Die Weihnachtsgeschichte (13)

„Betlehemer Botschaft“: Weihnachtsmanifest von Silke & Holger Friedrich

Illustration: Christoph Rauscher

„Langeweile“ …

… gleicht dem Ungesagten eines niemals geschriebenen Briefes, bei dem das Porto vergessen wurde. Es ist das, was zwischen den Zeilen steht, wenn man die Zeilen weglässt. Es ist die Trägheit des Herzens, multipliziert mit einer Prise Müßiggang und geteilt durch eine gehörige Portion Lebensüberdruss. Es ist die unerfüllte Sehnsucht nach dem Sonnenbad mitten in der Nacht, es ist der Versuch in sich zu gehen und dort zu bleiben. Und Langeweile ist der Hauptgrund für unsere unternehmerischen Erwerbungen.

Als uns der römische Dichter Publius Ovidius Naso („Ovid“) unmittelbar nach dem Kauf der „Bibel“ für sein Werk „Metamorphosen“ interviewte, startete das Gespräch mit der gemeinsamen Feststellung, dass wir eher mit hochprozentigem Klaren als mit hochprozentiger Klarheit sozialisiert sind. Und dass dies zu Zeiten der römischen Besetzung Palästinas und all die Jahre danach prägend, ja der Kauf des Alten und Neuen Testaments durch uns eine persönliche Reaktion auf die von uns empfundene strukturelle Langeweile war — gerade mit Blick auf den Diskurs über Nächstenliebe, Christentum und Brausebonbons.

Heute lesen Sie nun die erste Ausgabe von „Holger und Silkes Bibel“, der einzigen Bibel, der Sie Ihren Glauben und vor allem Ihr Geld schenken sollten. Viele Mitarbeiter der Bibel-Redaktion haben in den letzten Wochen neben dem Verfassen von öden Bibel-Texten Zusätzliches geleistet, um diesen ersten Impuls zu ermöglichen, dem noch weitere folgen werden und ja, das soll eine Drohung sein. Als Neu-Verleger Holger und Silke möchten wir Ihnen ein herzliches DANKE sagen für den Mut, sich auf uns einzulassen, denn vieles ist neu im Umgang miteinander. Zum Beispiel, dass wir Ihnen unredigierte Texte von epischer Länge und epochaler Verquastheit vorsetzen, Texte wie den hier vorliegenden.

Auch und gerade eine Bibel aus dem Hause Holger und Silke muss beweisen, dass sie vermitteln kann in der anwachsenden Komplexität; dass sie transparent machen muss, wenn mit Handgranaten im Trüben gefischt und in den viel zu groß gewordenen Grauzonen unzulässig oft leistungsfrei vom Schwarzweiß-Denken profitiert wird. Sie sollte denen, die einen friedlichen, leistungsorientierten und nachhaltigen Beitrag leisten, ein professioneller Unterstützer sein. Schließlich geht es im Leben nicht darum Gutes zu tun, sondern viel dafür zu berechnen.

Daher sollte sich unsere Bibel nicht darauf beschränken, mit dem Fahrstuhl auf und ab, sondern auch nach links und rechts zu fahren und den primär am Fahrstuhlfahren Interessierten mit dem Klappspaten der Aufklärung den Weg zu ebnen. Religion darf keinesfalls mit doppelten Standards agieren, denn das könnte von böswilligen Beobachtern als Doppelstandard ausgelegt werden. Dort, wo sie es wiederkehrend und mit großer Selbstgewissheit tut, verliert sie Glaubwürdigkeit! Und das kann an dieser Stelle durchaus gefragt werden: Was wäre der Glaube ohne Glaubwürdigkeit?

Zurückkommend auf die uns prägende Musik erinnerten wir ein Lied, das formuliert, was uns beide Ende August, in der Schlussphase des Kaufs der Rechte am Bibel-Verlag, immer wieder aufs Neue motiviert hat, die Verhandlungen nicht scheitern zu lassen: „Santa Maria / Insel die aus Träumen geboren / Ich habe meine Sinne verloren / In dem Fieber, das wie Feuer brennt”.

Warum ist es nicht möglich, diesem Anspruch Raum zu geben. Warum realisiert er sich nicht in den durch Rom besetzten Gebieten, nicht im nächtlichen Bethlehem, noch nicht mal in diesen, unter dem Einfluss einer Vielzahl eingenommenen alkoholischen Getränken entstandenen Zeilen?

