Sport als Imagekampagne

Warum sich Deutschland mit dem „Sommermärchen“ selbst belügt

Der überlegene Sieg der deutschen Nationalmannschaft im Eröffnungsspiel gegen Schottland hat die Hoffnung für die Europameisterschaft im Herrenfußball beflügelt. Geht das Sommermärchen 2.0 jetzt weiter, fragt sich etwa der NDR. Und die ARD-Sportschau erinnert vor dem zweiten Spiel gegen Ungarn am heutigen Mittwoch in Stuttgart an das dort stattgefundene Spiel um Platz drei bei der WM 2006 – einen angeblichen Höhepunkt des originalen „Sommermärchens“. Um dessen Neuauflage wird sich medial allerdings schon länger gekümmert.

Etwa in der ARD-Dokumentation „Deutschland. Fußball. Sommermärchen 2024?“ Darin ist Sportreporterin Esther Sedlaczek nach 73 Minuten am Ende ihrer „Reise durch Deutschland angelangt“. Ein Strand im Norden des Landes, unruhige See, Sedlaczek läuft über einen Steg und zieht zu pathetisch-melancholischer Musik aus dem Off Bilanz: „Wir wollten wissen: Kann es ein zweites Sommermärchen geben?“ Dann schneidet die Doku noch mal zu Sönke Wortmann, Annalena Baerbock und Toni Kroos, die alle nicht „Nein“ sagen, damit der Film wieder zu Sedlaczek an die Küste zurückkehren kann.

Ein neues Sommermärchen? Deutsche Fans in der Fanzone München. Imago / Noah Wedel

Dort läuft die Reporterin weiter über den Steg in Richtung Wasser – Kinn dezent nach oben, leichtes Lächeln, angefeuchtete Augen, freudig, aber auch berührt, in Erwartung von etwas Großem, das da irgendwo am Horizont erscheinen könnte. Und erklärt wiederum aus dem Off, wieder zu pathetisch-melancholischer Musik: „Wir wünschen uns, dass es ein neues Sommermärchen wird.“ Das Ergebnis der, nun ja, Recherche dieses Films, der das Privileg hatte, um 20.15 Uhr im Ersten gesendet zu werden, lautet dann so: „Eines haben wir aber immer gespürt – den Glauben an die verbindende Kraft des Fußballs.“

Die naheliegende Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk für eine Produktion erfunden worden ist, die man von einem DFB-Promo-Video kaum unterscheiden kann, ließ sich dem verantwortlichen BR-Redakteur Christoph Netzel (mit Andreas Egertz und Astrid Harms-Limmer) leider ebenso wenig stellen wie Regisseur und Produzent Nick Golüke (Regie mit Julia und Robert Grantner). Beide standen auf Anfrage nicht für eine Stellungnahme zur Verfügung.

So kann man nicht aus erster Hand erfahren, wieso Bastian Schweinsteiger unbedingt bei Wintersport und Hüttenvesper in Südtirol getroffen werden musste (was aus der „Reise durch Deutschland“, die der Film darstellen soll, nebenher ein Land macht, das so groß nicht mal unter Hitler war). Oder wieso 75 Minuten Sendezeit auf eine „Kann“-Frage verwendet werden, die am Ende, wer hätte das gedacht, unbeantwortet bleibt – was es schwer macht, einen Begriff wie „Erkenntnisinteresse“ überhaupt in Verbindung mit diesem Film zu bringen.

