Rechtsruck bei SZ?

Eine Pressemitteilung, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht ist

Die „Schwäbische Zeitung“ gibt eine Umfrage in Auftrag, um sich gegen den Vorwurf eines "Rechtsrucks“ zu wehren. Die Ergebnisse sind allerdings wenig aussagekräftig. Entscheidende Details will die Zeitung zudem nicht verraten.
Das Gebäude der Schwäbischen Zeitung.
Vorhang zu: Bei der „Schwäbischen Zeitung“ möchte man sich nicht mehr ausführlich mit Presseanfragen beschäftigen. Screenshot: Schwäbische Zeitung/Youtube

Wer eine Pressemitteilung verschickt, will normalerweise Aufmerksamkeit auf ein Thema lenken. Nicht so die „Schwäbische Zeitung“ (SZ). Denn am 11. November verschickten die Verantwortlichen der zugehörigen SV-Gruppe eine Pressemitteilung, über die man dort jetzt nicht mehr so gerne reden möchte.

Kern der Mitteilung war das Ergebnis einer Umfrage, die das Medienhaus bei einem Meinungsforschungsinstitut beauftragt hatte. Dieses hatte Menschen aus Baden-Württemberg unter anderem gefragt, wo sie die „Schwäbische Zeitung“ politisch verorten. Und weil laut Mitteilung „eine Mehrheit der Leser“ das Blatt in der Mitte des Spektrums sieht, war das für die Verantwortlichen Anlass genug, eine triumphierende Mitteilung an die Branche zu verschicken.

Das ist durchaus nachvollziehbar: Mehrere Berichte überregionaler Medien hatten dem Haus in diesem Jahr einen „Rechtsruck“ attestiert (hier, hier oder hier). Die „Frankfurter Allgemeine“ zitierte Redaktionsmitglieder mit den Worten, die SZ werde zunehmend zu einer „Bühne für den Rechtspopulismus“. Auch bei Übermedien war die publizistische Entwicklung der Zeitung schon Thema. Geschäftsführer Lutz Schumacher hatte die Vorwürfe stets scharf zurückgewiesen.

Dennoch wog die Kritik aus der Branche offenbar so schwer, dass die Schwäbische mit einer Umfrage und der dazugehörigen Pressemitteilung in die Gegenoffensive ging. Doch bis auf eine kurze Meldung beim Branchendienst turi2 verhallte diese weitgehend ohne große Resonanz.

Auf die meisten Fragen gibt es keine Antwort

Da sollte man meinen, dass sich die SV-Gruppe über unsere Nachfragen zu ihrer Pressemitteilung freuen würde. Doch nach langem Schweigen gibt es auf die meisten konkreten Fragen keine Antwort, sondern nur ein allgemeines Statement. Warum das so ist, erklärt Michael Seidel, Head of Communications, dann so: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir nach einer Reihe äußerst negativer Erfahrungen in den vergangenen Monaten inzwischen davon absehen, uns ausführlicher mit Anfragen von Branchendiensten zu beschäftigen.“

Außerdem erklärt er: „Die Fragen zur Schwäbischen Zeitung (in der Umfrage, d. Red.) waren von vornherein weitgehend nicht zur externen Kommunikation gedacht.“ Das ist nun wirklich kurios: Da verschickt jemand eine Pressemitteilung über etwas, das im Kern gar nicht zur externen Kommunikation gedacht ist.

Dabei wäre es durchaus interessant gewesen, die gesamten Fragestellungen und Antworten aus der Umfrage zu erhalten. Eines lässt sich aber auch ohne exakte Kenntnis der Details schon sagen: Die Überschrift „Schwäbische in der Mitte verankert“, unter der das Medienhaus die Mitteilung verschickt hat, lässt sich anhand der dort genannten Ergebnisse nicht belegen.

