition einnehmen können und sich dann herbei fantasieren, dass hier in Deutschland von einem klaren Wahlsieg Bidens ausgegangen wird.

  21. Der Blick über den Atlantik zeigt uns, was uns in Deutschland erwartet, wenn die Spaltung der Gesellschaft weiter voranschreitet.

    Nicht Trump ist der eigentliche Skandal, sondern die Tatsache, dass beinahe die Hälfte der Wähler für ihn gestimmt haben und auch im November eine Niederlage – trotz aktueller Umfragewerte – keinesfalls sicher ist.

    Wir hatten bei der letzten Wahl bereits Wahlbezirke, in denen die AFD über 50% der Stimmen geholt hatte. Don´t blame US, shame on us!

  22. „Nicht Trump ist der eigentliche Skandal, sondern die Tatsache, dass beinahe die Hälfte der Wähler für ihn gestimmt haben und auch im November eine Niederlage – trotz aktueller Umfragewerte – keinesfalls sicher ist.“

    Das ist es was mich auch noch etwas verwundert zurück lässt. Aber ich bin auch immer etwas überfahren wenn mir wieder einer erzählt wie furchtbar Masken tragen doch sei.

    Ein Einwand hab ich da aber: „trotz aktueller Umfragewerte“
    Eigentlich sind es ja Umfragen die zeigen das nix in trockenen Tüchern ist. Es macht bei der US-Präsidentenwahl eben keinen Unterschied wenn ein üblicherweise demokratischer Staat die Zustimmung für Trump von 45 auf unter 30% fällt. Bei den Swing States sieht das anders aus, berücksichtigt man die Fehlerquote und das es noch ein paar Tage bis zur Wahl sind ist „sicher“ eben das falsche Wort.

    Zum Artikel selbst:
    „Kritiker*innen halten dem Lincoln Project vor, nur Trump als Problem zu sehen und nicht den Weg der Republikanischen Partei zu Trump, an dem sie selbst mitgearbeitet haben.“
    „Das Lincoln Project belässt es mittlerweile nicht mehr bei Attacken auf Trump.“

    Klingt für mich nach einem Widerspruch.

    „Mittlerweile“ fasse ich auch als eine relativ kurze Zeitspanne auf. ‚Forced Retirement‘ ist seit 30.April auf dem YouTube-Kanal online. Der erwähnte Spot ‚Names‘ seit 8.Juli.

    „Laut „Vox“ (Stand 20.08.20) hat das Lincoln Project allein im zweiten Quartal diesen Jahres knapp 17 Millionen Dollar an Spenden eingenommen, aber bisher weniger als 8 Millionen für Wahlwerbung ausgegeben – verglichen mit demokratischen PACs ist das sehr wenig.“

    Es wäre in der Tat problematisch wenn sich (ehemalige) Republikaner an Anti-Trump-Spots gesund stoßen. Mein Gefühl ist aber auch das die Schlagzahl mit der neue Spots produziert werden zunehmend gestiegen ist. Ob das nun daran liegt das genug Geld rein kommt oder die Wahl näher rückt ist mir zu spekulativ für eine vernünftige Einschätzung.

  23. Ich bezweifle, dass irgendjemand den Überblick hat, wie die Stimmung „in den USA“ ist, um jetzt einigermaßen zuverlässige Aussagen zu machen. Erst eben im Tagesschau-Forum einen Kommentar von jemanden gelesen, der in Florida lebt und sicher ist, dass Trump die Unterstützung so vieler Wähler verloren hat, dass er ganz sicher krachend scheitern wird.

    Wie schon von anderen hier gesagt: Es kommt nicht auf die Umfragewerte landesweit an, sondern auf „swing states“. 2016 hat Trump einige als sicher Dem eingestufte Staaten zu swing-states gemacht, die plötzlich Rep (also Trump) wählten. Ich kann mich noch an einen Medien-Kommentar erinnern: „Der hat ja keinen Plan, er fährt zuletzt nach Michigan und Wisconsin statt in einen swing state.“

    Bis November kann noch viel passieren, mehr als ein „Wenn nächsten Dienstag Wahl wäre …“ kann doch heute niemand liefern.

    Richtig spannend wird es wohl, wenn er die Wahl verliert. Angesichts der sich immer wiederholenden Warnungen von Trump vor Wahlbetrug wird es mit Sicherheit bewaffnete Trump-Anhänger geben, die gegen den „Wahlbetrug“ vorgehen wollen. Wie viele werden es sein? Wie werden Polizei und Militär reagieren?

    In den USA wurde schon einmal ein Wahlsieg nicht anerkannt und der unterlegene Kandidat zum Präsidenten, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Spekuliert Trump darauf?

  24. THEREALMAN (22.)
    „Nicht Trump ist der eigentliche Skandal, sondern die Tatsache, dass beinahe die Hälfte der Wähler für ihn gestimmt haben“

    Genaugenommen ist der Skandal, dass der US-Präsident von den Wählern in den USA gewählt wird – und nicht von unserer rotgrünen Geschwätzliga.

