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Preisgekrönter Diät-Wahn

Bis zu den Ellenbogen in Hackmasse matschend stehe ich mit meiner neuen flotten Kurzhaarfrisur in der Küche. Neben mir eine Schüssel mit eingetrocknetem Hirsebrei, auf dem Herd Reste einer sogenannten Zucchini-Kabanossi-Pfanne, im Ofen drei verschiedene Streuselkuchen, in meinem Mund ein Beeren-Smoothie mit diesen gruseligen Chia-Samen, der immer mehr wird, obwohl ich ja schon schlucke, was das Zeug hält.

Auf dem Küchentisch liegen außerdem drei Dutzend „Heilsteine“, zwei Arme voll Ranunkeln, die noch arrangiert und geknechtet werden müssen, daneben drei Pfund Küchenkräutersamen und ein Beutel mit 40 Liter Erde. Jetzt nur noch schnell den Muskatellersalbei in die Öllampe kippen, die Lieblingsmusik aufdrehen und dann ab in die Vagus-Nerv-Meditation.

Ich bin im Wahn, im Schlank-Back-Turn-Extra-Käse-Strickmode-Mondkalender-Wahn, denn ich starte das Jahr mit einem Ausflug in die Welt der Frauenmagazine des Bauer-Verlags, einem Fachverlag für Hackmatsch und Klatsch.

Lead Award Gold für „wichtige Brückenfunktion“

Als Chefredakteurin für die Titel dieser Sparte („tina“, „bella“, „Laura“, „Meins“ und „Alles für die Frau“) ist Sabine Ingwersen verantwortlich, die irgendwann mal Germanistik und Geografie studiert hat, um dann im Unterhaltungsressort von „Bild“ zu landen und als Frauenmagazin-Chefin bei Gruner+Jahr, bevor sie zu Bauer wechselte. Ende vergangenen Jahres erhielt sie für ihre Arbeit und die Magazine, die dabei herauskommen, den Lead Award Gold in der Kategorie „Magazin Popular“. In der Begründung dazu heißt es:

Ob „tina“, „bella“ oder „Laura“ – Ingwersen zeigt, dass populäre Massentitel und ein neues, selbstbewusstes Frauenbild kein Widerspruch sein müssen, sondern – im Gegenteil – einander bedingen. Soziales Engagement, ökologisches Bewusstsein, den Kampf für die Gleichberechtigung hat sie systematisch zu einem Anliegen ihrer Titel gemacht. Damit erreicht sie mit wichtigen, gesellschaftlich relevanten Themen ein Publikum, das andere oft nicht erreichen und hat eine wichtige Brückenfunktion in einer sich spaltenden Gesellschaft.

Na, dann wollen wir mal schauen.

Ich gehe also auf eine Reise in das Land dieser populären Massentitel. Sie sind günstig zu erwerben: „Alles für die Frau“ ist mit 99 Cent am billigsten, „tina“, „bella“ und „Laura“ bewegen sich zwischen 1,39 und 1,59 Euro, und mit 2,95 Euro am teuersten ist „Meins“, das als einziges der Magazine nicht wöchentlich erscheint, sondern alle 14 Tage und in einem hochglänzenden Gewand.

„Meins“ und „Alles für die Frau“ sind im Vergleich zum Vornamen-Trio „tina“, „bella“ und „Laura“, die teils in den 1970er-Jahren, teils in den Neunzigern gegründet wurden, noch Jungspunde: „Meins“ ist erst seit 2012 auf dem Markt, „Alles für die Frau“ erscheint seit 2004. Und was die Zielgruppen betrifft, wendet sich „Laura“ an jüngere Frauen ab 30 Jahren, während die anderen Hefte Frauen ab Ende 40 beziehungsweise ab Mitte 50 ansprechen sollen.

„Schlank-Planer“ überall: Was gibt’s da zu lachen?