Nur ein kleiner Teil kann die politische Verortung überhaupt beurteilen

Das geht aus einem genaueren Blick auf die bekannten Details hervor. Die SV-Gruppe gibt an, dass sie quartalsweise eine Umfrage zu politischen Themen vom Meinungsforschungsinstitut Insa Consulere durchführen lässt. In der Befragung, die Ende September und Anfang Oktober durchgeführt wurde, habe man diese um einige Fragen zur „Schwäbischen Zeitung“ erweitert. Also unter anderem um jene Fragen, zu denen man nun eine Pressemitteilung veröffentlicht hat.

2.000 Menschen aus ganz Baden-Württemberg wurden befragt. Also: Auch Menschen, die nicht im Verbreitungsgebiet der „Schwäbischen Zeitung“ leben. Tatsächlich stammen nur 826 aus dem Verbreitungsgebiet, der Rest aus dem sonstigen Baden-Württemberg. Von diesen 826 Befragten „kennen“ laut Pressemitteilung „rund 87 Prozent“ die SZ. Also etwa 719 Menschen. Das entspricht 35,95 Prozent aller Befragten.

Auf diese kleinere Gruppe bezieht sich die SV-Gruppe nun nach eigenen Angaben in der Pressemitteilung, wenn sie die Antworten zur politischen Verortung wiedergibt und etwa schreibt: „Die deutliche relative Mehrheit verortet die ‚Schwäbische Zeitung‘ dabei in der politischen Mitte (45 %).“

Das scheint einerseits sinnvoll – schließlich kann nur jemand, der eine Marke kennt, diese theoretisch bewerten. Anderseits ist das sehr problematisch. Denn um eine Aussage zur politischen Verortung einer Zeitung zu treffen, solle man sie schon auch mal lesen. Zumal die Vorwürfe um die „Schwäbische Zeitung“ allesamt im Jahr 2024 erhoben wurden und sich auf eine aktuelle Entwicklung beziehen. Wollte man also halbwegs ernsthaft beurteilen, ob es wirklich einen „Rechtsruck“ gibt, müsste man die Zeitung sogar regelmäßig lesen, also zum Beispiel Abonnent*in sein.

Doch wie groß der Anteil an Lesern und Abonnenten in dieser Gruppe von „Kennern“ ist, gibt die SZ nicht preis. Auch nicht, ob dieser Status in der Umfrage überhaupt abgefragt wurde.

Das hält sie aber nicht davon ab, diese 719 Personen selbstbewusst als „Leser und Menschen, die sie (die SZ, d. Red.) kennen“ zu bezeichnen. Im Vorspann lässt man die Einschränkung sogar gleich ganz weg und behauptet einfach: „Eine Mehrheit der Leser sieht die ‚Schwäbische Zeitung‘ in der gesellschaftlichen Mitte verankert.“

Man könnte noch fragen, wie aussagekräftig es ist, wenn Menschen subjektiv einschätzen sollen, wo eine Zeitung politisch steht. So verortet sich etwa ein relevanter Teil der AfD-Sympathisant*innen selbst in der politischen Mitte. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass diese Zuordnung zutreffend ist.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Entweder formuliert die Kommunikationsabteilung der „Schwäbischen Zeitung“ ihre Mitteilung bewusst schwammig, um die Grenzen der Aussagekraft ihrer Umfrage zu verwischen. Oder sie macht ihre Arbeit schlecht. Zur Klärung beitragen möchte sie jedenfalls nicht. Auf unsere Nachfrage teilt die SV-Gruppe folgendes mit: „Was wir öffentlich dazu zu sagen hatten, erschließt sich aus der Pressemitteilung vom 11. November.“ Dass sich vieles leider nicht erschließt, darauf geht der Sprecher nicht weiter ein.

„Falschbehauptungen und persönliche Verunglimpfungen“

Derweil zeigt ein offener Brief an Chefredakteur Gabriel Kords sowie CEO Schumacher, dass zumindest einige Leser*innen die aktuelle politische Ausrichtung der Zeitung ähnlich wie die Berichterstatter wahrnehmen. Diese Gruppe stellt ebenfalls kein repräsentatives Meinungsbild dar. Dennoch: Die rund 130 Erstunterzeichner*innen schildern besorgt ihren Eindruck, dass die Grenze zu „demokratiefeindlichem Gedankengut“ in der Zeitung zunehmend aufgeweicht werden solle. Sie attestieren der Chefetage aber auch, dass die öffentliche Kritik dort offenbar eine positive Wirkung gezeigt hätte.

