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Hilfe, mein Essen ist schlauer als ich!

Es ist ein Magazin wie ein Zirkeltraining, ein Heft wie eine Wechseldusche, eine Ausgabe wie Intervallfasten. Gut/schlecht, rauf/runter, intelligent/doof. Aber gut, dass es sich nicht mit Mittelmäßigkeiten abgibt, steht schon auf dem Cover. Das Heft heißt nicht „Geht eh You“ oder wenigstens „Besser You“, sondern gleich „Super You“.

Während andere längst gegen den Selbstoptimierungswahn wettern, kommt Funke mit einem neuen Heft um die Ecke, bei dem schon die Titelzeilen kurzatmig machen.

  • Der große Stoffwechseltest: Arbeitet der Körper optimal? Oder können wir noch was verbessern?
  • Das biologische Alter ist bis zu 70 Prozent beeinflussbar
  • Die Gesundheitsgeheimnisse der Biohacker: Warum die Szene messbar fitter ist
  • Auf der Suche nach dem Forever-Young-Code

Das bessere Ich ist der Feind des guten Ich. Dein Körper, der Loser. Eigentlich will man da als völlige „Durchschnitts-You“ das Magazin schon wieder zurücklegen und zum „Sonderheft Lieblingskuchen“ einen Gang weiter greifen. Doch da steht auch noch die Zeile „Meine Superkraft ist Essen!“, und da fühlt man sich doch wieder verstanden. Auch wenn die das vermutlich anders meinen.

„Super You“ ist das „Magazin für intelligente Ernährung“, und jetzt frage ich mich, was dumme Ernährung ist. Und ob mein Würschtel klüger ist als ich. „Dieses Magazin soll ein zuverlässiger Kompass sein“, schreibt Chefredakteurin Jessika Brendel im Editorial. Schließlich sei es gar nicht so leicht, „ausgemachten Blödsinn von wissenschaftlich basierten Fakten zu unterscheiden“. Gleich der nächste Satz lautet jedoch: „Unsere Redaktion arbeitet mit Allopathen und Naturmedizinern, mit Psychologen und Heilpraktikern, mit Ernährungs- und Sportwissenschaftlern zusammen, um Ihnen ein möglichst umfangreiches Spektrum zu bieten.“

Hier springen bei Menschen, die tatsächlich auf wissenschaftlich basierte Fakten stehen, die Alarmglocken an. Denn „Allopathen“ sind nichts anderes als Ärzte, allerdings aus der Sicht von Homöopathen, die sie dann auch gern leicht abfällig „die Schulmediziner“ nennen. Und über Heilpraktiker muss man eigentlich nur wissen, wie einfach die zu ihrer Berufsbezeichnung kommen (für Hartgesottene hier der entsprechende Wikipedia-Eintrag), dann wirft man schon nicht mehr so locker mit den Begriffen „wissenschaftlich“ und „fundiert“ um sich.

Aber entscheidend is‘ aufm Blatt. Wie super ist also „Super You”?

Wie es sich für ein Magazin über intelligente Ernährung gehört, nehmen Rezepte einen Großteil der 148 Seiten ein. Zu Funke gehört schließlich auch das Foodmagazin „Eat Club“. Die initiale Anmutung auf dem Cover ist – der Zielgruppe entsprechend – frauenmagazinig, und so geht es auch weiter.

Die ersten Seiten unterscheiden sich in den Produktvorstellungen nicht von den „Cosmopolitans“ dieser Welt. Auch wenn man den Zusammenhang mit einem Magazin für „intelligente Ernährung“ nicht immer ganz versteht. Ein Dusch-Peeling aus Amethyst-Edelsteinen? Eine Handtasche aus pflanzlich gegerbtem Leder? Dazwischen der Appell, fair produzierte Schuhe zu kaufen? WTF? Oder wie das bei „Super You“ heißt: „What the Food!?“

Auch die erste große Strecke, die Suche nach dem „Forever-Young-Code“, hinterlässt Ratlosigkeit. Sie besteht aus Porträts von drei Frauen, die trotz hohen Alters noch gut aussehen – zumindest voll geschminkt auf höchstwahrscheinlich professionell retuschierten Fotos.

Die Texte sind so faktenlastig wie das „Neue Blatt“. Die „jugendlich-schöne“ Gwyneth Paltrow, methusalemische 46 Jahre alt, lächle Kritik an sich und ihrem kruden „Health-Unternehmen“ einfach weg. Die Schauspielerin Wookie Mayer ist Vegetariern, die sich „schon mal mit einer Semmel mit Leberkäs oder ein paar Würschtl“ stärkt, wenn der Körper das verlangt. Das Model Yazemeenah Rossi, 64, deren Zitate einfach hier abgeschrieben wurden, cremt sich am liebsten mit natürlichen Ölen ein. Und der Anwalt Rich Roll, vierter im Bunde und der Einzige, der wettergegerbt und ungeschminkt zu sehen ist, war Alkoholiker, Junkfood-Junkie und macht jetzt Ultraman-Triathlons.

Am Schluss des Textes mit eher homöopathischem Informationsgehalt wird die „Quintessenz“ ermittelt. Und die lautet: „,Jeder Jeck is anners‘ (…) Wer sein ganz persönliches Forever-young-Geheimnis findet, ist auf dem besten Weg zu einem langen Leben bei bester Gesundheit.“

Was ihr nicht sagt!