Ich betrachte die Cover. Sie schreien, sie plärren, sie kreischen: 50 Farben bunt, Überschriften-Hagel, sehr blonde Frauen zeigen dazwischen reichlich Zahn. Ich verstehe nicht, was die da so fröhlich zu lachen haben, ich nämlich werde wütend, wenn ich mir ansehe, was da immer wieder steht:

„Intervall-Fasten: Garantiert! 10 Kilo weg für immer!“
„8 Kilo weg mit Wunder-Suppe“
„Die sanfte Hormon-Diät 2020“
„Mein Schlank-Planer: Die besten Eiweiß-Power-Rezepte“

Lediglich „Meins“ verzichtet auf den launigen Abnehm-Terror; da werden auf dem Titel „sonnige Kuchen für die grauen Winter-Tage“ serviert. Okay, auch bei den anderen kommt was auf den Tisch: Weil es nicht ausreicht, den Leserinnen zu erklären, wo zu Beginn eines Jahres der Fokus liegt (NÄMLICH DARAUF, DASS EURE HINTERN ZU FETT SIND!), lockt man auch mit „Deftige Aufläufe mit leckeren Nudeln und extra viel Käse“ oder „Die schmecken immer! Saftige Rührkuchen“ oder „Oh, wie saftig! Fruchtige Schokokuchen“.

Da surfen Ingwersen und ihr Team gemütlich auf der offenbar nie brechenden Welle, dass Frauen gefälligst nicht fett sein sollen, aber für Familie, Freunde und Kollegen Torten zu zaubern haben oder jeden Tag ein preisgünstiges Gericht auf den Tisch stellen sollten. Ist das dieses „neue selbstbewusste Frauenbild“, für das Ingwersen unter anderem ausgezeichnet wurde?

Neben den Diäten und den Kochrezepten warten alle fünf Magazine mit den Themen einer klassisch-ollen Frauenzeitschrift auf: Gesundheit, Schönheit, Mode, Reiseempfehlungen, Kreuzworträtsel und Kurzgeschichten, dazu gibt es Reportagen und Gewinnspiele, Dekorations-Tipps und Bastelanleitungen. Ob die Magazine überhaupt irgendwas unterscheidet?

Nico Rosberg im Emoji-Interview und süße Pinguine

Die „Laura“ ist also das Blatt für die jüngere Generation, so ab 30, und auf ihrem Schrei-Cover geht es neben dem Fetter-Hintern-Thema um Reisen, Ratgeberthemen, Wohnen, Schönheit, Liebe und Gesundheit – schon irre, was man auf einem Stück A4-Papier so alles unterbringen kann.

Das mit dem Heft jüngere Frauen angesprochen werden sollen, merkt man unter anderem daran, dass es hier um Trend-Namen für Babys geht (es ist immer noch nicht erlaubt, Kinder „Lord“ zu nennen – was!?) und einen erotischen Roman gibt, während die Schwester-Magazine Kurzgeschichten, einen „Liebesroman“ („Alles für die Frau“) und eine witzige Story aus der Perspektive eines Hundes („tina“) bringen. Und man merkt es an den „Twitter-Perlen“, über die „gerade auf Twitter gelacht“ werde. So steht das da; aber nicht, wer die Tweets verfasst hat. Wobei das doch vielleicht ganz nett wäre, sich nicht mit fremden Witzen zu schmücken, oder?

Highlight meines grauen Vormittags in der Welt der Bauer-Magazine ist aber auf jeden Fall das Emoji-Interview der Woche mit Nico Rosberg anlässlich seiner neuen Rolle als Investor in der VOX-Sendung „Die Höhle der Löwen“. Ich muss sagen, als Frau Ende 30 habe ich mich selten auf so vielen Bedürfnis-Ebenen (Promi-Geilheit, Emoji-Benutzung) angesprochen gefühlt.

Apropos Emojis. Laut Eigenwerbung orientiert sich „Laura“ an den „digitalen Sehgewohnheiten der Leserin“, und deshalb gibt es dort, wie im Internet, lauter Tierbilder. Süße Pinguine, zum Beispiel, und entsprechend verschnulzte Textchen dazu: „So rührend, wie die Kaiserpinguine ihren Nachwuchs umsorgen.“ Und dann auch noch die Nachricht, dass irgendwo jetzt ein Mops bei der Polizei arbeitet. EINFACH NIEDLICH!

