„Leute, hört doch auf mit dem Scheiß“: Hans Sigls Kampf gegen die Lügen der Regenbogenpresse
Als „Bergdoktor“ beschert Schauspieler Hans Sigl, 50, dem ZDF seit Jahren traumhafte Quoten, bis zu sieben Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer schalten regelmäßig ein. Von dem Erfolg wollen auch andere etwas abhaben: die Verlage der Regenbogenpresse. Jede Woche drucken sie Sigls Gesicht auf die Titelseiten ihrer Knallblätter und denken sich schockierende Schlagzeilen aus.
Zwar wehrt Sigl sich wie kaum ein anderer Prominenter öffentlich gegen die „Vollhonks“ der „fucking Yellowpress“, doch sie lassen nicht von ihm ab. Inzwischen haben es die Redaktionen auch auf seine Frau abgesehen. Wie geht man damit um? Welche Lügen sind besonders hängengeblieben? Und warum gibt er solchen Blättern immer noch Interviews? Wir haben Sigl in einer Hamburger Hotellobby getroffen. Ein Gespräch über Fluch und Nutzen der Klatschpresse.
Herr Sigl, erinnern Sie sich an die Schlagzeile: „Hans Sigl – Sein Kampf gegen den Alkohol!“?
Oh ja! Das war eine große Nummer. Die erschien, ähm …
… vor fünf Jahren.
Damals gab es diese Challenge unter Jugendlichen, ganz viel Bier zu exen und davon Videos davon in den sozialen Medien zu posten. Ich habe auf Facebook geschrieben, die Kids sollten doch aufhören mit dem Quatsch und lieber rausgehen, um miteinander mal ein Bier zu trinken. In England sind damals sogar Jugendliche gestorben. Weil sie kein Bier geext haben, sondern Wodka. Dazu habe ich mich also geäußert und wollte Gutes bewegen – und dann diese Schlagzeile!
Haben Sie die damals direkt mitbekommen?
Ja, ich war da gerade im Urlaub. Ich dachte: Was ist denn jetzt los? Auch im Fernsehen lief damals Werbung für das Blatt mit dieser Schlagzeile, und meine Frau wurde sogar angerufen: Was ist los mit dem Hans? Hat der ein Problem? Die Überschrift verheißt Böses. Schocknachricht! Horrormeldung! Und erst im Artikel stellt sich heraus, dass etwas ganz Harmloses dahintersteckt. Das geht überhaupt nicht. Das ist analoges Clickbaiting.
Die Alkohol-Schlagzeile war eine der ersten Geschichten über Sie, die wir im Topfvollgold hatten, das war 2014. Seitdem hat sich einiges geändert. Damals waren Sie alle paar Wochen mal groß auf einer Titelseite, und inzwischen gehören Sie zu den Top 10 der am häufigsten vorkommenden Prominenten. Jede Woche erscheinen etliche Artikel.
Natürlich ist es so, dass der „Bergdoktor“ vom Sujet her wunderbar zu diesen Heften passt: Berge, Geranien, vermeintlich heile Welt. Die Yellowpress bedient sich bei uns und verkehrt unser Anliegen, modern zu sein, ins Gegenteil. Auch weil das gute Bilder verspricht, mit all den Bergen und so. Ich habe einen sehr lieben Fan in Tirol, eine Frau, die quasi meine mediale Überwachung macht und mir alles zuschickt, was über mich erscheint. Inzwischen habe ich zu Hause ein Archiv mit zehn Ordnern voller Artikel.
Gibt es welche, die besonders im Kopf geblieben sind?
Ja. Ina Müller hatte mich in ihrer Show darauf angesprochen, dass ich so groß sei. Ich habe dann gesagt, ich sei zwischen 16 und 17 extrem schnell gewachsen, und mein Arzt habe mir Tabletten gegeben, weil ich in einem Jahr fast einen Meter zugelegt hatte. Das war natürlich ein Gag, der war auch erkennbar. Und was wurde daraus? Die Schocknachricht.
