Let’s talk about Ex, Baby
In der ZDF-Sendung von Maybrit Illner ging es Donnerstagabend, natürlich, auch um Thüringen und was die Parteien dort angerichtet haben, allen voran die FDP. Neben Politikerinnen und Politikern saß in der Talkrunde Dagmar Rosenfeld, die Chefredakteurin der „Welt“, die unter anderem gegen FDP-Chef Christian Lindner (nicht anwesend) austeilte. Eigentlich keine große Sache, aber was die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer wahrscheinlich nicht wissen: Rosenfeld war bis 2018 mit Lindner liiert, 2011 haben sie geheiratet.
In der Sendung wird das an keiner Stelle erwähnt. Dabei wäre es doch interessant. Überhaupt ist es interessant, dass Rosenfeld in so eine Sendung geht und sich zur FDP und Lindner äußert. Früher war das mal anders.
2016, damals noch Redakteurin bei der „Zeit“, schrieb sie:
„Als ich 2009 bei der ‚Zeit‘ anfing, zählte die FDP zu meinem Themenbereich. Das hat sich verändert, als Christian Lindner und ich ein Paar wurden, ich schreibe seitdem weder über die FDP noch über ihre Akteure. Wie alle Paare tauschen wir uns über unsere Arbeit aus, wodurch ich einen besonderen Einblick in die Partei bekomme. Das beeinflusst meine Ansichten über die FDP, nicht aber meine Überzeugungen. Und auch nicht mein journalistisches Handwerk.“
Ganz geschafft, nicht über Christian Lindner zu schreiben, hat Rosenfeld es aber schon zu Zeiten nicht, als sie noch mit dem FDP-Chef liiert war. 2017 schrieb sie anlässlich der Bundestagswahl einen Text mit der Überschrift „Meine Stylingtipps für Christian Lindner und Co.“, wo sie auch die Ehefrau Lindners erwähnt, nicht aber, dass es sich dabei um sie selbst handelt.
Der Presserat hat das später missbilligt, weil er „eine objektive Befangenheit der Journalistin“ sah. Dass Rosenfeld „über ihren Ehemann und seine politische Konkurrenz berichtet, ist mit den presseethischen Grundsätzen nicht vereinbar“. Eine solche Konstellation sei „vielmehr geeignet, das Ansehen der Presse nach Ziffer 1 Pressekodex in Gefahr zu bringen und muss deshalb vermieden werden“.
Und heute? Rosenfeld und Lindner sind kein Paar mehr. Kann sie also jetzt wieder, vermeintlich unbefangen, als Journalistin über die FDP und deren Vorsitzenden berichten? Oder sollte sie es weiterhin vermeiden? Und in einer Sendung wie der von Maybrit Illner: Wäre es nicht geboten, Rosenfelds frühere Beziehung kurz offenzulegen, damit Zuschauer und Zuschauerinnen von dieser Verbindung erfahren, und damit es bei denen, die es schon wussten, kein „Geschmäckle“ hinterlässt?
Nennt mich pingelig, aber dass Dagmar Rosenfeld als Journalistin in einer Talkshow über Christian Lindner als Politiker spricht, als wären die beiden nie verheiratet gewesen und ohne Transparenzdisclaimer für Zuschauer*innen, hinterlässt bei mir ein Geschmäckle. #maybritillner
— Anna-Mareike Krause (@mlle_krawall) February 6, 2020
Rosenfeld sah offenbar kein Problem darin, zu diesem Thema in die Sendung zu gehen, um dort unter anderem zu erklären, dass Lindner „im Gegensatz zu vielen anderen aus der Partei“ nicht gleich gefordert habe, „dass Herr Kemmerich das Amt zurückgibt“, und dass das „deutlich hinter dem“ sei, „was viele, viele andere in der FDP sehr lautstark artikuliert haben“.