    Im Ernst … Natürlich hat jeder so seine Vorlieben und Feindschaften.
    Doch wer die Wahl von Trump beklagt könnte sich auch mal fragen, warum die Wähler Hitlery nicht gewählt haben; wo die doch sooo viele gute Eigenschaften hat.
    Geldmangel ist nicht der Grund. Trump hatte ein Wahlkampfbudget von von 800 Mio, Clinton hatte 1,3 Mrd.
    Am Bias der Medien lag es auch nicht. Die waren fast alle auf der Clinton-Seite.
    Trotzdem hat Clinton verloren.

    Wer eine Erklärung sucht, wird in den deutschen MSM nichts finden.
    Jedoch wurden in der US-Medienlandschaft dann und wann einige Gründe genannt. Aus Platzgründen hier nur das Zitat von Michael Moore:
    “Trump’s election is going to be the biggest ‘fuck you’ ever recorded in human history – and it will feel good”

    http://markmaynard.com/2016/10/michael-moore-seems-to-have-a-
    better-handle-on-the-righteous-anger-of-the-former-american-middle-class-than-anyone/

  25. #24 Helmut-Wk

    Da Sie jetzt genau ein Beispiel für das liefern, was ich weiter oben meinte, nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich Ihren Kommentar als Illustration gebrauche. Es soll nur der Sache dienen. Sie schreiben:

    Richtig spannend wird es wohl, wenn er die Wahl verliert. Angesichts der sich immer wiederholenden Warnungen von Trump vor Wahlbetrug wird es mit Sicherheit bewaffnete Trump-Anhänger geben … In den USA wurde schon einmal ein Wahlsieg nicht anerkannt und der unterlegene Kandidat zum Präsidenten, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Spekuliert Trump darauf?

    Die sich wiederholenden Warnungen stammen von den Demokraten (klar) und den ihnen geneigten Medien, vor allem der NYT/WaPo und CNN/MSNBC. Über diese Schiene finden sie dann als breites Thema in die deutschen Leitmedien. Soweit, so richtig.

    Nun ist es aber so, dass in der amerikanischen Publizistik von links bis rechts, bei neutralen wie auch bei republikanernahen Presseorganen, auch breit ein anderes Szenario diskutiert wird: Dass die Demokraten wüssten oder annähmen, dass sie die Wahl wahrscheinlich verlieren, und dass sie mit dem Versuch, innerhalb kürzester Zeit die allgemeine Briefwahl durchzudrücken (es gibt in den USA keine Einwohnermeldeämter o.ä.!), auf das dadurch erzeugte absehbare Wahlchaos setzen, um ihrerseits die Wahl anzweifeln zu können. Und in der Tat ist es bei kleineren Briefwahlversuchen auf County/etc-Ebene in der Vergangenheit zu Wahlbetrug gekommen, eben weil es keine Meldeämter gibt, die sicherstellen können, wie viele Briefe und an wen sie verschickt werden müssen. Auch das könnte mindestens zu einigem Chaos führen.

    Nun ist das auch nur eine Meinung. Aber sie wird in den USA breit diskutiert. Hätten Sie das gedacht, wenn Sie nur deutsche Medien lesen?

    Solche Beispiele gibt es zuhauf, und das ist aus medienkritischer Sicht mE ein nicht gerade kleines Problem.

  26. #26 Illen
    „Dass die Demokraten wüssten oder annähmen, dass sie die Wahl wahrscheinlich verlieren, und dass sie mit dem Versuch, innerhalb kürzester Zeit die allgemeine Briefwahl durchzudrücken“

    Freilich wird unter Corona versucht die Briefwahl auszubauen. Gerade auch kleinere Wahlen in den letzten Monaten waren ein ziemliches Chaos weil wegen fehlender Helfer weniger Wahlämter geöffnet werden konnten und es zu langen Wartezeiten kam. Schwierigkeit ist da halt auch das die Wahl auf Staatenebene organisiert ist und in vielen davon eine konkrete Begründung nötig ist wenn man ein „absentee ballot“ beantragen möchte. Teilweise wurden die Hürden gelockert, eine mögliche Ansteckung mit Corona ist dann Grund genug.

    “ (es gibt in den USA keine Einwohnermeldeämter o.ä.!)“
    Da kommt der trumpsche Subtext durch der irgenwie einen Unterschied zwischen „mail-in-voting“ und „absentee ballot“ herbei fantasiert hat. Von den Demokraten will keiner die Wahlregeln umschreiben, die bestehende Briefwahl soll ausgebaut, nicht ein zusätzliches, schwächeres System installiert werden.
    Da spielt dann auch keine Rolle das es keine Einwohnermeldeämter gibt, man meldet sich genauso wie für eine Personenwahl vorher an und beantragt eben die Briefwahl welche dann mehr oder weniger ausgeklügelt verifiziert wird (Unterschriftvergleich, Barcodesystem).

    Wer sich auf eine Unterschied „mail-in-vote vs. absentee ballot“ einlässt ist auf den unwahren Narrativ reingefallen und lässt sich am Nasenring herumführen.

