„Compact“-Magazin

Grossisten bringen „gesichert extremistisches“ Heft weiter in den Handel

Der Verfassungsschutz stuft die „Compact Magazin GmbH“ nun also als „gesichert extremistisch“ ein. Das erfuhr die ARD auf Nachfrage. Die „Compact Magazin GmbH“ trage Positionen in die Öffentlichkeit, die „eindeutig als völkisch-nationalistisch sowie minderheitenfeindlich“ zu bewerten seien, teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz der ARD mit. „Die Agitation gegen die Regierung bringt eine grundsätzliche Ablehnung demokratischer bzw. demokratisch legitimierter Entscheidungsprozesse zum Ausdruck.“

Compact 1/2022 Cover: Compact

Die „Compact Magazin GmbH“ bringt die gleichnamige Zeitschrift sowie Spezialausgaben und Bücher heraus und betreibt daneben einen Online-Auftritt und einen Youtube-Kanal. „Compact“ gilt als Sprachrohr der AfD und macht aus seiner Nähe zu Organisationen wie Pegida oder der sogenannten Identitären Bewegung keinen Hehl. Auch Impfgegner werden bedient: Anfang Dezember rief „Compact“ etwa zum „Impf- Streik“ auf. Der Titel der aktuellen Ausgabe lautet: „Die Impf-Diktatur – Boostern bis zum Tod“. Neue Leser*innen werden von „Compact“ mit dem markigen Slogan „Abonnieren Sie die Revolution“ umworben.

Der Bundesverfassungsschutz hat in dem Magazin „wiederholt antisemitische Verschwörungsmythen und islamfeindliche Motive“ erkannt, außerdem würden dort Parteien, Politiker und Repräsentanten der Bundesrepublik verächtlich gemacht und verunglimpft.

Doch was bedeutet das für den Vertrieb des „gesichert extremistischen“ Magazins? Verschwindet das Heft nun aus den Regalen? Offenbar nicht.

Einzelhändler haben wenig Einfluss

Vor fast zwei Jahren, als „Compact“ als „Verdachtsfall“ eingestuft wurde, haben wir darüber berichtet, dass es gar nicht so einfach ist für Einzelhändler, etwa Supermärkte, eine Zeitschrift aus dem Verkauf zu nehmen, wenn die Betreiber mit den Inhalten nicht einverstanden sind. Das liegt am Pressevertriebssystem in Deutschland. Kioske und Supermärkte kaufen die Titel nicht direkt bei den Verlagen ein, sondern werden von Grossisten bestückt, den zwischen Verlag und Einzelhandel geschalteten Großhändlern.

Dadurch hat der Einzelhandel nur bedingt Einfluss darauf, welche Publikationen er geliefert bekommt. Das soll sicherstellen, dass jede Zeitung, jedes Magazin, also auch solche mit Außenseitermeinung Verbreitung finden. Diese Regelung soll dem Schutz der Meinungsvielfalt dienen. Das Verhältnis zwischen Grossisten und Verlagen ist wiederum auch kein typisches Kundenverhältnis, in dem die Grossisten frei entscheiden können, mit wem sie einen Vertrag eingehen. Im Juristendeutsch nennt man das Kontrahierungszwang.

Aber was, wenn ein Heft Verschwörungserzählungen, Fake News und rassistische Positionen verbreitet? Und wenn ein Magazin wie „Compact“ erst als „Verdachtsfall“ und dann als „gesichert extremistisch“ eingestuft wird?

Rechtlich beraten

Für die Grossisten sei das eine neue Situation, man habe sich dazu auch rechtlich beraten lassen, sagt Frank Nolte, Vorsitzender des Verbands der Pressegrossisten, auf Nachfrage von Übermedien. Gut, so ganz neu ist der Fall nicht. Schon 2020 sagte uns Verbandsgeschäftsführer Kai Albrecht:

„Man muss die Bedenken aus dem Handel ernst nehmen. Wir haben die Forderungen an unsere Mitglieder kommuniziert. Sie müssen entscheiden, wie sie damit umgehen.“

Eine klare Positionierung der Mitglieder gab es bislang offenbar immer noch nicht. Und das Ergebnis der Rechtsberatung lautet nun: Es bleibt alles beim Alten, „Compact“ wird weiterhin ausgeliefert. „Was wir vertreiben, ist keine Gewissensentscheidung, sondern unsere Pflicht“, sagt Nolte. Es sei nicht die Aufgabe des Vertriebs, sich zu positionieren. Die kartellrechtliche Vertriebspflicht höre erst auf, wenn eine Publikation verboten werde. Solange es also kein Vertriebsverbot gibt, gelte weiterhin die Vertriebspflicht.

Die Einstufung als „gesichert extremistisch“ ändert also nichts. Sie ist – zusammen mit weiterer Beobachtung – eine Voraussetzung für ein mögliches Verbotsverfahren im Anschluss, teilt der Bundesverfassungsschutz auf Nachfrage mit. Dafür wäre dann das Bundesinnenministerium zuständig.

Was sagen Real, Kaufland und Rewe?