Denn diese Doku will gar nichts herausfinden, sondern nur etwas zementieren: die Legende vom „Sommermärchen“. Jene Legende also, die schon 2006 bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer im eigenen Land so wirkte wie ein sich selbst erfüllendes Label, das sich eine teuer bezahlte Werbeagentur ausgedacht hatte, um das Premium-Produkt Profifußball zu vermarkten (für dessen Übertragungsrechte die Öffentlich-Rechtlichen viel Geld an problematische Männerbünde wie FIFA oder UEFA zahlen). Dabei beschäftigen die Umstände, unter denen das „Sommermärchen“ nach Deutschland kam, mittlerweile Gerichte.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Niemand hat etwas gegen die gute Stimmung, wenn ein sportliches Großereignis den Terminkalender dominiert. Nichts spricht zudem dagegen, dass viele Leute voller Euphorie Fußball schauen, weil das Spiel Spannung und Schönheit verspricht und im Gegensatz zu den Verbänden, die damit Geld machen, relativ unkorrumpierbar ist. Und natürlich trifft die 2006er-Erzählung vom entspannten Wedeln mit schwarz-rot-goldenen Fahnen eine weit verbreitete gesellschaftliche Gefühlslage, die auch gern Ruhe vor der Vergangenheit hätte.

Aber so einfach ist es leider nicht. In der anderen, der kritischeren ARD-Fußball-Doku „Einigkeit und Recht und Vielfalt“ über Rassismus und Identifikation, stellt Autor Philipp Awounou etwa fest: „Eine Langzeitstudie zweier Universitäten findet keine positiven Effekte des sogenannten Partypatriotismus. Im Gegenteil, laut den Forschern seien Deutsche nach der WM (2006) sogar leicht nationalistischer und fremdenfeindlicher eingestellt als vorher. Dieser Part wird selten miterzählt, wenn es um den Mythos Sommermärchen geht.“

Das heißt offenbar aber noch lange nicht, dass Esther Sedlaczek in ihrem Film nicht doch von diesem Mythos schwärmen könnte. Wo das Fremdbild zu erschreckend ist, wird sich eben am herbei gewünschten Selbstbild gewärmt.

Im Land der Wunder und Märchen

Der medial intensiv ventilierte Traum vom „Sommermärchen“ (elfmal kommt der Begriff in der Sedlaczek-Doku vor, neunmal wird dazu noch „Sommer“ beschworen, wechselweise als „Sommer des Lebens“ oder „Sommer des Jahrhunderts“) verweist dabei auf ein sehr deutsches Begehren: Alles, was diesem Land nicht misslingt, wird zum Wunder (Fräulein-, Wirtschafts-, Bern, Lengede, Mogadischu, Berlin) oder zum Märchen erklärt. Und damit in den Bereich des Übernatürlichen verschoben, wo – in der Disney-Variante, die Märchen der Grimms sind zu grausam – am Ende auf zauberhafte Weise, also ohne eigenes Zutun, alles gut wird.

Das hat damit zu tun, dass das Deutschland von 1933 bis 1945 so schlecht war. Sportgroßereignisse nach dem Holocaust und dem verheerenden Krieg gegen die europäischen Nachbarn haben daher in ihrer medialen Überformung immer auch dazu gedient, die Trademark vom besseren Deutschland aufzupolieren. Schon das „Wir sind wieder wer“ nach dem Gewinn der Fußball-WM durch die westdeutsche Männermannschaft 1954 sehnte sich danach, als gewöhnlicher Staat angesprochen, statt mit der Schuld aus der NS-Zeit belästigt zu werden.

Die Olympischen Spiele von München 1972 gingen als die „heiteren“ an den Start, als Gegenentwurf zu Hitlers Propaganda-Veranstaltung von 1936. Und sie mussten weitergehen („The Games must go on“), wie es im berühmten Satz des damaligen IOC-Chefs Avery Brundage hieß, als palästinensische Terroristen israelische Sportler kidnappten und die stümperhafte deutsche Krisenpolitik zu einem Blutbad am Flughafen Fürstenfeldbruck führte. Es brauchte 50 Jahre, ehe Deutschland begann, sich seinem Versagen zu stellen und es ins öffentliche Bewusstsein sickerte, wie egal israelische Menschenleben dem Land gerade 27 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz gewesen waren.

2006 sprach dann kurz vor Beginn des „Sommermärchens“ der ehemalige Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye von „No-go-areas“ für nicht-weiße Fußballfans und sorgte damit für medialen Aufruhr. Der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) schaffte das Problem dann kurzerhand aus der Welt, indem er es durch Verdikt aus der Welt schaffte: dass es keine „No-go-areas“ gebe.

