„Compact“ im Supermarkt: Streit um fremdenfeindliches Magazin
Nachdem der Verfassungsschutz das rechte Magazin „Compact“ zum Verdachtsfall erklärte, kündigten die Supermärkte Real und Kaufland an, das Heft aus dem Verkauf zu nehmen. Doch so einfach geht das nicht.
Am 12. März 2020 hat Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, in einer Pressekonferenz mitgeteilt, die „Compact-Magazin GmbH“ sei zum Verdachtsfall erklärt worden. Das Heft bediene sich „revisionistischer, verschwörungstheoretischer und fremdenfeindlicher Motive“, so die Einschätzung der Behörde.
Die Supermarkt-Ketten Real und Kaufland verkündeten daraufhin, das Blatt aus dem Zeitschriftenregal zu verbannen. „Wir nehmen das Magazin aus dem Verkauf. Bei uns ist kein Platz für rechts“, twitterte Kaufland am 14. März. Real meldete sich am 17. März ebenfalls per Twitter zu Wort: „Nachdem das Compact Magazin in der vergangenen Woche vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft wurde, haben wir umgehend reagiert. Unser Grossist hat uns zugesichert, dass der Retourenlauf in unseren Märkten schnellstmöglich ausgeführt wird.“
„Compact“ ist eine monatlich erscheinende Zeitschrift. Gegründet wurde sie 2010 von Jürgen Elsässer, der in seiner publizistischen Laufbahn einen weiten Weg von links außen nach rechts außen hinter sich hat. „Compact“ sieht er als Plattform, die die extreme Rechte von AfD über Pegida bis hin zur Identitären Bewegung verbindet. Die Redaktion rühmt sich damit, ihre Reporter „an die Front zu schicken“, „da, wo es weh tut“. Wobei „Reporter“ Mario Müller, der für die aktuelle Aprilausgabe auf die griechische Insel Lesbos gereist war, um über die dortige Situation zu berichten, in Personalunion Aktivist der Identitären Bewegung ist. Die steht ebenfalls im Visier der Verfassungsschützer.
„Blitzkrieger“ und „Bevölkerungsaustausch“
Immer wieder verbreitet das Magazin Verschwörungsmystik. Der Verlag gibt Geschichts-Magazine über „legendäre Blitzkrieger“ heraus, und im Juli soll die „große Xavier-Naidoo-Biografie in der Compact-Edition“ erscheinen. In einer Spezial-Ausgabe zum Thema „Volksaustausch“ illustrierte „Compact“ mit einem Bild mit nicht-weißen Babys den Titel „Demographische Katastrophe – Sterben die Deutschen aus?“ All das erlaubt die Pressefreiheit.
Doch was ist mit den Supermärkten: Müssen sie solche Zeitschriften verkaufen? Dürfen sie sich gegen den Verkauf eines Heftes entscheiden, wenn sie mit dessen politischer Botschaft nicht einverstanden sind, so wie Real und Kaufland es verkündet haben?
Supermärkte werden von Pressegrossisten beliefert – das sind Großhändler für Zeitungen und Magazine. In Deutschland gibt es davon knapp 50. Alle Grossisten haben ihre eigenen Gebiete, sind dem sogenannten Neutralitätsgebot verpflichtet und müssen für die „Überallerhältlichkeit der Ware“ sorgen, so steht es auf der Seite des Verbands. „Jede Zeitung oder Zeitschrift muss am Pressevertriebssystem teilhaben können“, erklärt Kai Albrecht, Geschäftsführer des Gesamtverbands Pressegroßhandel, dem Bundesverband der Grossisten. Dies gelte generell auch für Titel mit „Außenseitermeinungen“.