„Höllenqualen“!
Wenn er die Tabletten nicht genommen hätte, wäre er jetzt 2,50 Meter groß! So in etwa stand das da. Das ist schon fast Comedy. Aber die meinen das ernst.
Günther Jauch hat mal gesagt, er könne sich wegen dieser Blättter nicht mehr so frei in der Öffentlichkeit äußern, wie er es gerne tun würde, weil er wisse, dass aus jeder Äußerung irgendeine Drama-Schlagzeile gemacht werde. Sehen Sie das auch so?
Ja. Voriges Jahr habe ich mein erstes Soloprogramm gespielt, eine Stand-up-Comedyshow. Ich erzählte aus meinem Leben. Alles kabarettistisch überhöht und klar als Humor erkennbar. Im Publikum saß allerdings eine Journalistin. Drei Monate später erschien ihr Text über den Abend, pünktlich zum Start der neuen „Bergdoktor“-Staffel. Aber das war keine fachliche Kritik, die hat mich einfach nur runtergeschrieben: Schock-Auftritt, er redet wirres Zeug, er ist am Ende seiner Kräfte und so weiter. Ich hab dann beim Chefredakteur angerufen und ihn gefragt, warum sie das machen. Obwohl ich die Antwort eh wusste: Sie haben es zurückgehalten, um dann, wenn wir auf Sendung sind, volles Rohr dagegen zu schießen.
Was hat er gesagt?
Er meinte nur: Sie wissen doch, wie’s funktioniert. Die wollen doch sowas. Ich sag: Ich weiß es, ja, aber Sie dürfen nicht glauben, ich würde es nicht wahrnehmen. Und ich möchte dieser Frau sagen: Wenn sie das, was auf der Bühne unter dem Label „Comedy“ passiert, für bare Münze nimmt, dann ist das nicht in Ordnung.
Dieses Jahr ist es wieder passiert: Ich habe viel Gewicht verloren und in meinem Programm gesagt, dass meine Frau mich dazu motiviert hat. Und dass sie mir mal stumm den Anzug hingehängt habe, um mir zu zeigen: Wäre schön, wenn du da wieder reinpasst. Daraus wurde dann: Ehekrise! Die nehmen das, was auf der Bühne gesagt wird, ganz klar definiert als kabarettistische Überhöhung, und machen daraus eine scheinbar wahre Schlagzeile. Da habe ich gemerkt, dass ich nicht mehr frei sein kann, wenn ich auf diese Art und Weise kritisiert werde, sprich, ich etwas drauf geben würde, was die Damen und Herren schreiben.
Welchen Schluss haben Sie daraus gezogen?
Ich habe in meinem nächsten Soloprogramm eine halbstündige Slideshow vorweg gestellt mit all diesen Schlagzeilen aus der Regenbogenpresse, um zu zeigen, was in dieser Parallelwelt abgeht. Es war offenbar wieder jemand aus einer Klatschredaktion da, aber diesmal haben sie interessanterweise gar nichts darüber gemacht. Komisch, ne?
Sie sind der einzige Prominente, den ich kenne, der diese Blätter regelmäßig öffentlich kritisiert. Wieso machen Sie das? Und wieso machen andere das nicht?
Ich mache es, weil es ein auf Unwahrheit basierendes Geschäftsmodell ist. Meine Frau und mich hat neulich am Flughafen jemand fotografiert, als wir etwas entfernt hinter einem Fahrer hergingen, der uns zu einer Fernsehsendung abgeholt hat. Weil ein bisschen Abstand zwischen uns war, mussten wir uns etwas lauter unterhalten. Daraus wurde dann: Sie streiten sich am Flughafen, Ehekrise! Das kann man natürlich weglächeln und sagen: Was für ein Unsinn! Andererseits ist das ein Bild, das da von uns gezeichnet wird, das der Unwahrheit entspricht. Und dagegen gehe ich mein Leben lang vor: Ignoranz, Dummheit und Unwahrheit. Hier sogar in Summe anzutreffen.
