Holger ruft an (167)

Warum musste die Kritik an der „Geheimplan“-Recherche sein?

Die Grafik zur Geheimplan-Recherche von Correctiv und das Logo des PodcastsScreenshot: correctiv.de

Nachdem wir bei Übermedien vor zwei Wochen die ausführliche Kritik dreier Autoren an der „Geheimplan“-Recherche von Correctiv veröffentlicht haben, gab es viele Reaktionen. Darunter war positives Feedback, aber auch viel Kritik an der Kritik – von Lesern, anderen Medien, von Correctiv und auch aus unserer eigenen Redaktion. Zudem instrumentalisierten rechte Medien wie die AfD-nahe „Junge Freiheit“ oder das Krawallportal „Nius“ den Text der Übermedien-Autoren als vermeintlich endgültigen Beleg dafür, dass Correctiv mit seiner Geschichte gelogen habe. Der Ton: Jetzt zerlegt sogar ein „linkes Portal“ die „Geheimplan“-Recherche. Dabei haben die Übermedien-Autoren die Gefahr des Rechtsextremismus nie angezweifelt. War es das alles wert?

Übermedien-Gründer Stefan Niggemeier, einer der drei Autoren, spricht diese Woche bei Holger Klein im Podcast darüber, wie er die Debatte wahrnimmt – und warum die Kritik an Correctiv aus seiner Sicht sein musste. Er sagt:

„Der Kern unserer Arbeit ist, schlechten Journalismus zu kritisieren. Und ich glaube dass es dafür wichtig ist, sich frei zu machen davon, ob es dann vielleicht ein Projekt trifft, was wir an sich ganz gut finden.“

Aber was sagt er zum Applaus von rechts? Was würde er im Nachhinein anders machen? Ist das jetzt die Art von Debatte, die er und seine Co-Autoren sich gewünscht hatten? Und ist Übermedien eigentlich links?

Hier hören Sie die neue Folge „Holger ruft an…“:

(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)

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9 Kommentare

  1. Danke für dieses schöne Gespräch!

    Weil das Thema mit der „falschen Seite“ ja andauernd zur Sprache kommt, vllt noch ein Argument:
    Wenn ein Journalist oder Medium gegenüber einer bestimmten Partei oder Gruppe „Beißhemmungen“ entwickelt (weil das „die Guten“ seien), um deren Gegner (aka „die Bösen“) keine „Munition“ zu liefern, passiert mittelfristig folgendes: Die „Bösen“ sagen, dass der Journalist oder das Medium ja offensichtlich Beißhemmungen hat, insofern parteiisch ist und vermutlich auch lügen würde. Und zwar jedes Mal, wenn die „Bösen“ kritisiert werden.

  2. Was mich noch interessiert: Wie haben die drei Autoren eigentlich zusammengefunden und entschieden, das zusammen aufzuschreiben?

  3. Stefans zuletzt über mehrere, thematisch ansonsten wenig verwandte Beiträge verteiltes Geraune darüber, wie Medien angeblich Dinge „verschweigen“ oder „herunterspielen“ oder unter sich ausmachen, geht mir auf den Keks.

    Von einem Magazin, das sich Medienkritik auf die Fahnen schreibt, erwarte ich diesbezüglich die gleiche Präzision, die Stefan von CORRECTIV einfordert; stattdessen gibt es (z.B.) beiläufige Halbsätze, in denen der Umgang der US-Medien mit Joe Biden verührt wird damit, wie deutsche Medien über Straftaten berichten. Und als Gipfel dann im SPIEGEL-Gastbeitrag die vollmundige, alles Mögliche andeutende Proklamation, „seriösem Journalismus“ müsse seine Wirkung „egal“ sein. Gut, dass Stefan hier zumindest von diesem Quatsch wieder abrückt, aber der Schaden ist halt angerichtet.

    Eine Medienkritik, die aufmerksamkeitsökonomisch wirksam „Debatten anstoßen“ will statt einfach das Nötige zu sagen, steht einem womöglich zu sehr auf Breitenwirkung gebürsteten Investigativjournalismus qualitativ vielleicht nicht so fern, wie sie zu glauben scheint.

    Und eine Medienkritik, deren Daseinsberechtigung und tägliches Geschäft mediale Strukturen mit all ihren Problemen sind, die dieselben medialen Strukturen dann aber vorsätzlich ignoriert, wenn sie sich berufen fühlt, irgendeine Debatte einzufordern, sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.

    Und noch mal: Ich teile viele der Kritikpunkte an der Arbeit von CORRECTIV. Allerdings muss sich ÜBERMEDIEN stilistisch und inhaltlich mindestens das gleiche vorwerfen lassen, was man CORRECTIV vorwirft.

