„Bayern 3 True Crime“

Sendeschluss

Aus für Alexander Stevens beim BR: Der Podcast-Anwalt wird künftig nicht mehr als Experte im erfolgreichen True-Crime-Format des Senders auftreten. Eine richtige Entscheidung.

Strafverteidiger und Podcaster Alexander Stevens
Strafverteidiger und Podcaster Alexander Stevens Screenshot: Spotify / Bayern 3

Der Bayerische Rundfunk trennt sich nun also vom podcastenden Strafverteidiger Alexander Stevens. Er wird künftig nicht mehr als Experte im erfolgreichen True-Crime-Format des Senders auftreten. Diese Entscheidung war abzusehen – und sie ist überfällig.

Seit 2020 hatte Stevens mit BR-Moderatorin Jacqueline Belle durch den Podcast „Bayern 3 True Crime“ geführt. Im Fokus standen dabei meist Kriminalfälle, an denen er als Anwalt selbst beteiligt war.

Das Konzept setzte das Duo auch als Live-Show um. Von dem launigen und spannungsgeladenen Bühnenprogramm, das unter dem Logo des BR durch die Lande tourt, hatte sich der Sender vor ein paar Wochen nach interner Prüfung schon distanziert. Offenbar war den Verantwortlichen beim BR dann doch aufgefallen, dass so ein Format wenig mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag zu tun hat.

Die Angehörige eines Mordopfers hatte massive Kritik an der Show geäußert. Sie warf dem Podcast-Duo vor, den Fall ihrer Schwester zur Unterhaltung auszuschlachten. Auch der Weiße Ring bezeichnete die Show als „Zumutung für die betroffene Familie“, sie stelle ein „rechtskräftiges Urteil buchstäblich infrage“. Was umso brisanter ist, wenn man weiß, dass Alexander Stevens ein Mandat für den verurteilten Täter übernommen hatte.

Auch wenn der Anwalt diesen Vorwurf von sich weist: Der Eindruck, hier nutzt ein Strafverteidiger die große Bühne und das Gütesiegel des BR, um die öffentliche Meinung über seinen Mandanten zu beeinflussen, ist schwer zu beseitigen. Wir haben mehrmals ausführlich über die Show und die Vorwürfe berichtet.

BR lässt offen, wie der Umbau aussieht

Die „Mittelbayerische Zeitung“ berichtete am Wochenende zuerst über das Ende der Zusammenarbeit zwischen Stevens und dem BR. Der Sender bestätigt auf Übermedien-Anfrage:

„Der BR wird seinen Bayern 3 True Crime Podcast nach Ende der aktuellen Staffel Ende Juli weiterentwickeln – sowohl inhaltlich als auch personell. Für die Neuauflage des Podcasts wird Alexander Stevens nicht mehr als Experte eingesetzt.“

Das ist in jedem Fall bemerkenswert. Denn der True-Crime-Podcast von Bayern 3 zählt zu den erfolgreichsten Audioproduktionen der ARD. In der ARD-Audiothek rangiert er laut BR regelmäßig unter den Top 10. Laut Media Analyse Podcast erzielte er im Dezember 2024 über 2,3 Millionen Downloads – und gehörte damit zu den 20 meistgehörten Podcasts in Deutschland. (Die MA Podcast berücksichtigt allerdings nur Produktionen, die aktiv teilnehmen.)

Wie genau die Weiterentwicklung des Podcasts aussehen soll – etwa ob Jacqueline Belle weitermacht – lässt der BR auf Übermedien-Nachfrage offen. Auch zu inhaltlichen Änderungen äußert sich der Sender noch nicht. Immerhin war der Fall aber nun Anlass für den BR, die „internen Regeln zu Kooperationen“ zu optimieren, wie es vom Sender heißt. Die Vertragsmuster für die Logolizenzverträge der BR Media GmbH sollen überarbeitet werden.

Der Sender hat damit eine Kehrtwende vollzogen. Ende des vergangenen Jahres war die Schwester des Mordopfers mit ihrer Kritik bei der BR-Intendantin noch abgeblitzt.