    Übrigens: Jeder Bundesstaat der die Briefwahl jetzt ausbaut gibt dem Kind einen etwas anderen Namen…

    „Und in der Tat ist es bei kleineren Briefwahlversuchen auf County/etc-Ebene in der Vergangenheit zu Wahlbetrug gekommen,“

    Natürlich wird es versucht, aber der Anteil ist verglichen mit anderen Betrugsmaschen gering.
    Der größte „Versuch“ findet übrigens in Oregon statt. Da geben 3,8 Mio Einwohner ihre Stimme ausschließlich als Briefwahl statt.
    Seit 2004…

  27. @Illen: „Es ist zu Wahlbetrug gekommen“? Das suggeriert, als sei dies ein häufig auftretendes Problem. Hier sind mal ein paar Zahlen: In o.g. Oregon 15 Fälle in 19 Jahren (!), https://www.brookings.edu/blog/fixgov/2020/06/02/low-rates-of-fraud-in-vote-by-mail-states-show-the-benefits-outweigh-the-risks/. Andere Studien sprechen von 0.00004% bis 0.0009% aller angegeben Stimmen, die nicht ok waren (und das bezieht sich nicht nur auf Briefwahl), von Hunderten Millionen abgegeben Stimmen in Arizona zwischen 2000 und 2012 gab es 491 vermutete Betrugsfälle. Sie fallen da auf ziemlichen Bullshit rein, wenn Sie aus den konservativen Medien tatsächlich mitnehmen, dass Briefwahl zu Wahlbetrug führt.

  28. # 27 Klaus Trophobie

    Ich wiederspreche Ihnen gar nicht. Das war alles nicht mein Punkt. Mein Punkt war, dass die von mir rezipierten Argumente genauso Teil der Debatte sind, wie das, was Sie jetzt wiederholen. Nur, dass der eine Teil in den deutschen Medien nicht rezipiert wird, und der andere allgegenwärtig ist. Ganz egal, was Sie persönlich jetzt für die besseren Argumente halten, aber aus medienkritischer Sicht sollte schon die ganze Debatte vorkommen, wenn man sie schon aus den USA herüberholt, und nicht nur die halbe.

  29. #28 Mr Re

    Sie kommen um die Tatsache nicht herum, dass eine bundesstaatsweite allgemeine Briefwahl bei fehlenden Einwohnermeldeämtern etwas ganz anderes ist, als das eingespielte System in Arizona. Ich bin übrigens gar nicht der Meinung, dass das automatisch exsessiven Wahlbetrug zur Folge hätte. Ich rezipiere die andere Seite der Debatte, und die Idee, dass es den Demokraten (auch) um die Förderung von Wahlchaos gehen könnte, ist jetzt nicht gerade jenseits aller Vorstellungskraft, wenn Sie nicht gerade unter TDS im Endstadium leiden. Auch können Sie offensichtlich für eine normale Wahl auch Corona-Schutzvorkehrungen treffen (Abstand, offene Fenster / Wahlboxen an der frischen Luft, usw. usf.); die Begründung, warum es jetzt zwingend eine allgemeine Briefwahl bräuchte ist doch keinesfalls unangreifbar, und deshalb ist auch diese Debatte zulässig.

  30. „Mein Punkt war, dass die von mir rezipierten Argumente genauso Teil der Debatte sind, wie das, was Sie jetzt wiederholen.“

    Und mein Punkt ist das es keine valide Debatte ist die es Wert wäre in allen Details darüber zu berichten. Auch dem deutschen Michel ist nicht geholfen wenn die Scheinargumente der Republikaner nochmal wiederholt werden.
    In meinen Augen ist es Aufgabe von Journalisten einzuordnen und zu sortieren. Das lässt sich im konkreten Fall wunderbar auf „Trump ist gegen Briefwahl ohne Belege dafür zu liefern“ reduzieren. Dazu braucht man nicht jeden Strohmann nochmal anzünden.

    „Sie kommen um die Tatsache nicht herum, dass eine bundesstaatsweite allgemeine Briefwahl bei fehlenden Einwohnermeldeämtern etwas ganz anderes ist, als das eingespielte System in Arizona.“

    Nein ist es nicht. Das System zur Wählerregistrierung bleibt das selbe und es macht in der Hinsicht keinen Unterschied ob der Umschlag an der Urne oder einem Briefkasten eingeworfen wird. In beiden Fällen wird die Validität der Stimme anhand der selben Liste registrierter Wähler verifziert. Das es in den US keine Einwohnermeldeämter gibt macht da keinen Unterschied.

    „Auch können Sie offensichtlich für eine normale Wahl auch Corona-Schutzvorkehrungen treffen (Abstand, offene Fenster / Wahlboxen an der frischen Luft, usw. usf.);“

    Dazu genügt es doch eigentlich sie sich die lokalen Wahlen der letzten Monate anzusehen. „Offensichtlich“ waren die Schutzmaßnahmen nicht einzuhalten und haben zu Verzögerungen geführt die für etliche Bürger ein Problem darstellen.
    Zur Erinnerung: In den US sind Wahlen nicht an einem arbeitsfreien Tag. Stundenlanges Schlangestehen zwingt Bürger zwischen Arbeitstelle und Wahlurne zu entscheiden.

    „dass es den Demokraten (auch) um die Förderung von Wahlchaos gehen könnte, ist jetzt nicht gerade jenseits aller Vorstellungskraft, wenn Sie nicht gerade unter TDS im Endstadium leiden.“

    Zum eine braucht man da gar nix Fördern. Das Chaos ist bereits da. Und Briefwahl würde es, zumindest auf den Straßen, eher reduzieren.

    Wenn ich sie richtig verstehe ist ihr Argument das die Demokraten Briefwahl wollen damit Trump sie danach anzweifeln kann und sie das dabei entstehende Chaos noch weiter zu Fördern.
    Das ist nix weiter als eine Projektion der Republikaner.

