Rede bei Zeitungstag

Gefahr durch Moslems? Döpfner hält an falschem Bockwurst-Beispiel fest

Foto [M]: BDZV / „Stadt-Kurier“

Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende von Axel Springer, hat als Präsident der Zeitungsverleger in dieser Woche eine apokalyptische Rede gehalten. Weil die Stimmung besser sei als die Lage, erinnerte er seine Kollegen an diverse Anschläge von Islamisten, die Ausschreitungen von linken Gewalt-Kriminellen in Hamburg, den alltäglichen Terror in Europa, antisemitische Ausfälle, rechtsradikale Gewalttaten, „Sieg Heil“-Rufe von deutschen Fußballfans in Prag, die Verhaftung deutscher Journalisten in der Türkei, Kinderehen, Atomtests in Nordkorea, die Ermordung von Reportern in Russland, das Abhängen von Aktbildern in einer Schule in Berlin-Marzahn, die Warnung der Polizei, im Rosental in Leipzig allein zu joggen, die Demokratiegefährlichkeit von Donald Trump, den geostrategischen Wirtschaftseroberungsfeldzug Chinas, die Annexions-Strategie Putins, die Bedrohung durch künstliche Intelligenz und das Ende sowohl der Menschheit als auch der kleinen erratischen Wanderungen, bei denen sich Döpfner früher im Urlaub angenehm verirrte, bis es Google Maps gab.

Im Kopf des Präsidenten des Deutschen Zeitungsverlegerverbandes hängt all das miteinander zusammen, denn gegen all das hilft: Journalismus. Sein Schlüsselsatz:

Journalismus ist der Scheinwerfer der Aufklärung oder, eine Nummer kleiner, zumindest die Taschenlampe des mündigen Bürgers.

Inmitten all der grauenhaften Nachrichten, mit denen Döpfner seine Zuhörer traktiert, steckt eine Bockwurst aus Neuss. Döpfner sagte:

Erst vor ein paar Tagen berichtete der Nordkurier aus Neuss, die traditionelle Bockwurst im Freibad sei abgeschafft worden. Grund: Schweinefleisch.

Es war nicht vor ein paar Tagen, sondern vor zehn Monaten, und es war auch nicht der „Nordkurier“, sondern der „Stadt-Kurier“. Vor allem aber ist zweifelhaft, ob die Bockwurst in den Kontext gehört, in den Döpfner sie stellt.

Döpfner meint, dass der von Samuel Huntington befürchte „Kampf der Kulturen“ inzwischen Realität sei. „Seit 16 Jahren“ sei der Terror in Europa alltäglich. Im vorauseilenden Gehorsam, aus Angst, würde sich der Westen den Forderungen einer radikalen islamistischen Minderheit unterwerfen, Vorboten einer Entwicklung, deren Endpunkt Michel Houellebecq in seinem Buch „Unterwerfung“ beschrieben habe.

In diesem Kontext erwähnt Döpfner die abgeschaffte Bockwurst in Neuss. Der Absatz seiner Rede, in dem sie vorkommt, endet mit den Sätzen: „Das Ende der Vielfalt. Am schlimmsten ist die Streichung aus Angst. Der Beginn der Unterwerfung.“

Das Medium, auf das sich Döpfner bezieht und das er falsch als „Nordkurier“ bezeichnet, ist ein Anzeigenblatt, das die Geschichte ganz in diesem Sinne unter der Überschrift veröffentlichte: „Ein paar Muslime haben durchgesetzt, dass es im Nordbad nur noch Hühnchen gibt“.

Journalisten von der Funke-Mediengruppe haben die Behauptungen nachrecherchiert – vorbildlich, wie Döpfner das fordert, sollte man denken. Sie stellten fest, dass niemand irgendetwas durchsetzte oder sich unterwarf. Es habe einfach nicht mehr genug Abnehmer für die Würstchen gegeben, sagte die Betreiberin, weil insgesamt kaum noch Leute ins Freibad kämen, und jeder vierte von denen, die noch kämen, Moslem sei.

Unterwerfung? Oder Marktwirtschaft?

Nebenan im Restaurant gibt es übrigens Bockwürste aus Schweinefleisch.

Fragt man bei Döpfners Sprecherin Edda Fels nach, wie es dazu kommen konnte, dass der Verlagschef ausgerechnet in einer Rede, die sich gegen die Verbreitung von „Fake News“ ausspricht und für Journalismus als Mittel der Aufklärung, solche „Fake News“ verbreitet, bekommt man eine interessante Antwort: Es gebe „sowohl einen Zusammenhang zwischen wesentlich mehr Muslimen im Freibad und dem geringen Bedarf und schließlich der Abschaffung der Bockwurst“. Insofern sei dies „schon ein Beispiel (vielleicht nicht das beste oder drastischste) für einen schleichenden Prozess“.

