Jolie.de

Ihr Blondinen der Welt, kauft dieses Shampoo!

„Das erste deutsche Socializing Lifestyle Online-Magazin“. Das klingt wie etwas, womit man beim Bullshit-Bingo punkten und den „Verein deutsche Sprache“ in den Wahnsinn treiben könnte — also grundsätzlich erstmal nach einer guten Sache.

Mit diesen Worten beschreibt die Vision Media GmbH aus München ihre Seite jolie.de. Visions Media ist eine Tochter des OZ-Verlags und gibt Zeitschriften wie „Madame“, „Inside“ und „Mädchen“ heraus. Und „Jolie“, das „Magazin der Millennials“. Der Online-Auftritt ergänzt das Heft nach Verlagsangaben „für junge und moderne Frauen perfekt mit Beauty-, Fashion- und Startrends.“

Und was interessiert junge und moderne Frauen im Jahr 2017 ganz besonders? Richtig: das perfekte Haarpflegeprodukt!

Eine Autorin, die laut Impressum Volontärin bei jolie.de ist, hat da im Selbstversuch etwas ganz Tolles gefunden, was ihr schon viele Komplimente eingebracht hat. Es ist ihr neues Lieblingsshampoo, aber nicht nur das: Es wird für immer und alle Zeit ihr Lieblingsshampoo bleiben, denn nach nur wenigen Wochen weiß sie jetzt schon: „Ein anderes Shampoo kommt mir nicht mehr ins Haus. Dieses Shampoo aus der Drogerie wird ab jetzt in der Großpackung gekauft!“

Screenshot: jolie.de

Mein persönliches Haargeheimnis ist ein Shampoo aus der Drogerie. Unzählige Haarwaschmittel versprechen Glanz und Geschmeidigkeit, doch dieses Produkt liefert Ergebnisse, die sich sehen lassen können. Ich will nicht länger um den heißen Brei herumreden, mein neues Lieblingsshampoo ist das John Frieda sheer Blonde go Blonder.

Und wenn es nach ihr geht, soll es nicht nur ihr Lieblingsshampoo bleiben:

Blondinen dieser Welt, egal ob Naturblondine, mit ein wenig Nachhilfe oder eine Mischung aus beidem wie in meinem Fall, holt euch dieses Shampoo!

Das ist, vorsichtig ausgedrückt, ein direkter Kaufaufruf. Und bevor wir jetzt nachrechen, an wie viele Millionen Menschen sich dieser richtet (ca. 2 Prozent Naturblonde weltweit plus Gefärbte — gilt die Aufforderung auch für Männer?), ist jolie.de schon einen Schritt weiter:

Für ca. 6 Euro ist das Shampoo ist fast allen Drogeriemärkten erhältlich. Neben dem aufhellenden go Blonder Shampoo mit Kamille und Citrus umfasst die Sheer Blonde Reihe weitere Pflegeprodukte. Für Brünette hält John Frieda übrigens die Brilliant Brunette Produktreihe parat.

Und wer zu faul ist, um nachzuschauen, ob es dieses geile Zeugs auch in der Drogerie um die Ecke gibt, der kann gleich zugreifen — oder zumindest klicken:

Der Link „Zum Shop“ führt zum Online-Shop der Salon Hagel GmbH, die laut eigenen Angaben „neben aktuell 16 Salons in exponierten Lagen im Großraum Hamburg einen Online-Shop mit über 18.000 Beautyprodukten“ betreibt.

Ein Wort wie „Anzeige“ ist nirgends auf der jolie.de-Seite mit der Shampoo-Extase zu sehen.

Wir wollten deshalb von jolie.de wissen, ob der Text einen redaktionellen Inhalt oder einen werblichen darstellt und woran man als Leserin oder Leser das eine oder andere erkennen könnte. Aber unsere E-Mails an Redaktion und Verlag blieben bislang unbeantwortet; unsere Bitte um Rückruf auf dem Anrufbeantworter der Redaktion blieb es auch.

In der Zwischenzeit haben wir auf jolie.de herumgeklickt. So stießen wir zum Beispiel auf die „Beauty News“, in denen die Ankunft eines neuen Lippenpflegestifts vermeldet wurde:

Wir rasten aus! Als ob wir nicht sowieso schon süchtig genug nach Labello Lippenpflegestiften wären, gibt es den Kult-Klassiker für kurze Zeit nun auch im süßen Glitzer-Mantel … was es uns im Drogeriemarkt nochmal schwerer macht, stark zu bleiben und nicht den zwanzigsten Labello zu kaufen!

Mehr Infos gebe es „im Video“, verspricht jolie.de — praktischerweise hat Labello einen Werbespot produziert, der an dieser Stelle eingebunden ist.