    Auch hier zur Erinnerung: Erst vor wenigen Tagen hat Trump behauptet Clinton hätte 2016 das Wahlergebnis angefochten.
    So ein Stuss zu wiederholen hilft.

  31. Na gut, Wahlkampf allgemein und der US-Wahlkampf insbesondere, das ist nichts für Weicheier. Da wird ganz gern mit unsauberen Methoden gearbeitet – und zwar von allen Seiten.

    Bei dem was hier abgeht kann man sich allerdings fragen, ob damit vielleicht eine neue Qualität erreicht ist.
    Damit meine ich die Eingangssequenz. Da wird mal eben so der angebliche Kriegstreiber Trump dafür gescholten, dass er, obwohl eindeutige Gerüchte und Vermutungen vorliegen, keinen Krieg gegen Russland führt.

    Überlegen die sich manchmal, was die von sich geben?

  32. @FixUndFoxi
    Genau das stellt der Artikel ja fest, dass das LincolnProject kritisch zu betrachten ist.

    @Illen,FixUndFoxi
    Übrigens spontan ein Beispiel von heute, dass mitnichten Biden als klaren Sieger sieht. Und in dem die Protagonisten auch solch irre Thesen auf demselben Niveau möglichen Wahlbetrug/Wahlanfechtung durch die Demokraten diskutieren dürfen. Ich würde es sogar positiv als einordnende Leistung der deutschen Journalisten sehen, dass solcher Unsinn nicht als ernsthafte Debatte dargestellt wird. Frage der Perspektive, nehme ich an.
    https://www.spiegel.de/politik/ausland/us-praesidentschaftswahl-2020-natuerlich-wird-donald-trump-gewinnen-a-00000000-0002-0001-0000-000172728845

  33. @ Illen 29. August 2020 um 0:28 Uhr :

    „Die sich wiederholenden Warnungen stammen von den Demokraten (klar) und den ihnen geneigten Medien“

    Nö. Ich bezog mich auf Aussagen von Trump auf Twitter und in Reden, zuletzt beim Rep-Parteitag.

    „Nun ist es aber so, dass in der amerikanischen Publizistik von links bis rechts, bei neutralen wie auch bei republikanernahen Presseorganen, auch breit ein anderes Szenario diskutiert wird:“

    Komisch, das mir das beim Anschauen von CNN völlig durch die Lappen gegangen ist …

    Dass das Szenario Unsinn uisrt, haben ier schon andere gesagt. Offensichtlich ist Trump der einzige der weiß, wie man per Briefwahl die Wahl verfälschen kann.

    Nun, wenn er er wirklich der Einzige ist, der das weiß, ist er auch der Einzige, der die Wahl manipulieren kann ;)

  34. #34 Helmut-Wk

    Komisch, das mir das beim Anschauen von CNN völlig durch die Lappen gegangen ist …

    Ja, woran könnte das liegen! Unglaublich, dass Sie das bei CNN nicht gehört haben. Versuchen Sie es doch einmal bei zB The Federalist, Washington Examiner, The Nation (Aaron Maté), Rolling Stone (Matt Taibbi), The Intercept, Grayzone (Max Blumenthal, Sohn des HRC-Vertrauten Sidney Blumenthal), u.v.m.

    Es scheint in diesem Kommentarstrang ein gewisses Bedürfnis zu bestehen, die verschiedenen Ansichten, die medial in den USA geäußert werden, auf eine materielle Legitimationsskala einzuordnen. Ich weise noch einmal darauf hin, dass das nicht mein Punkt war. Wer argumentiert, es sei Aufgabe der Presse, einzuordnen, ohne gegenläufige Ansichten fair darzustellen, nur weil man diese selbst ablehnt (naturgemäß mit guten Argumenten), sollte noch einmal neu über sein Verständnis der Funktion einer freien Presse für rechtsstaatliche Demokratien nachdenken.

    RCP-Polls sagen (mindestens) ein Kopf-an-Kopf rennen voraus. Es ist aus medienkritischer Sicht grob unvereinbar mit journalistischen Standards, die Argumente der Hälfte des Systems, über das man berichtet, nicht darzustellen, was immer man persönlich von ihnen hält.

  35. #31 Klaus Trophobie

    Und mein Punkt ist das es keine valide Debatte ist die es Wert wäre in allen Details darüber zu berichten. Auch dem deutschen Michel ist nicht geholfen wenn die Scheinargumente der Republikaner nochmal wiederholt werden.

    Siehe #35, das sollte auch an Sie gehen. Über so ein Verständnis von Presse sollten Sie wirklich noch einmal eher gründlich nachdenken. Ist das wirklich Ihr Ernst, die Argumente einer ganzen Seite des politischen Systems der USA pauschal und restlos abzuqualifizieren? Denken Sie nicht, dass es sein könnte, dass auf beiden Seiten sowohl Argumente als auch Scheinargumente bestehen? Dass Ihnen da einfach ein paar Perspektiven fehlen könnten, die 50% der USA das anders sehen lässt?

