Notizblog (40)

Lost in Untertitel-Translation

In der arte-Mediathek laufen viele Serien im englischen Original – oft nur mit französischen Untertiteln. Für polyglotte Sprachtalente kein Problem, für alle anderen: ziemlich verwirrend.

Das ist doch eine schöne Sache: Seit Anfang des Monats zeigt arte in seiner Mediathek alle 92 Folgen von „Mad Men“, die vielfach preisgekrönte Serie über eine amerikanische Werbeagentur. In den Worten des „Filmdienstes“ ist „Mad Men“ nichts weniger als ein „stilbildendes Kunstwerk“, das in seinen sieben Staffeln ein „veritables Panorama der US-amerikanischen Kultur- und Sozialgeschichte“ in den 1960er Jahren zeige. 

Bei arte kann man Don Draper, Peggy Olson und die anderen, wenn man will, sogar im englischen Originalton hören. Mit französischen Untertiteln.

Don Draper (Jon Hamm) in der Serie "Mad Men". Französischer Untertitel: "Non, nous discutions.
Pas d'inconvénient?"
Don Draper (Jon Hamm) in der Serie „Mad Men“Screenshot: arte

Das klingt nach einer eher speziellen Mischung, wenn man vom Bedürfnis eines deutschen Publikums ausgeht. Aber Untertitel in anderen Sprachen als Französisch sind bei arte Mangelware, und das betrifft auch „Mad Men“. Deutsche oder englische Subtitles zur deutschen oder englischen Version? Fehlanzeige.

Untertitel-Auswahl in der arte-Mediathek. Englische Untertitel? Fehlanzeige.
Englische Untertitel? Fehlanzeige.Screenshot: arte

Das klingt einerseits nach einem Luxusproblem, aber warum sollten, andererseits, gerade Untertitel in verschiedenen Sprachen ein Luxus sein – und das bei einem europäischen Kultursender?

„Kein technischer Fehler“

Es ist allerdings noch verrückter: Die französischen Untertitel lassen sich beim Ansehen der englischen Original-Version nicht abschalten. Das ist kein Einzelfall. Es war zum Beispiel auch bei der klugen britischen Satire „Douglas is Cancelled“ so, die arte ausgestrahlt hat. Die französischen Untertitel wurden auch bei der Einstellung „ohne Untertitel“ angezeigt.

Das war, auch wenn es so wirkte, kein technischer Fehler. arte hatte nach Angaben der Pressestelle von den Rechteinhabern „lediglich Originalfassungen mit eingebrannten französischen Untertiteln zur Verfügung gestellt“ bekommen. „Eine Originalfassung ohne Untertitel lag uns nicht vor und war von unserem Vertrag auch nicht umfasst.“

Eigentlich ist das Schauen von Serien im Original mit Untertiteln eine hervorragende Möglichkeit, ein Werk ohne all die Verluste an Nuancen, Atmosphäre und Authentizität zu genießen, die eine Synchronisation selbst im besten Fall bedeutet. (Und der beste Fall ist definitiv nicht der häufigste Fall.) Es hilft Zuschauerinnen und Zuschauern, die nicht perfekt in der fremden Sprache sind, beim Verstehen. Und beim Lernen! 

Als deutscher Muttersprachler eine Serie im englischen Original mit französischen Untertiteln zu schauen, führt hingegen nach meiner persönlichen Erfahrung nicht dazu, dass man zwei Sprachen gleichzeitig lernt. Es führt vielmehr dazu, dass man erstaunt die Erfahrung macht, wie schwer es ist, das Gehirn dazu zu bringen, beim Fernsehengucken unverständliche Texte am unteren Rand des Bildschirms auszublenden. 

Walisisch mit französischen Untertiteln

Auch beim queeren britischen Adoptions-Drama „Lost Boys and Fairies“, bietet arte keine Möglichkeit, das Programm im englischen Original ohne französische Untertitel zu gucken. Was in diesem Fall zu einem ganz speziellen Verständnis-Problem führt. Der Dreiteiler spielt nämlich in Wales, und die walisische Sprache ist selbst auch immer wieder Thema. Einige der Schlüssel-Dialoge finden auf Walisisch statt.

Wie dieser, wenn Gabriel an der Entscheidung zweifelt, ob er wirklich mit seinem Partner einen Jungen adoptieren will. Drag Queen Fanny sagt ihm: 

„Cariad bach, o’dd mam druan yn aml isho sdwffio fi’n ôl i fyny ‘i chotchan ogoneddus, ond ti’n gw’bod be’ o’dd ‘i geira ola hi i fi’n diwadd? – Chdi, nghariad i, oedd ‘y camgymeriad gora wnesh i erioed.“

Der deutsche arte-Zuschauer, der zwar Englisch versteht, aber kein Walisisch, ist hier tatsächlich lost, weil er in den Untertiteln nur die Übersetzung ins Französische gezeigt bekommt.

Szene aus der britischen Serie "Lost Boys": Protagonist Gabriel im Gespräch mit Drag Queen Fanny.
Screenshot: arte

(„Ma chère mère a souvent rêvé de me remettre dans son vagin. Mais tu sais ce qu’elle m’a dit avant de mourir? ‚Mon trésor, tu es la meilleure erreur que j’aie jamais faite.'“)

Ein Ausweg aus der babylonischen Sprach-Verwirrung: zurückspulen und auf die deutsche Synchronisation ohne Untertitel umschalten. Die hat nämlich bei diesen Stellen die walisischen Dialoge im Original erhalten – und deutsch untertitelt. Ja, es ist wild.