Scheuklappen und Angst vor dem Offensichtlichen

Von den rechtsterroristischen Morden des sogenannten NSU ahnte damals noch niemand etwas (außer den Betroffenen, die ignoriert wurden). Die gewaltsamen Tode von Mehmet Kubaşık (4. April) und Halit Yozgat (6. April) zwei Monate vor Beginn der WM firmierten wie die sieben anderen Taten an Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides als „Döner-Morde“ – ein Märchen, für das sich Ermittlungsbehörden und Medien jahrelang alle möglichen Motive und Erklärungen zusammenfantasierten, um ja nicht das Offensichtliche aussprechen zu müssen: Rassismus.

Beim Mord an Halit Yozgat war sogar ein Mann des Verfassungsschutzes anwesend, ein Mitarbeiter der Behörde also, die solche Anschläge eigentlich verhindern sollte. Dass dieser Skandal erst nach der Selbstenttarnung des NSU-Kerntrios an die Öffentlichkeit kam, könnte womöglich auch mit dem bevorstehenden „Sommermärchen“ zu tun gehabt haben, vermuten heute Opfervertreter. Denn was wäre das für eine Nachricht an die Welt gewesen, die während der Fußball-WM „zu Gast bei Freunden“ sein sollte: In Deutschland werden – Aufarbeitungsweltmeister hin, friedlicher Patriotismus her – Menschen immer noch aus rassistischen Motiven von Neonazis getötet.

In dieser Unmöglichkeit, sich Deutschland nach 1945 nicht als ein geläutertes, besseres, entspannteres Land vorzustellen, wurzelt die Unfähigkeit, Rechtsextremismus als Problem zu begreifen, um ihn tatsächlich zu bekämpfen. In Philipp Schnees Radio-Feature „Erinnerungslücke 1980 über einem deutschen Herbst, in dem Rechtsterroristen Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lâ in Hamburg umbrachten, das Oktoberfest-Attentat in München begingen und den Juden Shlomo Lewin und seine Frau Frieda Poeschke in Erlangen töteten, erklärt der Anwalt Werner Dietrich, Vertreter der Hinterbliebenen des Münchner Terroranschlags: „Ich denke, es gab in der Bundesrepublik in den 60er, 70er Jahren bis in die 80er Jahre trotz SPD-FDP-Regierung den Konsens: Es darf Linksterrorismus geben, das wird auch nicht geleugnet. Aber organisierten Rechtsradikalismus und in dieser Breite und mit dieser Waffenaffinität und mit dieser Gefährlichkeit, wenn wir das aufdecken im Bundestag, es Dutzende von Strafverfahren gibt und riesiges Material, das gibt Unruhe unter unseren Verbündeten.“

Das hat sich bis heute kaum geändert. So steht die medial vermittelte „Sommermärchen“-Besoffenheit beispielhaft für die falsche Geschichte, die sich dieses Land über sich selbst erzählt. Und Esther Sedlaczek, die an der Küste gerührt vom besseren Miteinander träumt, steht für das Deutschland, das am nächsten Morgen verkatert aufwacht und sich nicht erklären kann, wieso bei einer Kommunalwahl 31,5 Prozent für einen bekannten Neonazi votieren.

Korrekturhinweis: Bei der Fußball-WM 2006 fand in Stuttgart das Spiel um Platz drei statt – und nicht das Halbfinale zwischen Deutschland und Italien. Wir haben diesen Fehler im Text korrigiert. 

60 Kommentare

  1. Nach meiner Beobachtung hoffen viele auf einen „vereinigenden“ Faktor, der das „gespaltene Land“ wieder zusammenbringt.
    Demokratie ist aber auch anstrengend. Wenn Deutschland gewinnt, dann geht die AfD einfach weg! Wie im Märchen!

    Wie tief der ÖR im Hintern des DFB sitzt, sieht man hieran ganz gut:
    https://www.youtube.com/watch?v=aq762eQxTEM

    Ist zwar kein schöner Journalismus, aber immerhin ist die kritische Distanz klar erkennbar.

