Deutsche Synchronfassungen von Filmen und Serien wirken im Vergleich zum Original oft künstlich. Dabei ist viel Feinarbeit nötig, damit ein Satz glaubhaft klingt, erklärt Synchronregisseur Clemens Frohmann im Interview. Wie funktioniert diese Arbeit? Wie hat sie sich verändert? Und was macht Künstliche Intelligenz mit der Branche?
Deutsche Synchronfassungen von Filmen und Serien wirken im Vergleich zum Original oft künstlich. Dabei ist viel Feinarbeit nötig, damit ein Satz glaubhaft klingt, erklärt Synchronregisseur Clemens Frohmann im Interview. Wie funktioniert diese Arbeit? Wie hat sie sich verändert? Und was macht Künstliche Intelligenz mit der Branche?
Übermedien: Herr Frohmann, schauen Sie Filme lieber synchronisiert oder im Original?
Clemens Frohmann: Englischsprachige Filme schaue ich auch mal im Original. Sonst kann ich keine anderen Sprachen gut genug und müsste ohne Synchronisation die Filme mit Untertiteln anschauen. Und das bedeutet, dass ich nicht dem Schauspieler zuschaue, sondern lese.
Mögen Sie keine Untertitel?
Untertitel sind eine sehr verkürzte Form des Gesprochenen. Und Sprache hat immer einen Subtext: Je nachdem, wie man Sätze ausspricht, sendet man unterschiedliche Signale. Da nützen mir Untertitel auch nichts. Wenn ich an den Buchstaben klebe, sehe ich nicht das Zucken im Auge, wenn er sagt „Ich liebe dich“, was mir klar macht: Der Kerl schwindelt doch. Und selbst, wenn man die Sprache kann: Wenn man nicht sämtliche aktuelle Anspielungen versteht, hört man vielleicht, was die Schauspieler sagen – aber nicht, was sie hintergründig meinen. Natürlich kann man mit einer schlechten Synchronisation einen Film verhunzen. Aber alle anderen Möglichkeiten sind schlechtere Kompromisse für mich.
Der Gesprächspartner
Clemens Frohmann ist preisgekrönter Dialogbuchautor und Synchronregisseur und war bei Filmen wie „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ oder „The Wolf of Wall Street“ für die deutsche Synchronisation verantwortlich. Er ist Mitglied in verschiedenen Branchenverbänden.
Können Sie Filme überhaupt genießen oder hört das analytische Ohr immer mit?
Naja, ich kenne die meisten Sprecher. Also ich höre dann schon: Ach, das ist ja der! Das analytische Ohr setzt eigentlich nur da ein, wo ich finde, dass die Synchronisation nicht passt. Wenn es gut gemacht ist, dann vergesse ich das eigentlich.
Sie sind Synchronregisseur und Dialogbuchautor. Was genau machen Sie da?
Als Autor schaue ich mir erstmal den Film an. In der Regel bekomme ich eine Übersetzung von jemandem, der mir auch geflügelte Worte und Hintergründe zum Text erklären kann. Das hilft mir, den Film zu verstehen. Und dann muss ich versuchen, Texte so zu schreiben, dass sie zu den Mundbewegungen passen. Was schwierig ist. Oft haben wir bei englischen Filmen das Problem, dass wir im Deutschen mehr Wörter für einen Satz brauchen. Sich zu entscheiden, was man weglassen kann und wie man dem Gesagten am nächsten kommt, ist eine Knobelei.
Wie machen Sie das?
Satz für Satz. Wir nennen das einen Take, also ein Stück von vielleicht zehn Sekunden. Den sieht man sich immer wieder an, schaut sich das Lippenbild an, überlegt sich einen Satz, spricht ihn drauf, guckt, ob es klappt, korrigiert und stellt um, bis man sagt: So passt es. Das ist natürlich unterschiedlich schwierig. Wenn man eine Großaufnahme hat, muss man sehr genau sein.
Warum ist das so schwer?