Weil die „Laura“ sich außerdem „als gute Freundin“ versteht, hat sie den „Laura-Treffpunkt“ eingerichtet. Dort werden Fotos gedruckt, die Leserinnen per WhatsApp einschicken. Thema für die nächste Woche, übrigens: „Hübsche Wärmflaschen“! Und man kann Geld gewinnen, wenn man mitmacht. Mann, es ist echt nicht einfach, so ein Heft zu füllen. Ich bin aus Mitgefühl fast versucht, meine Wärmflasche zu suchen und… aber nein.

Hie und da ploppt der Themenkomplex „Klimaschutz“ im Heft auf, zum Beispiel errechnet eine Redakteurin gemeinsam mit ihrem Sohn ihren CO2-Abdruck und überdenkt daraufhin einige Alltagsgewohnheiten. Das ist erfreulich, aber in dem jubelnden Artikel über die günstigen Kreuzfahrten einen Hinweis unterzubringen, dass dort nun auch langsam etwas gegen deren miserable CO2-Bilanzen getan wird, wirkt doch sehr wie ein simpler Gewissensberuhiger. Aber in der „Laura“-Welt ist eben alles einfach.

Auch die Titel der Rubriken: „Einfach schön“, „Einfach lecker“, „Einfach gesund“, „Einfach glücklich“, „Einfach Spaß haben“ – alles super leichtfüßig. Dass die Redaktion „Laura hilft: Mein Kollege belästigt mich sexuell“ in die Rubrik „Einfach glücklich“ eingeordnet hat, ist allerdings unglücklich, weil es verharmlosend wirkt. Und wieso gibt es in dem Magazin für moderne Frauen keine Rubrik, die sich beruflichen Themen widmet? Für Kochrezepte gibt es doch auch ein Ressort – und für die Eiweiß-Diät sogar ein Extraheft!

Am 12.3. Warzen und Hühneraugen entfernen

Die „tina“ bedient sich derweil, ihrer älteren Zielgruppe angemessen, eines anderen Narrativs: dem der sich aufopfernden Frau. Da kann man zum Beispiel „stillen Heldinnen“ zu einer Reise verhelfen („Und tina berichtet dann mit schönen Fotos über Ihre Heldin im Urlaubsglück“), der Uwe dankt seiner Thea („Du schenkst Frühchen Wärme“), und in der Kurzgeschichte erträgt eine Frau die kapriziösen Verhaltensweisen ihrer Schwester und wehrt sich schließlich mit, Achtung: Chili im Kuchen.

Aber „tina“ ist auch in der Fetter-Hintern-Thematik ganz weit vorn. Es gibt sogar eine eigene Rubrik mit dem Titel „Schlank“ und bei „Mode & Schönheit“ wird Mode versprochen, „die mit Ihnen abnimmt“. Das nimmt schon pathologische Ausmaße an. Wie wäre es denn damit, den Leserinnen etwas body positivity zu vermitteln? Aber das wäre dann vielleicht doch zu  modern.

Wirklich bemerkenswert finde ich, dass die „tina“-Redaktion einen sogenannten Mondkalender zur Verfügung stellt: am 12.3. kann man angeblich prima Warzen und Hühneraugen entfernen, und am 21.02. bitte nicht vergessen, die Vögel zu füttern! Dass der Mond Auswirkungen auf Physis und Psyche hat, will ich nicht bestreiten, und letztlich ist mir auch egal, woran Menschen glauben. Aber so einen Hausaufgaben-Kalender zu entwerfen und den als etwas zu verkaufen, das der Mensch ernst nehmen soll, ist schon ein starkes Stück.

Vielleicht sollte ich es zur Beruhigung mit der Aktivierung meines „Wunder-Nervs“ versuchen, denn so ziemlich alles von Depressionen bis Verdauungsproblemen und Stress kann man damit angeblich in Griff bekommen. Allheilmethoden machen mich grundsätzlich misstrauisch, aber das wird hier alles nicht kritisch eingeordnet. Stattdessen verweist Ingwersens Redaktion auf allerlei Heilpraktiker, die einem zur Seite stehen sollen.

