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Zu Risiken fragen Sie Ihren Arzt, nicht „Focus Online“

"Focus Online" Logo/Montage
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Es gibt Beiträge bei „Focus Online“, die finden sie dort in der Redaktion so super, die werden immer mal wieder herausgeholt und noch mal über Soziale Netzwerke verbreitet. So ein Repost funktioniert prima. Fällt einem gerade nichts Besseres ein, bringt man einfach eine alte Geschichte erneut, eine Studie zum Islam etwa, weil die so gut läuft, und dass sie oll ist, muss man ja nicht so laut sagen. Oder man nimmt einen zeitlosen Text über Kondome, geht immer, und auf Facebook schreibt man:

Na, das macht doch neugierig. Und genau das ist der Plan. Screenshot: "Focus Online"
Na, das macht doch neugierig. Und genau das ist der Plan. Screenshot: „Focus Online“

So, „Kondom-Muffel“ des „starken Geschlechts“ – aufgepasst! Die Gesundheitsberater von „Focus Online“ haben ein paar Tipps, wann „MANN“ aufs Gummi verzichten kann! Das macht doch neugierig, oder? Also machen wir es kurz. Der Tipp lautet:

In den Fällen, in denen Männer auf ein Kondom verzichten können, ist es schlicht und ergreifend zu spät – und der Betroffene hat sich schon eine dieser sexuell übertragbaren Infektionen (STI) eingefangen.

Um es kurz zu wiederholen: Laut „Focus Online“ können Männer Kondome beim Sex weglassen, wenn sie bereits infiziert sind. HIV, Tripper, Syphilis – alles egal, ist ja eh zu spät, wozu also noch verhüten? Ach, wegen der anderen? Nee, die Männer oder Frauen, mit denen MANN ohne Kondom und mit Infektion schläft, spielen hier keine Rolle.

In der Redaktion müssten sie wissen, dass man das so verstehen kann. Weil es da so steht. Und weil Leser in den Kommentaren unter dem Text darauf hingewiesen haben, der erste schon vor Monaten. Aber selbst das hat die Redakteure nicht dazu bewogen, den Beitrag zu löschen oder umzuformulieren: „Wie können Sie schreiben, dass man auf ein Kondom verzichten kann bei den genannten teils schweren Geschlechtskrankheiten?“, fragt ein Leser. Ein anderer schreibt: „Mit HIV darf ich also [auf] ein Kondom verzichten?!“ und bereut, in die „Klickfalle“ getappt zu sein.

In diesem Fall sollen (männliche) Leser angelockt werden, vor allem solche, die Kondome ohnehin eher lästig finden und vermeiden. Hat offensichtlich ganz gut geklappt: Der Artikel wurde auf Facebook mehr als 5.000 Mal geteilt. Im Text steht nach der kruden Empfehlung noch dramatisch beschrieben, was das für Geschlechtskrankheiten sein können, mit denen man keine Kondome mehr benötigt. Um den „Kondom-Muffeln“ anschließend eins mit der Moralkeule überzubraten:

Habt Ihr Freunde, die damit prahlen, dass sie beim Sex immer aufs Kondom verzichten? Aus reiner Bequemlichkeit? Selbst bei einem One-Night-Stand? Dann schickt den Präser-Muffeln doch diesen Artikel! Er könnte ihn zum Nachdenken anregen…

Das also ist der vorgeblich edle Anlass für den Text: Er soll zum Nachdenken anregen und genau die ansprechen, die belehrt werden sollen. So machen sie es ständig in dieser Redaktion, sehr gerne auch bei Flüchtlingsthemen. Vermutlich finden sie es sogar aufklärerisch, doch die Methode verfehlt ständig das Ziel, hier besonders. Eine „moralische Schocktherapie“, die so von oben herab komme, sei kein hilfreicher Beitrag, sagt Holger Wicht von der Deutschen Aids-Hilfe. Schockbotschaften seien in der Prävention kontraproduktiv; dieser „missglücke Gag“ führe in die völlig falsche Richtung.

Und das nicht das Einzige ist, was man an diesem Text aussetzen kann. Er ist insgesamt das Gegenteil von Aufklärung. „Es ist eine Katastrophe, was da über Aids steht“, sagt Wicht. Hier werde ein dramatisches Bild gezeichnet, ein Horrorszenario, das so nicht mehr zutreffe. Über die Möglichkeiten der Therapie steht da nichts. Auch nichts über Situationen, in denen es tatsächlich risikoarm wäre, auf ein Kondom zu verzichten. Oder darüber, wo und wann man Tests machen sollte. Oder dass Kondome keinen, wie auch suggieriert wird: 100-prozentigen Schutz bieten. Steht da alles nicht.

Wer sich darüber seriös informieren will, macht das besser bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder bei der Aidshilfe oder beim Arzt, also bei Leuten, die Ahnung haben, aber nicht bei „Focus Online“, wo man für Klicks alles macht, zur Not auch die Omma verkaufen oder die Gesundheit anderer aufs Spiel setzen.

1 Kommentare

  1. Bravo!! Ein sehr gelungener Bericht. Danke dafür. Bitte mehr Journalisten die ganz offensichtlich weder ein Gewissen, noch ein Verantwortungsbewusstsein, noch ein Gehirn haben bloßstellen.

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