„Welt“-Gastautor Hans-Martin Schönherr-Mann hat die Sache durchschaut: Politik, Wissenschaft und Medien geht es bei ihrem Alarmismus nicht um Klima, Gesundheit oder Katastrophenschutz, sondern ums Spaßverderben!
Gastbeitrag von Hans-Martin Schönherr-Mann am 23.9.25Ausriss: Welt
Nichts darf man mehr, und das, was man noch darf, wird einem auch madig gemacht. Aus diesem Lebensgefühl ist längst ein ganzes journalistisches Genre entstanden, und auch wenn es scheint, als müsse man dieselben Textbausteine nur immer wieder neu zusammensetzen, damit Leute begeistert „Endlich sagt es mal einer!“ rufen, gibt es doch gelegentlich Artikel, die aus dem üblichen Gejammer herausragen – und es auf eine ganz neue Stufe heben.
Am Dienstag ist in der „Welt“ ein Gastkommentar von Hans-Martin Schönherr-Mann erschienen, einem Professor für Politische Philosophie. „Der verdorbene Sommer“ ist der Text überschrieben, und ruiniert haben die Jahreszeit: die Medien. „Selbst das schlechte Wetter in diesem Jahr wurde uns mit maßlos übertriebenen Hitzewarnungen und moralisierender Klima-Angst verdorben. Das sollten wir uns in Zukunft nicht mehr gefallen lassen“, heißt es kämpferisch im Vorspann.
Notizblog
Stefan Niggemeier ist Gründer von Übermedien und BILDblog. Seit vielen Jahren Autor, Blogger und Medienkritiker, früher unter anderem bei der FAS und beim „Spiegel“. In seinem Notizblog macht er Anmerkungen zu aktuellen Medienthemen. Hier können Sie alle Folgen lesen.
Der endlosen Liste von Dingen, an denen einem die ewigen Bedenkenträger den Spaß nehmen wollen, fügt der Autor Gewitter, Starkregen und „das Anschwellen des Bachs hinterm Haus“ hinzu. Gerade das seien eigentlich „tolle Wetterphänomene, die man genüsslich beobachten kann“, schreibt er. „Aber heute denkt man sofort an den möglichen Fluchtweg – so weit ist der Genuss schon verdorben worden.“
Sommer-Warnungen statt Soundtrack
Schönherr-Mann beginnt sein Essay mit einer Sache, die er meint, im Radio bemerkt zu haben – und die irgendwie zu seiner Erzählung passt, dass niemand mehr den Sommer genießen dürfe:
„Das ist der Soundtrack deines Sommers auf Bayern 3! – Diesen Werbespruch des Jugendsenders des Bayerischen Rundfunks habe ich schon lange nicht mehr gehört. Was auch Zufall sein kann. Dagegen hörte ich Mitte August im Nachrichtensender BR24 ständig Warnungen vor Hitze und Ratschläge, wie man sich dabei verhalten soll: viel trinken und nicht bewegen beispielsweise.“
Schon daran nimmt er Anstoß: Dass ein Informationsprogramm sein Publikum vor möglichen Gefahren warnt. Es ist für ihn anscheinend Teil des großen Bevormundungsprogramms der Spaßverderber. Er stört sich daran, dass die Wetterkarte in der „Tagesschau“ anders eingefärbt ist als früher, dass er dauernd hören muss, der vergangene Monat sei der heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnung gewesen, dass gemeldet wurde, dass selbst „dieser schlechte Sommer immer noch wärmer gewesen sei als frühere schlechte Sommer“.
Jeder hat ein Recht auf Sonnenbrand!
