„Farbe bekennen“

Die „Tagesschau“ veröffentlicht Zitatesammlung von Alice Weidel

Das ARD-Nachrichtenflaggschiff gibt einfach nur wieder, was Alice Weidel in einer ARD-Sendung so alles behauptet hat. Statt kritisch einzuordnen, was dran ist an ihren Aussagen – oder eben auch nicht. Ganz schwach.
Szene aus der ARD-Sendung "Farbe bekennen": Alice Weidel (AfD) und ARD-Moderator Markus Preis im Gespräch.
AfD-Vorsitzende Alice Weidel (l.) und ARD-Moderator Markus Preiß. Screenshot: Das Erste

Die „Tagesschau“ hat am Dienstagabend einen Online-Beitrag veröffentlicht, bei dem man etwas aufpassen muss, dass man ihn nicht verwechselt mit einer Pressemitteilung der AfD. Der Artikel erschien im Nachgang zur ARD-Sendung „Farbe bekennen“, bei der die AfD-Vorsitzende Alice Weidel zu Gast gewesen war. Moderator Markus Preiß leitete das Interview mit den Worten ein, die „Botschaften“ der AfD seien „knallig“, was niedlich formuliert ist. Und der Beitrag zur Sendung gibt diese „knalligen“ Botschaften nun einfach wieder. Er zitiert, was Weidel gesagt hat. Er ordnet aber in keiner Weise ein.

„Wie würde die AfD-Kanzlerkandidatin Weidel Probleme in Deutschland lösen?“, steht im Vorspann des Artikels. Dazu habe sie sich im ARD-Interview geäußert.

Das ist lustig, weil Weidel auf die Fragen, wie sie Probleme konkret angehen würde, wie üblich schwammig blieb oder wütend Haken schlug in Richtung bisheriger Regierungen und deren „Versagen“ in der Vergangenheit. Preiß musste immer wieder nachhaken, um am Ende dann trotzdem keine direkte Antwort zu bekommen.

Alice Weidel „sagt“, „kritisiert“ und „erklärt“

Im Text wird das nur angedeutet. Nur ein Mal heißt es, Weidel habe „ausweichend“ geantwortet. Sonst darf sie „sagen“, „kritisieren“ und „erklären“. Weidel habe die Bundesregierung „scharf kritisiert“, heißt es beispielsweise im Text, gefolgt von dem Zitat:

„,Deutschland ist de facto ein Staat ohne Grenzen. Die Bevölkerung ist einer illegalen Immigration ausgesetzt, mit einer erodierenden Sicherheitssituation’, behauptete Weidel im Interview.“

Das Wörtchen „behauptete“ könnte man als Einleitung lesen, in deren Anschluss gesagt wird, ob man das denn überhaupt so sagen kann: „Staat ohne Grenzen“ und „erodierende Sicherheitssituation“ – irgendeine Einordnung. Aber, leider: Fehlanzeige.

Alice Weidel hatte auch gesagt, sie strebe einen Industriestrompreis von 3,5 Cent an, was eine „sehr starke Entlastung“ wäre, wie Preiß anmerkte. Derzeit liege er zwischen 11 und 17 Cent. Weidels „Lösungsvorschlag“: In erster Linie einfach Gas, Kohle und Atomkraft nutzen. Was sich, Weidel ist dafür der Beweis, ganz leicht hinbehaupten lässt.

Preiß aber konfrontierte Weidel damit, dass der Energieversorger EnBW auf ARD-Anfrage sage, Planung und Neubau von Atomkraftwerken würden rund zehn Jahre dauern, das sei also „keine Lösung“ für aktuelle Probleme in der Energieversorgung. Im „Tagesschau“-Beitrag steht davon nichts, obwohl die ARD doch extra angefragt hatte.

Screenshot des "Tagesschau"-Beitrags mit der Überschrift: „AfD-Chefin kritisiert ,grüne Wende ins Nirgendwo’“.

Stattdessen Allgemeinplätze und pauschale Behauptungen von Alice Weidel: „Wir sind viel zu teuer.“ „Dementsprechend hauen alle deutschen Unternehmen ins Ausland ab.“ „Niemand investiert mehr.“ Und dass Weidel die Energiepolitik der letzten Jahre als „grüne Wende ins Nirgendwo“ bezeichnet, hat die „Tagesschau“ freundlicherweise gleich zur Überschrift gemacht: „AfD-Chefin kritisiert ,grüne Wende ins Nirgendwo’“.