Ärgert Sie das sehr?
Ja. Umso mehr, wenn meine Frau als eine keifende böse Frau dargestellt wird, die sie nicht ist. Früher war ich ja bloß immer Thema. Weil wir einen medizinischen Berater haben für den „Bergdoktor“, dessen Brotberuf Psychiater ist, mit dem ich auch sonst viele Projekte zusammen mache, ein Hörbuch zum Beispiel. Zur neuen Staffel haben wir ein Doppelinterview gegeben, in dem ich gesagt habe, dass wir befreundet sind und uns regelmäßig treffen.
Oh, oh!
Dann kommt wieder so eine superschlaue Nase auf die Idee: Ja, wenn der Typ seinen Freund, der Psychiater ist, regelmäßig trifft, dann hat er doch bestimmt psychische Probleme. Depressionen! Deswegen gehe ich dagegen vor: Weil es die Unwahrheit ist. Es ist lästig, macht Arbeit, kostet Geld. Ich muss ja Anwälte einschalten, die Abmahnungen schicken oder Einstweilige Verfügungen erwirken. Ich glaube, das ist der Grund, warum Kollegen sagen: Ach, komm, egal. Aber wenn sie meiner Frau unterstellen, sie würde Psychoterror ausüben, dann ist das glasklares Mobbing. Ein Eingriff in eine Beziehung von Personen.
Wenn also die Familie betroffen ist, hört der Spaß auf?
Genau. Ich kann einerseits damit umgehen, weil ich mich auch auf Facebook zu wehren weiß, zumal ich dort eine gewisse Reichweite habe. Aber das haben meine Frau oder meine Kinder nicht, und dann muss ich reagieren.
Der Verlagsgeschäftsführer des Bauer-Verlags hat vor ein paar Monaten in einem Interview gesagt, auch bei Klatschblättern handle es sich „unser aller Überzeugung nach um Journalismus, und zwar mit der Vorsilbe ‚Qualitäts‘.“
Naja, man kann auch auf ein Produkt voller Fett und Zucker schreiben: Gesund, mit frischer Milch. Und es ist der größte Dreck.
Nehmen die Redaktionen eigentlich mal Kontakt auf, wenn sie solche Geschichten schreiben?
Nee, das passiert nicht. Eine Zeitlang habe ich bei denen angerufen und den Chefredakteuren gesagt, sie sollen sich bitte keine Sorgen machen, uns gehe es gut. Nun bin ich als Österreicher auf einem Level der Ironie, den die gar nicht verstehen und dann sagen: „Ach, da sind wir jetzt aber wirklich froh, dass sie uns anrufen!“ Eine Weile war das witzig, aber dann sind Sachen passiert, die nicht mehr witzig waren. Darum rufe ich jetzt nicht mehr selber an, sondern habe Anwälte, die für mich anrufen.
Hat sich die Berichterstattung denn geändert, wenn Sie in der Chefredaktion angerufen haben?
Nee. Dieser eine Kollege hat sich nicht mal entschuldigt. Er hat gesagt: „Was wir anbieten können, ist, dass wir nächstes Mal eine schöne Geschichte machen.“ Ich glaube, da geht es vielen Kollegen ähnlich. Da wird man zur Zusammenarbeit fast schon genötigt. Sonst schreiben sie wieder Scheiß. Das Problem ist, dass wir diese Medien auch als professionelle Partner nutzen, wenn wir eine neue Staffel oder einen Film bewerben. Mir kommt es vor, als gebe es da zwei Redaktionsebenen: Die eine ist für Telefoninterviews zuständig und zuvorkommend, die schickt einem auch die Interviews zum Gegenlesen. Und dann gibt’s die Kellerredaktion, die sagt: Okay, wir warten ein bisschen ab – und dann machen wir eine Schockgeschichte daraus! Das ist quasi das „Darknet“ der Yellowpress. Misstrauen ist deshalb ein ständiger Begleiter.