  2. Wenn alle vom Sommermärchen fabulieren, kann man als Journalist nur auffallen, indem man dagegen polemisiert. Am besten bewaffnet mit einer Nazikeule. Was haben die diversen deutschen Fußballer mit Hitler zu tun? Auch RAF und NSU stehen nicht in Verbindung mit der EM. Lasst doch den Leuten ihren Spaß.

  3. „Niemand hat etwas gegen die gute Stimmung, wenn ein sportliches Großereignis den Terminkalender dominiert.“
    Warum eigentlich nicht? Wir-Gefühl korrespondiert praktisch automatisch mit den gefühlten „Die Anderen“.
    Wenn man sowas kultivieren will, indem man Patriotismus und Nationalstolz in rein sportliche Bahnen kanalisiert, ist das möglicherweise gar nicht so effektiv wie erhofft, selbst, wenn
    „das Spiel … relativ unkorrumpierbar ist“,
    was ja ganz abstrakt stimmt. Das Spiel, also das System von Regeln, ändert sich nicht.

  4. Ich schätze Herrn Dell sehr und seine Thematisierung von Rechtsterrorismus und bundesrepublikanischer Geschichte. Das vorab.

    So sehr das lächerliche Beschwören „Wird es wieder so schön wie 2006, als ich Anfang 20 war?“ auch mich nervt: Bei einem Pop- und Party-Event wie der Fußball-EM den Leuten mit Hitler, Oktoberfestattentat und NSU zu kommen, find ich schon fast pathologisch.

    Komischer, verrührter Beitrag.

  5. #2
    Naja, das mit dem vermeintlich einfachen Rezept funktioniert ja bei Ihnen schon mal nicht, da falle ich höchstens negativ, für den Pulitzer-Preis schlagen Sie mich ja nicht vor. Grmpf. Und was eine „Nazikeule“ sein soll, das würde mich mal interessieren. Sie schreiben doch selbst, dass vom „Sommermärchen“ „fabuliert“ wird – was spricht dagegen, das „Fabulieren“ mal genauer anzuschauen? Oder darf man das nicht sagen?

  6. @#4
    Vielen Dank für die freundlichen Worte. Was Party- und Pop-Events mit Verdrängung und Ausschluss zu tun haben, versucht der Text ja zu argumentieren. Wenn man sich die Debatte um Heyes Aussage vor der WM 2006 anguckt, und da reden wir noch gar nicht vom sog. NSU, sondern von „No-go-areas“. Und als es 2018 nicht so lief, durfte dann Mesut Özil erfahren, wie harmlos Party- und Pop-Events sind. Ich würde ja eher sagen: dass es die NSU-Verbrechen jahrelang unentdeckt geben kann, dass jedes Mal vermeintlich offen ermittelt wird, was aber leider heißt, dass man Neonazis ausschließt, das hat etwas, wie Sie sagen, Pathologisches

  7. @Matthias Dell (#7)

    „Und als es 2018 nicht so lief, durfte dann Mesut Özil erfahren, wie harmlos Party- und Pop-Events sind.“ Ausgerechnet _Özil_ im Jahre 2024 noch als Opfer zu präsentieren, ist abstoßend.

  8. @#8
    Wieso? Weil die Entwicklung, die er danach genommen hat, die Krassheit des Ausschlusses, die er damals erfahren musste, aufhebt?

