Atlantis in der Nordsee? In den 50er-Jahren war der Hobbyforscher Jürgen Spanuth überzeugt, dass das legendäre Inselreich vor der Küste Schleswig-Holsteins lag. Der NDR stellt ihn in einem Beitrag als unbeirrten Außenseiter und Pionier dar. Dabei blendet er jedoch aus, dass NS-Ideologen diese Theorien teilten und rechtsextreme Publikationen sie bis heute verbreiten.
Das „Schleswig-Holstein-Magazin“ zeigt am 23.3.24 Ausschnitte aus der „Neuen Deutschen Wochenschau“ 1953 Screenshot: NDR
Atlantis in der Nordsee? Klingt unglaublich, aber Jürgen Spanuth, ein nordfriesischer Pastor und Hobbyforscher, war überzeugt, dass das legendäre Inselreich vor der Westküste Schleswig-Holsteins gelegen hatte. In den 1950er-Jahren leitete er sogar Expeditionen dazu. Ende März erzählte das „Schleswig-Holstein Magazins“ im NDR in der Rubrik „Zeitreise“ Spanuths Geschichte – in einem sehr fragwürdigen Beitrag.
Der Autor
Foto: Jürgen Haacks, CAU Kiel
Stefan Magnussen ist promovierter Regionalhistoriker und arbeitete viele Jahre an den Universitäten in Kiel und Leipzig. Neben seinem Schwerpunkt zu Burgen und Eliten im spätmittelalterlichen Nordeuropa befasst er sich mit regionalen Geschichtsbildern in rechtsextremen Medien, Netzwerken und Verschwörungserzählungen. Seit 2021 ist er Mitglied im Vorstand der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte und betreibt gemeinsam mit Laura Potzuweit den landeshistorischen Podcast „Küstory – Geschichte(n) von der Waterkant“.
Eigentlich freue ich mich über so ein Format. Regionalgeschichtliche Themen bekommen sonst ja eher wenig mediale Aufmerksamkeit. Die kurzen, etwa fünfminütigen „Zeitreise“-Beiträge widmen sich Personen, Orten oder Ereignissen der jüngeren Landesgeschichte. Zuletzt ging es etwa um den Erschaffer der Werner-Comics, Rötger Feldmann alias Brösel oder die kurze Geschichte des Motorola-Werks in Flensburg. Die Filme sind meist unterhaltsam, oft auch nostalgisch, aber selten kontrovers.
Diese fehlende wissenschaftliche Kontroverse kann allerdings auch problematisch sein. Denn die Geschichte von Jürgen Spanuth bedient – so wie sie der NDR aufbereitet hat – Erzählungen, die auch von NS-Ideologen verbreitet wurden. Und die rechtsextreme Publikationen bis heute gerne übernehmen.
Spanuth, damals Pastor der nordfriesischen Gemeinde Bordelum, vertrat also die Theorie, dass Atlantis in der Nordsee gelegen habe und die Hochseeinsel Helgoland das letzte noch sichtbare Relikt des Inselreichs sei. Sein Buch „Das enträtselte Atlantis“ (1953) sorgte international für Aufsehen und wurde in mehrere Sprachen übersetzt – doch die Fachwelt übte harsche Kritik. Viele Experten unterschiedlicher Fächer bezeichneten sein Buch als Phantasterei, sie verwiesen auf methodische Schwächen, eine selektive Quelleninterpretation und spekulative Schlüsse. Kurz: Dass Atlantis in der Nordsee gelegen haben soll, hielten damals und halten Wissenschaftler auch heute für Unsinn.
Die rührende Erzählung vom einsamen Helden
Wirklich klar wird das im NDR-Beitrag jedoch nicht. In dem Film von Autor Karl Dahmen wird Spanuth stattdessen als einsamer Held dargestellt, als Amateur, den die Gelehrten nicht zu Wort kommen ließen. Es geht vor allem um eine Veranstaltung im November 1953 an der Kieler Christian-Albrechts-Universität, bei der ein Dutzend Wissenschaftler seine Thesen vor großem Publikum kommentierte. Spanuth selbst empfand den Abend als Tribunal, das ihn öffentlich diskreditieren und mundtot machen sollte. „Es gibt Geschichten, in denen die Leidenschaft einen Menschen antreibt, um mit viel Hingabe seine Ideen zu verfolgen, gegen alle Widerstände“, lautet der heldenhaft klingende Einstieg im Online-Begleittext zum NDR-Beitrag.
Problematisch ist, dass der Beitrag einseitig die Perspektive Spanuths aufgreift und diese auch sprachlich wie bildlich inszeniert. Spanuth wird als leidenschaftlicher und akribischer Forscher beschrieben, der in den zeitgenössischen Filmaufnahmen mit hochgekrempelten Ärmeln an Bord eines Forschungsschiffes mit anpackt. Dagegen werden die ihn kritisierenden Professoren um den wortführenden Geologen Karl Gripp durchweg emotionslos, ständisch und unnahbar dargestellt. Dies bedient nahtlos den Vorwurf Spanuths, es sei der Professorenschaft eben nicht um einen Austausch gegangen, sondern darum, den Außenseiter vor den Augen der Öffentlichkeit gezielt zu zerstören. Unerwähnt bleibt, dass die Kritik eben nicht nur aus dem Kreis der Kieler Professorenschaft kam.
Jürgen Spanuth auf Nordsee-Exkursion Screenshot: NDRKritische Kieler Professoren Screenshot: NDR
Auch die beiden Interviewpartner*innen im NDR-Beitrag bestärken das Bild: Der Kieler Archäologe Fritz Jürgens räumt in der Rückschau ein Ungleichgewicht zulasten des nicht ernst genommenen Amateurs ein, und eine Tochter Spanuths berichtet vom tiefen Schmerz des Vaters nach der Kieler Veranstaltung und bewundert zugleich dessen Beharrlichkeit. Es sei darum gegangen, „ihn fertig zu machen“, erzählt die Tochter. Er sei „sehr verletzt“ gewesen. Die Empathie des Publikums dürfte Spanuth nach diesem Beitrag sicher sein.
Solche Darstellungen mögen dramaturgisch reizvoll sein – sie lassen jedoch einen entscheidenden Aspekt außer Acht: Spanuths Thesen sind nicht nur wissenschaftlich unhaltbar, sie sind auch ideengeschichtlich problematisch. Spanuth war nämlich kein Einzelfall und seine Atlantis-Theorie hat eine Vorgeschichte. Die Faszination für das versunkene Inselreich reicht zurück bis in die Renaissance. Spätestens seit Heinrich Schliemanns Entdeckung von Troja wurde die Vorstellung, dass auch das sagenhafte Atlantis real gewesen sein könnte, wieder populär. Zahlreiche Autor*innen machten sich, oft motiviert von völkischen, rassistischen oder okkulten Grundannahmen, an die Exegese der antiken Texte Platons aus dem 4. Jahrhundert vor Christi Geburt, auf die der Atlantismythos zurückgeht.
Forschungsgebiet für NS-Ideologen
Das Bild einer untergegangenen Hochkultur diente häufig dazu koloniale, großmachtpolitische und rassistische Weltbilder zu legitimieren. Spanuth selbst reihte sich in eine Strömung ein, die Atlantis im nördlichen Atlantik verortete – eine Denkrichtung, die insbesondere im deutschsprachigen Raum durch Werke von Hermann Wirth, dem späteren Mitbegründer der SS-Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe, oder dem NS-Chefideologen Alfred Rosenberg wirkmächtig wurde. 1936 brachte der Leipziger Publizist Heinrich Pudor dann als einer der Ersten Helgoland mit Atlantis in Verbindung, das er als „arisch-germanisches Rassenhochzucht- und Kolonisations-Mutterland“ deutete. Die Idee einer arischen Urheimat in der Nordsee verfing auch bei Heinrich Himmler, weshalb die SS-Forschungsgemeinschaft eigene Untersuchungen bei Helgoland anstrebte.