Wie „aus Christian Lindners Umfeld“ zu hören sei, sagt Rosenfeld, gebe es zwei Versionen: Eine davon besage, Lindner hätte sich „nicht vorstellen können, dass Kemmerich tatsächlich gewählt wird“. Dann wird sie deutlich:
„Wenn so wenig Überblick da ist über eine AfD, die sich schon im November CDU und FDP angeboten hat und sehr deutlich gemacht hat, wohin sie will, dann muss man sagen: Politik ist was für Profis.“
Das ist eine schillernde Stelle in dem Talk. „Hässlich schöner Satz in dieser Situation“, sagt Moderatorin Illner, das Publikum kichert bereits leise. Denn Rosenfeld rekurriert mit „Politik ist was für Profis“ auf einen Satz, mit dem „Bild am Sonntag“ Lindner einst zitiert hat: „Klimaschutz ist was für Profis.“
Eine Spitze gegen Lindner also, die sich auch als Überschrift in Rosenfelds aktuellem „Welt“-Kommentar zum Thema findet, und die sie bereits im Sommer vorigen Jahres nutzte, als sich die FDP für ein Rauchverbot einsetzte, was Rosenfeld („Raucherin aus Leidenschaft“) nicht so gut fand. Überschrift damals: „Freiheit ist was für Profis.“
Gerne hätten wir erfahren, wie Dagmar Rosenfeld zu ihrem Auftritt im ZDF steht und wie sie künftig mit dem Thema FDP und Christian Lindner umgehen will, aber sie hat – auch auf zweimalige Anfrage – nicht geantwortet.
Wir hatten auch den Sender gefragt, inwiefern er es, auch rückblickend, sinnvoll findet, Rosenfeld zu diesem Thema einzuladen und weshalb ihre Verbindung zum FDP-Chef nicht offengelegt wurde. Nach knapp sieben Stunden dann die Antwort:
Die Redaktion will sich dazu nicht äußern.
Unschön sicherlich, allerdings ist ihre Einschätzung von Lindner ja nicht unrichtig, wenn denn die Prämisse stimmt.
Kann DASENDEALLERHOFFNUNG nur zustimmen. Mehr Lindnerexpertise ist kaum vorstellbar.
Vielen Dank für den Artikel!
Das erscheint, gerade im Öffentlich-Rechtlichen, wieder wie ein deutlicher Schritt zurück von dem, wo wir schon sein sollten. Zumindest dem ZDF-Team hätte die Problematik eigentlich klar sein sollen/müssen.
@ #1: Um „nicht unrichtig“ oder schon geht es da mAn nicht wirklich (ist ja auch kaum objektiv zu beurteilen), sondern um eine klare Befangenheit die zumindest offengelegt werden müsste. Auch wenn die Situation jetzt eine andere ist, scheint es mir, als könnte man das zitierte Presserat-Urteil auch hier wieder 1:1 anwenden.
Ich habe das Gefühl, dass in den Talkshow-Redaktionen allgemein eine Scheißegal-Haltung vorherrscht, was die Transparenz bezüglich der Gäste betrifft.
Da ist der Historiker, der nebenbei noch Rüstungslobbyist ist, oder der Wirtschaftwissenschaftler, der einer bestimmten Schule anhängt. Zur Einordnung für die Zuschauer könnte man das transparent machen. Aber vermutlich ist man in den Redaktionen froh, wenn überhaupt jemand kommt.
Beide sind kein Paar mehr. Wenn man wirklich fürchtet, dass Ex-Beziehungen befangen machen, könnte man Normen aufstellen. 0-5 Jahre getrennt: darf dazu nicht befragt werden; 5-10 Jahre getrennt: darf befragt werden, aber nur mit Einblendung dieser Info. Weiter dann: Unterschiede herausarbeiten zwischen „verheiratet“ und „hatten mal was“.
Ihr merkt: das endet irgendwann in einem medialen Pietismus.
Ich halte Maybrit Illner und ihr Team für schlau genug, nicht Menschen einzuladen, deren Urteilsvermögen durch persönliche Gründe eingeschränkt ist. Und Dagmar Rosenfeld ist Profi genug, ihre unbestreitbaren fachlichen Fähigkeiten nicht durch „da war mal was“ trüben zu lassen.
Hmpf. Hatte ich was Böses gesagt oder gab es einen Fehler? Meine beiden Kommentare (und auch noch weitere, wenn ich mich recht entsinne) sind jedenfalls wech…
@FPS: Hat denn jemand gefordert, dass Rosenkranz nicht „befragt werden“ darf? Ich hab das zumindest im Artikel nirgends gelesen.
Was hingegen gefordert wurde, war eine Offenlegung, die aber bedauerlicherweise unterblieben ist. Was spricht deiner Meinung nach gegen eine solche?
Im übrigen kenne ich weder Maybrit Illner noch jemandem aus ihrem Team noch Dagmer Rosenfeld und kann daher deine bemerkenswert positive Einschätzung dieser Personen nicht teilen.
@#5 Übers Wochenende bleiben einige Kommis gerne mal in der „Redaktionsschleife“ hängen oder ein technisches Problem ist passiert, Ihre Kommentare waren absolut sauber und werden spätestens nä. Woche wohl wieder da sein, meiner ist auch nicht mehr drin.