Der Pressegroßhandel nehme keine Wertung der vertriebenen Publikationen unter weltanschaulichen, religiösen oder politischen Gesichtspunkten vor. Es gebe aber auch Ausnahmen:
„Es besteht (…) keine Vertriebspflicht, wenn es sachliche Gründe gibt. Das kann nur im Einzelfall entschieden werden. Schriften, die gegen Strafrecht oder Jugendmedienschutz verstoßen, dürfen zum Beispiel nicht vertrieben werden.“
Würde die Einstufung als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz als Grund zählen? Das kann Kai Albrecht nicht sagen. „Diesen Fall gab es noch nicht.“
Platzierung im Presseregal „unzumutbar“
Das bedeutet also erstmal: Nur weil einem Supermarkt ein bestimmtes Blatt nicht passt, darf er es nicht einfach aus dem Regal sortieren oder nicht annehmen. Darauf hat auch die Supermarktkette Rewe in der Vergangenheit immer wieder hingewiesen. Das Unternehmen war in sozialen Netzwerken mehrmals darauf angesprochen worden, warum es „Compact“ in einigen Filialen verkaufe. Auf Anfrage bestätigt die Rewe-Pressestelle, dass das Vertreten von „Extrempositionen“ für sich genommen im Sinne der Presse- und Meinungsfreiheit keinen hinreichenden Grund darstelle, eine Publikation aus dem Handel zu nehmen. Sie fügt aber hinzu:
„Diese Rechtfertigung – auch stellvertretend für den Pressegroßhandel als allein verantwortlichen Ausstatter des Presseregals – ist jedoch REWE nicht mehr zuzumuten, wenn es Anhaltspunkte gibt, dass die geäußerte Meinung eines Objektes letztlich darauf abzielt, die Grundlagen der Staatsordnung, die die Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, in Frage zu stellen. Dann ist der vertikale Vertriebsweg in diesem Punkt zu prüfen. REWE hält es im Ergebnis für unzumutbar, Presseobjekte, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen (…) vom Grossisten ins Presseregal platziert zu bekommen.“
Einfacher gesagt: Rewe will das Heft nicht im Regal haben, hat das selbst aber nicht in der Hand und hofft darauf, dass der Pressegroßhandel aktiv wird. Aktuell beliefere kein Grossist einen Rewe-Markt mit „Compact“, teilt das Unternehmen mit. Auch in der Vergangenheit habe der Pressegroßhandel das Produkt nur in einigen wenigen Rewe-Märkten platziert. Wo wie viele Exemplare eines bestimmten Heftes verkauft werden, hängt auch von den Verkaufszahlen am jeweiligen Ort ab, erklärt ein Rewe-Sprecher.
Voreiliger Kaufland-Tweet
Grossisten-Verbandschef Kai Albrecht bestätigt, dass auch andere Händler bereits die Erwartung geäußert hätten, keine Presseerzeugnisse mehr zu bekommen, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen. „Man muss die Bedenken aus dem Handel ernst nehmen. Wir haben die Forderungen an unsere Mitglieder kommuniziert. Sie müssen entscheiden, wie sie damit umgehen“, sagt Kai Albrecht.
Aber warum konnte Kaufland dann verkünden, bei ihnen sei „kein Platz für rechts“?
Die Antwort: So einfach ist das eben doch nicht. Das räumt die Unternehmenskommunikation von Kaufland nun indirekt ein. Der entsprechende Tweet war offenbar voreilig. Das Statement, das wir auf Nachfrage bekommen, klingt anders:
„Für uns steht die Pressefreiheit an oberster Stelle. Wir prüfen regelmäßig, ob wir Magazine, die möglicherweise im Widerspruch zur freiheitlich, demokratischen Grundordnung stehen, aus unserem Angebot nehmen können. So lange wir rechtlich verpflichtet sind, bestimmte Magazine zu vertreiben, werden wir das tun.“
Kaufland hatte nach dem Tweet Post von „Compact“-Chef Jürgen Elsässer bekommen – mit der Ankündigung rechtlicher Schritte. Kaufland antwortete ihm am 3. April:
„(…) Zudem haben wir die begründete Befürchtung, dass die in Ihrem Magazin geäußerte Meinung darauf abzielt, die Grundlagen der Staatsordnung, die genau diese Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, infrage zu stellen. Das wäre ein Grund, Ihr Magazin nicht mehr zu verkaufen. (…) So lange wir rechtlich verpflichtet sind, Ihr Magazin weiterhin zu vertreiben, werden wir das tun.“
Real bleibt unbeirrt
Real dagegen bleibt dabei und teilt mit, alle Exemplare würden aus den Märkten zurückgerufen. Rechtliche Grundlage dafür sei die Entscheidung des Verfassungsschutzes. Auf die Frage, warum das bei Real möglich sei und bei anderen offenbar nicht, bittet Real um Verständnis: Man könne nur für sich sprechen, nicht für andere Einzelhändler.
