Ein Deutschlandfunk-Interview und die Frage: Wie kann es die Linke wagen, Jens Spahn zu kritisieren?
Kein Gespräch, sondern ein Schlagabtausch ohne Erkenntnisgewinn: DLF-Redakteur Christoph Heinemann nutzte die Vorwürfe gegen den ehemaligen Bundesgesundheitsminister dazu, die Linken-Chefin Ines Schwerdtner vorzuführen.
Exklusiv für Übonnenten

Für den CDU-Fraktionschef Jens Spahn sind die Nachrichten gerade kein Quell der Freude. „In Bedrängnis“ sei er, heißt es da, „unter Druck“ oder „belastet von neuen Vorwürfen“. Es geht darum, wie er als Gesundheitsminister am Anfang der Corona-Zeit mithilfe eines Unternehmens aus seiner Heimat Masken beschaffte und möglicherweise einen Schaden in Milliardenhöhe produzierte. Das Recherchenetzwerk von SZ, WDR und NDR berichtete am Wochenende über die Untersuchung einer Sonderermittlerin, die unter Verschluss gehalten wird.
Die „Informationen am Mittag“ im Deutschlandfunk gestern dürfte Spahn dennoch gerne gehört haben. Auch darin ging es zwar um die Vorwürfe gegen…
Mit dieser Logik könnte man nicht nur, man müsste sogar, jedem Einzelnen der CDU-Abgeordneten einen Strick aus Kohl, Schäuble, Spahn und Scheuer/Dobrindt drehen! Macht man komischerweise nicht!
Es gibt diesen tollen 3/4 (+/-) des DLF-Programms die hervorragenden ÖR-Journalismus machen-toller value for money.
Aber dann gibt es eben diese Totalausfälle wo man manchmal wirklich denkt, in der Morgenrunde wird ausgelost wer journalistisch an dem Tag mal richtig Scheisse bauen muss-im Namen der false balance, einer „man muss mit allen Politikern reden“ Haltung, oder einfach, weil man 2025 noch mal „SED-Nachfolgepartei“ in den Raum stellen möchte. Das sind nicht nur andere politische Meinungen, sondern falscher (das Gegenteil von richtigem) Journalismus und das Ignorieren von Erkenntnissen aus der Medien- und Kommunikationswissenschaft zu denen DLF auch Zugang hat.
P.S.: Und bitte, bitte streicht Programme mit Zuschauerinnenbeteiligung-die grösste Zeitverschwedung seit es Podcasts gibt…
Heinemann ist eine eigene Liga, aber bei den DLF-Politikerinterviews denke ich mir auch sonst oft: „Hoppla, I did not expect the spanish inquisition!“ Die Regieanweisung scheint zu lauten: Grundsätzlich Gegenposition einnehmen und den Gast aggressiv an die Wand drängen! „Verhörartig“ trifft es ganz gut…
(Machen sie übrigens nur mit Politikern. Experten werden meist sehr zuvorkommend behandelt.)
Gibt es beim DLF eigentlich eine Instanz, die die journalistische Arbeit der Redaktion kontrolliert oder nachbespricht. Früher nannte man diese Position Reaktionsleiter.
Oder darf da jeder offenbar reaktionäre Mitarbeiter sein Mütchen kühlen? Weiss das jemand?
Allerdings auch schade, dass sich Schwerdtner von ihm hat so vorführen lassen. Es gehören immer zwei dazu.
@Martin Busche (#4):
Hier sind zwei Dinge auseinanderzuhalten: Der Stil der Interviews und die inhaltliche Ausrichtung. Ersterer zieht sich durch, letzterer hängt an der Person.
Wenn hier versucht wird, den DLF zu einem „reaktionären“ Sender zu erklären, bin ich raus. Das Spektrum reicht von links-identitär bis rechts-konservativ. In Reihen wie „Essay und Diskurs“ findet man beides und vieles dazwischen – und zwar auf hohem Niveau. Der Chef des Hauptstadtstudios, Stephan Detjen, ist eher ein Konservativer, mit dem ich selten einer Meinung bin. Ich höre ihm trotzdem gerne zu, weil seine Analysen Hand und Fuß haben.
Das Problem mit den Interviews ist ein anderes: Dass es dabei nämlich nicht um Erkenntnis geht, sondern um Empörung – egal welcher Coleur. Hier würde ich einen Stilwechsel dringend empfehlen.
Ausgerechnet Spahn? Ja, was sonst soll man mit dem machen?
#5, also, ich hab beim DLF ja schon viel gehört, aber politisches linkes oder gar links identitäres sicher nicht. Das muss dann wohl irgendwo spät Nachts oder ganz früh morgens laufen. Ich finde es auch unterkomplex, wenn du so tust, als seien diese Reaktionäre zufällig auf diesen Positionen. Politisch Linke kämen da gar nicht hin.
Wenn Sie da wären, wären sie nicht lange dort.
Das Problem beim DLF fängt doch schon bei der Intendanz an. Der aktuelle ist von konservativen Sozis durchgeboxt worden, gegen den Widerstand z.b der Grünen. Sein Vorgänger war ganz schwarz (politisch). Beim DLF hört die politische Welt bei konservativen Sozis auf.
