Der Autor
Peter Breuer ist freier Werbetexter aus Hamburg und geht für Übermedien regelmäßig zum Bahnhof, aber nicht zum Zug, sondern in den Kiosk. Dort zieht er dann Magazine aus den Regalen und schreibt drüber.
Monaco ist unwesentlich kleiner als der Ort Pingelshagen im Landkreis Nordwestmecklenburg, spielt aber in der Yellow Press eine weit größere Rolle. Als wäre es nicht schlimm genug, dass Pingelshagen weder einen Yachthafen, ein attraktives Steuermodell und erst recht kein Spielcasino hat – es fehlt dem Ort einfach an glamourösem Personal.
Die Grimaldis sind für Zeitschriften das, was die Ducks für Entenhausen sind oder der Zeus-Clan für die griechische Mythologie: ein geschlossener Figurenkosmos, in dem zwar alles miteinander zusammenhängt, der aber stetig Stoff für Geschichten bietet. Erst wenn es droht, langweilig zu werden, muss man neue Figuren einführen. Mit Charlène von Monaco kam im Jahr 2000 bei den Grimaldis eine neue Figur von außen hinzu – vergleichbar mit Dortel Duck oder der geheimnisvollen Tyche.
Charlène ist jünger als die beiden Grimaldi-Schwestern, hat ein Vorleben als Sportlerin und wirkt schon deshalb geheimnisvoll, weil man sich unwillkürlich fragt, was sie an Fürst Albert II. findet. Der auf Adel und Prominenz spezialisierte Teil der Presse liebt sie, weil sich in ihr reduziertes Mienenspiel ohne nachprüfbare Faktenlage jede beliebige Gefühlsregung hineininterpretieren lässt.
Eine Stichprobe aus sechs Zeitschriften-Titeln der Vorwoche zeichnet ein sehr abwechslungsreiches Porträt einer jungen Frau, die sich – wüsste sie von den Dingen, die ihr angedichtet werden – wünschen würde, ein beschauliches Leben im schönen Pingelshagen zu führen.
Die „Frau im Spiegel Royal“, mit 3,20 Euro das teuerste Blatt der Stichprobe, lässt es ruhig angehen. Der Schwerpunkt liegt auf den spirituellen Dingen, der Hinwendung der Fürstin zur katholischen Kirche. Denn dass die gebürtige Protestantin ohnehin konvertieren musste, weil der katholische Glauben für eine Grimaldi Pflicht ist, war nur der Anfang. Aber welche Rolle spielt der geheimnisvolle amerikanische Vikar? Das Inhaltsverzeichnis ist Clickbaiting auf Papier.
Schade, sie hat mit dem Vikar nichts am Laufen. Das wäre ein Ding gewesen! Der Mann war nur ein temporärer Personal Trainer in Sachen Katholizismus-Umschulung. Heute betet Charlène täglich, weiß „Frau im Spiegel Royal“. Jeden Sonntag sitzt sie im Gottesdienst und das ist „keine lästige Pflicht, sondern offenbar ein echtes Bedürfnis“. Spiritualität als Wettbewerb: Im direkten Vergleich mit Grazia Patrizia liege sie „was die Frömmigkeit anlangt […] weit vorne“. (Dafür hat sie den größeren Wendekreis und ab Tempo 130 sind die Windgeräusche im Innenraum deutlich hörbar.)
Ein „Drama im Palast“ wittert die „Freizeit Vergnügen“. Das ist allerdings derart langweilig und betulich geschrieben, dass man es knapp zusammenfassen kann: In den meisten Monarchien ist die oder der Erstgeborene automatisch Thronfolger. Nur im Formel 1-Staat Monaco ist immer ein Bube auf der Pole Position. Die Zwillinge Gabrielle und Jaques erblickten aber in der in diesem Satz vorliegenden Reihenfolge das Licht der Welt. Als moderne Frau, so mutmaßt „Freizeit Vergnügen“, werde Charlène diese Ungerechtigkeit zulasten Gabrielles nicht hinnehmen.
Zur Bebilderung wird ein Foto genutzt, auf dem Charlène auf einer öffentlichen Veranstaltung irgendetwas zu Albert sagt und dabei den Mund relativ weit öffnet. Möglicherweise sagt sie: „Igitt, der Waldorfsalat schmeckt widerlich.“ Unter dem Bild steht jedoch: „Bestimmt sorgt das Thema für Streit zwischen Albert und Charlène“. Kann sein, muss aber nicht.