Besser spät als nie

Die Entscheidung, sich von Alexander Stevens zu trennen, kommt also spät. Aber sie ist richtig – nicht nur wegen der „True Crime“-Live-Show. Auch der Bayern 3-Podcast war schon vor der Live-Show in die Kritik geraten, weil Stevens ihn als Bühne für eigene Fälle nutzte – selbst wenn es sich dabei um laufende Verfahren handelte, in denen er selbst als Verteidiger tätig war. Auch darüber haben wir berichtet. Beim Prozess zum sogenannten „Doppelgängerinnenmord“ hatte der BR nach Kritik beschlossen, den Fall im Podcast bis zum Urteil nicht weiter zu behandeln.

Podcast-Thumbnail zu "True Crime - Unter Verdacht" mit Alexander Stevens und Jacqueline Belle
Alexander Stevens und Jacqueline Belle  Screenshot: BR

Im humorigen Plauderton haben Alexander Stevens und Jacqueline Belle über zahlreiche Staffeln hinweg von den brutalen Verbrechen erzählt. Das mag zwar auch für andere True-Crime-Podcasts gelten. Weniger kritikwürdig wird es deshalb nicht.

Stevens droht mit Klage

Die Trennung von Stevens hängt aber wohl weniger mit inhaltlichen Differenzen als mit dem Streit um die Show und die Logolizenz zusammen. Laut „Mittelbayerischer Zeitung“ wirft Stevens dem BR vor, vertragliche Pflichten verletzt zu haben. Der Sender weist die Vorwürfe zurück. Dass Stevens nun sogar eine Klage gegen den BR ankündigt, wirkt allerdings eher wie eine juristische Drohgebärde – und ein Versuch, sein ramponiertes Image in dieser Sache zu retten.

Stevens‘ Fans müssen trotzdem nicht allzu enttäuscht sein. Nur weil das BR-Engagement endet, heißt das nicht, dass der Strafverteidiger keine True-Crime-Formate mehr produziert. Bei Podimo erschienen im Mai fünf Folgen der Reihe „True Tinder Crimes“ mit ihm. Auch die Tour mit Jacqueline Belle läuft bis 2026 – zunächst wohl weiterhin unter dem BR-Logo. Solche Lizenzverträge lassen sich offenbar nicht so schnell beenden. Gespräche über eine vorzeitige Einigung blieben laut Sender ohne Ergebnis.

Die Verwertungskette geht weiter

Vor kurzem startete außerdem eine weitere True-Crime-Tour mit dem ehemaligen „Tagesschau“-Sprecher Constantin Schreiber. Titel: „Angeklagt – Schuldig oder nicht?“. Und im Juni erschien das gleichnamige Buch der beiden. Es behandelt „spektakuläre und teilweise noch nie erzählte Mordfälle“, wie es im Ankündigungstext heißt. Ein Fall im Buch wurde jedoch schon oft erzählt – nämlich genau der, wegen dem auch die BR-Show in der Kritik stand. Das Kapitel ist sprachlich auffällig nah an der Show, in der der Fall mittlerweile gegen einen anderen ausgetauscht wurde.

Das alles zeigt: Alexander Stevens weiß, wie man Kriminalfälle maximal verwertet – ohne Rücksicht auf die Opfer und deren Hinterbliebene. Und auch ohne Rücksicht auf mögliche Interessenkonflikte.

Juristisch ist das gedeckt: Die Meinungsfreiheit schützt auch geschmacklose True-Crime-Formate, die man gerne als Infotainment labelt. Wenn private Plattformen und Verlage so etwas fördern, ist das ihre Sache. Aber mit öffentlich-rechtlichen Maßstäben hat das nichts zu tun. Gut, dass beim BR damit nun bald Schluss ist.

2 Kommentare

  1. Ich war tatsächlich einen Moment lang verwirrt, dass der BR sich um die Menschenwürde schert und aus deren Verletzung Konsequenzen zieht. Aber nein, es ging um Geld. Verwirrung aufgelöst.

  2. Irgendein Ermittler wollte mEn mal ein Buch über die Barschel-Affäre schreiben, der an den Untersuchungen zu dessen Tod beteiligt war. Das wurde ihm verboten.
    Ob Barschels Tod selbst ein „true crime“ war, ist Thema diverser VTs, aber da zumindest sehe ich ein gewisses öffentliches Interesse.

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