  36. „Auch dem deutschen Michel ist nicht geholfen wenn die Scheinargumente der Republikaner nochmal wiederholt werden.“

    Genauso absurd lief das vor vier Jahren. Trump lag von Anfang an hoffnungslos abgeschlagen hinten und ist dann immer weiterzurückgefallen.
    Alles was er gesagt hat, alles was er gemacht hat, das war ein solcher Blödsinn, das hat keinen Sinn sich damit auseinanderzusetzen. Und seine paar mutmaßlichen Wähler muss man nicht beachten, diesen bunch of deplorables.

    Merkt wirklich keiner, wie absurd das ist?
    Immerhin hat der strunzdumme Trump die Wahl gewonnen,
    obwohl Clintons Kriegskasse praller gefüllt als Trumps,
    obwohl die Medien mehrheitlich auf Clintons Seite waren,
    obwohl sogar ein Teil des Republikanischen Establishments offen gegen Trump gearbeitet hat.

    Wenn diese Bilanz kein wake up call ist, wie dick müssen die Betonwände der Echokammer sein, wenn nicht mal diese Einschläge durchdringen.

  37. Um mich etwas von den Vor-Kommentatoren abzugrenzen: Eine distanzierte Haltung zum Geschehen in den USA einzunehmen, ist sicher ehrenwert. Eher wenig zu dieser Haltung trägt dann für meinen Geschmack bei, sich (oft) im gleichen Kommentar mehr oder weniger ausführlich zu den je eigenen Hoffnungen oder Befürchtungen in Sachen einer Wiederwahl Trumps einzulassen. Spätestens bei der Frage, von wem in Deutschland, mit welchen Bildern, Ansprechpartnern und Schwerpunkten berichtet wird, sollte das doch einmal hintanstehen können.
    Nüchternheit ins Spiel bringen könnte jedoch ein Beitrag unter der Überschrift: „Besser genau hinsehen: Wer und was hinter dem Lincoln Project steckt“, und hier scheint mir eher das Problem zu liegen.
    Ich hatte nicht den Eindruck, dass jemandem, der das „Lincoln Project“ auch nur flüchtig beobachtet oder aus den referenzierten Beiträgen deutscher Medien kennengelernt hat, von Frau Brockschmidt mit diesem Beitrag eine grundstürzende Neubewertung vermittelt wurde. Weder verbirgt das Lincoln Project selbst, dass es sich um eine eher kleine und nicht besonders finanzstarke Truppe handelt, noch sehe ich ein besonders kritisches Potenzial darin, den Verdacht von Seiten der Demokraten zu referieren, es retteten sich einige klassisch konservative Republikaner ins Nach-Trump-Zeitalter. Weder ist das wiederum besonders aufregend, noch sehe ich einen Grund, das kritisch zu betrachten. Die politische und moralische Entwicklung von Leuten wie David Frum oder George Conway finde ich interessant, es gibt gar keinen Grund sie distanzlos für gut oder böse zu erklären (abgesehen davon gibt dieser bisherige Wandel in republikanischen Lager auch Hoffnung, sollte Trump die Wahl gewinnen).
    In den von mir frequentierten deutschsprachigen Medien wird das Lincoln Project ebenso wenig hochgejazzt wie in den seriöseren englischsprachigen – soweit seine Mitglieder ungeachtet davon einen guten Zugang zu NYT oder WP haben, beruht das kaum auf der PAC-Zugehörigkeit, sondern weil die Leute an institutioneller Einsicht meist mehr Grips in der Birne haben als viele Trump-Anhänger und demokratische Trump-Gegner zusammengenommen.
    Als Hebel, um die Einseitigkeit und mangelnde Nüchternheit der deutschen USA-Berichterstattung aufzubrechen, finde ich es etwas eigenartig, beim Lincoln Project anzusetzen – selbst SPON & Co. sind doch nicht die Lincoln-Project-Nachbeter von MSNBC.
    Die Frage, ob zum Beispiel die ARD/DLF-Leute mehr als die immer gleichen zehn US-Ansprechpartner in einem 50-km-Radius um ihr Büro in Washington referenzieren (ich glaube, es sind z.B. beim heimgekehrten Marcus Pindur sogar die gleichen sieben oder acht, die es 2016 auch schon waren), könnte da vielleicht etwas produktiver sein.

  38. #38 Marat

    In den von mir frequentierten deutschsprachigen Medien wird das Lincoln Project ebenso wenig hochgejazzt wie in den seriöseren englischsprachigen …

    Interessant. Ich muss gestehen, dass bei mir durchaus der Eindruck entstanden war, dass das Projekt vor ein paar Wochen in vielen großen Onlineportalen (v.a. SpOn) eine kleinere Aufmerksamkeitswelle mit sehr positivem und narrativem Framing hatte (Republikaner rebellieren gegen Trump, ist das sein Ende). Das hatte ich automatisch als Anlass des obigen Artikels betrachtet.

    Die Frage einer medialen D.C.-Blase von deutschen USA-Korrespondenten wäre aber auch mE genau der medienkritische Ansatz, der sich für einen echten Erkenntnisgewinn lohnen würde (vgl. mein sicher zu polemisch geratener #4).

