Große Kimmich-Show im ZDF

Der wahrscheinlich längste Imagefilm der Welt

Exklusiv für Übonnenten
Joshua Kimmich in der ZDF Doku: "Joshua Kimmich – Anführer und Antreiber"
Nationalspieler Kimmich Screenhot: ZDF Mediathek

Fangen wir mal mit dem Ende an. Mit der Stelle, an der Bundestrainer Julian Nagelsmann über Joshua Kimmich sagt, er habe ein anderes Bild verdient, „als das, das man aktuell so wahrnimmt und liest“. Es ist ein passendes Fazit für diese fußballspiellange ZDF-Doku über den Bayernstar und Nationalspieler. Denn es fasst das zusammen, was der Film vorher ununterbrochen macht: Joshua Kimmich im besten Licht darstellen. Kimmich, der „bescheidene“ Junge aus der „bodenständigen Familie“. Kimmich, der soziale Mensch, der sich mit eigener Stiftung für Kinder engagiert. Kimmich, der ehrgeizige und disziplinierte Profisportler, der auch mal Klartext spricht. Kimmich, der nahbare, authentische Familienvater, der sich sogar filmen lässt, wenn er sich beim Kistenschleppen für den Umzug mit der Ehefrau kabbelt oder nach der Meisterfeier zu Hause am Grill steht.

Sogar bei der romantischen Hochzeit mit Kutsche durfte die Kamera dabei sein. Und Material von der Hochzeitsreise auf die Malediven sowie der Safari in Afrika stellten die Kimmichs auch zur Verfügung. Fans und alle, die das Privatleben von Celebritys interessiert, kommen in diesen eineinhalb Stunden voll auf ihre Kosten. Es ist, als hätten die Redaktionen von „Sportbild“ und „Bunte“ ihre Kräfte vereint und eine Homestory gemacht. Nur eben als Film fürs ZDF.

Schon wieder eine Kimmich-Doku

Echten Fans kommen einige Stellen aus dem Film mit dem Titel „Joshua Kimmich – Anführer und Antreiber“ womöglich bekannt vor. Die Bilder vom Ausflug der Kimmichs in den Tierpark oder vom Besuch des Paares auf dem Weihnachtsmarkt tauchten schon einmal in einer Langzeit-Doku auf, die das ZDF 2020 in zwei Teilen sendete. Und die Szene, in der Kimmichs Frau Lina ihrem Mann die Haare schneidet, ist auch nicht ganz neu. Man kann sie auch in dem Trailer zum Film „Joshua Kimmich: Sein Weg in die Weltklasse“ sehen, den das ZDF 2021 kurz vor der EM sendete. Online ist die ganze Doku von 2021 nicht mehr zu finden, es gibt aber einen kurzen Zusammenschnitt auf Kimmichs Instagram-Account.

Autor dieser Produktionen ist der freie Filmemacher Jan Mendelin, der Kimmich seit 2015 mit der Kamera begleitet. Für seinen aktuellen Film nutzte Mendelin aber natürlich nicht nur recyceltes Material, sondern drehte auch viel neues: Interviews nach der WM in Katar, Aufnahmen vom Richtfest des neuen Kimmich-Anwesens, die Hochzeit, wie gesagt, und seit der ersten ZDF-Doku 2020 sind auch noch drei weitere Kinder dazugekommen.

Dennoch kann man da schon ein bisschen durcheinander kommen und fragen: Warum zeigt das ZDF jetzt nochmal einen weiteren Film über Kimmich, wenn es doch schon 2020 und 2021 eine gab? Das ZDF schreibt uns dazu:

„Das ZDF hat in dem Pressetext zu der Dokumentation kommuniziert, dass Filmautor Jan Mendelin seit 2016 die Karriere des Fußball-Natio…

7 Kommentare

  1. „Ist Joshua Kimmich so ein spannender Protagonist, so eine prägende Figur des deutschen Fußballs, dass man ihm eine Langzeitbeobachtung über drei Filme widmen muss? Eher nicht.“

    Die Frage kann man so stellen und beantworten, aber sie führt auch in die Irre. Dass es für journalistisch relevante Langzeit-Beobachtungen im Profifußball nicht unbedingt prägende Figuren als Protagonist*innen braucht, zeigt z.B. die Trilogie über eine Handvoll BVB-Nachwuchsspieler von Christoph Hübner und Gabriele Voss (DIE CHAMPIONS, HALBZEIT und NACHSPIEL, 2003 bis 2019).