Von Ihnen gab’s in diesem Jahr Interviews im „Neuen Blatt“, in der „Frau Aktuell“, in „Schöne Woche“ – und jedesmal frage ich mich: Warum? Wieso einerseits aufregen, andererseits mit denen zusammenarbeiten?
Weil nicht jeder „Spiegel“, „FAZ“ und „taz“ lesen kann. Es gibt eben ein Publikum, das mag es gerne ein bisschen einfacher, und das wird da bedient. Es ist keine Option, nicht mit diesen Zeitschriften zusammenzuarbeiten. Und, wie gesagt: Diese Art der Zusammenarbeit funktioniert ja auch gut. Der Film „Flucht durchs Höllental“, zum Beispiel, der im Sommer gelaufen ist [und in dem Sigl einen Anwalt spielt, der die Entführer seiner Tochter jagt], der fand aber in diesen Blättern gar nicht statt …
Doch: „Familien-Drama! Plötzlich zeigt er seine dunkle Seite!“
Ja, okay. Stimmt.
Aber die „Neue Post“, zum Beispiel, dichtet Ihnen immer wieder Ehekrisen und Psychoprobleme an, worüber Sie sich immer wieder aufregen. Wäre es da nicht besser zu sagen: Mit denen rede ich gar nicht mehr?
Ja, speziell zu diesem Blatt habe ich dem Pressebeauftragten der „Bergdoktor“-Produktionsfirma schon gesagt, dass in diese Richtung nix mehr geht. Aber manchmal ist es auch so, dass ein Journalist, der mich interviewt, verschiedene Medien bedient.
Über Ihre neuen Filme und „Bergdoktor“-Staffeln berichten diese Blätter aber doch sowieso. Da braucht es diese PR-Interviews doch gar nicht mehr.
Vielleicht muss ich da für mich einen neuen Weg finden. Aber vielleicht ist in mir auch ein Didakt, und ich möchte die ein bisschen erziehen und sagen: Leute, kommt, hört doch auf mit dem Scheiß. Das ist doch auch Ihr Ansatz. Sie könnten sich ja auch mit Themen beschäftigen, die wesentlich sinnstiftender wären. Also vielleicht die Gegenfrage: Glauben Sie, dass sich durch Ihre Arbeit etwas verändert?
Ich glaube schon. Es werden heute, zum Beispiel, viel seltener Reportagen erfunden als zu unserer Anfangszeit. Damals gab es fast jede Woche Geschichten wie: „Die Queen sitzt am Bett ihres Mannes, eine zarte Träne läuft ihre Wange herunter, während sie die Hand ihres Mannes streichelt“ – also Reportagen, die ganz klar ausgedacht waren. Kommt heute so gut wie gar nicht mehr vor. Ich glaube, das liegt zum Teil auch daran, dass die Redaktionen wissen, dass wir das öffentlich machen. Insofern kann ich so einen didaktischen Ansatz durchaus verstehen.
Und ich frage halt: Warum kann man nicht einfach respektvoll miteinander arbeiten? Warum muss ich aufpassen, warum muss ich jemanden ausschließen? Und warum ziehen Drama, Schicksalswende, Schocknachricht überhaupt so gut? Was ist mit uns Menschen passiert, dass auf einer Unterhaltungszeitschrift so etwas stehen muss? Meine These: Weil es vielen Menschen, die das kaufen, vielleicht nicht so gut geht und sie dann Bock haben, zu lesen, wem es noch schlechter geht. Also: scheinbar schlechter. Aber das ist ja egal. Hauptsache Horrornachricht. Hier! (Zeigt auf den Stapel Regenbogenhefte.) Michael Schumacher: „Schicksalswende“, „Unglaublich, was jetzt enthüllt wird“. Die spielen mit dem Voyeurismus der Leser. Und natürlich wissen das die Macher. Es ist einfacher, für einen fetten Burger Werbung zu machen als für ein vegetarisches Restaurant. Und darum geht’s: Fritten, Sex und Titten. Das ist das, was funktioniert.