Aber er belässt es nicht bei diesem handelsüblichen Lamento, sondern schlägt einen ganz großen Bogen: Er sieht hinter den Warnungen vor dem Sommer den systematischen Versuch, den Menschen die Lust am Leben zu nehmen, und stellt sie in eine Tradition, die Jahrhunderte zurückreicht. Bevor es ums Klima ging, sei vor dem Sonnenbaden etwa wegen der Gefahr von Hautkrebs gewarnt worden:
„Nun ist Bräune für viele attraktiv, fördert die körperliche Schönheit und animiert zur Kommunikation. Das hat kaum etwas mit Natur zu tun, sondern ist das Produkt dessen, wie man sich präsentiert, wird also durch Kleidung und Styling künstlich hergestellt. Das können alle, es ist somit demokratisch, nur viele wollen das nicht – aus Bequemlichkeit oder weil es ihnen unnatürlich vorkommt, gar unmoralisch. So diskriminieren sie jene, die das tun und die ihnen gegenüber auch einen kommunikativen Vorteil haben. Daher erklärt man dergleichen für ungesund und unsozial, und die meisten Medien machen dabei mit.“
Menschen, die auf die Gefahren der Sonne hinweisen, sind letztlich nur neidisch darauf, wie gut ihre sonnengebräunten Zeitgenossen aussehen und wie gut man sich mit ihnen unterhalten kann? Schönherr-Mann meint das ernst. „Jene, die heute vor dem Sommer, der Sonne und der Hitze warnen, präsentieren eine ähnliche moralisch übergriffige Einstellung“ wie die Kirchenväter im 4. Jahrhundert, schreibt er, die die Beschäftigung mit dem eigenen Körper, die Pflege und das Schminken, „als teuflisch gegeißelt haben“.
Die verfolgten Sommerlüstlinge
Und es kommt noch schlimmer: Schönherr-Mann sieht die Spielverderber von heute in der Tradition der Nationalsozialisten.
„Das lustvolle Leben, vor allem im Sommer, suchte neben den Adligen und den reichen Bürgern im 19. Jahrhundert eine kleine Gruppe von Außenseitern, Intellektuellen, Künstlern und Bohemiens, die sich den prüden sozialen Normen entzogen. Sie wurden daher von den Nazis gehasst und verfolgt, beispielsweise als entartete Künstler oder als kranke Gehirne.“
Die Warnungen vor Klimawandel und Sonnenbrand, Hitzschlag und Hautkrebs – letztlich sind sie nur eine Fortsetzung des Kampfes der Nazis gegen Juden und andere Sommerlüstige.
Einen radikalen Bruch mit der Sommer- und allgemeinen Spaßfeindlichkeit hätte „die Jugend der Sechzigerjahre, die Hippies mit der Rockmusik“ vollzogen, schreibt er. Ungeniert hätten sie das lustvolle Leben vorgelebt „ohne schlechtes Gewissen“.
„So ist es heute zu einem Massenphänomen geworden. Das wollen Politiker, Wissenschaftler, Medienvertreter und vor allem ökologisch Engagierte endlich stoppen. Den Sommer zu verderben, ist dazu ein probates Mittel.“
Das ist mal eine Eskalation der Debatte. Sie unterstellt Politik, Wissenschaft, Medien nicht mehr nur, aus einer ideologischen Verbohrtheit heraus Spaßverderber zu sein. Sondern erklärt die Spaßverderberei zu ihrem eigentlichen Ziel. Ökologie, Dermatologie, Hochwassermeldungen: alles nur Mittel zum Zweck.
Die „Welt“-Abonnenten stimmen ihm begeistert zu. Über 6000 Abonnentinnen und Abonnenten haben markiert, dass sie die Meinung des Autors teilen, nur 139 sagten Nein. Vielleicht kein Wunder.
Absurde Wettermeldungen
Nun ist es allerdings nicht so, dass der komplette Text lächerlich ist. Denn tatsächlich gibt es ja übertriebene Hitze- und Wetterwarnungen. Zeitungen der Ippen-Gruppe wie die „Frankfurter Rundschau“ etwa veröffentlichen regelmäßig Wetter-Kolumnen, die mögliche bevorstehende Wetterextreme in absurder Weise übertreiben, und datieren sie zur Klick-Maximierung auch noch kontinuierlich um. Sie warnen so vor Wetter-Rekorden, die nie realistisch waren, und das auch dann noch, wenn sie längst nicht eingetreten sind.
Klimawandelleugner verweisen feixend auf die sich als falsch entpuppenden übertriebenen Wetterprognosen, um so auch realistische Warnungen zu diskreditieren.
Mitte September meldeten Ippen-Medien wie die Münchner Boulevardzeitung „tz“: „Starkregen im Ahrtal: Straßen und Keller stehen erneut unter Wasser, die Lage bleibt dramatisch für die Bewohner“. Sie zeigten Fotos überfluteter Häuser und Straßen. Doch die Fotos waren aus anderen Regionen; eine Hochwasserwarnung des Deutschen Wetterdienstes für das Ahrtal hatte sich längst erledigt. Der Geschäftsführer von Ahrtal-Tourismus hat sich über die „tz“-Falschberichterstattung beim Presserat beschwert. Er sorgt sich natürlich vor allem darum, dass Touristen die Region meiden, aber solche falschen Artikel beeinträchtigen natürlich auch das Vertrauen in die Berichterstattung.