  39. @36: „Ihr Ernst, die Argumente einer ganzen Seite des politischen Systems der USA pauschal und restlos abzuqualifizieren? “
    Das mag manchmal unfair erscheinen, insbesondere wenn man da selber emotional involviert ist, aber in bestimmten Punkten ist das auch journalistisch geboten. Zum Beispiel, wenn die Argumente einer Seite völlig aus der Luft gegriffen sind, auch wenn sie vom Präsidenten selber geäußert werden. Trump konnte leider an keiner Stelle in irgendeiner Form nachweisen, dass seine Befürchtungen auf Fakten beruhen. Weder Untersuchungen vergangener Briefwahlen durch Wissenschaft und unabhängige Institutionen (inklusive z.B. der konservativen Heritage Foundation, https://www.brookings.edu/blog/fixgov/2020/06/02/low-rates-of-fraud-in-vote-by-mail-states-show-the-benefits-outweigh-the-risks/ ), noch geheimdienstliche Erkenntnisse, untermauern die behauptete Anfälligkeit für Wahlbetrug. Es gibt starke Bedenken hinsichtlich der logistischen Seite, die aber 1. zu großen Teilen erst durch Äußerungen und Aktionen Trumps/der Administration hervorgerufen wurden, 2. vom USPS Post Master nicht bestätigt wurden. Was also soll man hier berichten, wenn nicht dass hier haltlose Ängste geschürrt werden? Ernsthaft – welche (validen) Argumente sollen das denn sein, die GEGEN Briefwahl sprechen?

    Im übrigen sind auch ihre 50% nicht wirklich korrekt. Ich vermute, sie leiten diese Zahl davon ab, wie amerikanische Wähler in Umfragen beantworten, wie Sie 2020 wählen werden (das sind dann ca. 50/50). Zustimmung zu der Möglichkeit von Mail-in-Voting lag im April bei ca. 72% ( https://www.reuters.com/article/us-usa-election-poll/most-americans-unlike-trump-want-mail-in-ballots-for-november-if-coronavirus-threatens-reuters-ipsos-poll-idUSKBN21P3G0 ). Inzwischen dürften viele Wähler, die eigentlich gerne per Brief gewählt hätten, persönlich wählen gehen, aus Angst, dass ihre Stimme nicht gezählt wird.

  40. #40 Gastbeitrag

    Ich schreibe es gern noch ein weiteres Mal. Ob und in welcher Größenordnung Argumente in der öffentlichen Debatte gehaltvoll sind oder nicht, kann man gern diskutieren, nachdem man sie medial dargestellt hat. Nicht davor. Nicht, wenn diese Argumente die Hälfte des politischen Systems repräsentieren, über das man berichtet.

    Würde dieser eigentlich selbstverständliche journalistische Grundsatz eingehalten, dann würden Sie nicht fragen müssen, ob eigentlich irgendetwas gegen eine rasche Einführung der allgemeinen Briefwahl spreche. Argumente, die dagegen angeführt werden, lauten zB (ich gebe sie nur wieder):

    – Das CDC hält eine normale Wahl trotz Corona ohne weiteres für durchführbar. Das sagt auch der – Trump nicht gerade nahestehende – Fauci persönlich, ebenso Deborah Brix.

    – Die Forderung der Einführung der allg. Briefwahl innerhalb so kurzer Zeit sei demgegenüber nur ein politischer Stunt der Demokraten, die genau wüssten, dass es nicht notwendig sei. Es ginge ihnen darum, im absehbaren Briefwahlchaos eine Möglichkeit zu haben, ihrerseits die Legitimation der Wahl anzuzweifeln, sollte Trump gewinnen. Denn es stehe zu erwarten, dass durch die massive Werbung der Demokraten für Briefwahl mehr demokratische als republikanische Stimmen per Briefwahl verloren gingen/stark verzögert ausgezählt würden/sonstige Auszählungsprobleme bestünden.

    – Die USPS sei bereits unter Barack Obama massiv beschnitten worden (das stimmt anscheinend), was bisher auch als aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung als richtig erachtet worden sei, und man könne das nicht innerhalb von zwei Monaten derart rückgängig machen, dass eine halbwegs reibungslose bundesstaatsweite Briefwahl möglich sei.

    – Das sei insbesondere unmöglich, weil es keine Einwohnermeldeämter gebe und die vorhandene Datenbasis sowie mögliche Procedere zur Versendung allgemeiner Briefwahlunterlagen sowie deren Zusammenführung mit den Stimmen von Vor-Ort-Wählern unter Sicherstellung des Stimmengleichheitsprinzips je nach Staat sehr unterschiedlich seien. Das sei bis November nicht zu leisten.

    Das sind mal ein paar Argumente. Die können Sie überzeugend finden oder nicht, aber es sind ebenso rationale oder von unklaren Befunden geprägte Argumente wie die der Demokraten. Davon habe ich so gut wie nichts, geschweige denn breit, in deutschen Medien gelesen. Und das ist ein grundsätzliches Problem.

  41. #41 „(ich gebe sie nur wieder)“

    Und sie wiederholen das jetzt zum dritten Mal im aller Ausführlichkeit. Den Spruch kauf ich ihnen nicht mehr ab.

  42. #42 Klaus

    Das hat für die aufgeworfenen Sachfragen nach der Vertretbarkeit medialer Darstellungen keinerlei Relevanz. Aber schön, wenn Sie anscheinend Ihre Freund/Feind-Schablone endlich wieder über der Sachdebatte justieren konnten und sich wohlfühlen.