Eine „Neuraltheraphie“ wird empfohlen und unter www.heilpraktiker.de soll die leidgeplagte Leserin einen geeigneten Therapeuten finden – doof nur, dass man dort keine Heilpraktiker findet, sondern Infos zur Heilpraktiker-Ausbildung. Naja, kann passieren. Doch im Artikel zu einer neuen Behandlungsmethode, die gegen Depressionen helfen soll, die Information wegzulassen, dass die Nebenwirkungen noch nicht ausreichend erforscht sind – kann mal passieren? Nee. Fühlt man sich da als Leserin ernst genommen? Ich nicht.

Dafür werden wir Leserinnen in der Rubrik „Leichter Leben“ sehr wohl ernstgenommen – als fleißige Konsumentinnen: Hier verbirgt sich ein Produktwerbungs-Stück mit dem klangvollen Titel „Wie schön, dass es euch gibt!“, in dem die „tina-Köchin“ allerlei Haushaltsgeräte vorstellt, die Frauen für das „leichte Leben“ erwerben sollen. Die Redaktion hat sich nicht mal die Mühe gemacht, das als Test zu tarnen, in dem Geräte verschiedener Hersteller verglichen werden, sie wirbt einfach ganz offen für die Vorzüge von bestimmten Joghurtbereitern oder Nudelmaschinen.

Probieren Sie mal was „Neues“, etwa: „Heiße Schokolade“

Bei „bella“ geht es gleich philosophisch los mit einem doppelseitigen Foto eines sonnigen Schneetags in den Bergen und einem Bonhoeffer-Zitat – das ist also die „Welt des Wohlfühlens“. Bonhoeffer ist nicht der einzige, den die Redaktion zur Erbauung ihrer Leserschaft heranzieht, Hugo von Hofmannsthal und Miuccia Prada sind ebenfalls dabei.

Und, außerdem: Probieren Sie doch mal was „Neues“, empfiehlt das Blatt! Ja, hm, was denn nur? Zum Beispiel „Heiße Schokolade trinken“ oder „Im Freibad schwimmen gehen“ – sind das nicht originelle Tipps? Und dann geht es ums Gehen, genauer: um „das Glück des Weitergehens“. Und mit einem Test können die Leserinnen noch herausfinden, wie alt sie wirklich sind. Dann geht’s so richtig los: „Schritt für Schritt zu mehr Jugendlichkeit“.

(Kleiner Tipp: Wenn Sie beim Treppensteigen sehr ins Schwitzen geraten, zu viel arbeiten und ein unerfülltes Sexleben haben, fällt das Ergebnis vermutlich nicht richtig doll für Sie aus, aber „bella“ wäre nicht die achtsame Begleiterin an Ihrer Seite, wenn sie nicht mit wertvollen Verbesserungsvorschlägen aufwarten würde. SPORTELN, SEIN FETT WEGKRIEGEN, OPTIMISMUS!)

Bei „bella“ begegnen sie der Fetter-Hintern-Thematik übrigens mit „der Kraft der Hormone“ und listen „55 Snacks“ auf, die unter 100 Kalorien haben. Toll. Dass neben den hormonell korrekten Rote-Bete-Falafel direkt ein Rezept für herrliche fettige Churros steht, ach – etwas Sadismus darf schon sein. Und wenn der Stress zwischen Hormon-Falafel und Fritteuse zu groß wird, einfach eine feine Naturmedizin einwerfen: „Mit Naturarzneien gegen den Stress“ – und schon wird alles gut.

Super Service nenne ich auch, eine dreiviertel Seite große Anzeige für eine Arznei, die bei Nervosität und Einschlafproblemen hilft, direkt neben den Artikel über die Schlafstörungen zu setzen. Diese Nähe ist nicht ungewöhnlich in solchen Magazinen, die Anzeige ist auch ordentlich als solche gekennzeichnet. Es stößt mir dennoch auf.

Jede Woche „100 Top-Tipps“ aus den Fingern gesaugt

Doch als ich „Alles für die Frau“ zur Hand nehme, wünsche ich mir das zahnlose Achtsamkeits-Gesülze von „bella“ zurück. Der Titel ist schon eine einzige Überforderung: Auflauf, Rückenschmerzen, Billigreisen, Wundersuppe, Angehörige zuhause pflegen, TV-Planer, Strickklamotte, Blitzkuchen, 68 Pfund weg, Waschbären in der Stadt… mir geht die Luft aus, als ich das alles vor mich hinflüstere. Ich blättere los.