Einfach nicht mehr hinhören
Aber Hans-Martin Schönherr-Mann geht es nicht nur um die unseriösen Medien, sondern um alle. Er schreibt:
„Es ist ein Problem der Medien, dass sie durch schlechte Nachrichten die Welt schlechtmachen, also auch sich selbst. Wodurch die Leute Angst bekommen und sich schlecht fühlen. Und dann wundert man sich, wenn alle unter Ängsten, gar Depressionen leiden, was schon wieder eine schlechte Nachricht abgibt. Da hilft es auch nicht, genauer hinzuhören – man sollte gar nicht mehr hinhören. So konnte man vor ein paar Monaten auf BR24 die Empfehlung an verängstigte Menschen hören, auf Medienkonsum zu verzichten.“
Das ist nicht komplett falsch und beschreibt ein reales Problem von Medien mit ihrer traditionellen Fixierung auf negative Nachrichten. Es lässt allerdings die Möglichkeit außer Acht, dass schlechte Nachrichten die Welt nicht erst schlecht machen, sondern die Welt schon schlecht ist. Und dass schlechte Nachrichten dazu beitragen können, etwas zu tun: entweder, damit sie nicht ganz so schlecht wird, oder sich wenigstens zu schützen.
Aber das ist nichts für Professor Hans-Martin Schönherr-Mann. Aus Mediensicht ist er allerdings noch nicht ganz verloren. Während andere Kritiker der sogenannten Mainstream-Medien inzwischen offen die Reaktanz feiern und aus Trotz das Gegenteil dessen tun, was die Bedenkenträger ihnen sagen, lässt sich Schönherr-Mann von dem, was er im Radio hört, tatsächlich noch den Sommer versauen. Als könnte er nicht genüsslich einen Marathon bei 30 Grad starten oder stundenlang in der Sonne brutzeln, nur weil ihn ein Radiosender davor gewarnt hat.
8 Kommentare
Der Autor sollte mal abwarten, wie ihm erst der Winter verdorben wird! Da wird dann von den Spielverderber:innen gesagt, es würde wohl keinen Schnee geben und damit wird ihm die ganze Lust genommen, bei 10°C im Regen auf dem Weihnachtsmarkt Glühwein zu trinken.
„Es ist ein Problem der Medien, dass sie durch schlechte Nachrichten die Welt schlechtmachen, also auch sich selbst. Wodurch die Leute Angst bekommen und sich schlecht fühlen.“
Witzig, das sind wahrscheinlich die gleichen Medien die (laut WELT) all den überbordenden Sozialbetrug verschweigen, die Ausländerkriminalität beschönigen und nur Gutes über Flüchtlinge verlautbaren, statt mutig (wie die WELT) der bitteren und beängstigenden Realität ins Gesicht zu blicken.
O Mann, hätte er doch einen Aufsatz über die Kirchenväter oder politische Philosophie geschrieben…
Ach herrje, der arme Herr Schönherr-Mann. Da wird ihm jedes Jahr aufs neue der Sommer vermiest.
Die Welt ist doch eigentlich so schön für einen alten weis(ß)en Mann in seinem Elfenbeinturm und dann erdreisten sich Medien und Wissenschaft und machen ihm die ganze Welt madig.
Er würde doch einfach nur gerne mal wieder, ganz unbeschwert bei einem Glas Wein, beobachten wie der Bach hinterm Haus vom Starkregen des Gewitters sachte anschwillt.
Wirklich ganz armer Mann!
„Das lustvolle Leben, vor allem im Sommer, suchte neben den Adligen und den reichen Bürgern im 19. Jahrhundert eine kleine Gruppe von Außenseitern, Intellektuellen, Künstlern und Bohemiens, die sich den prüden sozialen Normen entzogen. Sie wurden daher von den Nazis gehasst und verfolgt, beispielsweise als entartete Künstler oder als kranke Gehirne.“
Die Warnungen vor Klimawandel und Sonnenbrand, Hitzschlag und Hautkrebs – letztlich sind sie nur eine Fortsetzung des Kampfes der Nazis gegen Juden und andere Sommerlüstige.
Nun, zumindest das Zitat legt nahe, dass die von Herrn N. unterstellte Verharmlosung des Untaten gegen die Juden nicht vom Gast-Autor bei der Welt stammt.