  43. Vielleicht besteht bei manchen auch ein Misverständnis darüber, was seitens der Demokraten gefordert wird. Es geht nicht um ein System wie in Deutschland, bei dem jeder die Briefwahl beantragen kann und dann personalisierte Wahlunterlagen zugeschickt bekommt und dafür auf der Vor-Ort-Wahlliste gestrichen wird. Die Forderung ist, dass für ganz Amerika Briefwahlunterlagen verschickt werden sollen.

  44. @Helmut-WK

    Schöner Link, vielen Dank. Meine Quellenkritik wäre direkt, dass in diesem Artikel nicht die Forderung der Demokraten rezipiert wird, sondern die Stellungnahmen einzelner Bundesstaaten, sowie die Meinung diverser Experten, ob die unvierselle Briefwahl überhaupt bis November eingeführt werden könne. Darüber hinaus wird der Status Quo der Einzelstaaten bzgl. Briefwahl dargestellt.

    Die Demokraten auf Bundesebene (v.a. im House) haben bereits ab April 2020 die bundesweite Einführung der allgemeinen Briefwahl gefordert. Quelle zB Reuters. Zitat:

    …partisan fight shaping up over a Democratic proposal to require states to offer the option of voting by mail. […]

    The focus of Democrats is on providing money so states can establish or expand existing “vote-by-mail” options under legislation requiring them to offer the option of mail-in ballots as an alternative to voting in person.

    Gelesen hat man von all dem in Deutschland jedenfalls nichts, und das ist mein eigentlicher Punkt. Die Beschreibung in #44 sollte eigentlich nur etwas anschaulicher machen, warum man die Lage in den USA als deutlich vertrackter wahrnehmen kann, als hierzulande medial suggeriert.

  45. Interessanter Einblick, danke für den Link!

    Ich würde deshalb nicht sagen, die These der Republikaner sei bewiesen. Es ist am Ende ja nur begrenzt möglich, von diesem einen Bericht auf das Gesamtgeschehen zu schließen. Aber es unterstreicht denke ich sehr schön den Punkt, dass beide Seiten valide Ansätze, Argumente und Befürchtungen haben, und man nicht die stattfindende einseitige Berichterstattung damit rechtfertigen sollte, dass die andere Seite sie gar nicht verdient hätte.

  46. Zitat:

    …partisan fight shaping up over a Democratic proposal to require states to offer the _o_p_t_i_o_n_ of voting by mail. […]

    Also dass die Demokraten fordern, dass jeder die _Möglickeit: bekommt, per Briefwahl abzustimmen, beweist, dass die Demokraten eine universelle Briefwahl fordern?

    Ich frag mich gerade, was wahrscheinlicher ist: Dass du Schwierigkeiten hast, englische Texte zu verstehen, oder dass du die Wahrheit absichtlich etwas verdrehst.

    PS: Wieso seh ich nicht, wie man das mit Formaten (Markierungen von Zitaten etc. ) hinbekommt?

  47. #50 Helmut-WK

    Natürlich fordern die Demokraten nicht, dass nur per Brief gewählt werden darf. Sie wollen, dass in allen Bundesstaaten Briefwahlunterlagen verschickt werden, damit die Möglichkeit besteht. Ein Argument der Republikaner ist dann, dass mehr demokratische als republikanische Stimmen Briefwahl-Auszählungsschwierigkeiten haben werden und die Demokraten so die Wiederwahl Trumps anfechten würden (ich wiederhole mich, aber es entsteht etwas der Eindruck, es sei nötig). Bitte lesen Sie #44 noch einmal, bevor Sie mir jetzt Dinge in den Mund legen, die ich gar nicht behaupte.

    Es liegt mir eigentlich fern, jetzt mit Ihnen auf dieser einen Stelle herumzureiten. Mein Anliegen ist seit Beginn dieser Diskussion, die mediale Schieflage der deutschen Berichterstattung begreiflich zu machen, indem ich Beispiele für Argumente der Republikaner nenne, die hierzulande nicht rezipiert werden, obwohl sie ebenso nachvollziehbar oder fadenscheinig sind wie die der Demokraten.

    Zitate mit eingerückter Darstellung formatieren Sie folgendermaßen:

    <blockquote>Zitat</blockquote>

    Kursiv:

    <i>Text</i>

    Fett:

    <b>Text</b>

  48. Ein Argument der Republikaner ist dann, dass mehr demokratische als republikanische Stimmen Briefwahl-Auszählungsschwierigkeiten haben werden und die Demokraten so die Wiederwahl Trumps anfechten würden

    Kann ich nicht ganz nachvollziehen. Erst mal ist ja die Post auch gerade unter Trump abgebaut worden, also befürchten die Reps, dass die Dems sich über etwas beschweren, dass sie selber fabriziert haben.

    Zweitens gab es in Rep-regierten Staaten einen Abbau von Wahllokalen, so dass, wenn keine Briefwahlunterlagen verschickt werden, sich die Dems garantiert beschweren, dass Wähler behindert wurden, zu wählen.

    Dritten gab es doch schon bei den Wahlen 2018 gezielte Behinderungen von Wählergruppen, die tendenziell eher Dem wählen – und hat die Reps es gestört, dass sich Wähler und Politiker darüber beklagt haben?

    Was du schreibst ist also auf der selben Linie wie Trump, der jetzt seien Wähler auffordert zu versuchen, doppelt zu wählen.

