„Morgenmagazin“ hält Nahles-Satire für echt
Ist aber auch wirklich schwer zu erkennen. Das auf dem Foto ist doch die SPD-Vorsitzende, oder? Na, also! Und ihr Name steht da ja auch ganz groß: Andrea Nahles. Muss sie also sein, die da twittert. Was spricht denn dagegen?
Gut, naja, im Profil direkt unter dem Namen steht:
SPD-Vorsitzende. Zukünftige Kanzlerin und Twitterkönigin. ACHTUNG: Satire.
Aber wer soll denn da ahnen, dass das sich um einen Satire-Account handelt?
Das „Morgenmagazin“ der ARD hielt der deutliche Hinweis jedenfalls nicht davon ab, einen Tweet des Accounts @VorsitzNahles heute Morgen als authentische Äußerung der SPD-Vorsitzenden zu verbreiten.
Dass es der Tweet in die Sendung schaffte, ist schon erstaunlich. Niemandem in der ganzen „Morgenmagazin“-Redaktion scheint aufgefallen zu sein, dass da „Satire“ im Profil steht, den ganzen Morgen nicht. Obwohl die Autoren des Beitrags sogar das Profil abgefilmt haben: „Quelle: Twitter/Andrea Nahles“.
Um 6:40 lief der Beitrag zum ersten Mal, zwei Stunden später noch mal. Und noch trauriger: Der Mini-Beitrag mit mehreren abgefilmten Tweets stammt von den „Netzreportern“ von Radio Bremen, und man sollte annehmen, dass man dort schon mal von Fake- oder Satire-Accounts gehört hat. Oder von blauen Haken bei Twitter, die einen verifizierten Account kennzeichnen, und den dieser Account nicht hat. Weil Andrea Nahles auch ohnehin nicht twittert.
Es ist nicht das erste Mal, dass Journalisten auf so etwas reinfallen. Es gibt inzwischen etliche Fälle, einer der bekanntesten in der jüngeren Geschichte ist ein Fake-Tweet des „Titanic“-Redakteurs Moritz Hürtgen, der es – mit verhältnismäßig wenig Aufwand – schaffte, halb Medien-Berlin hyperventilieren zu lassen. Und seit Jahren schafft es auch immer wieder der Satire-Account namens @BonitoTV in Medien. Dabei twittert dort gar nicht Harald Schmidt.
Hört das irgendwann auf? Offenbar nicht.
Mehrere Twitter-User haben die Redaktion heute früh darauf hingewiesen, einer bereits Minuten nach der ersten Ausstrahlung um 6:40 Uhr. „Schlaft ihr noch?“, fragte er in seinem Tweet und lag damit offenbar nicht ganz so falsch. Es dauerte mehr als vier Stunden, bis @ardmoma twitterte:
https://twitter.com/ardmoma/status/1043060820442267648
FunFact: die Person heißt gar nicht „Andreas Nahles“ (3. Absatz, letzter Satz).
Und zweitens hatte der Postillon doch schon vor Jahren eine Satire-Kennzeichnungspflicht gefordert. Aber wenn es dazu kein DIN EN Nummer gibt, ist diese ganze Kennzeichnungspflicht natürlich nur eine Lachnummer.
@1 Mycroft: Hehe, danke! Hab’s korrigiert.
„Und seit Jahren schafft es auch immer wieder der Satire-Account namens @BonitoTV in Medien. “
Da muss wohl noch ein „die“ zwischen „in“ und „Medien“.
Noch schlimmer ist, dass viele Zuschauer das MoMa für echten Journalismus halten. Dabei ist es nur die ÖR-Ausgabe des SAT1-Frühstücksfernsehns.
Man stelle sich mal vor:
Einer hält das ARD Morgenmagazin wirklich für wichtig und geht mit dem Gesehenen in den Tag und will irgendwo mitreden und steht dann als Depp da. Und dann lief der Beitrag auch noch bei den Spezialisten der Netzreporter.
Langsam zweifle auch ich daran, wer alles für den ÖR arbeiten darf – auch weil ich jahrelang in Sichtweite des Hessichen Rundfunks gewohnt habe und auch privat die Inkompetenz (zum Beispiel bei Statistik) miterleben durfte.
Denn: Rundfunkarbeit machen die wirklich aus Spaß an der Arbeit und nicht wegen wirtschaftlicher Not und Leistungsdruck vom Vorarbeiter.