    Ein bisschen weniger breitbeinig, ein bisschen präziser, ein bisschen mehr Bewusstsein für das mediale Umfeld, in dem man sich bewegt, hätte es schon sein müssen, wenn die offensiv formulierten Ansprüche nicht nur für andere gelten.

  4. @Marcus: Felix Zimmermann hat mich ein paar Tage nach der Leuchtturm-Preisverleihung angerufen, und wir haben festgestellt, dass wir beide das Gefühl hatten, man sollte das zum Anlass nehmen, die Probleme mit dem Text aufzuschreiben – und dass es sinnvoll sein könnte, unsere unterschiedlichen Perspektiven zusammenzufassen. Über Felix Zimmermann kam dann der Kontakt zu Christoph Kucklick, der schon einen Artikel entworfen hatte mit seinem eigenen Unbehagen an dem Text, und dann haben wir beschlossen, das alles zusammenzufügen.

  5. @Marc-Oliver: Wir haben im Hintergrund sehr viele zustimmende Reaktionen aus Redaktionen bekommen, im Sinne von: Gut, dass ihr das jetzt mal aufschreibt. Das spricht für mich dafür, dass es da tatsächlich Beißhemmungen gab.

    Es gibt, andererseits, ja in der Folge unseres Artikels tatsächlich viele neue differenzierte Berichte über Correctiv und unsere Kritik daran. Das spricht für mich dafür, dass es in der Branche eben keine Verabredung zum Totschweigen o.ä. gibt.

  6. Ach, ganz vergessen.
    Die taz meinte sinngemäß, dass Juristen vor Gericht anders argumentieren als Journalisten in ihren Medien, und dass man ersteres nicht letzteren zum Vorwurf machen könne.
    Technisch gesehen ja, aber wenn Journalisten etwas andeuten, jemand anderes dann den Inhalt der Andeutung abmahnen, weil dieser nicht wahr sei (aka: nicht von den Journalisten belegt werden könne),
    und dann die Juristen damit argumentieren können, dass das keine _Aussage_ des Textes sei, und wenn jemand das doch so verstehe, verstünde er es eben falsch
    – dann ist der Text eben uneindeutig formuliert.
    Und Uneindeutigkeit ist natürlich ein legitimer Kritikpunkt an einem journalistischen Text. Alternativ wäre der Mangel an Belegen ein legitimer Kritikpunkt für eine Recherche.
    (Mir wäre es auch lieber, wenn es nicht bei Andeutungen geblieben wäre, und die Anwälte von Correctiv einfach hätten sagen können: „Wieso sitzen wir hier? Die Aussagen sind genau SO belegt durch 1., 2., 3. usw.“)

  7. @Stefan: Ich kann mir schon vorstellen, dass viele Redaktionen (nicht nur bei diesem Thema) unsicher sind, ob und wie sie etwaige Kritik vortragen sollen. Wenn das dazu führt, dass berechtigte Kritik nicht geäußert wird, ist das ein Problem, da sind wir uns ja einig.

    Worauf ich hinaus will, ist, dass zwischen „schweigen“ und „mit breitem Strahl eine Debatte vom Zaun brechen wollen“ noch viel Platz ist im Spektrum der journalistischen Möglichkeiten.

  8. Liebe Leser,

    bitte checkt mal Eure Einkünfte dahingehend, ob es möglich ist, entweder ein Abo als Übonnent abzuschließen oder (falls vorhanden) noch aufzustocken.

    Zu den Gründen:
    Holger ruft an, das tut er augenscheinlich öfter. Die daraus entstehenden Podcasts werden dann bei Übermedien veröffentlicht. Das würde nicht geschehen, wenn Stefan als einer der Köpfe von Übermedien das nicht wollte, das heißt:
    Die beiden arbeiten regelmäßiger zusammen und kennen sich, der sprachliche Umgang miteinander im Podcast belegt das auch.
    Unter diesen Umständen ist es seltsam, dass Holger sich am Telefon namentlich vorstellt, er müsste doch in den Kontakten stehen und Stefan müsste wissen, wer anruft.
    Insofern liegt die Vermutung nahe, dass Stefan sich kein Smartphone mit Vertrag leisten kann und noch Telefone mit Schnur und Wählscheibe aber ohne Display benutzen muss. Bitte helft ihm!

  9. #9 Wichtige Anmerkung. In diesem Zusammenhang wünsche ich mir dringend die Aktualisierung eines bekannten Serien-Vorspanns. „Vor einigen Jahren wurden vier Männer einer militärischen Spezialeinheit wegen eines Verbrechens verurteilt, das sie nicht begangen hatten“ ist als Zeitangabe nach mehreren Jahrzehnten einfach zu undefiniert.

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