Die Weihnachtsgeschichte (22)

Twitter ist kein Ort für Ulf Poschardt, Jesus und Maria!

Illustration: Christoph Rauscher

Warum Josef und Maria und der kleine Jesus nicht auf Twitter sind und auch Sie es nicht sein sollten. Eine Analyse von Ulf Poschardt, Chefredakteur von „Welt“

Ein allerletztes Mal ergießen sich Hohn und Spott der Empörungsbrigaden aus ihren bourgeoisen Wohnzimmern über mir. Dabei ist nichts anderes passiert, als dass ich meinen Abschied von einem Medium verkündet habe, das längst zur Müllkippe der Kulturlandschaft verkommen ist, auf dem rigide Calvinisten, Gleichheitsfetischisten und Panikrhetoriker mit protestantischer Humorlosigkeit ihre Moralabfälle entsorgen.

Dabei hätte ich es besser wissen müssen. Robert Habeck hat seinen Abschied dort verkündet. Maria und Josef und der kleine Jesus waren so weitsichtig, sich erst gar keinen Twitter-Account zuzulegen. Man kann sich vorstellen, mit welchen Moralkeulen auf die Erlöserfamilie von links und rechts eingedroschen worden wäre.

Gut, das vielstimmige Empörungs-Gequake aus den rassistischen, revanchistischen und reaktionären Tümpeln ist erwartbar. Viel schwerer wiegt jedoch der neue Moral- und Tugend-Ernst der klimareligiösen Links-Urbanen mitsamt seiner gretathunhaftigen Enteignungs- und Entmündigungstendenzen.

Und ja, die Zwangsjacken-Schneider der Politischen Korrektheit, jeder Differenziertheit abholden Debatteneinpeitscher und aggressionsenthemmten Umerziehungsprediger hätten alles unternommen, um die Heilige Familie mit ihren dialektischen Exkrementen zu bewerfen.

Pseudoreligiöse Klima-Schnüffler wären Maria und Josef nachgereist und hätten sich mit Stasi-Methoden daran gemacht, den ökologischen Fußabdruck ihrer biblischen Odyssee auf Twitter zu dokumentieren.

Tugend-Spitzel hätten die Geschwindigkeit des Ochsenkarrens überprüft, die Exkremente ihres Esels auf Nitrate untersucht, den Methan-Ausstoß der Schafe gemessen und mit einem Schallpegelmesser das Geschrei des neugeborenen Jesus erfasst, um ihn anderntags beim Ordnungsamt Bethlehem wegen Verstoß gegen die Ruhezeiten anzuzeigen.

Diese selbsternannten Tugendwächter mit ihrem Hang zu romantizistischem Sozialklimbim und Fürsorgemaschinerien hätten in passiv-aggressiver Scheinbesorgnis das Jugendamt alarmiert und damit nichts anderes als den Denunziationstrieb der Anständigen unter Beweis gestellt.

Die organisierte Twitteria hätte eine Flut von herabsetzenden Tierbegriffen über der jungen Familie ausgekübelt, zu denen all die Netzwerk-Esel neigen, die mit ihrem lautem I-A jeden niederblöken, den sie nicht in ihrem Stall haben wollen. Die linken Meinungsführer mitsamt ihrer durch GEZ und Radfahrerverband gesteuerten Kampagne gegen die Freiheit des Individuums hätten die Heilige Familie mit wüsten Unterstellungen und Verschwörungstheorien verfolgt. Narzisstisch gestörte Öko-Autisten hätten sie mit Pathologisierungen jedweder Art bedacht.

Kurz gesagt: Man hätte die Heilige Familie auf Twitter mit Polemiken, Entwertungen, Zuspitzungen, Vergiftungen und Verschärfungen jedweder Art bedacht.

Nein, mit einem solchen Netzwerk will ich nichts zu tun haben! Ich habe mich daher von Twitter verabschiedet! Folgen Sie meinem Beispiel, Sie werden nichts vermissen. Josef, Maria und Jesus tun es auch nicht.

PS: #FREEALPHONSO


Ulf Poschardt ist Chefredakteur der „Welt“-Gruppe und war längere Zeit auf Twitter aktiv.

3 Kommentare

  1. Tja, ist das nun Satire oder einfach nur eine realistische Zustandsbeschreibung. Ich bin mir nicht ganz sicher, das klingt alles so echt!

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