Auch Journalismus ist offenbar nur was für Profis.
Zumindest, wenn man auf dem Chefsessel als Chefredaktorin bei einer Springerpublikation sitzt, sollte etwas Profitum drin-liegen.
Unabhängig von der ehemaligen Liaison mit Lindner, die in der Tat angesprochen gehört hätte, fand ich die Frau völlig unmöglich:
Statt sachlicher und überlegter Beiträge war sie gereizt, aufgedreht, langatmig, nicht auf den Punkt kommend, und stutenbissig gegenüber Gauland.
Als ich dann las, dass sie Welt Chefredakteurin ist, habe ich mir nur gedacht „die arme Redaktion die mit der jeden Tag klar kommen muss….“
…ich wusste, da war doch was. War mir aber nicht (mehr) sicher. Egal.
Nebenbei und OT:
Was die AfD in Thüringen veranstaltet hat war ganz fies gemein, um mal im Trumpschen Sprachgebrauch zu bleiben.
Für dieses Fiasko verantwortlich ist ausschliesslich die FDP und deren „Spitzenvertreter“, die sich vermutlich als Politprofis wahrnehmen.
Man(n) konnte erkennen, was da seitens rechtsaussen geplant war.
Mein Mitleid gegenüber Gelb geht jedenfalls gegen Null.
Nachtrag:
Mag sich rechtsaussen in diesem Scoop wohlfühlen: Die Wogen glätten sich auch wieder und sowas gelingt nur einmal.
So what also.
Da haben hoffentlich einige dazugelernt.
Sicher bin ich mir allerdings nicht.
„Sabine“ kommt…
„…stutenbissig gegenüber Gauland.“
Gauland ist eine Stute? Okeee…
Es wird sicher genug Journalistinnen geben, die Lindner im Speziellen und die FDP im Allgemeinen für die Aktion in Thüringen kritisieren würden, die KEINEN Groll gegen Lindner haben. Und die – möglicherweise auch deshalb – dabei nicht gereizt sind.
Neue rechte Strategie:
Dem Konsens beipflichten „Das war eine ganz hinterlistige Aktion der AfD“ (Aktion so gut ausgeführt, dass „dem Gegner“ nur noch die moralische Argumentation bleibt) und dann allen anderen Parteien absoluten Dilettantismus attestieren.
Narrativ: Außer der AfD sind alle inkompetent.
Fast noch bedenklicher finde ich, dass sich Rosenfeld schweigend und die Redaktion explizit nicht dazu äußern möchten. So kommen sie einen ziemlich ertappt vor. Die Chance auf eine beschwichtigende Anmerkung, die man sich ja problemlos hätte ausdenken können, ist damit vertan. Schade.
Ich glaub, beim Sinn einer solchen Offenlegung muss man unterscheiden. Im Fall von Frau Rosenfelds Talkshow-Auftritt sehe ich hierfür keine Notwendigkeit. Die Vorstellung, eine politische Journalistin würde eine Art neutrale Einschätzung abgeben, finde ich von vorneherein abwegig. Was ändert also sich also für mich als Zuschauer bei der Bewertung ihres Statements, wenn ich über ihre private Verbindung zu Herrn Lindner weiß? Selbst wenn sie davon beeinflusst wäre?
Anders ist es, wenn die Position zumindest scheinbar „neutral“ erscheint. Bespiel: Vorgestern war bei Klaus Kleber im Heute-Journal ein Historiker zu Gast, der zu der Thüringer MP-Wahl befragt wurde. Da wurde vor dem Gespräch kurz erwähnt, dass er auch CDU-Mitglied ist. Die Einschätzung des Historikers war dann auch durchaus erwartungsgemäß, seine Tätigkeit als Geschichtsprof war da vielleicht sogar weniger relevant, als seine CDU-Mitgliedschaft.
Noch wichtiger sind solche Offenlegungen bei echten Interessenkonflikten. Also z.B. der Journalist, der auf Wunsch des Verlegers über ein bestimmtes Unternehmen berichtet, in das dieser investiert hat. Im Fall von Frau Rosenfeld Privates privat sein zu lassen, finde ich demgegenüber okay.
@#5 Kritischer Kritiker: Moin! Der Kommentar bzw. die Kommentare sind vermutlich verloren gegangen. Wir hatten einen Serverumzug. Vermutlich ist das im Zuge dessen passiert. Tut mir leid. Freundliche Grüße! Jürn Kruse