Das Bild ist wahnsinnig stark. Wenn bei einem englischen „th“ die Zunge zu sehen ist, wird das richtig schwierig, da muss dann unbedingt ein „s“ hin. Es gibt den sogenannten McGurk-Effekt, der demonstriert, dass man etwas hört, was gar nicht gesagt wird. Und das nur, weil man das Bild sieht. Man kann also das Bild nicht ignorieren – es kann sogar dazu führen, dass man ein anderes, falsches Wort hört.
Was gewinnt im Zweifel: Die Wörter, die besser zum Inhalt passen oder die, die besser zur Mundbewegung passen?
Es gewinnt der beste Kompromiss. Aber nur für die Mundbewegung verfälscht man nicht den Inhalt – der ist das Wichtigste. Besonders am Anfang des Films muss man sehr präzise sein, weil die Zuschauer sonst das Gefühl bekommen, dass der Mensch im Bild gar nicht spricht, das kann sehr subtil sein und man wird es nicht mehr los. Deshalb sollte man vor allem am Anfang Irritationen mit Mundbewegungen tunlichst vermeiden.
Und was ist Ihre Arbeit als Synchronregisseur?
Die Vorarbeit ist die Besetzung. Man muss die richtigen Synchronschauspieler finden, das ist die halbe Miete. Im Studio bin ich der, der den Film kennt. Da kommen dann 50 Leute, die teilweise nur zehn Sätze sagen müssen und den Film gar nicht gesehen haben. Denen muss ich erstmal helfen, in die Rolle zu finden und die Betonung richtig zu treffen. Das ist wahnsinnig spannend: Synchronsprecher und -sprecherinnen kommen morgens ins Studio und wissen nicht, ob sie gleich erschossen werden oder ein Kind zur Welt bringen.
Auch bei den Hauptrollen?
Da ist es anders. Die kennen in der Regel den Film und haben ihn zumindest einmal gesehen oder das Buch gelesen. Aber alle anderen kommen völlig unvorbereitet ins Studio und lassen sich darauf ein.
Wie viele Aufnahmen braucht man, bis ein Satz richtig sitzt?
Manchmal eine, mein Rekord waren 63. Aber das war eine extreme Ausnahme. In der Regel sind es nicht mehr als vier, fünf Aufnahmen.
Wie lange dauert eine Filmsynchronisation, zum Beispiel bei „The Wolf of Wall Street“, wo Sie Dialogbuch und Regie gemacht haben?
„The Wolf of Wall Street“ war nicht ganz fertiggestellt, als wir ihn bekamen. Das hat man bei den großen Filmen oft. Mit drei Stunden Spielzeit hat er noch dazu die Länge von zwei normalen Spielfilmen und wahnsinnig viele Sprachebenen. Da gibt es große Säle, wo alle durcheinander telefonieren. Das mussten wir alles einzeln aufnehmen. Wir hatten 4600 einzelne Takes, die wir geschrieben haben. Das ist wahnsinnig viel. Normalerweise sind es um die 1300. Ein Actionfilm kann auch mal nur 600 haben. Insgesamt haben mein Kollege und ich drei Wochen parallel getextet und die Studioaufnahmen haben nochmal 200 Stunden gedauert.
Viele Menschen finden, dass Synchronstimmen oft unnatürlich und gedrückt klingen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Es ist ein Klischee und an allen Klischees ist etwas dran. Das sind dann einfach schlechte Synchros. Fanden Sie, dass die bei „Wolf of Wall Street“ so gesprochen haben?
Teilweise schon. Aber Synchronisation kann ja auch gar nicht so klingen, als wäre es in der Situation, weil es ja im Studio aufgenommen wird. Oder ist das durch gutes Handwerk möglich?
Ja, das ist das Handwerk. Der Schauspieler im Bild tut ja auch nur so, als verlöre er gerade Millionen. Wir alle wissen, dass es Schauspiel ist. Das ist eine Verabredung zwischen Publikum und Zuschauer. Ich gehe auch ins Theater und weiß, dass die da vorne das zu meiner Unterhaltung machen.
