Bahnhofskiosk

Glücksrezepte für 1 Person mit 1 Katze

Ich mag es sehr, wenn Redaktionen die Meta-Ebene dessen entdecken, was sie oberflächlich thematisch behandeln, nämlich das den Inhalten ihrer Publikation zugrunde liegende Bedürfnis des Lesers. Die Existenzgrundlage von Magazinen ist die Frage von Menschen nach ihrer Identität – wenn es nicht mehr um pure Information geht, sondern darum, wie diese einzuordnen ist, zu welcher Gruppe ich gehöre und von welcher ich mich abgrenze, kurz: welches mein Platz im Leben ist. Diese Woche habe ich, glaube ich, ein perfektes Beispiel dafür gefunden: ein Magazin über Einsamkeit. Es heißt „Our Cats – Deutschlands modernes Katzenmagazin“.

Es ist ein handwerklich letztlich nicht professionell gemachtes Heft, das vorweg, und ich arbeite das einmal schnell am Cover ab, damit wir es hinter uns haben, und weil mir das als erstes ins Auge gefallen ist*. Es ist eine Glaubensfrage, aber ich persönlich finde, hinter Unterzeilen von Headlines gehört kein Punkt als Satzzeichen. Wenn man ihn setzt, wie es bei „Our Cats“ drei Mal der Fall ist, dann muss man ihn meiner Meinung nach konsequent immer setzen, was hier nicht passiert („Mini-Panther mit Seltenheitswert“**), und ganz sicher falsch ist der Punkt nach einem Imperativ „Machen Sie den TEST.“).

Das klingt alles nach Korinthenkackerei, aber ich halte Handwerk für wichtig, und, mal ehrlich, es ist das, was Profis von Hobby-Magazinmachern unterscheidet. Und wer ein bisschen Spaß im Leben haben will, der sollte das Wörtchen „STATT“ aus der Titelzeile einem Typografen zeigen; die komische Spationierung*** zwischen dem A und den drei T wird dafür sorgen, dass sein Körper sich windet und gepresste Grunzlaute aus den Tiefen seines Körpers aufsteigen. Knihihihihi****. Dieses Nicht-ganz-professionell-Sein setzt sich durch das Heft fort – ich habe zum Beispiel lange gerätselt, wozu das frei schwebende Wort „Homöopathie“ im Inhaltsverzeichnis gehört*****.

Aber zum Inhalt, und der ist in einzelnen Momenten genial. Es gibt eine Strecke „Fit in den Frühling“, die beginnt mit dem Absatz:

„Der Winter war mal wieder lang und er hat irgendwie Spuren hinterlassen: Müdigkeit im Gesicht, Speckröllchen an der Hüfte, eingerostete Glieder – und das nicht nur beim Menschen, sondern auch bei der Katze. Dann wird es höchste Zeit für ein gemeinsames Muntermacher-Programm, damit Zwei- und Vierbeiner fit in den Frühling kommen.

Dann folgen eine Menge Übungen, die im Kern so etwas sind wie Yoga mit der Katze als zusätzliches Gewicht. Ich habe zwei Katzen, die ich allein mit dem Versuch, fit mit ihnen in den Frühling zu kommen, wahrscheinlich fast dazu bekommen könnte, meine Existenz jenseits des Dosen- und Türöffners anzuerkennen, aber nur, weil sie mich wahrscheinlich krankenhausreif zusammenschlagen würden.

In der „Our Cats“-Fitnessstrecke ist konsequent nur von „Frauchen“ die Rede, die da turnen, so dass keine Fragen aufkommen, wer da mit den Speckröllchen kämpft. Und am Ende steht, als Belohnung, ein Rezept für Spaghetti mit Lachs. Es beginnt mit „Für eine Person und eine Katze brauchen Sie …“

Es macht mich einerseits traurig, mir vorzustellen, wie einsam man sein muss, um allein mit seiner Katze zu versuchen, diesen Sommer zu einem besseren zu machen, indem man das Tier so lange mit den Beinen in die Luft hebt – und wenn man es schafft, sogar den Po anhebt! – bis der Bauch schön ist. Andererseits ist das wahrscheinlich die Welt, in der wir leben, und wenn jemand einen Moment Glück in seinem Haustier findet, dann bin ich dafür.

