Machen Journalisten jetzt eigentlich PR – oder nicht?
Wer es noch nicht wusste: Man muss sich den Strom aus der eigenen Steckdose wie einen Smoothie vorstellen. So jedenfalls erläutert das die Presenterin in einem Instagram-Video des Stromanbieters Yello. Und fängt gleich mal an zu mixen: Zwei Äpfel für Ökostrom aus Wind- und Solarenergie, dann noch Banane (Kohle), Orange (Atom) und Kiwi (Wasserkraft) dazu, fertig ist der leckere Strommix. Zitat nach dem ersten Schluck: „Ganz geil.“
Hintergrund war die Frage eines Nutzers, wie man denn Oköstrom von Nichtökostrom trennen könne. Die spannendere Frage zu diesem Clip könnte aber lauten: „Wie trennt man Journalismus von PR?“ Denn die Presenterin in der unternehmensgelben Latzhose ist Carlott Bru. Sie nennt sich selbst Gen-Z-Journalistin und arbeitete bisher unter anderem als freie Autorin für Funk, die „Süddeutsche Zeitung“ und „Zeit Online“. Beim „Spiegel“ hat sie zudem eine Kolumne über Hypes. Ein durchaus ansehnliches Portfolio also, mit dem es Bru in diesem Jahr in die „Top 30 bis 30“ geschafft hat – eine begehrte Auszeichnung, mit der die Branchenzeitschrift „Medium Magazin“ jährlich besondere journalistische Talente bedenkt.
In einem vieldiskutierten Post auf X wurde Bru nun dafür kritisiert, sich selbst einen ziemlich bunten Smoothie aus unterschiedlichen Einkommensquellen zu mixen – allerdings einen, in dem die Zutaten womöglich nicht so gut zusammenpassen. In dem Beitrag weist Kevin Gensheimer, Volontär bei der „Berliner Zeitung“, auf Brus werbliches Engagement für Yello sowie für den Snack-Hersteller Lorenz hin. Dessen Produkt „Saltletts Pausensnack“ hatte sie in zwei Videos auf ihrem eigenen Instagram-Account beworben. Mit Blick auf Brus Auszeichnung als „Top 30“ kommentiert Gensheimer: „Stand des deutschen Nachwuchsjournalismus 2024.“<…
Es gäbe ja noch andere Möglichkeiten, journalistische Arbeit querzufinanzieren, als gleich Werbung zu machen. Ich weiß, das klingt überheblich, aber es gibt sicher viele mögliche Nebenjobs, die nicht gleich damit zu tun haben, die eigene journalistische Arbeit zu diskreditieren.
Noch jemand übrigens, der viel Werbung macht: Laura Wontorra. Kann mir nicht vorstellen, dass sie drauf angewiesen ist.
Barbara Schöneberger wiederum ist für mich keine Journalistin, sondern Entertainerin. Und die Talkshows sind ja nun wirklich kein Journalismus, sondern Plauderrunden ohne jede kritische Nachfrage.
Ich glaube, diese Unterscheidung ist veraltet. Wer einen sicheren gut bezahlten Job hat, dem
Kann man hohe Standards abverlangen. Ansonsten muss man sich eben ansehen, ob die Journalist_innen gute Arbeit machen.
Das ist dann ja auch die Kritik an der Berliner Zeitung.
Ich finde es nicht verwunderlich, dass sich Menschen, die Schreiben als Handwerk einsetzen, auch in Nebenjobs schreibend verdingen.
Gedankenbeispiel: Wenn ich als Firma nicht will, dass über mich berichtet wird, schicke ich einfach allen solchen Journalisten gratis ein paar Artikel zu.
Das zeigt doch die Problematik.
„Man könnte jetzt noch fragen, ob es vielleicht weniger schlimm ist, ohne Autorennennung regelmäßig Pressemitteilungen für einen lokalen Schraubenhersteller zu schreiben, als das Produkt eines Unternehmens auf dem eigenen Social-Media-Kanal direkt in die Kamera zu halten. Schließlich präsentieren sich Journalisten dabei direkt als Werbefigur dem Publikum.“
Kann man so sehen, die Argumentation funktioniert aber auch andersrum: Ohne Namensnennung eine PM zu schreiben ist halt auch weniger transparent. Im Zweifel weiß ich also gar nicht, für wen der Journalist noch alles so arbeitet. Oder es ist zumindest weniger sichtbar.
@1
Ist Laura Wontorra nicht auch eher „Entertainerin“ als Journalistin?
Sportjournalismus ist in weiten Teilen doch vor allem eine große Show. Und die Fußball-Bundesliga letztlich auch eher ein moderner Gladiatorenkampf. „Ninja Warrior“, wo sie auch aktiv dabei ist, führt uns das ja noch expliziter vor. Das ist letztlich eine Show, in der beeindruckender Sport geliefert wird.