Edeka betont, man wolle sich zwar von rechtsradikalem Gedankengut distanzieren und lehne jegliche Form von Diskriminierung ab, verweist aber auch auf das Recht, wonach ein Einzelhändler keinen Einfluss auf die ihm verkauften Publikationen habe. Wenn innerhalb von drei Wochen kein Abverkauf eines Mediums stattfinde, könne dieses aus der Zuteilung entfernt werden.
Auch kleinere Verkaufsstellen wie zum Beispiel Lotto-Kioske werden mit dem Pressesortiment ihres Grossisten beliefert. Da sie aber generell weniger Verkaufsfläche haben, ist die Auswahl an Titeln ohnehin geringer. Im Gegensatz dazu werden Bahnhofsbuchhandlungen nicht von Grossisten, sondern von Verlagen direkt beliefert. Sie sind zwar dazu verpflichtet, ihrer Kundschaft ein weitreichendes Sortiment anzubieten, können aber selbst entscheiden, wenn sie bei einem bestimmten Titel Bedenken haben.
Der alte Zwiespalt: die Präsenz solcher Blätter ermöglicht einem erst – so es denn interessiert – einen Einblick in die Welt, die diese Typen vertreten und trägt dazu bei, eine klare Haltung dagegen einzunehmen, weil man den O-Ton liest.
Die andere Seite aber kann genauso verfangen, weil man den Quatsch journalistisch in Hochglanz aufbereitet als Wolf im Schafspelztext lesen kann.
Das Gegenmittel: Bildung – die ist aber nicht mit einem Schokokeks inhaliert, sondern intellektuelle Anstrengung.
Alleine die Unterüberschrift „Magazin für Souveränität“ spricht bei „Compact“ für sich und gegen jedwede Seriosität im journalistischen Sinne, oder?
Ein Phänomen übrigens, das ich überhaupt nicht verstehe, für die ich keine Erklärung finde: die Kehrtwende von Links nach Rechts – wie auch bei Horst Mahler. Kann mir das jemand erklären?
@Ulrich Becker
Ich glaube, die Kehrtwende von Links nach Recht trifft vor allem die Fälle, wo auch Bildung nicht verfängt: Die jeweiligen Individuen halten sich selbst für besonders schlau und hegen mehr oder weniger insgeheim eine Verachtung für die „Masse“. Unter dieser Voraussetzung ist dann die Ideologie nur ein Gewand, um diese Neigung auszuleben.
@Ulrich Becker
Meines Erachtens rührt das daher, dass die Begrifflichkeit „links“ und „rechts“ unscharf (geworden) ist. Politik ist in Bezug auf die unterschiedlichen Handlungsfelder wie Sozialpolitik, Wirtschaftspolitik, Außenpolitik, etc. so vielfältig, dass eine konstruierte, umfängliche Gegenüberstellung via „links und rechts“ zu kurz greift. Was die extremen Enden mitunter vereint sind z.B. antikapitalistisches Denken, Demokratiefeindlichkeit oder der damit verbundene Wunsch nach einem starken Staat mit einer zugespitzten Regierungsleitung. Die „Unabwendbarkeit“ einer Revolution, um die gesellschaftliche Ordnung neu zu formen, Ungleichheiten (unterschiedlicher Natur versteht sich) zu beseitigen und radikal definiert in die Zukunft zu schreiten, lässt sich bei der politischen Linken wie Rechten erhören.
Die Anknüpfungspunkte sind nicht neu und es finden sich auch unter bedeutenden oder einflussreichen Charaktären der deutschen Geschichte Personen, deren Schriften, Worte und Werke, wieder vereinfacht gesprochen, sowohl von „links“ als auch von „rechts“ vereinnahmt werden (können). Beispiele, die mir einfallen, sind Richard Wagner und Konrad Lorenz.
