Die Podcast-Kritik (14)

Ein Hörbuch-Podcast als Gesprächsimitat zum UpTörnen

Uphören mit Mieze
Uphören mit Mieze

Man stelle sich vor, es gäbe einen Hörbuch-Podcast. Was würde man da erwarten? Eine schöne Produktion? Auszüge aus den Hörbüchern? Ein Klangerlebnis? Ja. Würde man.

Was davon bekommen wir in „UpHören mit Mieze“? Die überraschende und traurige Antwort sei jetzt schon verraten: wenig bis nichts.

Aber vielleicht erstmal zu den Machern. Am Mikrofon sind hier zwei Menschen, die man im Popkultur-Geschäft kennt: Maria Mummert als „Mieze Katz“, Frontfrau der Band MIA; Ralf Niemczyk als Autor, der seit vier Jahrzehnten über Musik, Platten und Popkultur schreibt und Mitherausgeber der zurecht geliebten Zeitschrift „Spex“ war.

Wir hören, beide seien „riesige“ Hörbuch-Fans. Und darum unterhalten sich die beiden seit September 2018 in bislang 13 Folgen (und 5 Spezial-Folgen) über Hörbücher.

Wobei, unterhalten ist vielleicht nicht das richtige Wort. Sie reden, ja, aber ein Gespräch ist das nicht. Uns werden zwei Menschen präsentiert, die vorgeben, sich zu unterhalten. Ob sie das wirklich tun, weiß man nicht. Es klingt aber nicht so. Es klingt, als ob jemand ein Gespräch aufgeschrieben hätte, und die beiden spielen das anschließend nach.

Dass es sich nicht um ein natürliches Gespräch handelt, lässt sich natürlich schlecht beweiesen. Es fühlt sich eben einfach so an. Da passen Anschlüsse nicht aneinander. Da wird gelacht, wo niemand etwas Witziges gesagt hat. Und da stellt einer erst ganz „neugierig“ und „unwissend“ Fragen über ein Hörbuch, nur um danach selbst darüber zu reden – und als Zuhörer weiß man gar nicht, wer jetzt fragt und wer bespricht.

Hören Sie einfach mal selbst, hier ein paar Stellen aus dem Podcast:

Das wäre also die Gesprächsqualität: Dünn, brüchig, bestenfalls äußerlich vorhanden. Die handwerkliche Qualität der Produktion könnte das Ruder rumreißen – dazu aber müsste sie vorhanden sein. Die Qualität der Produktion beschränkt sich hier allerdings auf die Mindestbedingung eines Podcasts: die Aufnahme. Die ist gut, das war’s. Es gibt keine Sounds. Keine Musikbetten. Keine Audio-Trennelemente zwischen den einzelnen Besprechungen. Keine Opener oder Closer für Rubriken oder dergleichen. Interviews mit den Autoren der besprochenen Hörbücher werden nicht eingespielt, sondern vorgelesen. Noch nicht einmal kleine Hörbeispiele aus den besprochenen Hörbüchern (das Zitatrecht gäbe das als durchaus her). Nix.

Man mag es kaum glauben, aber in diesem der Hörkunst gewidmeten Podcast hören wir ausschließlich die beiden. Und wenn Ralf Niemczyk sich dann in Folge 12 als Fan guter Produktion positioniert: „Ich hab‘ lieber Field-Recording, also echte Geräusche. Dieses Modell ‘Beim Joggen was hören’ – das geht bestenfalls mit Musik. Das Audiobuch ist da zu ehrenhaft“, dann möchte man ihn schütteln und ihm ins Gesicht rufen: Warum? Warum dann nicht hier!?

Ein Podcast als bloßes Marketingvehikel

Produziert wird „UpHören – der Hörbuch-Podcast von Spooks“ von einer Firma namens Zebra Audio. Auf deren Webseite steht: „Zebra-Audio.net ist das 360° Multi-Podcast-Netzwerk.“ Die Geometrie-Talente unter den Übermedien-Fans werden jetzt verwundert und misstrauisch dreinblicken: „360 Grad“, werden sie fragen, „da landet man doch wieder bei sich selbst? Wo soll das hinführen?“ Und Sie haben recht. „UpHören“ ist der Hörbuch-Podcast von Spooks, einer App für Hörbücher. Produziert wird er von Zebra Audio. Hinter Zebra Audio stehen Kurt Thielen und Sascha Lazimbat. Und Spooks gehört, Sie ahnen es längst: Kurt Thielen und Sascha Lazimbat.

Das soll jetzt keine Imitation investigativer Recherche sein. Natürlich ist es vollkommen okay, eine eigene Firma zu nutzen, um mit ihr für eine andere eigene Firma zu werben. Was dieses Beispiel aber gut illustriert: Welch destruktive Wirkung es für Kunst, Kultur und Kreativität haben kann, wenn die Industrie sich auf einen „Trend“ stürzt. Dass Podcasts mittlerweile boomen, ist schön und überfällig. Wenn aber, so wie hier, der Podcast allein als Marketingvehikel gedacht wird, wird das nicht lange so bleiben.

Hören, was man schon nicht lesen wollen würde

Es ist nicht so, dass man in „UpHören“ nicht auf spannende Hörbücher gestoßen wird. Und hier und da blitzt es durchaus durch, dass Mieze und Ralf zu den besprochenen Hörbüchern etwas Interessantes zu sagen hätten. Allein: Man kriegt es oft nicht mit. Ungezählte Male habe ich mich dabei ertappt, wie der Podcast zwar noch lief, ich aber seit Minuten innerlich ausgestiegen war und mehrere Minuten zurückspulen musste. „UpHören“ hat ein Problem.

So, wie dieser Podcast gemacht ist, könnte man all das auch einfach aufschreiben. Es gibt eigentlich keinen Mehrwert darin, das zu hören. Im Gegenteil: Tut man es dennoch, darf man sich an so großen (vorgelesenen) Weisheiten erfreuen wie: „Im Show-Business ist es, glaube ich, leichter, sagen wir mal, jot drop, also gut drauf zu sein, als im Finanzamt.“ Oder: „Zu nett nervt. Das ist so wie süßer Kaffee: Das hält man auf Dauer nicht aus.“ Sätze, die einem im Geschriebenen jeder Lektor rausstreichen würde, die hier aber dazu dienen, ein Gespräch zu imitieren.

Wenn jemand „UpHören“ vor der vollkommenen Unerträglichkeit bewahrt, dann ist es Mieze selbst. Der kann man immerhin gut zuhören. Die ist nicht nur ein sprecherisches Talent, die wirkt auch aufrichtig nett. Sollte sie kein netter Mensch sein, wäre sie mit schauspielerischem Talent gesegnet. Allen Hörerinnen und Hörern aber kann man nur wünschen, dass ihr Privatleben vor solchen schleppenden, blutleeren, unauthentischen Gesprächen bewahrt bleibt.

Der Podcast: UpHören mit Mieze – von Zebra-Audio.net
Erscheinungsrhythmus: Die regulären Folgen so ungefähr monatlich, dazu immer mal wieder Interviews als Sonder-Episoden.
Episodenlänge: Mal zwölf, mal 54 Minuten.

Geeignet für: An Hörbüchern Interessierte.
Nicht geeignet für: Fans guter Gespräche.

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