Wäre die Europäische Arbeiter-Partei 1976 in den Bundestag eingezogen, Helga Zepp-LaRouche hätte zum Rekord von Bundestags-Alterspräsident Heinz Riesenhuber von der CDU aufschließen können, der bereits seit mehr als 40 Jahren im Parlament sitzt. Die drittlängste Zeit. Übrigens nach Wolfgang Schäuble, dem Lothar Matthäus unter den Bundestagsabgeordneten.
Allerdings reichte es für Helga Zepp-LaRouches Partei damals nur für 0,02 Prozent der Stimmen. Zwischen sehr weit links, sehr weit rechts und sehr seltsam irrlichterte die Wahrnehmung der Kleinpartei, der Helga Zepp-LaRouche weitere Parteigründungen wie die „Patrioten für Deutschland“ und die aktuelle Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) folgen ließ.
Antiisraelische Töne gehören immer noch zum Programm, aber während die frühere Holocaust-Leugnung nun geleugnet wird, hält die BüSo den Klimawandel für eine Lüge der „Propagandaorgane des globalisierten Imperiums“.
Mit Verschwörungen kennt sich Helga Zepp-LaRouches Ehemann, der 94-jährige US-Amerikaner Lyndon LaRouche, blendend aus. Der schillernde Gründer der LaRouche-Bewegung hatte im Laufe seines Lebens viele bizarre Feindbilder und scharte Anhänger um sich, die die Zeitschriften und Bücher seiner Organisation für genau diese kruden Thesen bezahlten.
Im Wahlkampf machte die BüSo bis jetzt keine Schlagzeilen. Das letzte Mal tauchte sie im Februar in der Presse auf: Da berichtete das „Neue Deutschland“, der Berliner Restaurantinhaber Kostas Papanastasiou habe Helga Zepp-LaRouche von der Feier zu seinem 80. Geburtstag nach öffentlicher Kritik ausgeladen. Kostas Papanastasiou ist möglicherweise besser bekannt unter dem Namen Panaiotis Sarikakis. Er führte bis September 1988 ein weiteres Restaurant – das weltoffene „Akropolis“ in der Lindenstraße, dessen Silvestermenü 1987/88 von Altnazi „Onkel Franz“ vergiftet wurde.
Gregor Gysi war bis vor zwei Jahren Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag und wird am 24. September erneut in seinem Wahlkreis Berlin-Treptow-Köpenick antreten, in dem er sich bereits dreimal per Direktmandat durchsetzte. Er ist ein Medienprofi, der gerne eingeladen wird, weil er nahtlos zwischen Schelmenrolle und Politprofi wechseln kann.
Im aktuellen „Playboy“ gibt er ein Interview zwischen einer Reportage über eine Trekkingtour (1.500 Kilometer) und der Vorstellung des neuen Ford GT (656 PS). Gysi spricht über Merkel, Trump und Erdogan, über den SPD-Kandidaten Schulz, über Cannabis-Legalisierung und seine Zeit als alleinerziehender Vater. Und es gibt einen sehr kurzen Exkurs über die Freikörperkultur.
Gregor Gysi hat sich von einem Sexualwissenschaftler erklären lassen, das in der DDR verbreitete Nacktbaden verschwinde, weil „die Westmänner teilweise mit einem pornografischen Blick kämen“. Was Gysi schade findet, weil Freikörperkultur eben „nicht wirklich erotisch“ sei.
Nun ist Gregor Gysi, wie gesagt, ein Medienprofi, im Springer-Hochhaus arbeiten auch keine Kinder von Traurigkeit und der „Playboy“ liegt dort offenbar zur Zweitverwertung nackter Haut ohnehin aus.