Verlagsmanager sagen gerne, dass die Leserinnen und Leser dieser Hefte wüssten, dass das alles nicht ganz stimmt. Und dass sie das wie Literatur lesen.
Unsinn.
Weshalb?
Mein Sohn schickte mir neulich ein Foto von der „Aktuellen“, die uns eine Ehekrise angedichtet hatte. Dazu schrieb er: „Was ist da los?“ Immerhin hat er ein lachendes Smiley dahinter gesetzt – weil wir über das Thema schon mal gesprochen haben. Aber viele Leser wissen natürlich nicht, dass es nicht stimmt.
Günther Jauch oder Stefan Raab halten ihr Privatleben ja komplett raus aus der Öffentlichkeit. Über deren Kinder berichten die Blätter so gut wie nie, weil sie wissen, dass sie damit vor Gericht keine Chance hätten. Bei Ihnen ist das ein bisschen anders, es gibt zum Beispiel Fotos von Ihren Kindern.
Wir haben einmal ein Foto rausgegeben, vor zehn, zwölf Jahren. Da war ich noch unbedacht, weil ich nicht wusste, in welche Richtung sich diese ganze Kiste entwickelt. Es gibt auch nur dieses eine Familienfoto, das haben wir für die „Bunte“ gestellt, an Weihnachten, ganz am Anfang. Würde ich heute nicht mehr machen. Und dann gibt es noch das Gegenbeispiel, der Kollege Til Schweiger, der mit seiner Family komplett in der Öffentlichkeit lebt, aber selten in diesen Blättern vorkommt.
Vielleicht ist das eine Sache der Zielgruppe, vielleicht sind die Schweiger-Fans noch zu jung, um diese Blätter zu lesen.
Ist das meine Krux? Dass mein Format genau die Zielgruppe bedient?
Ich glaube, ja.
Gut, dann können wir das Interview ja beenden. Da ist nix zu machen! (lacht)
Gut, es zeichnet sich ab, woher der Wind weht: Man glaubt die Yellow Press aus Gründen des Marketings zu brauchen, also „arbeitet“ man mit ihnen zusammen. Und die spielen ihre vermeintliche Gatekeeper Rolle schamlos aus. Das Ganze scheint unberechenbarer zu sein wie eine „Zusammenarbeit“ mit der Bildzeitung. Meiner Meinung nach müsste man aufhören, dieses Monster zu füttern UND gleichzeitig rechtlich dagegen vorgehen.
Ganz großartig. Alle Beide. Sehr gelacht zum Schluß ;-)
Gegen die skrupellosen Lügner und Dummschwätzer der Yellow-Press hilft nur, konsequentes Verklagen der Verantwortlichen, und eine eigene Internetseite, auf der man jede Lüge dieser Schmierfinken sofort richtigstellt und die verantwortlichen Lügner namentlich benennt. Man muss diese Irren bloßstellen.
Was mich ein wenig wundert, ist, dass die Betroffenen ihre Reichweite nicht mehr zur Abwehr nutzen.
Die meisten, die solche Zeitschriften lesen, die gucken ja auch so Boulevard-Magazine, wo die Betroffenen ja auch nicht selten auftreten.
Da könnten die das Problem doch viel häufiger zum Thema machen.
Dazu deren Fanclubs, Facebook, Konzerte, sonstigen TV-Auftritte.
Ich glaube, da hätten die einen Hebel, den sie viel mehr einsetzen sollten.
