Bahnhofskiosk

Zukunftsmodell: Einfach ein gutes Heft machen

Meistens sind die „Style“-Versionen von Magazinen, zumindest meiner Erfahrung nach, so etwas wie aufgeblasene Mode- und Beauty-Teile von Zeitschriften, bei denen man all jene Geschichten ausgelassen hat, in denen es nicht um Produkte geht. Wie fetter Speck, bei dem man alles wegschneidet, was nicht Fett ist – für Menschen mit dem entsprechenden Geschmack ist das ein intensives Erlebnis, aber nichts für jeden Tag.

Ein bisschen so hatte ich „Rampstyle – Männersachen“ erwartet, ein 244 Seiten dickes Trumm von einem Heft und die Style-Ausgabe des Auto-Kulturmagazins „Ramp“. Aber Erwartung aufgrund von Erfahrung ist ein Biest.

Es kommt Mode vor in dem Heft, und die obligatorischen zehn Seiten Uhren, und alles, wie die Unterzeile andeutet, für Männer1)Es ist fast ärgerlich, wie lange es gedauert hat, bis mir aufgefallen ist, wie selbstverständlich bei mir die Konversion von „Mode im Autoheft“ zu „Männermode“ ist. Ich habe das Heft in Kalifornien gelesen, wo ich ein paar Tage war, und unter anderem eine kurz vor der Rente stehende, knapp 1,50 Meter große japanisch-amerikanische Café-Betreiberin kennengelernt habe, die mir ihre Pläne für den Ruhestand verraten hat: Sie hat einen 1970er Ford Mustang Fastback und wird viel Zeit damit verbringen, in ihm am Meer entlang zu fahren, weil das Auto „der Ort ist, wo ich am glücklichsten bin“., aber da geht es schon los: Die längste Modestrecke im Heft zeigt Martina Hill in Männerklamotten. Mit einem eher ausführlichen, nicht komplett klischeehaften Interview.

Die zweite Modestrecke, mit Bademode, ist reine Kunst, in der die Mode höchstens noch eine Nebenrolle spielt. Es gibt sogar eine Erotikstrecke im Heft, wirklich mit nackten Frauen, als wären wir in den Neunzigern. Aber das ist alles irgendwie zweitrangig. Man merkt „Rampstyle“ an, dass das Heft gemacht ist in der Annahme, das es gelesen werden wird. Mit viel Text. Und schon diese Grundhaltung war für mich so überraschend wie angenehm.

Es sind keine wahnsinnig aufregenden Ideen oder Überraschungen in „Rampstyle“, aber stattdessen eine liebevolle, rührende Ernsthaftigkeit in der Umsetzung. Eine Frau in Männerkleidung ist eine Idee, nicht die neueste oder aufregendste, aber es ist gutes Handwerk: die Kombination aus der sympathisch wirkenden und nebenbei wunderschönen Martina Hill auf wirklich guten Fotos und einem immerhin zweiseitigen Interview. Und mehr noch: „Rampstyle“ verlässt sich darauf, dass es Männer gibt, die gerne gute Fotos anschauen und Gespräche mit sympathischen Menschen lesen.

Ich stelle an mir selber fest, dass ich das mag, obwohl ich genau weiß, dass es mir als Idee zu wenig gewesen wäre, wenn ich das Heft hätte machen sollen, und schließe daraus, dass ich viel zu sehr infiziert bin von dem komischen Virus, immer mehr und immer verdrehtere Dinge anbieten zu müssen, weil ich wahrscheinlich unterbewusst auch überzeugt bin, dass ein ganz normales, gutes Magazin zu machen einfach nicht mehr reicht.

Um korrekt zu bleiben: „Rampstyle“ ist mehr ein Coffee Table Book als ein Magazin, so fett und gediegen, und abgesehen davon, dass es zehn Euro kostet, würde es in seiner Unaufgeregtheit wahrscheinlich auch für die Hälfte keine große Auflage machen, aber es ist gut. Es ist fein. Es ist angenehm.

Nur ist es kein Modespecial, oder wenn, dann eins von Menschen, die sich wahrscheinlich eigentlich nicht übermäßig für Mode interessieren – was in einer Auto-Kultur-Redaktion der Normalfall sein dürfte –, aber sie interessieren sich neben Autos für Design und Menschen und Kultur und das Leben an sich, für Fotografie und für Texte und fürs Magazinmachen. Vielleicht merkt man gerade, dass mir das ganz gut gefällt.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich das hier je angesprochen habe, aber ich glaube – wie wahrscheinlich viele –, dass sich der Magazinmarkt weiter aufspalten wird in Trash und Luxus, und dass das meiste dazwischen verschwinden wird, weil es sich im Netz besser abbilden lässt. Ich meine mit Luxus nicht (nur) Berichte über Luxusgüter, sondern eine Art des Magazinjournalismus, die als Luxus empfunden wird: aufwendige, lange Geschichten, Hingabe bei Fotografie und Design, all das. Also Hefte wie „Mare“ oder „Brand eins“.

Diese Einschätzung, dass sich der Markt spreizen wird, ist mehrheitsfähig, glaube ich, aber gleichzeitig stellt es die Großverlage vor eine Riesenaufgabe, die heute den großen Mittelbau von Heften verlegen und direkt mit dem Internet konkurrieren. Sie stehen unter einem enormen Druck, weil sie große Umsätze brauchen, um ihren Überbau zu finanzieren, und in Zeiten schrumpfender Märkte selbst schlanker werden müssen, was regelmäßig nicht ohne Qualitätsverluste geht. Ein qualitativ schwächer werdendes Produkt hilft sicher nicht, schrumpfenden Auflagen entgegenzuwirken.

Das ist potenziell ein Teufelskreis. Insofern ist das „Rampstyle“ ein gutes Beispiel für ein Heft, das vielleicht jene wunderschöne Nische findet, in der sich das Geld aus dem hohen Verkaufspreis und die Anzeigenerlöse so einpendeln, dass man es noch lange weitermachen kann. Fast schon wieder komisch, dass das plötzlich wieder ein Zukunftsmodell ist: Einfach ein gutes Heft machen.

Okay, es ist nicht überaufregend und nicht wirklich eine Geschichte dabei, die sich für einen „Küchenruf“ eignet – also etwa „Hast du Martina Hill in Männerklamotten gesehen?“ –, aber es lässt sich sehr schön blättern und lesen. Gemacht von Leuten, die gerne blättern und lesen. So einfach kann das sein.

Rampstyle
Ramp.style GmbH & Co KG
10 Euro

Fußnoten

Fußnoten
1 Es ist fast ärgerlich, wie lange es gedauert hat, bis mir aufgefallen ist, wie selbstverständlich bei mir die Konversion von „Mode im Autoheft“ zu „Männermode“ ist. Ich habe das Heft in Kalifornien gelesen, wo ich ein paar Tage war, und unter anderem eine kurz vor der Rente stehende, knapp 1,50 Meter große japanisch-amerikanische Café-Betreiberin kennengelernt habe, die mir ihre Pläne für den Ruhestand verraten hat: Sie hat einen 1970er Ford Mustang Fastback und wird viel Zeit damit verbringen, in ihm am Meer entlang zu fahren, weil das Auto „der Ort ist, wo ich am glücklichsten bin“.

2 Kommentare

  1. das Cover ist gut.
    Hätte ich das am Bahnhofskiosk gesehen, hätte ich das Magazin auch in dei Hand genommen:
    Ein legendäres Bild, dass noch nicht mal den „Diese 3 Sekunden“ Störer nötig gehabt hätte.

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