Peter Breuer ist freier Werbetexter aus Hamburg und geht für Übermedien regelmäßig zum Bahnhof, aber nicht zum Zug, sondern in den Kiosk. Dort zieht er dann Magazine aus den Regalen und schreibt drüber.
Mit einer Stilkritik zum Muster der Krawatte könnte man alleine zwei Seiten füllen, aber „Adel exklusiv“ hat noch viel mehr heißen Stoff. „Die Kinder sind sehr aktiv, lieben es zu spielen und sind absolut bezaubernd. Und ja, sie machen viel Arbeit!“ Das „gestand die 38-jährige“ Charlène „mit einem riesigen Lächeln“. Wo und wann und wem sie das gestand, bleibt wie in allen Zeitschriften der Stichprobe offen. Allein der Bildnachweis der fünf Fotos aus dem Wohnzimmer der Grimaldis verrät, dass es sich um Pressematerial des Fürstenhofs handelt.
Doch so harmonisch wie in der Homestory, die keine ist, bleibt es ein Heft weiter schon nicht mehr. Zwar trägt Albert wieder die Teddybären-Krawatte, aber Charlène vergisst zu lächeln und die „Freizeit für meinen Tag“ kann die dunklen Wolken im Gesicht deuten: „Nicht andere Frauen machen Charlène Sorgen, sondern andere Kinder als ihre eigenen“.
Neben Gabriella (1) und Jacques (1) tragen nämlich auch noch die außerehelichen Kinder Jazmin Grace (23) und Alexandre (12) Teile der Grimaldi-DNA in ihrem Erbgut. Die Mutter (43) des Letztgenannten beklage, dass Abert (57) seit der Geburt nur selten Zeit für seinen Sohn habe. Das wiederum könne Charlènes (38) Familienglück stören. „Hat sie die Sorge, ihre eh schon knappe Zeit mit ihrem Mann und den Kindern mit Alexandra teilen zu müssen? Vielleicht ist das so.“
Vielleicht ist viel und leicht. Schaum ist auch viel und leicht und wie leicht zerplatzt er, denn die „Prima Woche“ weiß schließlich, was wirklich in Monaco Phase ist: „Baby-Jubel“ herrscht dort und es gebe „Anzeichen, dass die Fürstin wieder schwanger ist“. Allerdings haben die Investigativjournalisten nicht die gelbe Tonne vor dem Palast nach heißhungrig geleerten Gurkengläsern abgesucht; sie folgern die frohe Diagnose aus ihrem neuerdings katzenartigen Look und einer neuen Frisur.
Damit die dürftigen Indizien etwas Halt bekommen, wird noch der Zwillingsforscher Andreas Busjahn zitiert, der eine genetische Disposition zum Zweitzwilling benennt. In welchem Zusammenhang er das sagte, steht dort nicht, aber das ist auch zweitrangig. Dieser Kätzchenblick und der schicke neue Haarschnitt sind eindeutige Indizien für weiteres Zwillingsglück in Monaco. Doch wenn das nicht mal nur Show ist, denn:
Charlène ist „als Fürstin untragbar“.
„Freizeit direkt“ weiß sogar schon, wohin Albert „sie ins Exil“ schickt. Nach Korsika, munkelt das Blatt vielsagend auf dem Titel, will dann im Inneren aber nicht so recht raus mit der Sprache. Stattdessen zaubert die Redaktion die bekannte und dennoch nicht zu googelnde Adelsexpertin „Marie Guignol“ aus dem Hut, die der Fürstin unterstellt, „wie eine Barbie-Puppe“ auszusehen und „keine Ahnung vom höfischen Protokoll“ zu haben.
Harter Stoff, aber es kommt noch besser, denn Graf „Henri Duroy d’Etoile“ hält Charlène für eine „Schande für unser Land“. Was sie nicht besonders kratzen sollte, denn der ausgedachte Name ist vermutlich der englischen Fregatte „Étoile de Roy“ entlehnt und auf Fregatten werden halt manchmal derbe Sprüche geklopft.
Schlimm allerdings, dass die geheime Adelsexpertin „Marie Guignol“ auch den geheimen Ehevertrag kennt. Die Kinder werden ihre Mutter nach der Trennung und der unvermeidlichen Verbannung ins Exil nur noch selten sehen. Es ist alles so tragisch. Charlène soll sich schon wünschen, in Pingelshagen geblieben zu sein. Vielleicht. Möglicherweise.
Die nächsten Woche werden hoffentlich Klarheit bringen.
No comment?
Um kommentieren zu können, müssen Sie Übonnent sein.