Fels versucht, ihrem Chef beizuspringen, macht aber alles schlimmer: Döpfner redet von (angeblichen) Fällen, in denen eine aggressive muslimische Minderheit eine Verhaltensänderung fordert und die einheimische Bevölkerung ihre Forderungen aus Angst oder in vorauseilendem Gehorsam erfüllt. In der Interpretation von Fels aber ist schon allein die wachsende Zahl von friedlichen Muslimen, die gar nichts fordern, aber einfach keine Bockwurst aus Schweinefleisch essen wollen, ein Problem. Offen bleibt, wie genau der Gefahr zu begegnen wäre, um die jahrzehntealte Kultur des Schweinefleischverzehrs im Freibad zu retten: Begrenzung der Zahl der Muslime? Bockwurstzwang?

Im Versuch, ein falsches Beispiel zu retten, macht Springer-Sprecherin Edda Fels aus der unterschwelligen Islamophobie Döpfners eine unmissverständliche. Was das für die Funktionsfähigkeit der Taschenlampe des kleinen Bürgers bedeutet, vermag ich nicht zu sagen.

26 Kommentare

  1. Also, WENN das Abendland mal untergeht, liegt das nicht an den Muslimen, sondern an Idioten.

    Ich habe aber auch schon lange keine Pferdewurst mehr in Imbissbuden gesehen.
    Diese verdammte Marktwirtschaft!

  2. Vielleicht könnte man irgendwo ein Reservat einrichten, wo die „enttäuschten Konservativen“ ohne Schwule und Muslime, aber mit Atomkraft, Wehrpflicht, alter Rechtschreibung und viel Schweinefleisch friedlich leben können?

  3. Woher weiß man eigentlich dass jeder Vierte in dem Schwimmbad Muslim sein soll, wird da an der Kasse ein Religionsnachweis verlangt oder in der Umkleide auf Beschneidung geprüft? Oder ist das einfache rassistische Einteilung mit Strichliste nach Hautton?
    Die Rolle der weißen Vegetarier am Sterben der deutschen Bockwurst sollte näher untersucht werden.

  4. @ 4: Oder man hat einfach mal eine freiwillige Umfrage ähnlich der GfK durchgeführt. Oder eine Statistik aus der Anwohnerzahl hochgerechnet; die Konfessionsdaten der gemeldeten Bürger werden wohl bekannt sein. Es gibt viele Möglichkeiten (was nicht heißt, daß ich nicht auch gerne wüsste, wie man das nun ermittelt hat).

    Ansonsten danke für diesen Artikel. Vielleicht hilft es ja, wenn außerhalb des Bildblog noch ein paar andere auf die gröbsten Irrlicht-Meldungen aus dem Hause Springer eingehen.

    (Und dank MyCroft werde ich mir jetzt vermutlich ein paar Pferdewürstchen online bestellen)

  5. Übrigens: Als Beispiel dafür, dass Journalismus – und nur Journalismus – die Welt retten kann, nennt Döpfner in seiner Rede auch die Auto-Branche. Auch da seien es Journalisten gewesen, die Dieselgate „ans Licht brachten“, sagt er.

    Es waren allerdings keine Journalisten, es war die amerikanische Umweltbehörde EPA, die die Manipulation der Motorsteuerung entdeckte und öffentlich machte. Man könnte im Zusammenhang mit dem Skandal auch kritische Fragen an die Blindheit deutscher Autojournalisten stellen.

    Edda Fels erklärte mir, den Dieselskandal „ans Licht zu bringen“, sei „sicher Teamarbeit“ zwischen Behörden und Journalisten gewesen.

  6. Wegen solchen Beiträgen abonniere ich Übermedien. Die Geschichte kürzlich über das Bild-Interview mit Altmaier war auch sehr gut. Danke!

  7. Also so lange man die Ansprache angesichts der breiten Thematik auf die Bockwurst reduziert, kann man sich mit Recht fragen, ob man nicht besser einen Test für die Ausübung des Wahlrechts einführt.

  8. Ich finde, diese Art mit geänderten Bedingungen in de Welt umzugehen („die Welt verändert sich, Menschen reagieren darauf, wir wollen das nicht, also suchen wir Schuldige“) erstaunlich konsistent mit dem Vorgehen zur Einführung des Leistungsschutzrechts. Ist genau die gleiche Schablone.

  9. Kleiner Hinweis: Das „Leipzig-Rosental“ ließt sich, so geschrieben, wie ein Stadtteil von Leipzig. Es handelt sich aber um einen Park.

  10. Schweinefleischzwang für Schweinefleischverweigerer!
    Verbindliche Religionskontrollen vor dem Eintritt ins Schwimmbad!
    Ist das diese „Freiheit“ die wir gegen die bösen Muslime verteidigen?