Das Goethe-Institut kritisiert, dass Synchronisation den Kulturtransfer behindern könnte, weil sie einer anderen Kultur die Sprache und Stimme wegnimmt. Wie sehen Sie das?
Ja und nein. Synchronisation ist natürlich ein Kompromiss. Wenn Sie perfekt in einer Sprache sind, dann sollten Sie den Film auch in dieser Sprache sehen, ganz klar. Nur wenn ich die Sprache nicht verstehe und einen Satz aus 28 Wörtern durch einen Untertitel von sechs Wörtern erklärt bekomme, geht da auch viel Transfer verloren. Wenn Synchro gut gemacht ist und mit guten Schauspielern aufgenommen ist, dann wird nicht nur ein Inhalt transportiert, sondern auch ein Gefühl, dann ist das ein künstlerisches Gesamterlebnis.
Wenn Sie bestimmen, wie ein Film ins Deutsche übersetzt wird, haben Sie viel Macht über die Kunst anderer – und darüber, wie das deutsche Publikum sie wahrnimmt.
Ja.
Schaut da nochmal jemand drüber oder vertraut man Ihnen komplett?
Das ist sehr unterschiedlich. Die einen vertrauen mir komplett, die anderen schicken einen Supervisor, der extra aus Amerika anreist, im Extremfall kein Wort Deutsch kann und neben mir sitzt und sagt: Am Ende des Satzes geht sie mit der Stimme doch hoch, warum macht ihr das nicht auch so? Das ist dann nicht mehr lustig.
Wer schickt solche Leute?
Teilweise sind das Leute vom Verleih, die den Film in die deutschen Kinos bringen wollen. Ich habe aber auch schon mit den Regisseuren zusammen im Studio gesessen. Bei Blockbustern wie „Top Gun“ oder „Mission Impossible“, die fast zeitgleich international in die Kinos kommen, arbeiten die Regisseure in den letzten Wochen noch auf Hochtouren und haben gar keine Zeit, sich um die Synchro zu kümmern. Wir bekommen da teilweise vier, fünf verschiedene Fassungen und eine Woche vor Schluss kommt nochmal eine Änderung oder eine neue Szene rein. Aber oft kennt man sich auch schon und hat Vertrauen.
Es gab aber schon Synchros, die aus dem Original etwas anderes gemacht haben: Bud Spencer und Terence Hill klopfen in der deutschen Synchro auf einmal Sprüche, die sie im Englischen überhaupt nicht sagen.
Wenn man die Vertonung heute hört, klingt das für mein Ohr sehr komisch, weil das etwas ist, was in den Siebzigern mal als cool galt. Aber mit dem Original hat das nichts zu tun. Der Synchronregisseur Rainer Brandt hat damals ganz bewusst aus einem lahmen Film mit flotten Sprüchen etwas Unterhaltsames gemacht, was sehr gut ankam.
Ginge das heute auch noch?
Eher nicht, man bleibt dem Original schon sehr treu. Bei Animationsfilmen kann man sich noch ein paar mehr Freiheiten nehmen. Aber einfach etwas erfinden, um den Film aufzupeppen, geht heute nicht mehr.
Sie müssen in Ihrer Arbeit auch dafür sorgen, dass gewisse Zwischentöne in der deutschen Synchronisation nicht verloren gehen. Wie machen Sie das mit Dialekten oder dem deutschen Siezen?
Bei den Amerikanern bedeutet ein Vorname ja nicht gleich, dass man sich duzt. Das sind Signale, die schwer zu transportieren sind. Dialekte sind auch schwierig. Das Problem kann man eigentlich nicht auflösen. Amerikanische Dialekte können nicht einfach auf deutsche Dialekte übersetzt werden. Das wäre unfreiwillig komisch. Besonders schwierig wird es, wenn Filme mehrsprachig sind. Bei kleinen Anteilen lässt man das in der Originalsprache und untertitelt es. Der Woody-Allen-Film „To Rome with Love“ wurde auf Englisch und Italienisch gedreht und es gibt eine Sequenz, in der es immer wieder Missverständnisse gibt, weil die italienische Mutter kein Englisch spricht und nichts versteht. Das komplett zu untertiteln wollte der Verleih nicht, das wäre in den Kinos nicht gut angekommen. Deswegen habe ich mir dann einfallen lassen, dass die Mutter schwerhörig ist.