Dass Spanuths Werk in dieser Traditionslinie steht, wird im NDR-Beitrag nicht thematisiert. Es wäre jedoch naiv zu glauben, dass Spanuth, der schon Ende der 30er-Jahre eigene historische Arbeiten zur Region publizierte, sich dieser Tradition nicht bewusst war. Er wuchs in Österreich in einem Elternhaus mit eindeutigen Sympathien für den Nationalsozialismus auf. Er selbst war zunächst im radikal deutschnationalen Steirischen Heimatschutz aktiv, trat bereits 1931 der NSDAP bei und schloss sich später auch den Deutschen Christen an, einer kirchlichen Bewegung, die das Christentum mit nationalsozialistischen Ideologien versöhnen wollte. Auch nach dem Krieg publizierte er unter anderem beim rechtsextremen Verleger Herbert Grabert in Tübingen.
Ob Spanuth selbst ein geschlossen rechtsextremes Weltbild besaß oder „als begeisterter Hobbyforscher“ lediglich eine ideologische Nähe duldete oder gar suchte, lässt sich aktuell schwer sagen. Es ist aber vielleicht auch nicht entscheidend. Denn selbst wenn seine Anhänger bemüht sind, ihn von den Theorien der 1920er- und 1930er-Jahre zu distanzieren, und er selbst auch keine genannten Autoren zitiert, muss man davon ausgehen, dass er die einschlägigen Werke kannte. Dasselbe gilt im Übrigen auch für die Kritiker, von denen nicht wenige eine NS-Vergangenheit hatten oder, wie der Archäologe Herbert Jankuhn, selbst für das Ahnenerbe aktiv waren. Dies mag auch die entschlossene Reaktion erklären.
Neuauflage im „Compact“-Shop
Spanuths Werk bettet sich unmittelbar in ein Milieu ein, das bis heute politisch anschlussfähig ist. So erfreut sich Spanuth in den vergangenen Jahren auch wieder einer zunehmenden Relevanz als politisch vom Mainstream verfolgter Wahrheitssucher. Kein Wunder, dass das vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Magazin „Compact“ die Neuauflage von Spanuths Buch in seinem Shop anbietet und in Artikeln bewirbt.
All diese Kontexte bleiben im NDR-Beitrag unerwähnt. Nur in einem begleitenden Onlinetext wird in einem Nebensatz erwähnt, dass der Archäologe Fritz Jürgens „die Nähe zu rechten Verschwörungsmythen […] für bedenklich“ halte.
Öffentlich-rechtliche Redaktionen haben hier eine Verantwortung. Denn die Normalisierung rechter Narrative geschieht nicht nur durch offene Parteinahme – sie entsteht auch dort, wo historische Kontexte ausgeblendet, problematische Biografien verkürzt und Erzählungen von vermeintlich mutigen und diskreditierten Einzelkämpfern unkritisch übernommen werden. Dass ein Medium wie „Compact“, das die Öffentlich-Rechtlichen ansonsten verachtet, den NDR-Beitrag für seine Ausgewogenheit feiert und ihn als „Sensation“ bezeichnet, sollte aufhorchen lassen.
Der Fall Spanuth offenbart aber zugleich ein strukturelles Defizit: Eine kritische Aufarbeitung solcher Themen kann ein NDR-Redakteur allein nicht leisten. Auch die Institutionen der historisch-politischen Bildung und Forschung, insbesondere auf regionaler Ebene, haben bislang wenig Gegenstrategien und Angebote entwickeln können, um diesen pseudohistorischen Erzählungen nachhaltig etwas entgegenzusetzen. Gerade wissenschaftliche Einrichtungen haben dafür weder den strukturellen Anreiz, die Ressourcen noch das Personal. Sie können oft erst dann reagieren, wenn sich Inhalte über Netzwerke wie Facebook oder Telegram schon längst verbreitet haben.
Kritisches Bewusstsein auch bei Heimatgeschichte
So bleibt die Deutungshoheit über das Werk Jürgen Spanuths bis heute weitgehend seinen Anhängern überlassen. Journalisten brauchen deshalb nicht nur ein gutes Gespür für Geschichten, sondern auch ein kritisches Bewusstsein für ihre Inhalte – selbst dann, wenn es „nur“ um die Heimatgeschichte geht.
21 Kommentare
In dem Film steckt ja offenbar auch eine gehörige Prise Antiintellektualismus.
Dieser ist einerseits ideologisch sehr anschlussfähig. Und andererseits leider auch ein typisches Narrativ sowohl medial als auch gesellschaftlich. Ist es nicht traurig, dass „der Elfenbeinturm“ negativ konnotiert ist?
@Peter Sievert (#1):
Ich finde es faszinierend, wie stabil diese antiintellektuelle Geschichte von den verblendeten, bösen und manipulativen „offiziellen“ Forschern ist. Anscheinend besteht der Job eines Archäologen oder Historikers in erster Linie darin, „uns“ von „der Wahrheit“ fernzuhalten. Atlantis und so. Herr Spanuth ist da eher ein kleines Licht – Erich von Däniken hat ein millionenschweres Geschäftsmodell draus gemacht, das seit Jahrzehnten funktioniert (als Kind hat er mich damit durchaus gekriegt).
Aktuell am besten im Spiel dürfte Graham Hancock sein, der seine These von einer untergegangenen, weltumspannenden Hochkultur in der „Doku-„Serie Ancient Apokalypse auf Netflix verbreiten durfte. Auch er bemüht den Atlantis-Mythos, und auch er spinnt sich aus vagsten Quellen die tollsten Geschichten zusammen. Meines Wissens allerdings ohne die völkisch-arische Grundierung. (Wen es interessiert: Der amerikanische Archäologie-YouTuber „Miniminuteman“ hat die Serie auf sehr unterhaltsame Weise zerpflückt).
@Beitrag: Interessante Analyse. Danke! Bei „Deutsches Ahenerbe“ hat sich ein Tippfehler eingeschlichen. Und wegen „Normalisierung rechter Narrative“ bitte ich um 5 Euro für’s Phrasenschwein.
Nach 2 Sekunden auf Wikipedia findet man schon die braunen Flecken in der Biographie des vermeintlichen Atlantis-Helden. Ich nehme an, der Autor des TV-Beitrags dürfte auch soweit recherchiert haben. Aber das hieße dann, er hat es bewusst weggelassen. Das wirft die Frage nach dem Warum auf. Der Autor des Ü-Textes hätte das gerne erfragen können.
Einen gewissen Sinn kann man in solchen Außenseitermeinungen ja schon sehen; andrerseits gehört in so einen Bericht neben den völkischen Hintergrund der Theorie ja mindestens die Beobachtung, dass es keine Funde von der Bronzezeitkultur im Meer bei Helgoland gibt, im Unterschied zur älteren Steinzeitkultur von Doggerland, welches vor rund 7.500 Jahren unterging.