    Auch Hübner und Voss sind darauf angewiesen, dass ihnen (ncht zuletzt vom Verein) Zugang gewährt wird, und auch bei ihnen kann man diesen Ansatz kritisch betrachten. Auch ihre Filme fallen nicht unbedingt durch kritische Nachfragen oder Einordnungen auf. Sie folgen aber einem eigenen, von einem spezifischen Interesse gelenkten Blickwinkel, der auch ohne explizite Kommentierung und Einordnung Relevanz verleiht – weil das, was gezeigt wird, etwas über bestimmte Strukturen verrät.

    Meinetwegen soll Mendelin sich mit Kimmich auseinandersetzen, wenn er ihn für eigen interessanten Protagonisten hält. Das Problem ist, dass seine Filme nicht erkennen lassen, warum er das tut.

  2. Ich hab nie eine Doku über Herrn Kimmich gesehen und werde das auch nicht nachholen. Aber ich finde, das Spätzle-Standbild hat etwas Anrührendes – junges Pärchen mit T-Shirt und Schlabberpulli in Obere-Mittelschichts-Küche. Hinten etwas Unordnung mit Plastikflasche und designfremder Mikrowelle (weshalb man für „Schöner Wohnen“ nicht mehr in Frage kommt, aber Echtheit ausstrahlt).

    Klar ist das Selbstinszenierung, aber in sympathisch-unaufgeregt. Eigentlich ist das Klischee „Fußballstar plus ‚Spielerfrau'“ ja immer für pseudo-glamouröses Zeugs mit Schampus und Ferrari und Villa in Dubai gut. Hier wird es in die andere Richtung verbogen. Cathy Hummels, übernehmen Sie!

    Literaturtipp zum Thema: „Nicht wie ihr“ von Tonio Schachinger.

  3. Die seit langem zu beobachtende kumpelhafte Nähe des Sportjournalismus zu Fußballspielern, Trainern und teilweise sogar Vorständen, die sich im nahezu allgegenwärtigen Duzen manifestiert, mündet hier in eine gefällige, kundenfreundliche und distanzlose Langzeithomestory.

  4. Danke das du dich für uns geopfert hast und das für uns zusammengefasst hast. Ich schenke mir die Doku und danke für den tollen Text.

  5. Naja, sag ich mir immer, schaden tut sowas keinem. Der Fernsehgarten ist ja auch nicht jedermanns Geschmack, schadet aber auch nicht. (Und andere Menschen unter den Millionen von Zuschauern haben auch ein Recht auf Unterhaltung nach ihrem Geschmack, die keinem schadet). Es gibt auch viele Dokus, die weh tun, kann man auch leicht finden.
    Viel mehr regt mich auf, wieviel Steuergeld die UEFA von den Bürgern des Veranstalterstaates erpresst. Dagegen ist der Rundfunk-TV-Beitrag (für die gebotene Vielfalt) doch vernachlässigbar.

  6. Also ich finde die Doku auch langweilig, aber es passt halt in die Zeit, in der alle Medienhäuser dem Crowd-Pleasing frönen.
    Ich finde es zuweilen eher befremdlich, dass sich alles nur noch um Fußball dreht, wenn es auch nur eine EM geht und sonst im Programm Saure-Gurken-Zeit ist. Vielleicht will jemand auch noch was anderes sehen?
    Anstatt Imagefilme über Spieler zu zeigen, könnte man doch mal eine Sendung darüber machen, warum wir in Deutschland nur beim Fußball mal ne Fahne schwenken und das Thema sonst verschämt unterdrückt wird. Das wäre ein spannenderes Thema als langweilige Home-Stories.

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