Und das ging durch?
Das muss man natürlich mit dem Verleih absprechen, aber das ging dann durch. Es gibt eben Dinge, die sind wahnsinnig schwierig zu synchronisieren und dann ist der Kompromiss am Ende nicht mehr ganz so gut.
Eine Entwicklung, die die Synchro-Branche stark treffen wird, ist Künstliche Intelligenz. 2023 wurde der Pumuckl mit einer KI-Stimme des verstorbenen Sprechers Hans Clarin wieder zum Leben erweckt. Wenn das geht, braucht es doch bald gar keine Synchronsprecher mehr, oder?
Ja, die Gefahr besteht. Es gibt verschiedene Ansätze: Ein Weg ist, dass Menschen nach wie vor den Text schreiben werden, man also weiterhin Autoren braucht. Aber sämtliche Rollen würden dann nur von einem Synchronschauspieler gesprochen werden und die Originalstimmen der Schauspieler würden drübergelegt. So, wie es auch beim Pumuckl passiert ist. Man kann da aber auch den aktuellen Sprecher Maxi Schafroth auswählen, beides wird angeboten. Beim anderen Ansatz würde man gar keine lippensynchronen Texte mehr erstellen, sondern die Mundbewegungen den Texten anpassen.
Geht das schon?
Tatsächlich kommt gerade ein Film auf den Markt, „Black Dog“, der mit KI synchronisiert ist. Ich weiß nicht genau, mit welcher Methode, aber das Bild verändern kann man schon. Wobei das natürlich auch die Mimik des Schauspielers verändert, weil der ja viel mit seinem Gesicht spielt. Das ist nicht ganz unerheblich.
Wie finden das denn die Schauspieler?
Soweit ich weiß, steht in den Hollywood-Verträgen schon drin, dass man ihre Stimmen verwenden kann. Dafür bekommen sie wahrscheinlich auch nochmal extra Honorar. Solche Verfahren ermöglichen synchronisierte Filme aber eben auch in Ländern wie Dänemark, in denen der Markt für eine traditionelle Synchronisation eigentlich zu klein ist.
Blicken Sie eher sorgenvoll oder hoffnungsvoll in die Synchronzukunft?
Sorgenvoll auf jeden Fall, aber nicht absolut pessimistisch. Ich denke, dass es durchaus ein Publikum gibt, das eine gefühlte, menschengemachte, gelebte Synchronisation von einer technischen unterscheiden kann.
Die Autorin
Johanna Bernklau studiert Datenjournalismus in Leipzig und schreibt nebenbei für die Medienkolumne „Das Altpapier“ beim MDR. In den Journalismus hat sie durch ein Volontariat bei der „Passauer Neuen Presse“ gefunden. 2022 und 2023 war sie Mitglied in der Jury des Grimme Online Awards. Für Übermedien betreut sie die Serie „Wieso ist das so?“. Wenn Sie ein Thema haben, dem wir mal nachgehen sollten, dann schreiben Sie Johanna Bernklau eine Mail.
6 Kommentare
Sehr aufschlussreiches Gespräch. Danke! Aber eine Frage habe ich noch:
Wieso gibt es oft so große Unterschiede zwischen dem gesprochenen Text und den dazu vom Fernsehsender oder Streaming-Anbieter angebotenen Untertiteln? Besonders krass ist das bei synchronisierten Filmen und Serien. Aber auch bei rein deutschen Produktionen fällt das auf.
Zu #1: Das ist das Ergebnis eines Kompromisses. Wie der Interviewte erwähnt hat, sind englische Sätze meist recht kurz und im Deutschen ist dann die entsprechende direkte Übersetzung deutlich länger. Nun wollen sie aber während eines Films keinen Roman lesen, sondern das gesprochene schnell erfassen. Somit sollte der Untertitel recht kompakt ausfallen.