Wir würden „den Coach“ (Patrick Esume vom Football auf RTL jetzt) doch jetzt auch nicht als Journalisten bezeichnen, oder?
Disclaimer:
Nichts gegen die genannten Personen! Ich liebe „Ninja Warrior“ und schaue ebenso gerne NFL… und die beiden machen das da super.
Ansonsten:
Der Post von Gensheimer kommt ja auch wieder so typisch X-mäßig daher. So süffisant, etwas gehässig und provokant. Kein Wunder, dass dann der Gegenwind heftig ausfällt. Will ich aber auch gar nicht zu stark gegen ihn persönlich gewertet sehen, das ist einfach die Natur dieses häßlichen Mediums.
Disclaimer: Seit Elon bin ich da raus, mein Leben ist besser seitdem.
Zum Thema „strikte Trennung“: Erstaunlich finde ich, dass es der Chefredakteur von Übermedien nicht hinbekommt, in so einem – ansonsten guten und wichtigen – Beitrag zwischen Werbung und Public Relations (PR) zu differenzieren, sondern offenbar beide synomym versteht & verwendet, was m.E. einen Teil des von ihm kritisierten Problems darstellt.
#5 Welchen Unterschied macht das denn in Bezug auf dieses Thema?
Ich hab als Freier Journalist, als das Geld nicht reichte, halbtags in einer Buchhandlung gearbeitet. Bekam Bücher billiger, was ich mit meinem Berufsethos vereinbaren konnte ;-).
Das ist zwar 15 Jahre her, aber diese Variante – Nebenjob in einem nicht journalismus-relevanten Bereich – gibt es natürlich immer noch. Man muss seinen Namen als Journalist nicht zwingend durch Werbedeals für Salzstangen aufs Spiel setzen.
Dennoch hält sich meine Empörung in Grenzen. Knabberkram und Strom sind kein Skandal. Wenn man sich zu sehr über sowas aufregt, gerät das eigentliche Problem aus dem Blick: Dass Journalismus in digitalen Zeiten einen Großteil seines Personals nicht mehr hinreichend finanziert.
#6: Es ist m.E. wichtig richtig zu benennen, was man kritisiert, und hier werden zwei unterschiedliche Aktivitäten einfach synonym betrachtet – was schlicht und ergreifend falsch ist. Ob bei der (notwendigen, aber unterlassenen) Differenzierung zwischen Werbung und PR die (grundsätzliche und berechtigte) Kritik des Autor an entsprechenden Nebentätigkeiten von Journalisten anders, weil differenzierter ausgefallen wäre – was ich mir gewünscht hätte -, kann nur er beantworten. Soviel zum „Unterschied in Bezug auf dieses Thema“.
#8 Deswegen ja meine Frage, inwiefern es einen Unterschied macht, ob ein Journalist PR oder Werbung macht, was sein journalistisches Selbstverständnis angeht. Ich sehe darin nämlich keinen Unterschied, höre aber auch keine Argumente für eine Differenzierung.
»Bei PR geht es in erster Linie um die Kommunikation zwischen Unternehmen und der Öffentlichkeit. Werbung hat das oberste Ziel, Dienstleistungen und Produkte zu verkaufen.« Zitat Ballou
Beste Grüße
@7
Ob man an Sportjournalisten auch dieselben Standards anlegen möchte, wäre die thematische Frage.
@Stefan Lütgens #9: Ich bin mir des definitorischen Unterschieds zwischen PR und Werbung natürlich bewusst. Für den hier diskutierten Fall halte ich ihn aber für nicht relevant. Grund: Beide Tätigkeiten dienen m.E. letztlich dazu, nicht-journalistische Akteure möglichst positiv dastehen zu lassen – ob das jetzt durch plakative Produktwerbung oder durch subtile PR-Botschaften geschieht, ist meiner Meinung nach mit Blick auf das journalistische Selbstbild unerheblich.
Ich habe das im Text in zwei Absätzen angerissen („Man könnte jetzt noch fragen, ob es vielleicht weniger schlimm ist, ohne Autorennennung regelmäßig Pressemitteilungen (…)“ ff.), aber vielleicht hätte man das tatsächlich noch deutlicher machen müssen.
Danke für Ihren Beitrag und beste Grüße
Unterschied PR und Werbung durch Journalisten:
Im einen Fall bezahlt die Fa. den Journalisten für dessen (wiederholbare) Tätigkeit, was eine gewisse Befangenheit bei diesem auslöst, im anderen Fall wird die Befangenheit des Journalisten ausgelöst, weil der Journalist für dessen (wiederholbare) Tätigkeit von der Fa. bezahlt wird. Oder umgekehrt.
Manchmal frisst einen der Löwe und manchmal wird man vom Löwen gefressen.