    @2: Die APPD forderte jahrelang die Balkanisierung Deutschlands.
    „dann kann jeder artgerecht in seiner Zone wohnen“

  11. @3: BALTHASAR
    „So was wie eine „DDR“?“

    Jenes Land das, nach dem Krieg, seinen Bürgern „Broiler“ schmackhaft machte weil es die Schweinefleischproduktion nicht schnell genug hochgezogen bekam? :P

    Aber von der Richtung würde es schon passen. Weil: Rechtsradikale gabs in der DDR offiziell ja auch keine…

  12. @5
    Die Daten der Stadt Neuss geben das schon mal nicht her
    http://www.neuss.de/wirtschaft/statistiken/bevoelkerung/bevoelkerungsstrukturdaten
    Hier werden nur r-k. und ev. ausgewiesen Und bei einem Ausländeranteil von 15,7%, unter denen man wahrscheinlich den größten Anteil der Muslime finden würden, glaube ich nicht dass die 25% eine reelle Grundlage außer Bauchgefühl haben.
    Falls man an der Kasse eine freiwillige Umfrage durchgeführt hätte, könnte man sicher auch die Anzahl schwimmender Katholiken, Protestanten, Freikirchler, Juden und Buddhisten nachliefern. Wird aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht passieren.

  13. … ein schwaches Bild von Dr. Mathias Döpfner – das die sonst so touphe Edda Fels noch verschlimmert hat.

  14. Wenn das Abendland einmal untergeht, wirds an Gammelfleisch in der Bockwurst liegen. Ich brauche keine Religion, um Fleischprodukte der Industrie zu meiden.

  15. @ 16: Nunja, immerhin sind laut der Statistik 40% nicht christlichen Glaubens. Daß der Ausländeranteil nur 15% beträgt, bedeutet ja nicht, daß unter den Deutschen nicht auch Deutsche ausländischer Abstammung muslimischen Glaubens oder Konvertiten (das vermutlich zu einem sehr kleinen Teil) sind. Auch weiß ich nicht, inwiefern diese Statistik alle gemeldeten Daten einbezieht, es erscheint mir zumindest möglich, daß es noch eine „erweiterte Statistik“ gibt.

    Aber ja, herauslesen kann man daraus nichts. Danke aber für den Link.

  16. Wenn in Neuss wundersamerweise alle Konvertiten Deutschlands ansässig wären, hätte man davon sicher schon gehört. 15% Ausländer heißt auch nicht 100% Moslems, die kolportierten Zahlen ergeben kein schlüssige Rechnung
    Es bleibt wie es ist, die 25% sind eine Zahl „pulled right out off the ass“, wie der Ami da sagen würde.
    Man kann natürlich auch glauben *SIE* hätten geheime Statistiken in ihrer Reptiloidenhöhle die sie dem umgevolkten Volk nicht zeigen.

  17. Und zum Abschluß nochmal:
    Selbst wenn die Besucher des Schwimmbades zu 25% Muslime wären, erklärt das immer noch nicht das Verschwinden der anscheinend wichtigen Bockwurst. Die anderen 75% Schwimmbad-„Mehrheitsgesellschaft“könnten die immer noch im Dutzend verschlingen, wenn ihnen danach wäre. ist ihne aber nicht, weil am End ist die Worscht einfach schlecht, ganz einfach.
    Hier i Frankfurt wird einfach anständige Rindswurst von Gref-Völsings verkauft, die verwenden schon seit über hundert Jahren kein Schwein. Sind seitdem auch bei der damals noch zahlreichen jüdischen Bevölkerung Frankfurts beliebt und werden heut von unseren muslimischen Mit-FrankfutrterInnen gerne bestellt. Ohne Abendlanduntergang und Schwimmbadimbisssterben.

  18. Eine unterschwellige Islamophobie?
    Hui, wie verwerflich.
    Dabei müssen wir doch alle ganz doll islamophil sein, alles andere ist nicht mehr tolerabel in unserer Gesellschaft.

  19. Ach Susi …

    so Sorglos scheinen Sie gar nicht zu sein.

    Übrigens: Wenn es Sie nicht überfordert können Sie dem Islam gegenüber auch indifferent sein.

    Aber Ihnen gefällt Ihre selbstgezimmerten Opferrolle wohl zu sehr.

    Und ob es „tolerabel“ sei oder nicht – die Meinungsfreiheit erlaubt es jedem, sich larmoyant als Vollidiot zu outen. Und davon machen Sie ja durchaus intensiv und vollkommen schmerzbefreit Gebrauch :-P

  20. @Frau Sorglos:
    Ja, überschwellige Islamophobie wäre eigentlich auch nicht besser.

    Punkt ist, dass hier eine Sache „den Moslems“ zugeschrieben wird, die eigentlich der Marktwirtschaft zuzuschreiben ist. (Und dass ein einzelner Imbiss in einem einzelnen Schwimmbad jetzt so oder so ein Einzelfall ist, aus dem so oder so keine Tendenz extrapoliert werden kann.)

    Ungeachtet der Frage, wie man zur Marktwirtschaft oder zum Islam steht, sollte man Zusammenhänge richtig darstellen, erstens, um als redlich argumentierender Mensch zu gelten, und zweitens, insbesondere, wenn man als Journalist über Sinn und Nutzen des Journalismus‘ schwadroniert.

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