Bei der Synchronisation geht es aber zusätzlich noch darum, dass der Text zu den Mundbewegungen passt, sonst wirkt es unnatürlich. Das kann man zum Beispiel in schlecht synchronisierten Dauerwerbespots im TV beobachten.
Untertitel und Synchronisation werden aber von unterschiedlichen Personen bearbeitet.
Man könnte natürlich auch einfach das Drehbuch der Synchronisation für die Untertitel verwenden. Das wird aber scheinbar nicht gemacht. Vielleicht weil Untertitel schneller verfügbar sein müssen.
So manche Synchro ins Deutsche, die in den 1960ern gemacht wurden empfinde ich ab und an als besser gelungen als die englischsprachigen Originalversionen.
Beispiel 01:
„Ant and the Aardvark“, im Deutschen als „Die blaue Elise“ bekannt. Dass der im englischen Original männliche Ameisenesser im Deutschen zur empört-ganz-leicht-gamsigen Proto-Karen namens Elise gemacht wurde, war das Beste, was dieser Zeichentrickserie geschehen konnte.
„Ja, davon werden die Falten auch nicht weniger.“
Beispiel 02:
„Hogans Heroes“, im Deutschen als „Käfig voller Helden“ bekannt. Da sind der sächsische Dialekt von Kommandant Klink und der bayerische Dialekt von Feldwebel Schulz klasse oder die Hinzufügung der stets unsichtbaren Sekretärin Kalinke.
„Ja, da fällt mir doch glatt n Brösel aus der Bemmel.“
„I seh nix, I hear nix, I woas von nix.“
Zitat Interview:
„… Amerikanische Dialekte können nicht einfach auf deutsche Dialekte übersetzt werden. Das wäre unfreiwillig komisch. …“
Also ich stelle mir jetzt die Texaner als sehr traditionalistische, teils gemütliche Bayern synchronisiert vor.
Die aus Washington stelle ich mir als Berliner vor.
Die aus New York und nördlicheren Gegenden sind Hamburger bis Kieler.
Die aus den Westküstenstaaten als Rheinländer.
Die aus Silicon Valley werden als findige Schwaben, „Mechele“ (Macher) dargestellt. ;-)
Da ich mit der deutschen Synchro von Star Trek TOS und Star Trek TNG großgeworden bin, musste ich mich, als ich anfing, die Episoden auf Englisch anzusehen, erst noch an Sir Patrick Stewards Originalstimme gewöhnen als er in ST:TNG Captain, später Admiral Jean-Luc Picard spielte.
Übersetzungsbeispiel:
Aus „Make it so.“ im Original wurde „Energie!“
Insgesamt hat Synchronisation im Gegensatz zur Kritik aus dem Goethe Institut meiner Ansicht nach ihre vollste Berechtigung. Längst nicht jeder beherrscht die Originalsprache und auch diese haben das Recht, internationale Filme zu genießen.
Der Film „Erik der Wikinger“ („Eric the Viking“) von Monty-Python-Mitglied Terry Jones war in dem meisten Ländern – einschließlich dem Herkunftsland England – ein ziemlicher Flopp. In Deutschland nicht. Der Grund: der verantwortliche Synchronregisseur Peter Freund. Als er den Film zum ersten Mal sah, fand er ihn langweilig und unlustig, also peppte er die deutsche Fassung etwas mit Humor auf, der von Klamauk bis zur Politsatire reichte. Zwar ist die deutsche Fassung des Films dadurch etwas schlecht gealtert (ich denke, kaum ein junger Mensch kann mit dem Satz: „So wie Ihr ausseht, heißt Ihr alle Björn, bis auf den da hinten, der heißt Engholm!“ oder die Warnung über die grausame Zeit, in der der „Re(a)gen die Blätter vom Bus(c)h treibt“ und sich „schwarzer Kohl breitmacht in diesem, unserem Lande“ etwas anfangen), aber damals hat es ihn in Deutschland einigermaßen Erfolg gebracht.