@Mycroft (#4):
andrerseits gehört in so einen Bericht neben den völkischen Hintergrund der Theorie ja mindestens die Beobachtung, dass es keine Funde von der Bronzezeitkultur im Meer bei Helgoland gibt
Der NDR hat sich offenbar entschieden, die Geschichte als „Underdog kämpft gegen das Establishment“-Nummer zu erzählen. Ähnlich wie Netflix mit Hancock. Oder Disney beim Zeichentrickfilm „Atlantis“. Läuft wunderbar, weil sich das Publikum mit dem vermeintlich verkannten Genie identifizieren und dabei in mystischen Rätseln schwelgen kann. Nur fiele die Sache sofort in sich zusammen, wenn man sagte: Ach, übrigens war unser Protagonist ein Nazi und seine Thesen waren Quatsch.
Man könnte die Geschichte auch anders erzählen, nämlich als große Verirrung: Völkischer Spinner glaubt, arische Supermenschen hätten von Helgoland aus den Griechen die Zivilisation gebracht, oder so. Diese Version wäre näher an der Wirklichkeit, aber weniger clickable.
Danke dafür, sehr spannend zu lesen! Als Geisteswissenschaftler an der Uni und Medieninteressierter beobachte ich mit einer gewissen Sorge solche Fälle. Wir haben uns schon lange in die Nische spezialisiert, ein Buch für den breiteren Markt landen nur noch wenige von uns, falls die These knallt. Die fetten Suhrkamp-Jahre sind vorbei. Und aufmerksamkeitsökonomisch gesehen muss halt, wie im obigen Fall, die Story stimmen, die Absurdität der Spanuth-Thesen und sein NS-Background können da offensichtlich hinten runter fallen. Schon leicht bedenklich. Neil Postman hätte seine Freude gehabt oder sich schaudernd abgewandt. Aber diese böse guckenden Kieler Profs in ihren Talaren machen die Sache halt nahezu perfekt. Nicht jeder Fernsehjournalist kann dieser Story offensichtlich widerstehen oder möchte sie sich durch Einblendung eines professoralen Erkläronkels wieder relativieren lassen, weil der dann sagen würde, dass Blödsinn trotzdem Blödsinn bleibt.
Varusschlacht lässt grüßen. Traurig, dass das alles zurückkommt. Aber auch nicht verwunderlich.
„Küsst die Faschisten …“ Wo ist das Phrasenschwein?
@ Kommentatoren:
Ich war ja einigermaßen geschockt, als ich Interviews mit Diane Morgan gesehen habe. Philomena Cunk ist keine Rolle, die auf den Missstand Antiintellektualismus hinweisen soll, sondern das exakte Gegenteil – ein Sprachrohr für den ernst gemeinten Antiintellektualismus der Schauspielerin. „Science is boring …“ Well then …
Naja, die Varusschlacht hat es immerhin mal gegeben.
Aber ja, False-Balancing liegt oft nicht daran, dass man eine konträre Meinung für eine Talkshow braucht, sondern manche Journalisten können manchmal bei manchen Themen plausible Minderheitsmeinungen und völligen Quatsch nicht auseinanderhalten.
Ist doch durchaus vergleichbar. Dass es „versunkene Städte“ gibt ist ja auch wohl unumstritten, nur dass es um Helgoland und ausgerechnet das mythische Atlantis sein soll … Ist halt eine, selbst in 2025 noch gut verkaufbare, Geschichte.
Im Varus-Kontext ist ja selbst das Wort „Schlacht“ umstritten. Es war keine, sondern mehrere große Überfälle über bis zu 4 Tage (1 Quelle). Wohl eher nicht an einem Ort sondern entlang der (unbekannten) Marschroute der Legionen. Alle Quellen sind unsicher und einseitig; vielen Annahmen dient gar Tacitus allein als Grundlage.
Es sind tolle Narrative, die gestern, heute und morgen funktionieren.
Die eine Schlacht, aus der das deutsche Volk im Siege geboren wurde.
Die eine deutsche Insel als Grundlage der gesamten „zivilisierten Welt“.
Bald 40% wollen nicht, dass ihre Kinder noch allzu viel über die tatsächliche Gründung der BRD lernen: https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/erinnerungskultur-memo-studie-100.html
„Von Siegern aufgezwungene Demokratie, weil unser Faschismus im Weltkrieg verloren hat. Davor war auch nicht viel besser“ hört sich halt scheiße an.
Was auch der Grund ist, warum es die „NS-Zeit“ sein muss und „Nazi-Deutschland“ und schlicht „die Nazis“. Als ob es ein anderes Deutschland gewesen wäre, andere Deutsche. Nazi-Deutsche. Die BRD ist nicht mal der Rechtsnachfolger des deutschen Reichs, sondern „als Staat identisch“ mit dem deutschen Reich. Nur hören wollen wir das nicht.
Ähnlich „Black History Month“ in den USA. 11 von 12 Monaten im Jahr gab es keine Sklaverei.
Ich komm‘ da auch nur drauf, weil ich kürzlich das Kalkrieser Museum besuchte. Sehr schön und gut gemacht, vor Allem der neue Plattenpanzer und auch die Kontextualisierung der NS-Zeit.
Aber deren Narrativ ist halt „hier war et“. Das ist ja kein „false balancing“ sondern Tourismus. Der hoffentlich nicht bald wieder die falschen anlockt.
„Im Varus-Kontext ist ja selbst das Wort „Schlacht“ umstritten.“ Wenn man so pingelig ist, ja.
„Was auch der Grund ist, warum es die „NS-Zeit“ sein muss und „Nazi-Deutschland“ und schlicht „die Nazis“. Als ob es ein anderes Deutschland gewesen wäre, andere Deutsche.“ Die Deutschen, die 1933 wahlberechtigt waren, konnten sich größtenteils noch ans Kaiserreich erinnern, die meisten von ihnen waren erst seit höchstens 15 Jahren überhaupt wahlberechtigt (keine Ausrede, aber Teil des Problems). Die Deutschen, die damals wahlberechtigt waren, sind heute mindestens 113 Jahre alt und haben das Kaiserreich aus der Perspektive eines kleinen Kindes kennengelernt.
Also ist das heutige Deutschland schon personell nicht identisch. Ich persönlich bin schon länger wahlberechtigt, als Weimarer Deutschland und Nazideutschland insgesamt dauerten, und nehme für mich definitiv in Anspruch, ein anderer Deutscher zu sein als meine Großeltern oder Urgroßeltern. Ansonsten wären „wir“ auch dieselben Cherusker wie 9 nach Christus. *schulterzuck
„Aber deren Narrativ ist halt „hier war et“. Das ist ja kein „false balancing“ sondern Tourismus.“ Die im Museum machen Werbung. Die im Journalismus, die eine absurde Minderheitsmeinung sich quasi zu eigen machen, machen false balancing.
Dessenungeachtet ist die Lokalisierung der Varus-Gefechte-aus-dem-Hinterhalt schon etwas plausibler hergeleitet als der Atlantis-Helgoland-Quatsch.
Der Urdeutsche Herrmann hat die Römer in siegreicher Befreiungsschlacht aus unserer Heimat vertrieben. Wollen wa mal nicht so pingelig sein, ist auch plausibler als der Helgoland-Quatsch.
Bei dem „NS-Zeit“ Thema ging es (mir) um Gedenken 2025, nicht um Wahlberechtigung 1933. Fliegenschiss, ja oder nein? Muss jeder selbst wissen.
@FB (#6)
Genau das war ja auch der Punkt, den ich am Ende machen wollte. Die Fachwissenschaft hat sich seit den Ereignissen von 1953 eigentlich nicht mehr damit beschäftigt – und das fällt uns nun vor die Füße, weil diejenigen, die das Thema spannend finden (was es ja ist), landen auf den Seiten seiner Anhänger. Es gibt ja auch keine strukturellen Anreize für ein public engagement.