Einzelne Grossisten scheinen dennoch, trotz aller rechtlichen Bindung, auf die Bedenken ihrer Kunden einzugehen. Schon 2020 verkündete die Supermarkt-Kette Real via Twitter, ihr Grossist habe zugesichert, „dass der Retourenlauf in unseren Märkten schnellstmöglich ausgeführt wird“. Ob das tatsächlich an allen Real-Standorten so umgesetzt wurde, ist unklar.

Auf unsere neuerliche Anfrage teilt die Supermarkt-Kette nun mit, dass sich an ihrer Haltung nichts geändert habe. Nach der Neueinstufung des Bundesverfassungsschutzes habe man gegenüber dem Grossisten noch einmal verdeutlicht, dass Real das Magazin nicht geliefert bekommen wolle. Auch für ihr Unternehmen gelte die Rechtslage grundsätzlich zwar wie für alle anderen. Trotzdem wolle man „Compact“ nicht tolerieren.

Auch die Supermarkt-Kette Kaufland hatte 2020 verkündet, „Compact“ zu verbannen. „Wir nehmen das Magazin aus dem Verkauf. Bei uns ist kein Platz für rechts“, twitterte das Unternehmen damals zunächst, ruderte dann aber zurück. „Für uns steht die Pressefreiheit an oberster Stelle“, schrieb Kaufland auf unsere Anfrage. Und: „So lange wir rechtlich verpflichtet sind, bestimmte Magazine zu vertreiben, werden wir das tun.“ Nach dem Tweet hatte Kaufland einen Brief von „Compact“-Chef Jürgen Elsässer bekommen, in dem er rechtliche Schritte androhte.

Auf unsere Anfrage diese Woche teilt Kaufland nun mit:

„Wir verfolgen die aktuelle Berichterstattung, dass der Verfassungsschutz das ‚Compact Magazin‘ als ‚gesichert extremistisch‘ bewertet, sehr aufmerksam. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir hierzu keine weitere Stellung nehmen.“

Die Supermarkt-Kette Rewe bittet auf Nachfrage darum, sich an die Grossisten zu wenden, um deren Einschätzung zu erfahren, und schreibt:

„Wir sind bezüglich unserer klaren Haltung weiterhin im Austausch mit dem Presse-Grosso. Bis dato steht der Pressevertrieb auf dem Standpunkt, dass für das Compact-Magazin kein Vertriebsverbot besteht, weshalb diese Publikation weiterhin unter dem grundgesetzlich verbrieften Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit steht.“

Ob ein Verbotsverfahren eingeleitet wird oder bereits wurde, dazu sagt das Bundesinnenministerium auf Nachfrage nichts. Man bitte um Verständnis, schreibt ein Sprecher, „dass wir uns zu etwaigen Verbotsüberlegungen generell nicht äußern können, unabhängig davon, ob hierzu im Einzelfall Anlass besteht“. Wie es weitergeht, bleibt also offen – und „Compact“ verfügbar.

Was aber natürlich immer vorkommen kann: dass Magazine nicht verkauft werden – weil sie niemand haben will, sie keinen Platz im Regal haben oder zufällig hinter andere Titel rutschen. Dann gehen sie als Remittenden zurück zum Grossisten. Und je öfter ein Titel zurückgeschickt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er künftig gar nicht mehr mitgeliefert wird.

7 Kommentare

  1. Hier wäre der richtige Adressat die Vertriebsfirma, die das Magazin im Auftrag zu den Grossisten liefert. In der Vergangenheit haben sich Vertriebsfirmen schon aus viel nichtigeren Gründen entschieden, die Auslieferung einfach zu stoppen (und damit sogar Magazine in den Ruin getrieben) – etwa wenn kopulierende Micky Mäuse drin waren. Was natürlich viel schlimmer ist.

  2. #3
    „Ist es nicht die Linkspartei, welche die Auflösung des Verfassungsschutzes fordert?“
    whatabout Linkspartei?
    Thema: Hitler war Vegetarier und liebte Hunde.
    Waren es nicht die Sozen, die gegen Hitler waren?

  3. Meine Frage wäre da doch eher: Wenn der Einzelhändler das Magazin nicht verkaufen will, kann er doch kaum dazu gezwungen werden, oder?

    Er kann das Heft ja beim Grossisten beziehen, kann aber sagen er verkauft es nicht wenn danach gefragt wird und gibt es dem Grossisten beim erscheinen der neuen Ausgabe zurück.

    Andererseits hat es meiner Meinung nach immer ein „Geschmäckle“ wenn ein Einzelhändler eine Zeitschrift, egal welcher politischen Ausrichtung, nicht anbieten will.

    Ich sehe das so wie REWE das schreibt: Das Magazin unterliegt keinem Vertriebsverbot, weshalb es weiterhin unter dem grundgesetzlich verbrieften Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit steht.

  4. Es wird immer deutlicher, dass wir mit unserer wirklich schafigen demokratischen Toleranz den Wölfen unser System zum Fraß vorwerfen. „Die Wölfe haben doch schließlich auch ein Recht darauf, satt zu werden.“ „Wo kommen wir denn hin, wenn ein Einzelhändler einfach nach Gutdünken ein Naziheft aus seinem Angebot nehmen will.“

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