Im Rezept steht, man sollte dem Tier zuliebe die Spaghetti zunächst ohne Salz kochen, und erst nachsalzen, wenn man die Portion für die Katze aus dem Wasser genommen hat. Was fehlt ist der Hinweis, dass man wahrscheinlich aufpassen sollte, keine salzigen Tränen ins Essen zu weinen.

Weiter hinten im Heft steht dann, dass Katzen reine Fleischfresser sind und keine Kohlehydrate verdauen können, was das mit den Nudeln ein bisschen albern macht. Aber am Ende geht es, wie gesagt, wahrscheinlich gar nicht so sehr um Katzen. Es geht um Seelen. Und da können wahnsinnig süße Katzenfotos ja nun wirklich nicht schaden.

Our Cats
Minerva Verlag
3 Euro

*) Aber es war nicht der Grund, die Zeitschrift zu kaufen, so gemein bin ich dann doch nicht.

**) Ich nehme an, der Grund ist hier, dass diese Unterzeile als einzige kein ganzer Satz ist, was zumindest eine innere Logik hätte.

***) Das ist die Festlegung des horizontalen Abstandes zwischen Buchstaben, und für Typografen so etwas wie der Unterschied zwischen einem gezogenen Gewehrabzug und einem nicht gezogenen: Es geht nur um Millimeter, aber das Ergebnis kann schmerzhaft sein.

****) Hier wäre ein Ausrufezeichen als Satzzeichen auch schöner, oder nicht?

*****) Lösung: Zu dem Bild von den Tintenfischen darunter, weil es um Sepia-Kügelchen geht. Nicht sofort ersichtlich.

21 Kommentare

  1. Ich hätte eine Korinthe beizusteuern bezüglich „**“: Stimmt nicht. „Keine Chance“ ist auch kein ganzer Satz, hat aber einen Punkt.

  2. “Es macht mich einerseits traurig, mir vorzustellen, wie einsam man sein muss“
    Es gibt Menschen, die gerne allein sind. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass einige von denen Katzen als Haustiere sympathisch finden.
    Aber sonst wieder sehr schön.

  3. Katzen sind hinterhältig. Ich finde nicht, dass sie eigene Zeitschriften bekommen sollten.

  4. Nachdem Herr Niggemeier letztens auf einen meiner Kommentare reagiert hat, dachte ich, erwünschtes Verhalten sollte man bestärken.
    Es ist übrigens nicht so, dass ich im Gegenzug erwarte, dass irgendwer von euch mich jetzt bei Patreon unterstützt. Keineswegs. Es wär natürlich eine coole partnerschaftliche Geste, weil wir kleinen Blogger zusammenhalten müssen und am selben Strang ziehen sollten.
    Aber ist natürlich okay, wenn ihr das trotzdem nicht macht. Es gibt halt solche und solche.

  5. Na ja, für nur 3 Euro bin ich gerne bereit, über leichte Mängel beim Layout hinwegzusehen. Das tue ich sogar für 3,99 Euro bei Übermedien!

  6. Dieser ganze Artikel ist natürlich einer der heftigsten disse, die ich lange gelesen habe.

    Hier ein Detailwunsch: Ich hätte gerne Fußnoten, die per klick ihren Inhalt anzeigen, so wie (nur zum Beispiel) bei XKCD: https://what-if.xkcd.com/153/
    Außer, das ganze ist ein absichtliches Stilmittel, dann natürlich weitermachen.

  7. Boris Rosenkranz!
    Hier spricht jemand schlecht über Katzen und nennt sie hinterhältig!

    Katzen haben nicht nur eine eigene Zeitschrift verdient, denen sollte die ganze Welt gehören :-)

  8. @civichief

    Die gehört ihnen ja offensichtlich schon. Ich habe „Hitlerkatzen“ gegoogelt. Schauen Sie mal bitte! Das ist ja wohl der Gipfel der schwefligen Unmoral.

    https://goo.gl/5Ltlcg

  9. Katzen und insbes. Hunde werden überproportional hochsterilisiert, v.a. auch in Deutschland. Der Einfluss der Haustierindustrie hat gefährliche Formen angenommen.