Eine Art Lebenshilfe ist vermutlich auch der Artikel, der erklärt, wie man erfährt, wann „beinahe das Shopping-Ereignis des Jahres“ stattfindet — der Sale der Modekette Zara („Meldet euch für den Zara Newsletter an“).

Und wer Brettspiele und Disney-Filme mag, freut sich sicherlich auch über alle wichtigen Informationen zum neuen „Disney-Monopoly“. Also, wirklich alle:

Und wo kann man das Disney-Monopoly kaufen … und noch viel wichtiger: müsst ihr erst eine Hypothek aufnehmen, um es euch leisten zu können? Ihr könnt die Disney-Version von Monopoly online über winningmoves.de kaufen. Der Preis beträgt 39,95 Euro zuzüglich Versandkosten.

Die Artikel bei jolie.de werden in der Regel ohne Datum veröffentlicht, so dass es schwer ist zu sagen, wie lange sie schon online stehen.

Sie sind von vielen Dingen, die man kaufen kann, angetan bei jolie.de, aber nichts schlägt ihre Begeisterung für die Drogeriemarktkette dm: Auf ihrer Facebookseite postet jolie.de gerne Artikel, in denen die Kette (und nur diese) namentlich erwähnt wird. Das passiert teilweise täglich.

Aber das ist bestimmt alles nur Teil des Socializing Lifestyles.

Nachtrag, 23.3.2018. Der Presserat hat Jolie.de nun für den Artikel über das Shampoo gerügt. Begründung: „Diese Art der Darstellung überschreitet die Grenze zwischen einer Berichterstattung von öffentlichem Interesse und Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2 Pressekodex.“

Nachtrag, 17.4.2018. Inzwischen liegen uns auch die ausführlichen Stellungnahmen zu unserer Beschwerde von Redaktion und Presserat vor: Die Content-Chefin hatte demnach vorgebracht, dass der Artikel ein Erfahrungsbericht einer Redakteurin sei, die das Produkt redaktionell getestet habe und von ihm begeistert gewesen sei. Durch die Ansprache in der Ich-Form und die Verwendung von Medien, die die Autorin zeigten, sei dieser Bezug für die Leser sofort ersichtlich. Das beschriebene Produkt sei zudem nicht die einzige Produktempfehlung in dem Artikel: In der dazugehörigen Bilderstrecke würden noch elf weitere Produkte für unterschiedliche Styling-Bedürfnisse von diversen Herstellern gezeigt.

Jolie.de sei ein tagesaktuelles Portal für junge Frauen mit einer starken Service-Orientierung und eine Zielgruppe, die ein hohes Interesse an redaktionellen Produktempfehlungen und Testberichten habe. Die Verweise für die empfohlenen Produkte verstehe man als Service für die Leser. Bei den Verlinkungen aus den Boxen unter dem Artikel handele es sich um ein Affiliate-Programm. Diese Links werde man zukünftig als Werbung kennzeichnen.

Der Beschwerdeausschuss des Presserats mochte sich dieser Erklärung nicht anschließen: Die Mehrheit seiner Mitglieder war der Auffassung, dass die Grenze zur Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2 Pressekodex deutlich überschritten wurde.

Grundsätzlich könne eine Redaktion zwar Produkte testen uns positiv bewerten, im konkreten Fall sei jedoch „ohne erkennbaren Grund ein einzelnes Produkt aus einer Palette hervorgehoben, unkritisch dargestellt und in den höchsten Tönen gelobt“ worden. Die Veröffentlichung erwecke den Eindruck eines PR-Artikels, der noch verstärkt werde durch den Link zu dem Shop, über den das Produkt erworben werden könne. Diese Art der Darstellung sei mit den presseethischen Grundsätzen nicht mehr vereinbar.

Die Redaktion hat den Artikel inzwischen offline genommen.

13 Kommentare

  1. Das Wort „Socializing Lifestyle“ ist nur Teil einer Marketingkampagne.
    Wir sollen alle zu unbezahlten Markenbotschaftern werden, indem wir zeigen, was wir kaufen.
    Aber hey, die Kids stehen drauf und findes alles auch garnicht so schlimm.
    Is‘ halt so, yolo, also vong Teilen her jetz.

  2. Ist doch gut, wenn Jolie einen Nischenmarkt wie Blonde abdeckt. Bei 2% weltweit wird man ja oft übersehen.
    Und Nein, wenn auf der Packung eine Frau ist, ist das Produkt natürlich nicht für Männer. Wenn da ein Mann drauf ist, ist das ja auch nicht für Frauen. (Offenbar kriegen nur Männer Schuppen.)

  3. Oh, ist ja Online und nicht auf totem Holz, mein Parser ist bei den Buzzwords Socialising und Lifestyle schon ausgestiegen.