Dass der Journalist hier der „Story“ nachgeht, ist an sich ja verständlich, aber fraglich, wie methodisch sauber es ist, dann die Tochter zu befragen. Das müssen aber Journalist*innen bewerten. Allerdings finde ich auch die tatsächliche Geschichte nicht weniger spannend. Es ist ja auch eine Geschichte, wie man nach dem Krieg uns NS-Diktatur solche Großerzählungen aktiv einfangen wollte – enormer Aktualitätsbezug!
Ansonsten überzeugt auch die These einer bornierten Wissenschaft aus sachlichen Gründen nicht. Spanuth war ja auch Zeitgenossen von Andreas Busch, der 1921 das untergegangene Rungholt vermeintlich lokalisieren konnte. Dieser hatte ja noch nicht einmal studiert, erhielt aber als Autodidakt im Jahr 1936 eine Ehrung der CAU und ist meines Wissens nach nie akademisch „unter Beschuss“ geraten.
Hancock ist übrigens eine gute Analogie zu Spanuth – und sein Gespräch mit dem Archäologen Flint Dibble im Joe Rogan-Podcast ein Lehrbeispiel dafür, wie wenig Sinn es macht, sich auf eine Debatte über einzelne Funde und Befunde einzulassen. Menschen wie Spanuth und Hancock operier(t)en einfach mit ganz anderen Annahmen, ohne methodisches Vorverständnis – sind aber oft charismatische Geschichtenerzähler. Das berichten ja auch Menschen, die Spanuth erlebt haben.
Anders als Hobbyforscher Jürgen Spanuth und seine pseudoarisch, rassistischen Kollegen im Geiste dachten, gab es kein „Atlantis der Nordsee“.
Spätere Geologen fanden jedoch heraus, dass während der letzten großen Eiszeitphase, als der Meeresspiegel mehr als 100 Meter niedriger war als heute, die Nordsee noch kaum bestand.
Dafür gab es damals das Doggerland, welches zumindest in den Sommermonaten von Frühmenschen (Neandertaler, später Homo Sapiens) bewohnt war. Es war aber keine „arische Hochkultur“.
Als ein selbst Hobbyhistoriker vermute ich mal ins Blaue hinein, dass sich wenige Reste von alten Erinnerungen an ein vorzeitliches Land und der ursprünglich hauptsächlich griechische Atlantismythos zu einer Idee eines Art Nordsee-Atlantis vermengt hatten. Ich kann auch falsch liegen.
Und was ich bei den Nazis auch immer wieder so überaus seltsam empfinde ist ihre Arierfixierung.
Dabei war doch schon damals bekannt (1), dass die Arier (wenn es sie denn überhaupt so ganz genau gab) mit den Iranern verwandt sind, also mitnichten große blauäugige, blonde, blöde Urzeit-Protonazis waren sondern die Erschaffer der iranischen Hochkultur.
(1) Dabei fiel mir eben der Brief ein, in dem JRR Tolkien den deutschen Behörden während des NS-Regimes auf Grund des erforderlichen Ariernachweis zur Berechtigung, als Autor in Deutschland veröffentlicht zu werden, eine wundervoll-elegant geschriebene Widerlegung des Ariermythos geschrieben hatte.
Zitat aus dem Brief:
„Thank you for your letter. I regret that I am not clear as to what you intend by arisch. I am not of Aryan extraction: that is Indo-Iranian; as far as I am aware none of my ancestors spoke Hindustani, Persian, Gypsy, or any related dialects. But if I am to understand that you are enquiring whether I am of Jewish origin, I can only reply that I regret that I appear to have no ancestors of that gifted people. …“
Übersetzung (von mir):
„Vielen Dank für Ihren Brief. Ich bedaure dass ich nicht ganz verstehe, was Sie mir ‚Arisch‘ meinen.
Ich bin nicht von arischer Abkunft; was Indo-Iranisch wäre; sofern mir bewusst ist, sprach keiner meiner Vorfahren Hindustani, Persisch oder Zigeuner oder irgend einen anderen verwandten Dialekt.
Aber wenn ich es so verstehe, dass Sie nachfragen ob ich jüdischen Ursprungs bin, so kann ich nur antworten, dass ich bedaure, dass es erscheint als hätte ich keine Vorfahren aus diesem begabten Volk. …“
„Der Urdeutsche Herrmann hat die Römer in siegreicher Befreiungsschlacht aus unserer Heimat vertrieben.“
Tante von mir am „Herrmanns“-Denkmal: „Sieht ja aus wie ein Römer.“
Andere Tante: „War er ja auch.“ (Diente jahrelang in einer Legion und so.)
Selbst bei einem eindeutig kitsch-verbrämten Denkmal kann man also noch was lernen. Wenn man wollte.
Nennt das Museum in Kalkriese „Arminius“ eigentlich auch „Herrmann“? Oder „Urdeutschen“?
Die grundsätzliche Existenz der Varusniederlage wurde zur Abwechslung von den Verlierern überliefert und ist schon daher deutlich besser belegt als Atlantis. Oder Jesus.
Die Frage: „Arminius. Tapferer Kämpfer gegen Imperialismus und Kolonialherrschaft oder adeliger Ausbeuter, der sich gegen die Zivilisation stellte?“ ist davon ja unabhängig.
„Bei dem „NS-Zeit“ Thema ging es (mir) um Gedenken 2025…“ Und? Sind Sie der tatsächlich der Auffassung, dass es in 80 Jahren, also rd. der Lebenserwartung der dt. Bevölkerung, keine gesellschaftlichen oder sonstigen Veränderungen gegeben hätte? Und ich meine nicht einmal „Verbesserungen“, sondern irgendwas.
„Fliegenschiss, ja oder nein?“ Keine Ahnung – ich bin generell nicht stolz auf mein Land. Oder auf sonstigen Scheiß.
@Anderer Max:
Gute Güte, nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Die Varus-Schlacht, die damals natürlich Hermannschlacht genannt wurde, ist im 19. Jahrhundert zum nationalen Gründungsmythos gemacht worden. Die Schlacht (und ich werde nicht „vermutete, mehrtägige militärische Auseinandersetzung“ schreiben) hat sehr wahrscheinlich tatsächlich stattgefunden und hatte großen Einfluss auf die römischen Pläne für Germanien. Nur mit „Deutschland“ im Sinne moderner Nationen-Bildung hatte sie nichts zu tun.
Solche Gründungsmythen finden sich übrigens in den meisten modernen Nationen. Sie dien(t)en dazu, einem neuen Konzept den Anschein des Immer-schon-Dagewesenen zu geben. Mittels Helden- oder Opfer-Erzählung. Für die Serben war es die Schlacht am Amselfeld (interessanterweise eine Niederlage); die Römer hatten Romulus und dessen angebliche Abstammung aus Troja; die USA spinnen allerlei Mythen um den Unabhängigkeitskrieg und dessen Vorgeschichte. Man kann aus solchen Geschichten viel über den prekären Charakter nationaler Selbstbilder lernen – wobei es allerdings hilfreich ist, nicht gleich „Faschismus“ zu rufen und die Sache in der entsprechenden Denkschublade zu vergraben.