Ich habe letztens mal wieder Die 2 irgendwo gesehen. Irre, wie schlecht das gealtert ist. Und das hat ja gar nichts mit dem fehlenden Bezug zu tun, denn ich bin ja mit gealtert. Es klingt einfach durchweg nach Brechstangen Humor, exakt das Gegenteil von Lockerheit, die ja damit zum Ausdruck gebracht werden sollte.
Und dabei wurde die deutsche Synchronisation ja damals so überschwenglich gelobt.
Der Herr könnte etwas kritischer auf seine eigene Branche schauen, denn es gibt so einen Synchronsprecher-Sprech, der zuweilen ziemlich gekünstelt klingt. Das TikTok-Video bringt einige Manierismen ganz gut auf den Punkt.
Die Schauspiel-Ausbildung in Deutschland trägt das Übrige dazu bei, da wird offenbar eher auf Dramatik und „Spielen“ gesetzt als auf Authentizität. Deswegen haben deutsche Schauspieler auch oft was distanziertes. Das führt gelegentlich zum sehr nervigen Schauspieler-Sprech, bei dem alles wahnsinnig bedeutungsschwanger und drüber klingt.
Die englischsprachigen Schauspieler sind da anders unterwegs. Durch die sozialen Medien gibt es sowieso einen unaufhaltsam Trend zur Authentizität und der spiegelt sich noch zu wenig in der Synchron-Branche in Deutschland wieder.
Es scheint auch die Schauspielqualität allgemein abzunehmen, denn in den Achtzigern und Neunzigern gab es beispielsweise überragende deutsche Synchronisationen, man denke nur mal an die Synchro von Arielle die Meerjungfrau von 1989. Absolut grandios.
Sehr aufschlussreiches Gespräch. Danke! Aber eine Frage habe ich noch:
Wieso gibt es oft so große Unterschiede zwischen dem gesprochenen Text und den dazu vom Fernsehsender oder Streaming-Anbieter angebotenen Untertiteln? Besonders krass ist das bei synchronisierten Filmen und Serien. Aber auch bei rein deutschen Produktionen fällt das auf.
Zu #1: Das ist das Ergebnis eines Kompromisses. Wie der Interviewte erwähnt hat, sind englische Sätze meist recht kurz und im Deutschen ist dann die entsprechende direkte Übersetzung deutlich länger. Nun wollen sie aber während eines Films keinen Roman lesen, sondern das gesprochene schnell erfassen. Somit sollte der Untertitel recht kompakt ausfallen.
Bei der Synchronisation geht es aber zusätzlich noch darum, dass der Text zu den Mundbewegungen passt, sonst wirkt es unnatürlich. Das kann man zum Beispiel in schlecht synchronisierten Dauerwerbespots im TV beobachten.
Untertitel und Synchronisation werden aber von unterschiedlichen Personen bearbeitet.
Man könnte natürlich auch einfach das Drehbuch der Synchronisation für die Untertitel verwenden. Das wird aber scheinbar nicht gemacht. Vielleicht weil Untertitel schneller verfügbar sein müssen.
So manche Synchro ins Deutsche, die in den 1960ern gemacht wurden empfinde ich ab und an als besser gelungen als die englischsprachigen Originalversionen.
Beispiel 01:
„Ant and the Aardvark“, im Deutschen als „Die blaue Elise“ bekannt. Dass der im englischen Original männliche Ameisenesser im Deutschen zur empört-ganz-leicht-gamsigen Proto-Karen namens Elise gemacht wurde, war das Beste, was dieser Zeichentrickserie geschehen konnte.
„Ja, davon werden die Falten auch nicht weniger.“
Beispiel 02:
„Hogans Heroes“, im Deutschen als „Käfig voller Helden“ bekannt. Da sind der sächsische Dialekt von Kommandant Klink und der bayerische Dialekt von Feldwebel Schulz klasse oder die Hinzufügung der stets unsichtbaren Sekretärin Kalinke.