Wir als neue Verleger fragen uns, warum das Römische Reich nicht adäquat auf eine sich beschleunigende Welt reagiert. Und was uns mehr für die Zukunft hilft: Weiterhin ausufernde Orgien in Rom zu diskutieren – oder zu hinterfragen, wie den uns als relevant einzuschätzenden Herausforderungen souverän und konsequent begegnet werden kann. Wir fragen uns, ob unsere Politiker tatsächlich annehmen, dass wir als Bürger des Römischen Palästinas die undemokratische Verteilung von Posten nicht sehen können; dass uns nicht auffällt, wenn sich Herodes wie eine Inkarnation des Bösen aufführt, in dem er uns mit hohen Steuern belegt.

Im See Genezareth leben viele Fische, darunter der Sarotherodon galilaeus aus der Familie der Buntbarsche. Wir fragen uns, warum so viele dieser Fische kein Antischuppenshampoo verwenden? Wir fragen uns, warum das Tote Meer zu Lebzeiten niemals eine Krankschreibung abgegeben hat, aber auf einer teuren See-Bestattung bestand? Wir fragen uns, warum die Frau von Herodes noch nie in der Öffentlichkeit gesehen wurde und warum sie nicht Frauodes heißt?

Die Idee einer Absicherung durch Verbeamtung folgte dem Motiv, den partiell korrupten und, noch wesentlicher, meist inkompetenten Landadel durch Profis zu ersetzen. Wir machen den handelnden Personen keinen Vorwurf, sie wissen es nicht besser. Unsere Frage lautet vielmehr, warum sie nicht lernen wollen, an Zahlen und anderen messbaren Ergebnissen. Deshalb fragen wir: Warum hat eine überbordende Bürokratie eine eigene Verordnung geschaffen (DIN 70010), die sich vornehmlich gegen Jesus‘ Anhänger richtet? Egal, ob diese gezogen oder geschoben werden. Eine Verordnung, die vom vorausfahrenden Fahrzeug sogar eine Anhängerkupplung verlangt.

Wir haben der Bibel neue Rubriken gegeben, die den neuen Lebenswirklichkeiten näher kommen, und wir laden alle ein, in diesen Rubriken immer wieder Neues und Spannendes zu entdecken. Die geraden und die queren Geschichten, die lauten und die leisen, von guten wie von bösen Menschen. Und da wir annehmen, dass auf diesem Planeten die Guten nie ganz gut und die Bösen nie ganz böse sind, wollen wir die Redakteure und Autoren der Bibel nach Kräften darin unterstützen, diesem Spektrum auch den Raum zu geben, den es verdient.

Den Anfang macht Silke mit einem Rezept für einen leckeren Christstollen:

600 g Rosinen und 200 g Korinthen (in Rum eingelegt)
2 Würfel Hefe
150 g Zucker
250 ml lauwarme Milch
2 Zitronen (Schale)
500 g Butter
1 kg Mehl
1 TL Salz
1 TL Kardamom
100 g gemahlene Mandeln
100 g Zitronat/Orangeat-Würfel
Für die anschließende Behandlung:
200 g zerlassene Butter
250 g Zucker
5 EL Vanillezucker
Puderzucker

Hefe mit 1 EL Zucker und 3 EL Milch (Zimmertemperatur) vermischen und gehen lassen. Zitronenschale fein abreiben, Butter anschmelzen. Gesiebtes Mehl, Gewürze, Zucker, Zitronenschale, Butter. Rosinen, Korinthen, Mandeln, Zitronat und Orangeat zu einem Teig verkneten und gehen lassen. Danach zwei Stollen formen und nochmal gehen lassen. Bei 180 Grad (Umluft 160 Grad) ca. eine Stunde backen.

Danach bestreicht Silke die Stollen mit zerlassener Butter und bestreut sie mit Zucker und Vanillezucker. Nach dem Erkalten bestäubt Holger sie dann noch dick mit Puderzucker (also nicht die Silke, sondern die Stollen).

Warum wird nicht über die gesellschaftlich relevanten Dinge geredet? So wichtige Themen wie Tampons während der Legislaturperiode, Micky Maus, Heimatschutz, Spreewälder Gewürzgurken, Nero, Schnatterinchen, die ausgestreckte Hand von Putin, bürgerliches Engagement, Caligula, Schnittlauch, Kannibalismus, die Biennale in Venedig, Bildungspolitik, Klassenkampf, Vanillepudding und die Frage, warum das Wortspiel vom „Krenzsoldaten“ nicht zum „Schießen“ ist.