Die „Atlantis-Forschung“ hat mit all dem wenig zu tun, da sie von der historischen Zunft nie anerkannt war und selbst im NS von den meisten belächelt wurde („Deutsches Ahnenerbe“ hin oder her). Sie fand ihre Fortsetzung auch nicht in neuen, deutschen Gründungsmythen, sondern in der Szene der Verschwörungstheoretiker und Mythensucher, wo sie neben „Die Ägypter hatten elektrischen Strom“ oder „Aliens erbauten die Pyramiden“ regelmäßig für abstruse, aber eher harmlose Bestseller sorgt – Erich von Däniken ist das beste Beispiel.
Die BRD ist nicht mal der Rechtsnachfolger des deutschen Reichs, sondern „als Staat identisch“ mit dem deutschen Reich. Nur hören wollen wir das nicht.
Das steht in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973, in dem es um ganz andere Dinge ging. Und ist spätestens seit den 2-plus-4-Verträgen Makulatur. Was wollen Sie uns im Kontext dieses kleinen NDR-Beitrags damit sagen? Was wollen „wir“ nicht hören?
Ich denke, wir sind uns alle einig, dass der ÖR das Thema falsch angegangen ist, das möchte ich nur noch mal festhalten.
Ich persönlich halte die beiden Themen für vergleichbar, aber durchaus hinkend.
@Mycroft:
Im Museum in Kalkriese heißt er natürlich historisch korrekt Arminius. Meine vorigen Kommentare waren vielleicht zu launig. Das Museum ist 1a und ich kann es nur empfehlen. Meine Kritik kommt aus einem Gespräch mit einem Geologen, den ich dort 2019 bei einem Besuch im Museum traf und der mit seinem Team zum Thema Plaggenensch grub. Er war mit der Selbstdarstellung (und einigen TerraX Beiträgen) überhaupt nicht zufrieden. Ironischerweise fand er bzw. ein Kollege aus seinem Team einige Wochen später den Plattenpanzer in eben jenem Loch, was wieder zu neuen fragwürdigen TerraX Beiträgen führte.
Das alles bezieht sich, wie schon gesagt, ausschließlich auf den Standort (!sic) der Schlacht (Thema Tourismus), nicht auf den Themenkomplex Instrumentalisierung durch Nazis und Prä-Nazis o.Ä., der dort im Museum auch eingehend und sehr kompetent besprochen wird. Ich möchte wirklich nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht.
@KK:
Ja, ich habe das ein wenig polemisch durcheinander geworfen, sorry.
Bei dem „Wir wollen das nicht hören“ bezog ich mich (in meinem Kopf) auf den tagesschau-link, den ich mitpostete.
Eine zunehmende Zahl Deutscher (derzeit ca. 38%) will nicht mehr mit dem Fliegenschiss belästigt werden und auch nicht hören, dass andere Menschen dies evtl. als ignorant oder geschichtsvergessen oder gar gefährlich empfinden könnte. So war das gemeint.
Es ist ja kein Geheimnis, dass die Neue Rechte Quatsch erzählt und bei Widerspruch eine Beschränkung der Meinungsfreiheit unterstellt (Opferrolle als Stilmittel, siehe Nachbarfaden).
Eine zunehmende Zahl Deutscher (derzeit ca. 38%) will nicht mehr mit dem Fliegenschiss belästigt werden und auch nicht hören, dass andere Menschen dies evtl. als ignorant oder geschichtsvergessen oder gar gefährlich empfinden könnte. So war das gemeint.
Ja, das ist ein Problem, für das ich keine Lösung weiß. An Unwissenheit liegt es sicher nicht. Ich habe vor ein paar Jahren mal einen Vortrag über die Geschichte der deutschen Gedenkkultur gehalten – Kernthese war, dass Erinnern an die NS-Verbrechen ab den Achtzigern allmählich vom linken Rand- zum Mainstreamthema wurde und sich schließlich unter Rot-Grün sogar zum Identitätsmarker entwickelte: Deutschland, das Land der Geläuterten – nationale Identität nicht trotz, sondern durch Auschwitz.
Das war der Kern des Gedenkonsenses von 2000 bis ca. 2015. Seitdem bricht das auseinander – Höcke, Gauland & Co. leugnen das identitätsstiftende Momente, wärmen den „Schlussstrich“ wieder auf und nutzen das Thema, um einen Widerspruch zwischen „deutschen Interessen“ und „den Altparteien“ zu inszenieren. Aber auch postkoloniale Linke stellen die Singularität von Auschwitz (wieder) in Frage. Stichwort: „Free Palestine from german gulit“.
Wie man das kitten kann? Keine Ahnung. Ein Mehr vom Gleichen wird eher zu Reaktanz führen als zu einem Umdenken…
„…was wieder zu neuen fragwürdigen TerraX Beiträgen führte.“
Ja, es gibt einen yt-Kanal, der TerraX-Beiträge in die Pfanne haut. Ich gucke lieber den.
Der eigentliche Punkt, worüber ich mich aufrege, ist die Behauptung, dass das Deutschland „damals“ kein anderes als das heutige sei. Ich kann mich an meine Kindheit erinnern, und damals sah das Ding auf der Deutschlandkarte in den Nachrichten, nennen wir es mal „Fliegenschiss“, anders aus als das heutige. Ergo wohne ich nicht mehr im selben Deutschland wie dem, in dem ich geboren wurde. Aber wenn das D. von 1985 ein anderes ist als das von 2025, dann ist das D. von 1945 erst recht ein anderes. Erinnerungskultur, die jede historische, gesellschaftliche oder auch persönliche Entwicklung einfach bestreitet, löst eben Widerspruch aus.
Bezüglich der Erinnerungskultur will ich Ihnen aber ansonsten gar nicht widersprechen; als reines Ritual, damit sich der heutige Bundesbürger gut fühlt, ist sie einerseits Kappes, andererseits ist es wohl wirklich so, dass sie als pädagogische Maßnahme gerade die am wenigsten erreicht, die sie am meisten erreichen sollte.
Keine Ahnung, wie man das lösen kann, ich bin kein Pädagoge.
@Mycroft (#18):
Ja, es gibt einen yt-Kanal, der TerraX-Beiträge in die Pfanne haut. Ich gucke lieber den.
Lassen Sie mich raten: „Geschichtsfenster“?
@KK: genau!
Vielen Dank für diese klare Analyse und diesen fantastischen Beitrag. Bitte immer weiter so, Aufklärung, wo die Öffentlich-Rechtlichen versagen.
In dem Film steckt ja offenbar auch eine gehörige Prise Antiintellektualismus.
Dieser ist einerseits ideologisch sehr anschlussfähig. Und andererseits leider auch ein typisches Narrativ sowohl medial als auch gesellschaftlich. Ist es nicht traurig, dass „der Elfenbeinturm“ negativ konnotiert ist?
@Peter Sievert (#1):
Ich finde es faszinierend, wie stabil diese antiintellektuelle Geschichte von den verblendeten, bösen und manipulativen „offiziellen“ Forschern ist. Anscheinend besteht der Job eines Archäologen oder Historikers in erster Linie darin, „uns“ von „der Wahrheit“ fernzuhalten. Atlantis und so. Herr Spanuth ist da eher ein kleines Licht – Erich von Däniken hat ein millionenschweres Geschäftsmodell draus gemacht, das seit Jahrzehnten funktioniert (als Kind hat er mich damit durchaus gekriegt).