Das Problem dieses reaktionären Kämpfers, der sich als Journalist tarnt, ist auch keineswegs nur die Empörung. Es ist sein Weltbild, seine verquerres Verständnis von seinem Job. Aber eben auch, dass er dafür keinen auf den Deckel bekommt.
Das ist kein Zufall, kein Versäumnis, das ist Absicht. Glaubst du ein ähnliches Interview eines anderen Journalisten mit Carsten Linnemann, Jens Spahn etc wäre folgenlos geblieben? Ganz sicher nicht.
Ein Klassiker von Heinemann war auch sein Interview mit Hofreiter:
https://stefan-fries.com/2020/04/15/die-kunst-des-guten-interviews-3-als-hofreiter-neun-minuten-lang-eine-frage-nicht-beantworten-wollte/
@Martin Busche (#7):
Sorry, aber Sie werfen mir unterkomplexe Argumente vor und kommen dann selbst mit Spekulationen, die bis an den Rand einer Verschwörungstheorie gehen (vgl. dazu den Übermedien-Newsletter vom 17. Mai). Und Sie verdrehen meine Aussagen, denn ich habe nirgends gesagt, dass bei Heinemann nur der Stil das Problem sei.
Übrigens ist auch Heinemanns Position zu Spahn nicht Senderlinie. Hier ein kritischer Kommentar zum selben Thema von Volker Finthammer: https://www.deutschlandfunk.de/kommentar-zu-spahn-und-den-corona-masken-kein-schutz-fuer-moegliche-fehler-100.html
Wie kommen Sie auf diesen steilen Pfad? Die langjährige Hauptstadtkorrespondentin Ann-Kathrin Büüsker zum Beispiel würde ich ziemlich sicher bei den Grünen verorten. Ich empfehle Ihnen, mal eine zeitlang „Deutschlandfunk, Der Tag“, „Essay und Diskurs“, „Umwelt und Verbraucher“ und den „Hörsaal“ von DLF Nova zu abonnieren. Dann kommen Sie vielleicht zu einem ausgewogeneren Bild.
Wenn einige Nicht-, Selten-, Vielhörer den Deutschlandfunk als zu rechts, andere ihn aber als zu links empfinden, dann kann er gar nicht so falsch liegen.
Die Vorwürfe gegen Spahn sind ja nicht neu, man konnte an anderer Stelle schon vor Jahren darüber lesen. Nur war damals jegliche Kritik an den „Maßnahmen“ coronaleugnend, VT und sowieso rechts, was auch immer „rechts“ in Bezug zu einer Pandemie bedeuten mag.
Jetzt auf den Zug aufzuspringen, wirkt dann ein bißchen billig.
#9, oh, ich höre sehr viel DLF u.ä. Ich kenne jetzt nicht jeden Volontär dort persönlich. Mich wundern diese geschilderten Rechtsaußenexzesse aber eben nicht. Sie sind ja auch nicht einmalig. Übermedien berichtet ja öfter davon. Ich höre sie auch. Konsequenzen haben sie auch nicht. Das ist kein Zufall, ein Ausrutscher eines Empörten, wie hier beschwichtigend vermutet wird. Das ist knallharte Meinungsmache. Ein solches Interview gäbe es mit CDU/SPD-Menschen nicht oder nur einmal.
@11: Wenn es einem tatsächlich um die Sache ginge, wäre man doch froh, dass endlich mehr „auf den Zug aufspringen“, oder?
Kritik z. B. an überzogenen Maßnahmen oder Maskendeals war nie „rechts“, das ist das übliche Rumopfern. Man vergisst heute auch gerne, dass es darum ging, die Intensivstationen nicht (noch mehr) zu überlasten, was durchaus gut funktioniert hat.
Die utilitaristische Debatte „Alte sterben lassen“ vs. „Volkswirtschaft leidet“ hat ja durchgehend suntattgefden; die humanistische Entscheidung pro „Alte nicht einfach sterben lassen“ gefiel Vielen einfach nur nicht gut.
Die allermeisten Verschwörungstheorien kamen aber von rechts, das ist nun mal Fakt. Und die gab es ja, weil man sich mit der Inszenierung die Taschen voll machen konnte, siehe z. B. Fuellmich. Ob diese Leute wirklich an den Quatsch glauben, den sie verbreiten, wage ich zu beweifeln. Aber das müssen ja auch nur die glauben, die eh schon wissen, dass es stimmt und daher fleißig Geld für die Bestätigung des eigenen Bauchgefühls ausgeben.
Das beste Indiz für die Beliebigkeit der „Kritik von rechts“ ist die Anfangsphase der Coronazeit, als man die exakt konträre Position einnahm, dass „die Regierung das Volk sterben lässt“ und ähnliches Geblubber. Als dann politische Maßnahmen ergriffen wurden, musste man sich halt um 180° drehen (wie das Fähnchen im Wind), weil sonst hätte man sich ja nicht Empören (und damit Geld verdienen) können. Plötzlich waren alle Maßnahme überzogen und das Geblubber ging in die exakt andere Richtung.