Diesmal aber wirklich:
si tacuisses, philosophus mansisses
Der Plan von Herrn Schönherr-Mann, rechtzeitig zu sterben, bevor es ganz schlimm wird, und bis dahin mit der Klimakrise möglichst wenig behelligt zu werden, geht nicht auf. Mir kommen die Tränen! Vielen Dank für die Artikel!
Ich habe eine Erklärung dafür, warum Herr Schönherr-Mann den Slogan des „Jugendsenders“ Bayern3 schon lange nicht mehr gehört hat. Zu seinem Leidwesen hat das nix mit der Klimakatastrophe zu tun, sondern vor allem damit, dass er der Zielgruppe entwachsen ist. Altwerden ist nix für Weicheier, sag ich.
Zusatzkommentar: Beim Lesen der ersten Absätze dachte ich: „Wann kommen die Nazis, wann kommen die Nazis?“ Herr Schönherr-Mann liefert ab, guter Mann.
Daß ein WELT-Autor sich auf die 68er beruft … wer hätte das gedacht.
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Der Autor sollte mal abwarten, wie ihm erst der Winter verdorben wird! Da wird dann von den Spielverderber:innen gesagt, es würde wohl keinen Schnee geben und damit wird ihm die ganze Lust genommen, bei 10°C im Regen auf dem Weihnachtsmarkt Glühwein zu trinken.
„Es ist ein Problem der Medien, dass sie durch schlechte Nachrichten die Welt schlechtmachen, also auch sich selbst. Wodurch die Leute Angst bekommen und sich schlecht fühlen.“
Witzig, das sind wahrscheinlich die gleichen Medien die (laut WELT) all den überbordenden Sozialbetrug verschweigen, die Ausländerkriminalität beschönigen und nur Gutes über Flüchtlinge verlautbaren, statt mutig (wie die WELT) der bitteren und beängstigenden Realität ins Gesicht zu blicken.
O Mann, hätte er doch einen Aufsatz über die Kirchenväter oder politische Philosophie geschrieben…
Ach herrje, der arme Herr Schönherr-Mann. Da wird ihm jedes Jahr aufs neue der Sommer vermiest.
Die Welt ist doch eigentlich so schön für einen alten weis(ß)en Mann in seinem Elfenbeinturm und dann erdreisten sich Medien und Wissenschaft und machen ihm die ganze Welt madig.
Er würde doch einfach nur gerne mal wieder, ganz unbeschwert bei einem Glas Wein, beobachten wie der Bach hinterm Haus vom Starkregen des Gewitters sachte anschwillt.
Wirklich ganz armer Mann!
„Das lustvolle Leben, vor allem im Sommer, suchte neben den Adligen und den reichen Bürgern im 19. Jahrhundert eine kleine Gruppe von Außenseitern, Intellektuellen, Künstlern und Bohemiens, die sich den prüden sozialen Normen entzogen. Sie wurden daher von den Nazis gehasst und verfolgt, beispielsweise als entartete Künstler oder als kranke Gehirne.“
Die Warnungen vor Klimawandel und Sonnenbrand, Hitzschlag und Hautkrebs – letztlich sind sie nur eine Fortsetzung des Kampfes der Nazis gegen Juden und andere Sommerlüstige.
Nun, zumindest das Zitat legt nahe, dass die von Herrn N. unterstellte Verharmlosung des Untaten gegen die Juden nicht vom Gast-Autor bei der Welt stammt.
Diesmal aber wirklich:
si tacuisses, philosophus mansisses
Der Plan von Herrn Schönherr-Mann, rechtzeitig zu sterben, bevor es ganz schlimm wird, und bis dahin mit der Klimakrise möglichst wenig behelligt zu werden, geht nicht auf. Mir kommen die Tränen! Vielen Dank für die Artikel!
Ich habe eine Erklärung dafür, warum Herr Schönherr-Mann den Slogan des „Jugendsenders“ Bayern3 schon lange nicht mehr gehört hat. Zu seinem Leidwesen hat das nix mit der Klimakatastrophe zu tun, sondern vor allem damit, dass er der Zielgruppe entwachsen ist. Altwerden ist nix für Weicheier, sag ich.
Zusatzkommentar: Beim Lesen der ersten Absätze dachte ich: „Wann kommen die Nazis, wann kommen die Nazis?“ Herr Schönherr-Mann liefert ab, guter Mann.
Daß ein WELT-Autor sich auf die 68er beruft … wer hätte das gedacht.