Das günstigste der fünf Magazine wartet jede Woche mit „100 Top-Tipps“ auf. Diese Woche „Ideen für Ordnung, WhatsApp, Haftpflichtversicherung und mehr“. Ich ahne Schreckliches, denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man sich jede Woche „100 Top-Tipps“ aus den Fingern saugt, ohne sich zu wiederholen. Ich habe jetzt nicht überprüft, wie viel sich doppelt – aber eigentlich kennen wir das Ergebnis doch sowieso, nicht wahr?

Tatsächlich erinnern mich diese acht langen Seiten an die „Life Hack“-Videos, die es einem in die Timeline spült, nur weil man einmal kurz auf eins geklickt hat, um zu erfahren, wie man aus Orangenschalen Putzmittel herstellt – wie das so läuft. Nach der Lektüre der aktuellen „100 Top-Tipps“ weiß ich jedenfalls, dass ich mit meinem Mobiltelefon schön Fotos machen kann, aber auch wie ich einen Brillenbügel befestige. Und dass ich mehrmals am Tag meine Bude lüften sollte!

(Überlege, ob ich mir mal Zeit nehmen sollte, wirklich alle diese Tipps auszuprobieren und auf Wirksamkeit zu überprüfen, denke aber, das Leben ist vielleicht zu kurz dafür.)

Was die Fetter-Hintern-Sache in „Alles für die Frau“ angeht, hat der Kollege Mats Schönauer sich bereits ausführlich damit befasst, wie hier Schleichwerbung für Diät-Mittel gemacht wird – und der Presserat auch. Es ist eine herrliche Konstante, dass sich auch zwei Jahre später gar nichts geändert hat: „Mein Leben hat jetzt viel mehr Qualität“, sagt eine Frau, die „von einem Programm“ gehört hatte und damit dann angeblich viel Gewicht verlor. Auf das Programm wird freilich gleich mit Link und Telefonnummer verwiesen. Alles wieder: Top-Service!

Zuletzt widme ich mich dem Magazin „Meins – Frauen wie wir!“, das den ganzen Diätwahn freundlicherweise einfach mal weglässt. Es wird zwar ein Acht-Wochen-Ernährungsprogramm vorgestellt, aber hier steht die Darmgesundheit im Fokus und nicht die Größe des Hinterteils. Auch was den Antagonisten des Diätwahns angeht, die nicht enden wollende Flut von Koch-und Backrezepten, ist es hier übersichtlicher: weniger Rezepte, hübschere Fotos, interessantere Gerichte.

Auch in „Meins“ wird die Nähe zur Leserin gesucht, wie zum Beispiel mit dem „Laura-Treffpunkt“ oder „Was ich euch schon immer erzählen wollte“ in der „tina“. In „Meins“ werden, üppig bebildert, die sogenannten „Cafe Meins“-Treffen oder die Outfits von Frauen aus Bad Schwartau gezeigt. Alles eine große Familie, die ihr Gemeinschaftsgefühl durch die Verwendung des freundschaftlichen „Wir“ zu erzeugen versucht: „Wir leben unsere Träume – wie wir für uns ALLES möglich machen“ oder „Jetzt sind wir mal dran!“.

Chefredakteurin Ingwersen im Kuschel-Look

Da lässt sich Sabine Ingwersen dann auch mal selbst in einer Modestrecke abbilden, ganz leger, ganz entspannt, eben eine von uns, die es sich auch mal bequem macht. Nah dran soll sich die Leserin auch an den interviewten Schauspielerinnen fühlen oder bei „Generation Wow! Hochzeit mit 50+“.

In der „Meins“ sieht alles etwas edler aus. Ich kann den Gedanken „Jetzt konzentriere ich mich auf mich“ gut leiden, und dass deutlich vermittelt wird, dass Frauen mit über fünfzig Neues anfangen können. Und ist doch auch schön, dass in Bad Schwartau ältere Frauen bunte Mäntel tragen und ihnen vorgeschlagen wird, zum Gianna-Nannini-Konzert nach Aalen zu fahren.