@12: Ich höre einige Stunden am Tag DLF und kann nur zustimmen. So ein Interview gibt es im DLF nicht mit konservativen Politikern.
Ich höre relativ viel DLF, und Herr Heinemann fällt mir schon seit langem mit tendenziösen Interviews auf, die mit fragwürdigen rhetorischen Kniffs und moralischer Empörung arbeiten und deren Erkenntnisgewinn häufig gegen Null geht. Auch bei seinen Interviews mit AfD-Vertretern scheitert er regelmäßig. Man darf sich schon wundern, wieso das in der DLF-Redaktion keine Konsequenzen hat und er immer noch ran darf.
Ohne dass ich besondere Sympathien für die Linke hätte: Frau Schwerdtner hat sich m. E. angesichts dieser Attacken bravourös geschlagen.
Ein von sich und seiner Sache überzeugter Politiker lässt sich doch nicht von einem „feindlichen“ Reporter niedermachen. Man höre sich Stegner gegen Ronzheimer an. Der wehrt sich wacker gegen die Attacken des Journalisten. Und zum Schluss verabschieden sich beide respektvoll voneinander. So soll es sein. Auch Herr Heinemann hat seine Berechtigung in einem öffentlich-rechtlichen Radio, zumal es Dutzende „Anti-„Heinemanns im Deutschlandfunk gibt.
@Florian Blechschmied:
Irgendwie habe ich da Verständnisprobleme.
Politiker sollen also – wie Herr Stegner im Interview mit Springer-Primus Ronzheimer – „wehrhaft“ sein?
Aber Journalist*innen sollen sich, wie es sonst immer heißt, nicht mit einer Sache gemein machen? Warum müssen Politiker denn dann wehrhaft sein?
Und Heinemann muss beim ÖRR als Quoten-Rechter bleiben, obwohl er journalistisch ein Totalausfall ist? Das ist dann also diese Meritokratie?
Wo genau sind denn Ihre Prinzipien geblieben, Herr Blechschmied?
@Frank Gemein: Kein Politiker wird gezwungen, einem bestimmten Medium oder einem bestimmten Journalisten ein Interview zu „gewähren“. Tut er es, muss er in seltenen Fällen damit rechnen, kritische Fragen gestellt zu bekommen. Na und? Das geschieht doch auch in den Parlamenten, wo nicht nur seine Parteifreunde sitzen. Passiert es dann doch ab und zu, dass ein Grüner oder Linker sich im ÖRR polemischen Fragen ausgesetzt wird, reagieren Leute wie sie gerne mimosenhaft. Wie kann es ein Journalist wagen, konservative Vorurteile statt linksgrüne zu pflegen? Ein bisschen mehr Gelassenheit wäre angebracht. Herrn Heinemann als journalistischen Totalausfall zu bezeichnen, ist erlaubt. Ich halte ihn für einen guten Journalisten. Einer für ihn, einer gegen ihn. Was soll der Deutschlandfunk nun machen? Ihn entlassen?
Also muss Ihrer Ansicht nach im Falle konservativer Journalisten auf eine Quote geachtet werden?
Im Übrigen bedienen Sie sich – zumindest meiner Einschätzung nach – einer unter Konservativen verbreiteten Strategie: Sie unterstellen Journalisten im Allgemeinen, und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Besonderen, eine „linksgrüne“ Voreingenommenheit, um anschließend genau diese Voreingenommenheit bei eher konservativen Journalisten relativieren zu können.
Das wirkt wie eine klassische „Haltet den Dieb“-Rhetorik.
Sie halten Heinemann für einen guten Journalisten – damit ist Parteinahme in diesem Fall offenbar kein Problem mehr.
„Was soll der Deutschlandfunk machen?“
Vielleicht seinen Mitarbeiter dazu anhalten, Interviews in einem professionellen Ton zu führen – und nicht im Stil einer Kneipenschlägerei?
Früher war alles besser. Es gab die ARD. Der NDR schickte „Panorama“ in den Äther, der WDR „Monitor“. Beide waren „fortschrittlich“. Das ZDF sendete das „ZDF-Magazin“ mit Gerhard Löwenthal. Das war „reaktionär“. Das Fernsehen war schön eingeteilt in die linke ARD und das rechte ZDF. Und heute? Die ARD-„Tagesthemen“ und das ZDF-„heute-journal“? Gibt es da einen politischen Unterschied? Ich erkenne keinen. Wäre es aber nicht wünschenswert, wenn die einen im Zweifel links, die anderen rechts wären? Dann könnte jeder Beitragszahler die Sendung schauen, die ihm politisch näher steht. Oder er sieht sich bewusst an, was seiner Meinung widerspricht. Und wer Zeit und Lust hat, guckt sich beides an. Könnten Sie auch damit leben, Herr Gemein?
Bemerkenswert beim DLF ist seit Jahren übrigens auch der Usus, dass – gerade nach den Interviews am Morgen – Zitate daraus, zehn Minuten später als 1. Schlagzeile bei den Nachrichten gesendet werden. Seit Jahren kapier ich das, warum die das ernsthaft machen.
sollte heissen: kapier ich das nicht.