Am Donnerstag ließ „Bild“ die Linke auf der Titelseite den „FKK-Wahlkampf“ eröffnen, inklusive FKK-Interview mit Gysi am Müggelsee. Gregor Gysi legte dort, zwischen drei nackten Senioren, sogar sein Jackett ab! Er lümmelte dann auf einem „Bild“-Badetuch mit dem Spruch „Geh mir aus der Sonne“ (100 % Baumwolle, 8 Euro), und unter anderem zitiert Gregor Gysi dort auch einen Sexualforscher, „demzufolge Westmänner“ usw. usf.
Eine schöne Sache für Gregor Gysi, „Playboy“ und „Bild“, die so eine FKK-Miniserie starten kann. Win-Win-Win.
Für das ZDF brach Reporter Jochen Breyer zu einer Sommerreise durch Deutschland auf. Eine Dreiviertelstunde lang ist er „Am Puls Deutschlands“ und trifft Menschen in Wiesbaden, Speyer und Oberbayern. Sehr unzufriedene Menschen: Ihre Mieten sind zu hoch, sie fühlen sich von den Medien belogen oder fürchten um die Existenz ihres Geschäfts durch zu hohe Steuern und Sozialabgaben. Wohl fühlt sich von ihnen in Deutschland niemand.
Das liegt natürlich auch daran, dass Jochen Breyer die besucht, die er auf Facebook bat, seine Frage „Was stört sie an Deutschland?“ zu beantworten. Die Menschen sind freundlich zu ihm, sie haben ihm Kuchen gebacken, und sie wünschen sich Aufmerksamkeit durch die Politik, in die sie nicht vertrauen.
Am Ende lässt einen dieses Facebook-Experiment ratlos zurück. Die Unzufriedenheit wirkt ansteckend. Natürlich kommt auch die obligatorische „Filterblase“ vor, die das Denken auf die vermeintliche Wahrheit von Facebook-Timelines begrenzt. Aber die vielen Häppchen ohne Widerworte hinterlassen einen schalen Nachgeschmack.
Zum Beispiel, wenn die 62-jährige Heavy Userin aus der Uckermarck so unwidersprochen damit ausklingt, dass vielleicht manches von dem, was sie da so liest, nicht stimmen mag, aber eben doch vieles. Oder der Restaurantbesitzer, der sich unter wohlwollendem Nicken des Reporters Breyer beklagt, dass das „Herumschieben“ von Kapital nichts koste, während die Handarbeit besteuert sei. Was schließlich in eine freundliche Gitarrenmusik und eine gemeinsame Überlandfahrt mündet. Wenn das der Puls war, dann wünscht man sich dringend einen weiteren Blick. Auf das Herz.
Die Kolumne
„Ich bin Wechselwähler. So schwer wie in diesem Jahr fiel mir die Wahl noch nie. Was ich mir für eine Politik wünsche, weiß ich sehr genau, aber ich suche schon seit Monaten nach Anhaltspunkten. Sind es die da, die da oder die da – mit dem dicken Pulli an? Jetzt wird’s langsam ernst, und ich schaue mich um, informiere mich. Medien sind dabei meine Quellen und manchmal auch der Anhaltspunkt, mir noch mehr Informationen zu suchen. Am Ende werde ich wählen gehen und nicht verraten, wen.“
Peter Breuer macht sich für uns bis zur Bundestagswahl Notizen.
3 Kommentare
Auf meinem Smartphone wird der Text wieder ohne die ursprünglich wahrscheinlich vorgesehen Trennsymbole zwischen den Abschnitten abgebildet. Das Ganze liest sich dann etwas seltsam.
@1 Ja, da wären zwei Trennlinien. Vielen Dank für den Hinweis!
„Alles hat Grenzen“: Gysi, bekleidet
Vielen Dank für diese sympathisch-vielschichtige Bildunterschrift.
Auf meinem Smartphone wird der Text wieder ohne die ursprünglich wahrscheinlich vorgesehen Trennsymbole zwischen den Abschnitten abgebildet. Das Ganze liest sich dann etwas seltsam.
@1 Ja, da wären zwei Trennlinien. Vielen Dank für den Hinweis!
Vielen Dank für diese sympathisch-vielschichtige Bildunterschrift.