Gleich darauf kommt allerdings eine Geschichte über Milch, die tatsächlich den aktuellen Stand der Wissenschaft wiedergibt, nämlich, dass sie nicht so gesund für erwachsene Menschen ist, wie man das lange Zeit propagiert hat. Und da man gerade so schön überrascht ist, folgt auch gleich ein sehr umfassender Text über das Mikrobiom im Darm (unser „zweites Gehirn“), der nicht nur faktenreich geschrieben ist, sondern es auch noch wagt, so genannte Kottransplantationen zu erwähnen. Ja, die gibt‘s wirklich, und sie könnten der neue heiße Scheiß gegen so ziemlich alles sein. Illustriert ist sie außerdem mit ganz entzückenden gestrickten Darmbakterien, und danach kommen Mikrobiom-freundliche Kochrezepte, etwa für ein „Darm-mit-Charme-Sandwich“. Hat „Super You“ etwa Humor?

Auf Seite 50 ertappe ich mich dabei, wie ich dem Gatten whatsappe: „Wir sollten mehr Sauerkraut essen.“ Auf Seite 54 eselsohre ich mir ein Rezept für Ballaststoffkekse und auf Seite 56 zähle ich die Erbsen nach, mit denen der Verbrauchsanstieg an Tiefkühlkost in Deutschland seit 1978 illustriert wird. Sie stimmen genau.

Gerade, als mein Über-Ich seine Vorurteile über „Super You“ revidieren will, kommt jedoch: „Josephine B., Aus dem Tagebuch einer Biene.“ Und ich habe wieder so viele Fragen. Die wichtigste: Warum?!

„In meiner neuen Haut ist wieder Platz, jetzt fühle ich mich besser. Eine Biene beugt sich in meine Wabe, sie nimmt die alte Haut weg und macht sauber. Die Biene spricht mit mir, sie ist meine Amme, Roswitha. Mich nennt sie Josephine.“

Die Verwirrung wird bis zum Ende des Heftes anhalten. Der große Stoffwechseltest („Arbeitet der Körper optimal?“) enthält so überraschende Fragen wie jene, ob man gut schläft, sich regelmäßig bewegt oder auch manchmal grundlos schwitzt. Ich bin ja nicht einmal Heilpraktikerin, aber diesen Test hätte sogar ich entwerfen können.

„Frisch von der Schönheitsfarm“, ein Text darüber, wie man sich „schön“ isst, käut die Legenden wieder, die man seit Jahrzehnten und teilweise im selben Wortlaut in Frauenmagazinen liest. Vorsicht vor säurebildenden Nahrungsmitteln! Viel trinken spült Schadstoffe aus dem Körper! Die böse böse Orangenhaut! Und natürlich kommt auch er vor: der Detox-Effekt!

Aus dem Porträt der Fitness-Instagrammerin Pamela Reif werde ich ebenfalls nicht schlau. Findet „Super You“ die jetzt gut oder nicht? Wieso will mir „Super You“ einreden, dass ich genau so einen „Super-Po“ wie Frau Reif haben will? Warum wird auf einer ganzen Seite das Pulver der Ashwagandhapflanze vorgestellt und all jenen empfohlen, die „unter einem Zuviel an akutem oder chronischem Stress leiden“. Wäre da „Stress reduzieren“ nicht etwas nachhaltiger angesichts der Tatsache, dass man das Pulver „jedoch nicht dauerhaft einnehmen“ soll?

Und für wie blöd hält man die Leserin, wenn sie auf Seite 67 eine ganzseitige Anzeige für das Nahrungsergänzungsmittel LaVita sieht, und auf Seite 85 Claudius, Redaktionsleiter des Eat Club, seinen ganz persönlichen Frühstückstipp gibt, der zufällig lautet: „Ganz ehrlich, Leute? Wenn ich in Eile bin, rühre ich einen Esslöffel ,LaVita‘-Konzentrat in meine Bowl, und schon bin ich tutto completo mit Vitalstoffen versorgt.“

Funke ist ja berühmt für seinen etwas großzügigen Umgang mit Schleichwerbung. Hier kommt sie besonders hinterfotzig daher, weil sie genau so gestaltet ist wie alle anderen persönlichen Empfehlungen der Redaktion, die über das Heft verteilt auftauchen. Der Durchschnittsleserin fällt das vielleicht nicht auf, aber kann man ein Heft, das seine Leserinnen für doof hält, wirklich weiterempfehlen? Super No.

Super You
Funke-Mediengruppe

148 Seiten, 4,90 Euro

5 Kommentare

  1. Es lohnt sich nicht Magazine dieser Art zu lesen und es ist verlorene Zeit darüber Kolumnen zu schreiben. So unseriös wie diese Zeitschriften sind, ist jedes Wort darüber eines zu viel.

  2. …wie wäre es mal mit was interessantem?
    Liebe Güte: Wenn ich durch den „Zeitschriftenladen“ im Düsseldorfer Hbf laufe:
    Frohes Kommentieren, da steht Arbeit für Übermedien für viele Jahre an…

  3. Bei solchen Zeitschriften denke ich mir:
    „das Geschwurbel kann man nur verstehen,wenn man sich so ernährt und nur wer sich so ernährt kann das Geschwurbel verstehen…“!

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