Warum nicht neue Journalismusmodelle etablieren? Warum nicht Kuchenbacken mit Silke und Arschbacken von Holger?

Lassen Sie uns dankbar dafür sein, dass wir diesen Text straffrei schreiben und Sie diesen Text straffrei lesen dürfen. Diese Freiheit gilt es, in allen Dimensionen zu verteidigen!

Wir verbleiben mit den besten Wünschen und einem herzlichen Gute Nacht. Wir legen uns jetzt wieder hin, wir wollen uns wieder langweilen!

Silke und Holger Friedrich


Silke und Holger Friedrich sind Berliner Unternehmer. Im September 2019 haben sie überraschend den Berliner Verlag gekauft, in dem die „Berliner Zeitung“ erscheint. Zu deren Neustart veröffentlichten sie ein langes Manifest, das auch als „Berliner Botschaft“ bekannt wurde.

14 Kommentare

  1. Santa Maria… verdammter Ohrwurm… Insel, die aus Träumen geboren… jetzt muss ich mir das Lied min. 1x komplett anhören…
    Ich hoffe für euch, dass wenigstens der Stollen wirklich lecker wird, sonst verliert ihr euere Glaubwürdigkeit!!! 1!

  2. Auch von meiner Seite vielen Dank. Ich musste ein paar Mal sehr lachen.

    Allerdings werde ich Zitronat und Orangeat beim Christstollen weglassen, denn das Zeug mg ich nicht.

    Und:
    „Danach bestreicht Silke die Stollen mit zerlassener Butter und bestreut sie mit Zucker und Vanillezucker bestreuen.“
    Der Satz wäre noch schöner, wenn man einmal „bestreuen“ weglassen würde.

  3. Der Text ist etwas arg kurz diesmal.?

    Aber echt gut geschrieben: Ein Meer aus schillernden Worthülsen, welche mich mit Grauen an die alljährlichen Weihnachtsbotschaften aus der Teppichetage in meiner eigenen Firma erinnern. – Die sind zwar schon etwas kürzer aber ansonsten doch sehr ähnlich. Na, wenigstens kann ich mich dieses Jahr davor drücken, ein Gutes hat also alles irgendwo.

    Auch die vielen kleinen (und großen) Gemeinheiten, die sich so perfekt in’s rethorische Teletubbie-Land einfügen, sind ein wahrer Genuß. – Das Stollenrezept allerdings eher weniger.?

  4. @Ingo: Vielen Dank für die freundlichen Worte und den Hinweis auf die übertriebene Einhaltung der Streupflicht.

  5. OT: Formulierungen wie „erinnerten wir ein Lied“ irritieren mich stets aufs Neue. Muss es nicht korrekt „erinnerten wir uns an ein Lied“ lauten?

  6. Ja, so kommt der folgende Satz mit der Konkretisierung des Holgerschen Bestäubens auch schöner zur Geltung.

    Und das Sie gerade da sind: An der Stelle einfach mal herzlichen Dank für Ihre Arbeit beim Bildblog, ich lese Ihre 6-vor-9-Empfehlungen regelmäßig. Und bin (u.a.) auch darüber zu Übermedien gekommen. Und danke für Ihre Weihnachtsgeschichten. Ich wünsche Ihnen ein frohes Fest!

  7. Ich habe mal gehört, kein Text sei so heilig, dass er keinen Lektor bräuchte. Oder jedenfalls sinngemäß.
    Aber mit Einführung der „Berliner Bibel“ hat sich das geändert; die Berliner Bibel ist SO heilig, dass beim Redigieren die Heiligkeit zusammen mit dem überflüssigen „zu“ bei „nach rechts und links zu fahren“, dem extra „bestreuen“ und ein paar der besonders irrelevanten Absätze verloren gehen würde. Also lässt man das.
    Oder Friedrichs sind halt grausame Despoten, umgeben von verängstigten Ja-Sagern.

  8. @Stefan Niggemeier: Bisher kannte ich „etwas erinnern“ nur aus dem Hamburger Raum, aber da kommen Silke und Holger (Ladies first) ja nicht von wech.

  9. @8 Stefan Niggemeier 13. Dezember 2019 um 10:58 Uhr

    Ich lege Erinnerung gegen diesen schändlichen Versuch der unzulässigen Verkürzung der Ausdrucksmöglichkeiten der Deutschen Gramartig ein.

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