Überprüfen und einordnen

Es ist kurios: Nicht nur während dieses Wahlkampfs, seit Jahren wird diskutiert, wie Medien über Aussagen von Politikern berichten sollten, gerade wenn sie von Vertretern der AfD stammen. Wenn sie pauschal sind, halbwahr oder gelogen. Man kann da unterschiedlicher Meinung sein. Aber Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten ist es eben (auch), Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und einzuordnen. Wenn schon nicht in Sendungen selbst, dann doch zumindest nachher. Vor allem nach TV-Sendungen gibt es deshalb überall Faktenchecks. Hier aber: nichts. Nur Nachbeten.

Diese Form des Verlautbarungsjournalismus ist nicht neu, doch bei einer an Fakten nur begrenzt interessierten Politikerin wie Alice Weidel wird besonders deutlich, wie problematisch sie ist. Es ist fatal, irreführende Aussagen einfach nur abzubilden. Dass es auch anders geht, dass man in nachrichtlichen Texten durchaus erwähnen kann, wenn etwas Bullshit ist, hatte Alexander Graf kürzlich an einem anderen Beispiel beschrieben: Da ging es um Unsinn aus dem Mund von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz.

Dass Weidel in der ARD, zum Beispiel, abermals behauptete, Deutschland habe die „höchsten Energiepreise weltweit“, wurde weder in der Sendung korrigiert, noch steht es im Text. Obwohl diese Falschbehauptung, eben wegen Alice Weidel, schon in Faktenchecks zu anderen Sendungen während dieses Wahlkampfs Thema war: Deutschland liegt im weltweiten Vergleich auf Platz 9.

Was die „Tagesschau“ mit dieser Zitatesammlung macht, trägt nicht zu einer Wähler-Aufklärung bei, es bietet Alice Weidels populistischer Rede schlicht eine prominente Plattform. Man kann sich vorstellen, wie da gestern jemand, der Dienst hatte, noch eilig ein wenig Text um das eingebettete Video schreiben musste. Und dann, wie eine KI, die Zitate raussuchte und einfach untereinander schrieb. Das ist in einer Suchmaschinen-Logik vermutlich nicht schlecht. Aber darüber hinaus ist es gefährlich.

Hinten kam dann ein Text raus, der Alice Weidel sogar die letzten Worte überlässt – mit dem ganz unironischen Zitat, Björn Höcke sei „ein sehr, sehr guter Politiker, der genau wie ich das Land voranbringen möchte.“ Wie viel einordnenden Kontext man dazu doch liefern könnte – mehr jedenfalls als den kleinen Hinweis vorher, Höcke führe „den als rechtsextremistisch eingestuften Thüringer Landesverband der Partei an“.

Und wer auf die Idee gekommen ist, das Weidel-Zitat „Höcke ist ein sehr guter Politiker“ auch noch groß als Zwischenüberschrift zu verwenden, können nur die Personen beantworten, die da gestern umnachteten Nachtdienst bei der „Tagesschau“ hatten.

Nachtrag, 20.2.2025. Die „Tagesschau“ hat am Tag nach der Sendung auch einen separaten Faktencheck zu Weidels Aussagen veröffentlicht. Im hier besprochenen Text vom Sendungsabend wurde er lediglich verlinkt, sonst wurde nichts verändert.

4 Kommentare

  1. Okeeee…
    Warum überhaupt noch Menschen da arbeiten, wenn eine KI Weidel-Zitate viel billiger nicht einordnen kann, weiß ich auch nicht.
    Markt regelt wohl doch nicht alles.

  2. Heute abend sollte Herr Habeck in der ARD „Farbe bekennen“. Darüber gibt es auch einen zusammenfassenden Artikel auf tagesschau.de, der genauso aufgebaut ist. Was sagen Sie dazu, Herr Rosenkranz?

  3. https://www.zdf.de/dokumentation/dokumentation-sonstige/250219-alice-weidel-ein-portrait-100.html
    Das hier gibt’s auch.

    Ich wage mal eine Zusammenfassung zu diesem Wahlkampf:
    Klimaschutz produziert keine Schlagzeilen, außer Kinder schwänzen Schule. Nur, weil das Original dadurch nur noch mehr zulegt, muss man dessen Quatsch ja nicht nicht nachplappern. Ununterscheidbarkeit wurde ihnen vorgeworfen, bis sie alle das Gleiche sagten. Handlungsfähigkeit muss das Plakat ausdrücken. Undemokratisch ist jetzt, für das, was man sagt, verfolgt werden zu können. Europa ist nicht Deutschland. Und Gaza bald ein Reiseziel.

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