  4. Ggf. bei einem Verbraucherschützerverein melden. Dieser kann dann eine Abhmahnung auf Grund unzulässiger Werbung veranlassen.

  5. Lohnt es, über diesen dämlichen Scheiss zu berichten?
    Ich habe Zweifel.
    Bedeutet ja nicht, nicht sich zu echaufrieren.
    Aber dafür Übermedien?
    Habe die Tage in einer Arztpraxis gesessen. Neben mir eine erkennbar ältere Dame, die die „Bunte“ in der Hand hielt. Unvergessen der Titel: Sie trägt wieder seinen Ring.
    Irgendwas mit Monaco, k.A.
    Ich musste warten, mit der alten Dame, die diesen Artikel wohl auswendig gelernt hat.
    Oder ihn nicht verstanden, denn nach meiner Untersuchung und einer folgenden Wartezeit war besagte Dame immer noch mit dem Artikel beschäftigt, wie ich aus den Augenwinkeln unschwer erkennen konnte.
    Soviel zum Publikum…

  6. aber Herr Niggemeier, gleich unter dem Labello-
    Foto steht doch schwach und bescheiden „Promotion“ –
    genauer: also unter der Baby-Sprech-Zeile „haben wollen“.

    „Anzeige“ klingt doch old-school-mäßig und wird am Ende noch von
    jedem (jeder?) als bezahlte Werbung verstanden.
    Obwohl -sicher bin in dieser Hinsicht nicht.

    Jack

  7. passiert ja nix, wenn diese Werbehuren „Promotion“ machen. Würde man Schleichwerbung ordentlich bestrafen, wär’s auch bald vorbei mit dieser Verarsche.

  8. Tolles Vokabular!
    „Dat janze Werbevolk einfach Kopp kürza, AfD wählen, jawoll!“
    Das wird man doch wohl noch sagen dürfen.

  9. Kurz vor Ende seines Textes schreibt Lukas Heinser den Satz „Die Artikel bei jolie.de werden in der Regel ohne Datum veröffentlicht, so dass es schwer ist zu sagen, wie lange sie schon online stehen“. Hat er sich denn überhaupt bemüht, einen Anhaltspunkt dafür zu finden, seit wann die Artikel schon online stehen?

    Wenn auf der Webseite nichts direkt sichtbares zum Veröffentlichungsdatum steht, kann es sich lohnen, mal in den HTML-Text der Seite hineinzusehen und dort nach verräterischen Spuren zu suchen. Und wenn dort nichts ist, wäre der nächste Schritt die HTTP-Antwort, die der Webserver auf die Anforderung der Webseite gibt.

    Im HTML-Text der Webseiten von Jolie.de finde ich auch nichts, was auf ein Datum hindeutet (man könnte allerdings mal ausprobieren, ob sich mit der Variablen „pageId“ aus dem Javascript-Code der Werbeeinblendungen die Webseiten von Jolie.de in eine sinnvolle Reihenfolge stellen lassen).

    Aber die HTTP-Antwort ist da informativer. In ihr lese ich, daß ein Apache-Webserver mit dem Web-Beschleuniger Varnish eingesetzt wird, und ich erhalte auch noch ein Datum mitgeteilt. Bei den Artikeln über das beste Shampoo und über das Disney-Monopoly steht dort der 01.12.2017, was wohl dafür spricht, daß diese Seiten heute aktualisiert wurden. Aber bei dem Artikel über den Zara-Sale steht dort der 14.11.2017, woraus ich schließe, daß an dem Tag entweder die Erstveröffentlichung oder die letzte Änderung des Artikels erfolgt ist. Das spricht also dafür, daß zumindest dieser Artikel mindestens schon zwei Wochen online ist.

    Einen HTTP-Request kann man einfach an der Kommandozeile mit dem Dienstprogramm „telnet“ eintippen und an den Webserver schicken. Ich habe mir aber auch schon mal eine Webanwendung programmiert, die das nach Eingabe der URL für mich übernimmt:
    http://www.mein-rechenzentrum.de/source.html?http://www.jolie.de/mode/zara-sale-datum

  10. @ 8: Ich bin mir nicht sicher, ob das gemeint war, aber unter dem Foto steht in sanftem hellgrau „© PR“

  11. @Daniel Rehbein: Ja, hat er. Im Quelltext ist, wie Sie schreiben, nichts Brauchbares zu finden, und bei archive.org waren die Artikel nicht erfasst.

    Alles, was ich weiß, ist, dass die Artikel am 25. Oktober schon online waren, weil ich sie da erstmalig gelesen und abgespeichert habe. Und der Shampoo-Artikel am 5. Oktober.

    Aber vielen Dank für den Tipp mit dem HTTP-Request.

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