Einfach ganz typische Frauenzeitschriften

Was bleibt also zu sagen zu „tina“, „bella“, „Laura“, „Alles für die Frau“ und „Meins“? Es sind typische Frauenzeitschriften, die teilweise schon bei meiner Großmutter auf dem Küchentisch lagen, und vermutlich ist das Rezept für meinen Lieblingsweihnachtskeks, das ich von ihr geerbt habe, genau aus einem dieser Hefte. Sie sind ein schneller Zeitvertreib: Man liest sie durch, schneidet Rezepte für Grünkohl-Salat aus und wird mit ihnen älter.

Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Ich habe aber Schwierigkeiten nachzuvollziehen, dass zwischen all den Kochrezepten, Kreuzworträtseln, Make-Up und Pullover-Tipps insbesondere „soziales Engagement“, „ökologisches Bewusstsein“ und „der Kampf um Gleichberechtigung“ die zentralen Anliegen dieser Magazine sein sollen, wie es in der Begründung zum Lead Award heißt.

Ja, in „Tina“ gibt beispielsweise es einen Artikel über einen Verein, der sich um trauernde Kinder kümmert. In „Laura“ steht die oben erwähnte Geschichte über den CO2-Abdruck der Redakteurin, und es werden in allen Heften nicht nur Fernreisen empfohlen, sondern auch Urlaub an der Ostsee. Und, ja, „bella“ stellt eine junge Unternehmerin vor, die eine App für Mütter entwickelt hat. Aber einen Großteil der Hefte nehmen diese Themen nicht ein.

Und dann dieser permanente Diät-Wahn. Ich habe mir die jeweilige zweiten Hefte dieses Jahres angesehen, und auch dort sind tausendundein Abnehmvorschläge zu finden. Die Art und Weise, wie diese Themen positioniert und beworben werden, ist alles andere als modern und zeitgemäß, es spricht auch nicht für ein selbstbewusstes Frauenbild, sondern perpetuiert vielmehr Vorstellungen, die sich wandeln müssten, und zwar für alle Generationen.

5 Kommentare

  1. Arme Frau Halt, das muss hart gewesen sein. Die Schmale-Hintern-Thematik in Frauenheftchen scheint das Äquivalent zu der Waschbrettbauch-Thematik vergleichbarer Männerheftchen zu sein. Nur bieten die daneben keine Kochrezepte, sondern Autotests. Pech: Ich habe kein Auto, dafür koche ich gern. Zielgruppe verfehlt…

  2. Fetter-Hintern-Thematik, you made my day! Warum die Blätter oder warum die Frau dann einen Award bekommen haben, bleibt unklar. Vermutlich merkt man das, wenn man guckt, wer hinter dem LEAD-Award steckt. Irgendwie fehlt das im Artikel. Ich nehme an, dass die Frau ihn bekommen hat, weil sie oder der Verlag »einfach mal an der Reihe« war.

  3. Ich frage mich seit Jahrzehnten, wer diese Heftchen eigentlich liest. Denn es gibt ja sehr viele davon. Und fast alle bedienen ein sehr konservatives Frauenbild: Schön sein, Kochen, Haushalt und Familienversorgung sind nach wie vor die allerersten Pflichten. Dazu Herz-Schmerz, Promi-Klatsch und ganz am Rand ein bißchen Beruf, meist reduziert auf die Frage, was frau im Büro anzieht.
    – Allerdings würden die Verlage nichts in Massen produzieren, wofür es keine Zielgruppe gäbe. Es müssen also Hunderttausende, wenn nicht Millionen von Frauen doch geneigt sein, in diese gestrige Welt einzutauchen, sich darin wiederzufinden, sich dort Rat und Zuspruch zu holen.
    So furchtbar weit her ist es wohl nicht mit der „neuen, selbstbewussten Frau“… Die Praxis deckt unbarmherzig auf, dass wir eigentlich noch immer in der wilhelminischen Zeit leben.

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