Aktuell am besten im Spiel dürfte Graham Hancock sein, der seine These von einer untergegangenen, weltumspannenden Hochkultur in der „Doku-„Serie Ancient Apokalypse auf Netflix verbreiten durfte. Auch er bemüht den Atlantis-Mythos, und auch er spinnt sich aus vagsten Quellen die tollsten Geschichten zusammen. Meines Wissens allerdings ohne die völkisch-arische Grundierung. (Wen es interessiert: Der amerikanische Archäologie-YouTuber „Miniminuteman“ hat die Serie auf sehr unterhaltsame Weise zerpflückt).
@Beitrag: Interessante Analyse. Danke! Bei „Deutsches Ahenerbe“ hat sich ein Tippfehler eingeschlichen. Und wegen „Normalisierung rechter Narrative“ bitte ich um 5 Euro für’s Phrasenschwein.
Nach 2 Sekunden auf Wikipedia findet man schon die braunen Flecken in der Biographie des vermeintlichen Atlantis-Helden. Ich nehme an, der Autor des TV-Beitrags dürfte auch soweit recherchiert haben. Aber das hieße dann, er hat es bewusst weggelassen. Das wirft die Frage nach dem Warum auf. Der Autor des Ü-Textes hätte das gerne erfragen können.
Einen gewissen Sinn kann man in solchen Außenseitermeinungen ja schon sehen; andrerseits gehört in so einen Bericht neben den völkischen Hintergrund der Theorie ja mindestens die Beobachtung, dass es keine Funde von der Bronzezeitkultur im Meer bei Helgoland gibt, im Unterschied zur älteren Steinzeitkultur von Doggerland, welches vor rund 7.500 Jahren unterging.
@Mycroft (#4):
Der NDR hat sich offenbar entschieden, die Geschichte als „Underdog kämpft gegen das Establishment“-Nummer zu erzählen. Ähnlich wie Netflix mit Hancock. Oder Disney beim Zeichentrickfilm „Atlantis“. Läuft wunderbar, weil sich das Publikum mit dem vermeintlich verkannten Genie identifizieren und dabei in mystischen Rätseln schwelgen kann. Nur fiele die Sache sofort in sich zusammen, wenn man sagte: Ach, übrigens war unser Protagonist ein Nazi und seine Thesen waren Quatsch.
Man könnte die Geschichte auch anders erzählen, nämlich als große Verirrung: Völkischer Spinner glaubt, arische Supermenschen hätten von Helgoland aus den Griechen die Zivilisation gebracht, oder so. Diese Version wäre näher an der Wirklichkeit, aber weniger clickable.
Danke dafür, sehr spannend zu lesen! Als Geisteswissenschaftler an der Uni und Medieninteressierter beobachte ich mit einer gewissen Sorge solche Fälle. Wir haben uns schon lange in die Nische spezialisiert, ein Buch für den breiteren Markt landen nur noch wenige von uns, falls die These knallt. Die fetten Suhrkamp-Jahre sind vorbei. Und aufmerksamkeitsökonomisch gesehen muss halt, wie im obigen Fall, die Story stimmen, die Absurdität der Spanuth-Thesen und sein NS-Background können da offensichtlich hinten runter fallen. Schon leicht bedenklich. Neil Postman hätte seine Freude gehabt oder sich schaudernd abgewandt. Aber diese böse guckenden Kieler Profs in ihren Talaren machen die Sache halt nahezu perfekt. Nicht jeder Fernsehjournalist kann dieser Story offensichtlich widerstehen oder möchte sie sich durch Einblendung eines professoralen Erkläronkels wieder relativieren lassen, weil der dann sagen würde, dass Blödsinn trotzdem Blödsinn bleibt.
Varusschlacht lässt grüßen. Traurig, dass das alles zurückkommt. Aber auch nicht verwunderlich.
„Küsst die Faschisten …“ Wo ist das Phrasenschwein?
@ Kommentatoren:
Ich war ja einigermaßen geschockt, als ich Interviews mit Diane Morgan gesehen habe. Philomena Cunk ist keine Rolle, die auf den Missstand Antiintellektualismus hinweisen soll, sondern das exakte Gegenteil – ein Sprachrohr für den ernst gemeinten Antiintellektualismus der Schauspielerin. „Science is boring …“ Well then …
Naja, die Varusschlacht hat es immerhin mal gegeben.
Aber ja, False-Balancing liegt oft nicht daran, dass man eine konträre Meinung für eine Talkshow braucht, sondern manche Journalisten können manchmal bei manchen Themen plausible Minderheitsmeinungen und völligen Quatsch nicht auseinanderhalten.
Ist doch durchaus vergleichbar. Dass es „versunkene Städte“ gibt ist ja auch wohl unumstritten, nur dass es um Helgoland und ausgerechnet das mythische Atlantis sein soll … Ist halt eine, selbst in 2025 noch gut verkaufbare, Geschichte.
Im Varus-Kontext ist ja selbst das Wort „Schlacht“ umstritten. Es war keine, sondern mehrere große Überfälle über bis zu 4 Tage (1 Quelle). Wohl eher nicht an einem Ort sondern entlang der (unbekannten) Marschroute der Legionen. Alle Quellen sind unsicher und einseitig; vielen Annahmen dient gar Tacitus allein als Grundlage.
Es sind tolle Narrative, die gestern, heute und morgen funktionieren.
Die eine Schlacht, aus der das deutsche Volk im Siege geboren wurde.
Die eine deutsche Insel als Grundlage der gesamten „zivilisierten Welt“.
Bald 40% wollen nicht, dass ihre Kinder noch allzu viel über die tatsächliche Gründung der BRD lernen: https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/erinnerungskultur-memo-studie-100.html
„Von Siegern aufgezwungene Demokratie, weil unser Faschismus im Weltkrieg verloren hat. Davor war auch nicht viel besser“ hört sich halt scheiße an.
Was auch der Grund ist, warum es die „NS-Zeit“ sein muss und „Nazi-Deutschland“ und schlicht „die Nazis“. Als ob es ein anderes Deutschland gewesen wäre, andere Deutsche. Nazi-Deutsche. Die BRD ist nicht mal der Rechtsnachfolger des deutschen Reichs, sondern „als Staat identisch“ mit dem deutschen Reich. Nur hören wollen wir das nicht.
Ähnlich „Black History Month“ in den USA. 11 von 12 Monaten im Jahr gab es keine Sklaverei.
Ich komm‘ da auch nur drauf, weil ich kürzlich das Kalkrieser Museum besuchte. Sehr schön und gut gemacht, vor Allem der neue Plattenpanzer und auch die Kontextualisierung der NS-Zeit.
Aber deren Narrativ ist halt „hier war et“. Das ist ja kein „false balancing“ sondern Tourismus. Der hoffentlich nicht bald wieder die falschen anlockt.
„Im Varus-Kontext ist ja selbst das Wort „Schlacht“ umstritten.“ Wenn man so pingelig ist, ja.
„Was auch der Grund ist, warum es die „NS-Zeit“ sein muss und „Nazi-Deutschland“ und schlicht „die Nazis“. Als ob es ein anderes Deutschland gewesen wäre, andere Deutsche.“ Die Deutschen, die 1933 wahlberechtigt waren, konnten sich größtenteils noch ans Kaiserreich erinnern, die meisten von ihnen waren erst seit höchstens 15 Jahren überhaupt wahlberechtigt (keine Ausrede, aber Teil des Problems). Die Deutschen, die damals wahlberechtigt waren, sind heute mindestens 113 Jahre alt und haben das Kaiserreich aus der Perspektive eines kleinen Kindes kennengelernt.