    Private Hundehaltung in Grossstãdten muss reglementiert werden. Zum Schutz der Menschen, Umwelt und Tiere. Unsere Facebookseite setzt sich kritisch damit auseinander: https://facebook.com/kotundkoeter

  10. #10 H. Schmidt – Sehr löblich das Sie Ihr Leben diesem überaus wichtigen Thema widmen. Ich hielt es zuerst für Ironie, bis ich Ihr Engagement erkannte. Ich empfehle dringend noch einen Aluhut gegen die Einflüsse der Haustierindustrie, damit Sie auch oben und unten geschützt sind.

  11. Ich bin eigentlich stiller Leser, wollte an dieser Stelle aber einfach mal saegn, wie gerne ich diese Kolumne lese. Ist mit ein Grund, warum ich das Abo abgeschlossen habe, wenn auch nicht der einzige. Danke dafür!

  12. „Überproportional hochsterilisiert“ war das i-Tüpfelchen auf dieser wieder einmal sehr gelungenen Bahnhofskiosk-Woche. Schließe mich Katzen-for-Weltherrschaft an.

  13. Ist das „STATT“ nicht eher ein Beispiel für falsche/fehlende Unterschneidung, als für falsche Spationierung? Letztere ist zwar wohl auch nicht optimal, aber mit gut gewählter Unterschneidung würde das weit weniger ausmachen, mEn.

  14. #10
    Kot ist ebenfalls hinterhältig und sollte keine eigene Zeitschrift bekommen. Ich bin sehr froh, dass ich hier frei diese Meinung äußern darf, von der ich bisher gar nicht wusste, dass ich sie habe.

  15. Ich kann zwar nicht mit Fachtermini bezüglich des Satzes von Zeitschriften um mich schmeißen, hätte aber dennoch eine Frage: Was sagt der Experte (a. k. a. der Autor) denn eigentlich zu der, öhm, wie heißt der Bereich, in dem sich der Name der Zeitschrift befindet? Dieses riesige weiße Feld, in dem das „s“ von Cats wie ein halbtoter Wurm an der Angel zappelt. Und das sehr seltsam platzierte „OUR“, wodurch das zu weit geschlossene „C“ ein wenig wie eine sehr aufgedunsene Version von Mr. Potato Head aussieht… Ich habe selten so eine absurde Titelzeile (Kann man das so sagen?) auf einer Zeitschrift gesehen, die tatsächlich professionell verkauft wird und dabei keine Satire ist.

    Beste Grüße

    skoo

  16. Nur weil ich mich damals mit dem Gedanken trug, meinen Kater entkrallen zu lassen, weil er mein rotes Ledersofa zerkratzte, stand ich unglaublicher Kritik gegenüber.

  17. #18 – Lag vielleicht daran das dies der einzige Gedanke war und man „Alternativen“ vermisst hat. Wie gewöhne ich meinem Kater das kratzen ab (Arbeitsintensiv), brauche ich ein rotes Ledersofa (Verzicht), ist eine Katze für mich überhaupt sinnvoll (ebenfalls Verzicht). Alles so einfach wie möglich für einen selbst zu lösen kann man auch kritisieren.

  18. Nach den Maßstäben oben sind aber die Hälfte aller Magazintitel unprofessionell gestaltet, mit all den Deppen Leer Zeichen und der Kreativen groß- UND KleinSchreibung. Die bekannte Werbeinterpunktion Nicht. Zu. Vergessen.

  19. Dank diesem Artikel bin ich auf die Zeitschrift aufmerksam geworden. Wovor mich ansonsten mein Typographen-Auge und -Herz bewahrt hätten. Ein Blick auf die Titelseite mit diesem fantastischen Cover hätte gereicht, um schaudernd daran vorbei zu gehen.
    Können denn Katzenbesitzer (von echten, also Freigänger-Katzen) überhaupt überzeugte Veganer sein?
    Die Mischung Aquarium, Garten, Psychotest, Psycho-Trick ist wirklich seltsam. Fehlen noch Modetrends.
    Da bleibt mir nur noch, meinen Kater zu schnappen und ein paar Yoga-Übungen zu machen. DANN habe ich definitiv Probleme. Aber andere.

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