„Ja, da fällt mir doch glatt n Brösel aus der Bemmel.“
„I seh nix, I hear nix, I woas von nix.“
Zitat Interview:
„… Amerikanische Dialekte können nicht einfach auf deutsche Dialekte übersetzt werden. Das wäre unfreiwillig komisch. …“
Also ich stelle mir jetzt die Texaner als sehr traditionalistische, teils gemütliche Bayern synchronisiert vor.
Die aus Washington stelle ich mir als Berliner vor.
Die aus New York und nördlicheren Gegenden sind Hamburger bis Kieler.
Die aus den Westküstenstaaten als Rheinländer.
Die aus Silicon Valley werden als findige Schwaben, „Mechele“ (Macher) dargestellt. ;-)
Da ich mit der deutschen Synchro von Star Trek TOS und Star Trek TNG großgeworden bin, musste ich mich, als ich anfing, die Episoden auf Englisch anzusehen, erst noch an Sir Patrick Stewards Originalstimme gewöhnen als er in ST:TNG Captain, später Admiral Jean-Luc Picard spielte.
Übersetzungsbeispiel:
Aus „Make it so.“ im Original wurde „Energie!“
Insgesamt hat Synchronisation im Gegensatz zur Kritik aus dem Goethe Institut meiner Ansicht nach ihre vollste Berechtigung. Längst nicht jeder beherrscht die Originalsprache und auch diese haben das Recht, internationale Filme zu genießen.
Der Film „Erik der Wikinger“ („Eric the Viking“) von Monty-Python-Mitglied Terry Jones war in dem meisten Ländern – einschließlich dem Herkunftsland England – ein ziemlicher Flopp. In Deutschland nicht. Der Grund: der verantwortliche Synchronregisseur Peter Freund. Als er den Film zum ersten Mal sah, fand er ihn langweilig und unlustig, also peppte er die deutsche Fassung etwas mit Humor auf, der von Klamauk bis zur Politsatire reichte. Zwar ist die deutsche Fassung des Films dadurch etwas schlecht gealtert (ich denke, kaum ein junger Mensch kann mit dem Satz: „So wie Ihr ausseht, heißt Ihr alle Björn, bis auf den da hinten, der heißt Engholm!“ oder die Warnung über die grausame Zeit, in der der „Re(a)gen die Blätter vom Bus(c)h treibt“ und sich „schwarzer Kohl breitmacht in diesem, unserem Lande“ etwas anfangen), aber damals hat es ihn in Deutschland einigermaßen Erfolg gebracht.
Ich habe letztens mal wieder Die 2 irgendwo gesehen. Irre, wie schlecht das gealtert ist. Und das hat ja gar nichts mit dem fehlenden Bezug zu tun, denn ich bin ja mit gealtert. Es klingt einfach durchweg nach Brechstangen Humor, exakt das Gegenteil von Lockerheit, die ja damit zum Ausdruck gebracht werden sollte.
Und dabei wurde die deutsche Synchronisation ja damals so überschwenglich gelobt.
Der Herr könnte etwas kritischer auf seine eigene Branche schauen, denn es gibt so einen Synchronsprecher-Sprech, der zuweilen ziemlich gekünstelt klingt. Das TikTok-Video bringt einige Manierismen ganz gut auf den Punkt.
Die Schauspiel-Ausbildung in Deutschland trägt das Übrige dazu bei, da wird offenbar eher auf Dramatik und „Spielen“ gesetzt als auf Authentizität. Deswegen haben deutsche Schauspieler auch oft was distanziertes. Das führt gelegentlich zum sehr nervigen Schauspieler-Sprech, bei dem alles wahnsinnig bedeutungsschwanger und drüber klingt.
Die englischsprachigen Schauspieler sind da anders unterwegs. Durch die sozialen Medien gibt es sowieso einen unaufhaltsam Trend zur Authentizität und der spiegelt sich noch zu wenig in der Synchron-Branche in Deutschland wieder.
Es scheint auch die Schauspielqualität allgemein abzunehmen, denn in den Achtzigern und Neunzigern gab es beispielsweise überragende deutsche Synchronisationen, man denke nur mal an die Synchro von Arielle die Meerjungfrau von 1989. Absolut grandios.