Also ist das heutige Deutschland schon personell nicht identisch. Ich persönlich bin schon länger wahlberechtigt, als Weimarer Deutschland und Nazideutschland insgesamt dauerten, und nehme für mich definitiv in Anspruch, ein anderer Deutscher zu sein als meine Großeltern oder Urgroßeltern. Ansonsten wären „wir“ auch dieselben Cherusker wie 9 nach Christus. *schulterzuck
„Aber deren Narrativ ist halt „hier war et“. Das ist ja kein „false balancing“ sondern Tourismus.“ Die im Museum machen Werbung. Die im Journalismus, die eine absurde Minderheitsmeinung sich quasi zu eigen machen, machen false balancing.
Dessenungeachtet ist die Lokalisierung der Varus-Gefechte-aus-dem-Hinterhalt schon etwas plausibler hergeleitet als der Atlantis-Helgoland-Quatsch.
Der Urdeutsche Herrmann hat die Römer in siegreicher Befreiungsschlacht aus unserer Heimat vertrieben. Wollen wa mal nicht so pingelig sein, ist auch plausibler als der Helgoland-Quatsch.
Bei dem „NS-Zeit“ Thema ging es (mir) um Gedenken 2025, nicht um Wahlberechtigung 1933. Fliegenschiss, ja oder nein? Muss jeder selbst wissen.
@FB (#6)
Genau das war ja auch der Punkt, den ich am Ende machen wollte. Die Fachwissenschaft hat sich seit den Ereignissen von 1953 eigentlich nicht mehr damit beschäftigt – und das fällt uns nun vor die Füße, weil diejenigen, die das Thema spannend finden (was es ja ist), landen auf den Seiten seiner Anhänger. Es gibt ja auch keine strukturellen Anreize für ein public engagement.
Dass der Journalist hier der „Story“ nachgeht, ist an sich ja verständlich, aber fraglich, wie methodisch sauber es ist, dann die Tochter zu befragen. Das müssen aber Journalist*innen bewerten. Allerdings finde ich auch die tatsächliche Geschichte nicht weniger spannend. Es ist ja auch eine Geschichte, wie man nach dem Krieg uns NS-Diktatur solche Großerzählungen aktiv einfangen wollte – enormer Aktualitätsbezug!
Ansonsten überzeugt auch die These einer bornierten Wissenschaft aus sachlichen Gründen nicht. Spanuth war ja auch Zeitgenossen von Andreas Busch, der 1921 das untergegangene Rungholt vermeintlich lokalisieren konnte. Dieser hatte ja noch nicht einmal studiert, erhielt aber als Autodidakt im Jahr 1936 eine Ehrung der CAU und ist meines Wissens nach nie akademisch „unter Beschuss“ geraten.
Hancock ist übrigens eine gute Analogie zu Spanuth – und sein Gespräch mit dem Archäologen Flint Dibble im Joe Rogan-Podcast ein Lehrbeispiel dafür, wie wenig Sinn es macht, sich auf eine Debatte über einzelne Funde und Befunde einzulassen. Menschen wie Spanuth und Hancock operier(t)en einfach mit ganz anderen Annahmen, ohne methodisches Vorverständnis – sind aber oft charismatische Geschichtenerzähler. Das berichten ja auch Menschen, die Spanuth erlebt haben.
Anders als Hobbyforscher Jürgen Spanuth und seine pseudoarisch, rassistischen Kollegen im Geiste dachten, gab es kein „Atlantis der Nordsee“.
Spätere Geologen fanden jedoch heraus, dass während der letzten großen Eiszeitphase, als der Meeresspiegel mehr als 100 Meter niedriger war als heute, die Nordsee noch kaum bestand.
Dafür gab es damals das Doggerland, welches zumindest in den Sommermonaten von Frühmenschen (Neandertaler, später Homo Sapiens) bewohnt war. Es war aber keine „arische Hochkultur“.
Als ein selbst Hobbyhistoriker vermute ich mal ins Blaue hinein, dass sich wenige Reste von alten Erinnerungen an ein vorzeitliches Land und der ursprünglich hauptsächlich griechische Atlantismythos zu einer Idee eines Art Nordsee-Atlantis vermengt hatten. Ich kann auch falsch liegen.
Und was ich bei den Nazis auch immer wieder so überaus seltsam empfinde ist ihre Arierfixierung.
Dabei war doch schon damals bekannt (1), dass die Arier (wenn es sie denn überhaupt so ganz genau gab) mit den Iranern verwandt sind, also mitnichten große blauäugige, blonde, blöde Urzeit-Protonazis waren sondern die Erschaffer der iranischen Hochkultur.
(1) Dabei fiel mir eben der Brief ein, in dem JRR Tolkien den deutschen Behörden während des NS-Regimes auf Grund des erforderlichen Ariernachweis zur Berechtigung, als Autor in Deutschland veröffentlicht zu werden, eine wundervoll-elegant geschriebene Widerlegung des Ariermythos geschrieben hatte.
Zitat aus dem Brief:
„Thank you for your letter. I regret that I am not clear as to what you intend by arisch. I am not of Aryan extraction: that is Indo-Iranian; as far as I am aware none of my ancestors spoke Hindustani, Persian, Gypsy, or any related dialects. But if I am to understand that you are enquiring whether I am of Jewish origin, I can only reply that I regret that I appear to have no ancestors of that gifted people. …“
Übersetzung (von mir):
„Vielen Dank für Ihren Brief. Ich bedaure dass ich nicht ganz verstehe, was Sie mir ‚Arisch‘ meinen.
Ich bin nicht von arischer Abkunft; was Indo-Iranisch wäre; sofern mir bewusst ist, sprach keiner meiner Vorfahren Hindustani, Persisch oder Zigeuner oder irgend einen anderen verwandten Dialekt.
Aber wenn ich es so verstehe, dass Sie nachfragen ob ich jüdischen Ursprungs bin, so kann ich nur antworten, dass ich bedaure, dass es erscheint als hätte ich keine Vorfahren aus diesem begabten Volk. …“
„Der Urdeutsche Herrmann hat die Römer in siegreicher Befreiungsschlacht aus unserer Heimat vertrieben.“
Tante von mir am „Herrmanns“-Denkmal: „Sieht ja aus wie ein Römer.“
Andere Tante: „War er ja auch.“ (Diente jahrelang in einer Legion und so.)
Selbst bei einem eindeutig kitsch-verbrämten Denkmal kann man also noch was lernen. Wenn man wollte.
Nennt das Museum in Kalkriese „Arminius“ eigentlich auch „Herrmann“? Oder „Urdeutschen“?
Die grundsätzliche Existenz der Varusniederlage wurde zur Abwechslung von den Verlierern überliefert und ist schon daher deutlich besser belegt als Atlantis. Oder Jesus.
Die Frage: „Arminius. Tapferer Kämpfer gegen Imperialismus und Kolonialherrschaft oder adeliger Ausbeuter, der sich gegen die Zivilisation stellte?“ ist davon ja unabhängig.
„Bei dem „NS-Zeit“ Thema ging es (mir) um Gedenken 2025…“ Und? Sind Sie der tatsächlich der Auffassung, dass es in 80 Jahren, also rd. der Lebenserwartung der dt. Bevölkerung, keine gesellschaftlichen oder sonstigen Veränderungen gegeben hätte? Und ich meine nicht einmal „Verbesserungen“, sondern irgendwas.
„Fliegenschiss, ja oder nein?“ Keine Ahnung – ich bin generell nicht stolz auf mein Land. Oder auf sonstigen Scheiß.