Szene aus der britischen Serie "Lost Boy" mit deutschem Untertitel.
Screenshot: arte

(„Manchmal wollte mich meine Mutter in ihre grandiose Vagina zurückschieben. Aber weißt du, was ihre letzten Worte zu mir waren? – ‚Du, mein Schatz, warst der beste Fehler meines Lebens.‘“)

Andere Länder, andere Vorlieben?

Die Zuschauerredaktion von arte gibt auf Nachfragen zu diesem Thema übrigens eine etwas andere Auskunft als die Pressestelle. Sie schrieb einer Zuschauerin, dass arte „leider keine Rechte an der Originalfassung der Serie ohne Untertitel erwerben“ konnte, und erklärte das Fehlen deutscher oder englischer Untertitel so: 

„In der Tat entspricht diese Praxis unserer seit mehreren Jahren festgelegten ‚Untertitelungs-Charta‘. Bei Serien aus anderen Ursprungsländern als Deutschland und Frankreich bieten wir hier bei der Online-Stellung in der Originalsprache zusätzlich zur Synchronisation nur die Untertitelung ins Französische an. 

Dies liegt unter anderem an den verschiedenen Vorlieben und Präferenzen des deutschen und französischsprachigen Publikums: Das deutsche (Fernseh-)Publikum hat eine große Vorliebe für Synchronisationen (dies geht aus den letzten Studien über die Praktiken der Fernsehzuschauer hervor).“

Aber wenn sie tatsächlich die Entscheidungen beim deutsch-französischen Sender bestimmt, wäre sie nicht überzeugend. Nach dieser Logik dürfte arte in Deutschland dann auch keine englischen Originalfassungen ausstrahlen. Und warum sollte arte keine englischen oder deutschen Untertitel anbieten, nur weil sie womöglich bloß eine Minderheit des Publikums nutzt?  

Untertitel und Originalversionen sind bei vielen Streaming-Anbietern immer noch ein Glücksspiel – oder besser gesagt: ein Trauerspiel. Aber beim öffentlich-rechtlichen arte ist der Verzicht auf Untertitel besonders enttäuschend. Immerhin hat der Sender den Auftrag, das „Verständnis (!) und die Annäherung der Völker in Europa zu fördern“.

Oder wie der Waliser sagt: „A fo ben, bid bont.“*

*) Si vous voulez être un chef, soyez un pont.**

**) Wenn du ein Anführer sein willst, sei eine Brücke.

Korrektur, 14. August. Wir hatten ursprünglich geschrieben, dass sich bei „Mad Men“ die französischen Untertitel abschalten lassen. Das ist aber nicht der Fall.

7 Kommentare

  1. Ich hätte jetzt auch erwartet, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender was für Barrierefreiheit tun sollte. Und dazu zählen Untertitel doch wohl. Oder befürchtet man, dass man auch eine Fassung für Personen mit Sehbehinderung sprich, mit Audiodeskription, bereitstellen müsste?

  2. „Als deutscher Muttersprachler eine Serie im englischen Original mit französischen Untertiteln zu schauen, führt hingegen nach meiner persönlichen Erfahrung nicht dazu, dass man zwei Sprachen gleichzeitig lernt. Es führt vielmehr dazu, dass man erstaunt die Erfahrung macht, wie schwer es ist, das Gehirn dazu zu bringen, beim Fernsehengucken unverständliche Texte am unteren Rand des Bildschirms auszublenden. “

    Meine Liebe für Originalfassungen habe ich vor mehr als 20 Jahren als Austauschschüler in Japan entwickelt. Denn dort sind fast alle Filme OmU. Mich stören (mehr oder minder) unverständliche Texte am Bildrand nicht. Wobei es vielleicht auch darauf ankommt, wie unverständlich sie sind.

    Von meinen persönlichen Präferenzen mal ab: Ja, es ist ein (mal lustiges, mal ärgerliches) Glücksspiel mit Originalversionen und Untertiteln – aber wie viel besser als zu Zeiten von analogem Sattelitenfernsehen und VHS-Kassetten …

  3. Endlich schreibt es mal einer. Ich liebe arte aber als tauber Zuschauer werde ich immer wieder enttäuscht, dass Untertitel fast immer nur in französisch eingeblendet werden können und nur selten in deutsch. Um den Inhalt zu erfassen bin ich aber auf die Untertitel angewiesen.

    Wieso tut sich arte so schwer? ZDF und ARD aber weniger? Lichtblicke waren Soviet Jeans und Mr. Bates vs. the Post Office.

  4. Stefan, sagt bitte, dass „Pardon my French“ wenigstens in der engeren Auswahl für die Zeile war.

  5. Schön, dass Ü-Medien das mal thematisiert. Mir fehlt für das Vorgehen jegliches Verständnis. Von einem Minderheitensender wie arte (Marktanteil 2024: 1,3%) würde ich doch mehr Verständnis für die Bedürfnisse einer (vermeintlichen) Minderheit erwarten. Wobei ich gar nicht glaube, dass bei einem typischen arte-Zuschauer in Deutschland tatsächlich so viel weniger Bedarf nach Originalversionen mit Untertiteln besteht als in Frankreich. Für mich als begeisterte arte-Zuschauer ist das ein sehr großer Wermutstropfen.
    Vielleicht wäre es im 21. Jahrhundert mal an der Zeit, die „Untertitelungs-Charta“ und die -Praxis zu ändern…

  6. Arte bietet ja nicht einmal konsequent im linearen Progrann Untertitel an.
    Das betrifft auch ältere Dokumentationen, die oft nur mit französischen Untertiteln angeboten werden
    Das ist kein Service für Liebhaber, sondern für fast ertaubte Menschen wie mich, die einzige Möglichkeit etwas zu verfolgen.
    Bei den Privatsendern mag das ja angegen, da ist für mich eh nichts dabei, aber öffentlich rechtlich ?

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