Übermedien liegt die Antwort von Chefredakteur Kords vor. Darin zeigt er sich grundsätzlich offen für Kritik und lädt Vertreter der Unterzeichner gar zu einem persönlichen Austausch ein. Gleichzeitig weist er konkrete Vorwürfe zurück und lässt durchscheinen, wie sehr sich die „Schwäbische Zeitung“ gegenüber der Branche in einer Wagenburg-Mentalität eingegraben hat. Kords schreibt von „kampagnenhafter, bösartiger und in erheblichen Teilen unwahrer Berichterstattung diverser anderer Medien über unsere Zeitung“. Und weiter: „Vielmehr war jeder [sic!] einzelne dieser Veröffentlichungen gekennzeichnet von Falschbehauptungen, unbelegten Unterstellungen, persönlichen Verunglimpfungen gegen einzelne Redaktionsmitglieder oder persönlicher Verbitterung von (Ex-)Kollegen.“

Kords betont daher, dass die Berichterstattung über seine Zeitung keinerlei Wirkung gezeigt hätte – außer, dass man auch intern viel über den eigenen Journalismus gesprochen habe. Wichtig genug, um ein Meinungsforschungsinstitut mit Fragen zur Wahrnehmung der eigenen Marke zu beauftragen, scheint die Kritik aber in jedem Fall gewesen zu sein.

6 Kommentare

  1. Rechtsruck bei SZ? Hätte ich das als Leser der „Süddeutschen“ nicht bemerken müssen? Ach so: Gemeint ist die „Schwäbische Zeitung“. Eine der vielen deutschen Regionalzeitungen. Und diese driftet nach „rechts“ ab? Das ist ja ungewöhnlich für eine deutsche Regionalzeitung. Die meisten sind doch eher mittig, eigentlich fast alle. Das ist auch verständlich, denn da, wo es nur eine Zeitung gibt, würde eine zu einseitige Ausrichtung nach links oder rechts manches Abo kosten. Es besteht also kein Grund zur Besorgnis, nur weil eine Regionalzeitung abweichenden Meinungen Raum gibt.

  2. „Eine Pressemitteilung, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht ist“

    So was passiert in den besten Familien. Gern erinnern wir uns an die Ministeriumssprecherin, die gegenüber den Reportern zwar Unfug auftischt, aber kein schlechtes Gewissen haben muss, denn
    Bedauerlicherweise wurde am Ende des Gesprächs nicht, wie sonst durchaus üblich, abgestimmt, welche Teile des Gesprächs zur Veröffentlichung bestimmt sind und welche nicht„.
    Heute lernen wir, dass nicht nur das BMI so drauf ist, sondern auch die Schwäbische Zeitung.

  3. @1 Weiß nicht: Bischen lame, sich über das „SZ“ zu mokieren, wenn es in Zeile 2 des Artikels als recht sinnvolle Abkürzung eingeführt wird mit dem ausgeschriebenen Zeitungsnamen und auch im Teaser bereits der Zeitungsname voll ausgeschrieben stand. (Die Ironie/Nichtironie/Spott(?) der folgenden Zeilen im Kommentar lassen zumindest mich eher ratlos zurück indes.)

  4. @1 „abweichende Meinungen“ oder alternative Fakten? Bekanntlich bevorzugen viele Menschen eine Tageszeitung, die zumindest grob der eigenen politischen Richtung nahekommen. (So habe ich nie die WELT gelesen, geschweige denn abonniert.) Ein Leser, der ein liberales Blatt liest, wundert sich zu Recht, wenn dieses Blatt plötzlich sehr konservative Positionen vertritt.

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