@Anderer Max:
Gute Güte, nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Die Varus-Schlacht, die damals natürlich Hermannschlacht genannt wurde, ist im 19. Jahrhundert zum nationalen Gründungsmythos gemacht worden. Die Schlacht (und ich werde nicht „vermutete, mehrtägige militärische Auseinandersetzung“ schreiben) hat sehr wahrscheinlich tatsächlich stattgefunden und hatte großen Einfluss auf die römischen Pläne für Germanien. Nur mit „Deutschland“ im Sinne moderner Nationen-Bildung hatte sie nichts zu tun.
Solche Gründungsmythen finden sich übrigens in den meisten modernen Nationen. Sie dien(t)en dazu, einem neuen Konzept den Anschein des Immer-schon-Dagewesenen zu geben. Mittels Helden- oder Opfer-Erzählung. Für die Serben war es die Schlacht am Amselfeld (interessanterweise eine Niederlage); die Römer hatten Romulus und dessen angebliche Abstammung aus Troja; die USA spinnen allerlei Mythen um den Unabhängigkeitskrieg und dessen Vorgeschichte. Man kann aus solchen Geschichten viel über den prekären Charakter nationaler Selbstbilder lernen – wobei es allerdings hilfreich ist, nicht gleich „Faschismus“ zu rufen und die Sache in der entsprechenden Denkschublade zu vergraben.
Die „Atlantis-Forschung“ hat mit all dem wenig zu tun, da sie von der historischen Zunft nie anerkannt war und selbst im NS von den meisten belächelt wurde („Deutsches Ahnenerbe“ hin oder her). Sie fand ihre Fortsetzung auch nicht in neuen, deutschen Gründungsmythen, sondern in der Szene der Verschwörungstheoretiker und Mythensucher, wo sie neben „Die Ägypter hatten elektrischen Strom“ oder „Aliens erbauten die Pyramiden“ regelmäßig für abstruse, aber eher harmlose Bestseller sorgt – Erich von Däniken ist das beste Beispiel.
Das steht in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973, in dem es um ganz andere Dinge ging. Und ist spätestens seit den 2-plus-4-Verträgen Makulatur. Was wollen Sie uns im Kontext dieses kleinen NDR-Beitrags damit sagen? Was wollen „wir“ nicht hören?
Ich denke, wir sind uns alle einig, dass der ÖR das Thema falsch angegangen ist, das möchte ich nur noch mal festhalten.
Ich persönlich halte die beiden Themen für vergleichbar, aber durchaus hinkend.
@Mycroft:
Im Museum in Kalkriese heißt er natürlich historisch korrekt Arminius. Meine vorigen Kommentare waren vielleicht zu launig. Das Museum ist 1a und ich kann es nur empfehlen. Meine Kritik kommt aus einem Gespräch mit einem Geologen, den ich dort 2019 bei einem Besuch im Museum traf und der mit seinem Team zum Thema Plaggenensch grub. Er war mit der Selbstdarstellung (und einigen TerraX Beiträgen) überhaupt nicht zufrieden. Ironischerweise fand er bzw. ein Kollege aus seinem Team einige Wochen später den Plattenpanzer in eben jenem Loch, was wieder zu neuen fragwürdigen TerraX Beiträgen führte.
Das alles bezieht sich, wie schon gesagt, ausschließlich auf den Standort (!sic) der Schlacht (Thema Tourismus), nicht auf den Themenkomplex Instrumentalisierung durch Nazis und Prä-Nazis o.Ä., der dort im Museum auch eingehend und sehr kompetent besprochen wird. Ich möchte wirklich nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht.
@KK:
Ja, ich habe das ein wenig polemisch durcheinander geworfen, sorry.
Bei dem „Wir wollen das nicht hören“ bezog ich mich (in meinem Kopf) auf den tagesschau-link, den ich mitpostete.
Eine zunehmende Zahl Deutscher (derzeit ca. 38%) will nicht mehr mit dem Fliegenschiss belästigt werden und auch nicht hören, dass andere Menschen dies evtl. als ignorant oder geschichtsvergessen oder gar gefährlich empfinden könnte. So war das gemeint.
Es ist ja kein Geheimnis, dass die Neue Rechte Quatsch erzählt und bei Widerspruch eine Beschränkung der Meinungsfreiheit unterstellt (Opferrolle als Stilmittel, siehe Nachbarfaden).
Sehr guter Les:
https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2025/05/06/koalitionsvertrag-wie-union-und-spd-gegen-desinformation-vorgehen-wollen/
„Falsche Tatsachenbehauptungen sind aber bereits jetzt nicht von Artikel 5 geschützt: Es handelt sich nicht um Meinungen.“
@Anderer Max (#16):
Ja, das ist ein Problem, für das ich keine Lösung weiß. An Unwissenheit liegt es sicher nicht. Ich habe vor ein paar Jahren mal einen Vortrag über die Geschichte der deutschen Gedenkkultur gehalten – Kernthese war, dass Erinnern an die NS-Verbrechen ab den Achtzigern allmählich vom linken Rand- zum Mainstreamthema wurde und sich schließlich unter Rot-Grün sogar zum Identitätsmarker entwickelte: Deutschland, das Land der Geläuterten – nationale Identität nicht trotz, sondern durch Auschwitz.
Das war der Kern des Gedenkonsenses von 2000 bis ca. 2015. Seitdem bricht das auseinander – Höcke, Gauland & Co. leugnen das identitätsstiftende Momente, wärmen den „Schlussstrich“ wieder auf und nutzen das Thema, um einen Widerspruch zwischen „deutschen Interessen“ und „den Altparteien“ zu inszenieren. Aber auch postkoloniale Linke stellen die Singularität von Auschwitz (wieder) in Frage. Stichwort: „Free Palestine from german gulit“.
Wie man das kitten kann? Keine Ahnung. Ein Mehr vom Gleichen wird eher zu Reaktanz führen als zu einem Umdenken…
„…was wieder zu neuen fragwürdigen TerraX Beiträgen führte.“
Ja, es gibt einen yt-Kanal, der TerraX-Beiträge in die Pfanne haut. Ich gucke lieber den.
Der eigentliche Punkt, worüber ich mich aufrege, ist die Behauptung, dass das Deutschland „damals“ kein anderes als das heutige sei. Ich kann mich an meine Kindheit erinnern, und damals sah das Ding auf der Deutschlandkarte in den Nachrichten, nennen wir es mal „Fliegenschiss“, anders aus als das heutige. Ergo wohne ich nicht mehr im selben Deutschland wie dem, in dem ich geboren wurde. Aber wenn das D. von 1985 ein anderes ist als das von 2025, dann ist das D. von 1945 erst recht ein anderes. Erinnerungskultur, die jede historische, gesellschaftliche oder auch persönliche Entwicklung einfach bestreitet, löst eben Widerspruch aus.
Bezüglich der Erinnerungskultur will ich Ihnen aber ansonsten gar nicht widersprechen; als reines Ritual, damit sich der heutige Bundesbürger gut fühlt, ist sie einerseits Kappes, andererseits ist es wohl wirklich so, dass sie als pädagogische Maßnahme gerade die am wenigsten erreicht, die sie am meisten erreichen sollte.
Keine Ahnung, wie man das lösen kann, ich bin kein Pädagoge.
@Mycroft (#18):
Lassen Sie mich raten: „Geschichtsfenster“?
@KK: genau!
Vielen Dank für diese klare Analyse und diesen fantastischen Beitrag. Bitte immer weiter so, Aufklärung, wo die Öffentlich-Rechtlichen versagen.