Die besten Geschichten schreibt der Diätmittel-Hersteller selbst
„Ich hätte gar nicht gedacht, dass es so leicht ist“, „Ich fühle mich so gut wie nie zuvor“ oder „Ich konnte mich immer satt essen – das war toll!“ – mit diesen Überschriften leitet die Zeitschrift „Alles für die Frau“ aus dem Bauer-Verlag ihre wöchentlichen Erfolgsgeschichten unterschiedlicher Diät-Absolventen ein. Die Helden der Geschichte sind in der Regel mittleren Alters und weiblich. Idealerweise haben sie das 40. Lebensjahr bereits überschritten, notfalls geht auch 30 Jahre aufwärts, nur eine Gewichtsreduktion von mindestens 15 Kilo ist Pflicht. Dabei steht jedes Mal der Hinweis für Leser sich zu bewerben, wenn sie eine ähnliche Erfolgsgeschichte vorzuweisen haben.
Nur wird wohl kaum je eine treue Leserin die Chance auf eine Erwähnung in der Zeitschrift bekommen, denn die Zeitschriftenheldinnen werden nach unseren Recherchen in der Regel direkt von den Anbietern der Diätprodukten und -programmen ausgewählt. „Wir vermitteln Teilnehmer unserer Kur auf Anfrage“, sagt Stefan Schmidt, Geschäftsführer des homöopathischen Mittels Sanguinum, das besonders häufig in den vermeintlich redaktionellen Werbegeschichten in „Alles für die Frau“ vorkommt. „Teilweise erhalten diese von uns eine kleine Aufwandsentschädigung für ihre Mitarbeit.“
Auch die Ärzte und Heilpraktiker, die in den Artikeln über die angeblichen Erfolge von Sanguinum erwähnt werden, sind nicht unabhängig, sondern ausnahmslos Partner von Sanguinum. „Unsere Heilpraktiker und Ärzte werden Lizenzpartner und in dieser Eigenschaft zu den Besonderheiten der Sanguinum Kur geschult, erhalten Materialien und werden auf der Sanguinum-Homepage vorgestellt“, erklärt Schmid. „Dafür zahlen sie eine monatliche Lizenzgebühr.“
Dass eine Zeitschrift regelmäßig über Produkte von Diatanbietern berichtet, mag in Ordnung sei, solange das nicht völlig unkritisch passiert. Wenn Unternehmen allerdings die Möglichkeit bekommen, ihre Diät-Teilnehmer, sowie den Experten für die dazugehörige Einordnung selbst auszuwählen, ist das eher kein journalistisches Arbeiten.
Über die merkwürdige Diäterfolgs-Werbeserie in der Zeitschrift haben wir mehrfach berichtet. Der Presserat hatte zunächst eine Missbilligung ausgesprochen und dann, nachdem die Zeitschrift an der Praxis festhielt, eine Rüge. Der Verlag bestreitet, dass die Veröffentlichungen überhaupt einen Werbeeffekt haben.
Eine Redakteurin der Zeitschrift schildert uns aber, dass von journalistisch unabhängigen Berichten keine Rede sein kann. Vor gut einem Jahr hat „Alles für die Frau“ das Design dieser Seiten geändert. Damals sei das Blatt auch dazu übergegangen, die Artikel direkt von den Diät-Anbietern verfassen zu lassen. Während diese bislang nur die Probanden auswählen durften, liefern sie seither sowohl die Bilder als auch die Texte. Die Redakteure müssen die Artikel nur noch ins Redaktionssystem einpflegen und sich um Kleinigkeiten kümmern. Im neuen Layout sind die Texte auch nicht mehr mit dem Namen eines Redakteurs gekennzeichnet.
Sowohl Sanguinum als auch der Bauer-Verlag bestreiten, dass die Texte fertig geliefert werden.
Seit der Umstellung des Layouts verwendet die Zeitschrift bei den Experten-Kästen in den Sanguinum-Berichten sogar immer die offiziellen Farben des Unternehmens. Aber vielleicht sehen wir hier einfach Gespenster, Grün ist ja schließlich die Farbe der Hoffnung. Besonders freuen dürfte das neue Layout auch die zitierten Ärzte und Heilpraktiker. Diese sind nun mitsamt Foto zu sehen, was den Werbeeffekt für sie vergrößern dürfte.
Immerhin: die Teilnehmer, die in diesen Geschichten von ihren Diät-Erfolgen schwärmen, sind vermutlich echt und keine Models. Das versichern uns sowohl das Unternehmen, als auch diverse Heilpraktiker und eine Teilnehmerin persönlich. Wie viel diese tatsächlich abgenommen haben und ob sie ihr Gewicht auch halten konnten, ist natürlich unbekannt.
Sanguinum ist nicht das einzige Produkt, dessen angebliche Erfolge in dieser Weise in „Alles für die Frau“ gepriesen werden. Es gibt ähnliche Berichte über Mrs. Sporty, Bodychange, Optifast, eine Shake-basierte Diät von Nestle, Weight Watchers, die Wake-up-Diät und diverse Buchautoren. Einige Frauen tauchen dabei mehrfach auf. Elke hat beispielsweise in Ausgabe 4/2016 und 44/2017 mit Mrs. Sporty jeweils 30 Kilo abgenommen. Und sie trägt sogar noch den gleichen Pullover. Bei Nicole aus Heft 45/2017 ist es das gleiche Spiel mit Optifast, sie treffen wir in Ausgabe 1/2018 wieder, auch noch im selben Outfit.
Im Stil unterscheiden sich all diese Erfolgsgeschichten kaum von den als Werbung gekennzeichneten Anzeigen, die sich auch in der Zeitschrift finden lassen. Reißerische Überschriften („Inge, eine Hausfrau und Mutter aus Augsburg, entdeckt zufällig das Geheimnis abzunehmen ohne Diät“), Vorher-Nachher-Fotos und die gleiche rührselige Geschichte einer Teilnehmerin: Keine Diät hat jemals geholfen, Heilmittel durch Zufall entdeckt, jetzt endlich glücklich mit ihrem Körper. Dazu gibt ein angeblicher Experte sein Urteil zum Wundermittel ab.
33.588 Euro kostet eine solche Anzeigen-Doppelseite laut Preisliste. Angesichts dessen wäre es erstaunlich großzügig von Bauer, ähnliche Werbegeschichten für diverse Diät-Unternehmen kostenlos zu bringen. Doch von Schleichwerbung will das Unternehmen nichts wissen: „Der Hinweis auf weiterführende Internetseiten dient dabei dem Zweck der Informationsbeschaffung für die Leserin. Das ist eine übliche redaktionelle Dienstleistung in Frauenmagazinen, um Leserinnen den bestmöglichen Service zu bieten.“
Die beste Diät ist eine gesunde, ausgewogene Diät mit wenig einfachen Kohlenhydraten, Fisch, Fleisch und Gemüse. Dazu gesunde Fette wie Olivenöl. Und dann darauf achten, dass man weniger Kalorien isst, als man verbraucht. Aber das ist ja zu einfach und das Heft würde seine Daseinsberechtigung verlieren (falls es die jetzt überhaupt hat).
Danke für das weiter die Feder über die Heuchelei schwingen! Kann nicht oft genug geschehen! *Daumen hoch*