Hans Sigels Fragen
„Und warum ziehen Drama, Schicksalswende, Schocknachricht überhaupt so gut? Was ist mit uns Menschen passiert, dass auf einer Unterhaltungszeitschrift so etwas stehen muss?“
hat er sich schon relativ gut selber beantwortet. Was ich als nicht schlüssig erkenne ist die Prämisse, dass mit uns Menschen da etwas aussergewöhnliches passiert sei, so als ob das mal anders gewesen wäre. Die Suche nach extremen Neuigkeiten, egal ob positiv oder negativ, ist ein maßgeblicher Teil der menschlichen Natur.
Sigels Antworten auf die Frage „Warum kann man nicht einfach respektvoll miteinander arbeiten?“ kann auch erweitert werden. Die Sache ist die: Presseerzeuger brauchen frische Peakmomente ihrer Objekte. Diese Peaks werden aber schon weitestgehend durch die niedriglatenten Veröffentlichungen abgedeckt und sind in dem Moment, an dem die Gelbe Presse ihre Erzeugnisse herausgibt oft schon ein alter Hut. Um Dinge zu erfahren, die schon bekannt sind, kauft sich kaum jemand eine Zeitung. Dieser Umstand zwingt die Gelbe Presse geradezu dazu im Dunklen zu fischen (Paparazzi), aus Stichlingen Orkas zu konstruieren oder diese gar komplett selber zu erfinden.
Ich frage mich, ob die Gelbe Presse in einer aufgeklärten nicht-kapitalistischen Welt noch zweckmässig wäre. Wenn die Genese von Gewinn kein Treiber mehr ist, gäbe es diese Form der Berichterstattung dann überhaupt noch? Oder driftet das dann offen in den Raum der Fiktion ab und wird als Kunstprodukt, was es ja jetzt schon ist, auch vermarktet und als solches erkannt?
Ich verstehe die Definition einer „öffentlichen Person“ wohl falsch oder will sie einfach nur in simpler Weise verstehen. Als ob das eine Kategorie Mensch wäre, die permanent unter Beobachtung mit anschließend wild interpretierter Berichterstattung stehen dürfte. Wenn sich eine Person auf die Bühne begibt, oder mit der Presse spricht, ist das offensichtlich ein Akt, der für die Öffentlichkeit inszeniert wird. Steht ein Schauspieler vor der Kamera, ist das so wenig öffentlich, wie das Training einer Fußballmannschaft. Erst das Produkt, der Film, ist wieder ein klarer Fall für die Öffentlichkeit. Der Weg auf die Straße, zum Taxi, und dem Flugzeug, Einkaufen, Joggen, etc. ist doch für jeden erkennbar privater Natur.
Es kann nicht sein, dass Sportlern, Schauspielern, Politikern die Grundrechte beschnitten werden, nur weil sie als mehr oder weniger prominent gelten. Alleine darüber urteilen schon die Medien in Selbstjustiz.
Meiner Ansicht nach müssen hier endlich Gesetze, oder Definitionen in Gesetzen, korrigiert werden. Die Unterscheidung privat/öffentlich kann doch nicht so schwer zu einzugrenzen sein, dass Prominente nicht mehr ohne Beobachtung und/oder Beurteilung ihres Verhaltens die eigenen vier Wände verlassen können. Mindestens eine Prominente ist jedem bekannt, die durch dieses „öffentliche Interesse“ zu Tode kam, geschehen ist offenbar seit Jahrzehnten nichts, weder bei der Gesetzgebung noch in den Köpfen der Käufer dieser Sensationsblätter.
Meine kleine Theorie dazu ist (oder ich hab sie irgenwann mal aufgeschnappt):
Die Leser/innen davon wollen den Nervenkitzel / die spannende Neuigkeit vom Promi und die Überschriften liefern Skandal, Drama etc.
Der Text zeigt dann, dass alles ganz harmlos ist und die Leser sind auch froh, dass es dem Star gut geht, alles halb so schlimm ist und die Welt sich doch nicht schlagartig verändert.
Anders kann ich mir nicht erklären, dass sich irgend jemand ein zweites Heft kauft statt sich vom ersten Heft belogen zu fühlen.