Weiterhin glaube ich, dass es nicht immer nur um das Selbstverständnis einer Person, Gruppe oder Partei in Bezug auf das politische Spektrum geht, sondern dass auch eine davon entkoppelte Deutung notwendig ist beziehungsweise stattfinden kann. Das erschwert zufriedenstellende Einordnung zusätzlich, ist aber notwendig.
Verstehe ich nicht. Was bedeutet denn „Überallerhältlichkeit der Ware“? Dass ich jeden beliebigen Supermarkt dazu zwingen kann, beliebige Publikationen aus dem Programm des Grossisten (im Link ist die Rede von über 4000) bereitzustellen?
Wenn ja, gibt es dazu einen formellen Weg? Wenn nein, was ist der Unterschied zwischen Compact und allen anderen Magazinen?
„Ein Phänomen: die Kehrtwende von Links nach Rechts . Kann mir das jemand erklären?“
Besonders auffällig fand ich das bei den früheren, prominenten Maoisten, die dann bei Springer oder noch weiter rechts landeten.
Als Spätgeborener konnte ich nie verstehen, wie elitär-individualistische, borgeoise Linke sich als Arbeitsbienen sehen wollen konnten, die willig den Anordnungen einer kleinen Elite folgen.
Was da mein fundamentaler Irrtum war, habe ich erst später verstanden. Diejenigen, die gern vor allem Führer anstelle des Führers sein wollten, sind ganz nach rechts. Die, die nur oben mitschwimmen wollten, gingen zu Springer oder wurden Freund mit Madeleine Albright.
Das halte ich für durchaus diskutabel, dass die Grenzen von links und rechts verschwimmen. Aber das trifft doch weder bei einem Horst Mahler noch bei einem Jürgen Elsässer zu. Beide vertraten aktiv linke bis linksextreme Positionen – der eine als Anwalt und in der RAF, der andere als Journalist bei KONKRET (beim ausgewiesenen Antifaschisten Gremliza) und dann legen Sie eine Kehrtwende in ihrer Haltung hin von der „Umvolkung“ bis zum Leugnen des Holocausts. Das ist doch keine geänderte Überzeugung, das ist doch ein Geschäftsmodell.
Es geht doch nurum Macht!
Als Rechter auffällig werden ,sich als Widerständler geben,eine Führerschaft mit diskussionsarmer einiger Gefolggschaft herstellen/aufbauen,einfache Ziele haben usw
(aufn Tisch hauen wg männlichen Dominanzverhalten)
vs
als Linker in endlosen z,B. Genderdiskusisionen eine diskusiosinsfreudige möglicherweise umschwenkende Nichtgefolgschaft mit komplexbeladener Problemdurchdiskutierproblematik…
(nicht aufn Tisch haun wg Ablehnung männlichen Dominanzverhalten)
Ist für manche vielleicht etwas unterkomplex beschrieben,sorry,wirklchwirklich sorry!
Aber die Sache mit der Macht ist einfach komplexziert ;-)
Das ist für mich die entscheidende Feststellung, die den Grossisten und den Läden als Rechtfertigung für ein erstes Handeln ausreichen muss. Dann mag ja das Magazin klären, ob gegebenenfalls doch eine Verkaufsverpflichtung besteht.
Der Gedanke von Bernd Gehrmann in #4 ist im Übrigen durchaus interessant. Große Zeitschriftenläden in Bahnhöfen und Flughäfen verkaufen ja weitaus mehr Magazine als beispielsweise Supermärkte. Wer trifft da die Auswahl und nach welchen Kriterien?
@ BV, #8: Und gerade bei der Bahnhofs-Buchladen-Kette „Press & Books“ waren und sind Compact und andere rechtsradikale Magazine oft sogar besonders prominent platziert, z.B. an den Kassen oder in eigenen Aufstellern.
Ganz wichtig ist, unter solchen Artikeln Linksextremismus (alternativ „jeden -ismus den es gibt“) zu thematisieren.
Schließlich muss man alle -ismen doof finden, als ordentlicher Demokrat.
Dass ein -ismus schlimmer ist, als ein anderer sei … Nein. Alle gleich. Alle -ismen, selbst die nicht thematisierten sind qualitativ immer gleich doof und wer das nicht so sieht istk ein Demokrat. So.