  49. #53 Helmut-WK

    Kann ich nicht ganz nachvollziehen.

    Darf ich da herauslesen, dass Sie wenigstens ein bisschen erstaunt sind, dass die Argumente, die ich rezipiert habe, doch nicht derart vollständig abseitig sind, wie Sie vielleicht gedacht haben? Ich erinnere ein weiteres Mal daran, dass es mir um die mediale Rezeption in Deutschland geht. Nachdem Sie sich jetzt doch etwas ausführlicher mit den Gegenargumenten beschäftigt haben, würden Sie immer noch sagen, es sei richtig, die Debatte nicht breit(er) in deutschen Medien darzustellen? Aus rein journalistischer Sicht?

    Ich sage Ihnen was ich persönlich denke, vielleicht hilft das. Ich denke, beide haben Unrecht bzw. führen vor allem ein politisches Theater auf:

    – Die Demokraten wissen, dass Briefwahl über die bereits bestehenden absentee-ballots hinaus aus Corona-Sicht unnötig und in der kurzen Zeit sehr schwer zu organisieren ist. Es ist ein politisches Theater in der Hoffnung, Wählerstimmen zu gewinnen und Trump schlecht aussehen zu lassen. Dass ein durch Briefwahl erzeugtes Wahlchaos oder auch nur eine mehrmonatige Unklarheit (wie zB 2000 Bush – Gore) es ermöglicht, eine Wiederwahl Trumps zu delegitimieren, haben DNC-Strategen ganz bestimmt auf dem Schirm, wenn sie ihr Geld wert sind.

    – Die Republikaner wissen, dass die Warnung vor massenhaftem Wahlbetrug grob übertrieben ist. Es ist politisches Theater, um der Forderung der Demokraten Wind aus den Segeln zu nehmen und ihrerseits mehr Wähler zu mobilisieren, die ihnen die Masche mit dem Wahlbetrug abkaufen. Sie haben vor allem deshalb kein Interesse an massiv ausgeweiteter Briefwahl, weil eine dadurch möglicherweise erzeugte Wahlverzögerung mit großer Sicherheit zu Lasten Trumps geht.

  50. Die Demokraten wissen, dass Briefwahl über die bereits bestehenden absentee-ballots hinaus aus Corona-Sicht unnötig

    Unsinn. Außer wenn mit „Corona“ die harmlosen Erkältungsviren gemeint sind, die schon vor über einem halben Jahrhundert entdeckt wurden. Aber mit SARS, MERS und Covid-19 ist nicht zu spaßen. Schon gar nicht in einem Land, in dem pro Kopf ca. vier mal so viel Menschen an Covid-19 gestorben sind als bei uns (zum Glück haben wir ja ne vernünftige Regierung, die uns also, wenn ich die USA zum Vergleich nehme, ca. 30.000 Leben gerettet hat).

    Und so wie manche Leute, angeheizt durch Trump, drauf sind, könnte schon beim Anstehen in der Wählerschlange die Gefahr bestehen, sich zu infizieren. Im Wahllokal auf jeden Fall. Wie ignorant muss man sein, um das nicht zu sehen?

    Sie haben vor allem deshalb kein Interesse an massiv ausgeweiteter Briefwahl, weil eine dadurch möglicherweise erzeugte Wahlverzögerung mit großer Sicherheit zu Lasten Trumps geht.

    Vor allem dürfte es zu Lasten Trumps gehen, wenn Leute, die sich nicht trauen zur Wahl zu gehen, nun Briefwahl ausüben können.

  51. #54 Helmut-WK

    Wenn Sie jetzt gehofft haben, in eine materielle Coronadebatte einsteigen zu können, muss ich Sie enttäuschen. Dazu wurde im Nachbarthreat bereits alles und noch viel mehr gesagt, das braucht es jetzt wahrlich nicht wieder von vorn (Die Maskenpflicht als Drama beim Spiegel). Nur so viel: Sowohl Fauci, als auch Deborah Brix, die Trump ja nun alles andere als nahe stehen, sagen, dass eine normale Wahl ohne Probleme stattfinden könne. Warum auch nicht. Wer mit Maske einkaufen gehen kann, kann auch mit Maske wählen gehen. Oder etwas pointierter: Wer demonstrieren, plündern und brandschatzen kann, kann auch wählen gehen. Hochrangige Politiker der Demokraten sind in den letzten Wochen immer wieder dabei erwischt worden, wie sie diverse selbsterlassene Maßnahmen vollständig nicht ernst nehmen (Pelosi beim Friseur, Lightfood beim Stylisten, Cuomo ohne Maske, und unzählige andere mehr). Es ist vollständig unglaubwürdig, demgegenüber für Allgemeine Wahlen die große Apokalypse zu beschwören.

    Wollen Sie noch Stellung nehmen zu meiner eigentlichen These, auf die ich mehrfach zunehmend verzweifelt hingewiesen habe, oder geht es Ihnen nur um ein bisschen Geplänkel über einzelne Stichworte?

  52. Das mit dem „Sättigungseffekt“ finde ich sehr interessant, genau den empfinde ich nämlich auch. So unsympathisch Trump mir auch ist, ich habe genau das festgestellt: Bei der gefühlten 6000. Schlagzeile über seine neueste Schandtat tritt eine gewisse Ermüdung ein …

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