  9. @Bernhard

    Was mir im Fall Özil aufgestoßen ist, war die Doppelmoral 2018. Da findet eine WM in Russland statt und die Leute schreien, dass doch der Fußball im Vordergrund stehen solle. Seehofer kündigt seinen Besuch an und andere Politiker behalten sich den Besuch eines möglichen Finales mit deutscher Beteiligung vor, wo man dann wahrscheinlich direkt auf einer Tribüne mit Putin gesessen hätte. Ein deutscher Ehrenspielführer schüttelt Putin die Hand. Andere aktive und ehemalige Spieler verweisen auf das „vereinende Element Fußball“ und man müsse ja die Politik von dem Land trennen (und das in einem Land mit spärlich vorhandener Zivilgesellschaft). Aber außer den Grünen spricht sich keine Partei gegen die WM aus, die AfD findet das beispielsweise alles ganz normal. Gleichzeitig steht eine WM in Katar vor der Tür und der DFB würde vermutlich mit dem Teufel persönlich Kooperationen eingehen, wenn es einen Euro mehr brächte. Und dann wird sich monatelang auf Özil eingeschossen, der ein Bild mit Erdogan macht, und man redet von „Vorbildfunktion“. Da sind in meinen Augen die Relationen vollkommen verrutscht. Zumal an dem Punkt noch hinzukommt, dass in den Jahren zuvor deutsche Politiker zu Erdogan gefahren sind, um hässliche Deals mit ihm auszuhandeln. Für mich hat das alles nicht zusammengepasst und die rassistischen Entgleisungen gegenüber Özil sprechen da meiner Meinung nach eine eigene Sprache (es gab natürlich auch viel grundsätzlich legitime Kritik, auf die Özil gar nicht eingegangen ist). Davon vollkommen unbenommen ist meine Einschätzung, dass das Foto dumm und die dahinterliegende Haltung im besten Falle naiv und unreflektiert war, im schlimmsten Falle Özils Neigung zu Werten zum Ausdruck brachte, die mit dem Grundgesetz unvereinbar sind. Was er sich in den letzten Jahren unter anderem mit Bezug auf die Grauen Wölfe geleistet hat, ist für mich dann tatsächlich auch „abstoßend“. Aber hinsichtlich des damaligen Streitpunkts hätte ich schon gerne Konsistenz gehabt. Entweder es ist alles egal, dann können Verband und Spieler mit russischen, türkischen, katarischen und chinesischen Vertretern Verträge schließen und Bilder machen, bis sie umfallen, oder es geht um Werte, dann fahren wir bitte aber auch nicht zu Turnieren in diese Länder.

  10. @Chateaudur
    „Bei einem Pop- und Party-Event wie der Fußball-EM den Leuten mit Hitler, Oktoberfestattentat und NSU zu kommen, find ich schon fast pathologisch.“

    Völlig überraschend bin ich da anderer Meinung ;-)

    Mich stört es auch eklatant, dass zu solchen events immer wieder der Versuch gemacht wird, einen vorgeblich harmlosen-, ja geradezu harmonischen Nationalismus, vorgeblich nach Vorbildern aus dem Ausland, zu zelebrieren. „Die in Frankreich, England, den USA …“ you name it.
    Als sei der arme Nationalismus ein Wert an sich, geboren in der Urzeit und ewiglich, an dem sich die Nationalisten (sic!) einmal versündigt hätten, was wir wieder gut machen müssen, um zu heilen.

    So ein Schmonz!

    Nationalismus ist vergleichsweise jung, bedeutet überall etwas anderes ( oszilliert in etwa zwischen der politischen Nation als Willensbildung der Bürger und dem Blut- und Boden Mythos der Nazis ). Woher die Diskussion über die WeiSSheit der deutschen Nationalmannschaft kam, können Sie sich denken.

    Nationen sind Machtpolitisch ein Ersatz für Religionen.

    Wer, wenn nicht wir mit unserer Geschichte, sollte sonst verkrampft mit dem Nationalgedöns umgehen? Begreifen wir es doch als Chance, den Schwachsinn zu überwinden.

    just my 2 cents.

  11. @#9 „Ausschluss“? Ich nehme an, Sie wollten „Ausgrenzung“ schreiben? Egal…

    Ich beschäftige mich vergleichsweise intensiv mit Fußball, habe Özil seit 2009 ziemlich genau verfolgt und weiß, wie er sich auch vor der WM 2018 zu diversen Dingen geäußert bzw. eben nicht geäußert hat.

    Es steht Ihnen natürlich frei zu behaupten, Özil habe sich erst wegen einiger Zeitungsberichte vom gut integrierten Migrantenkind zum Islamofaschisten entwickelt und sich entschieden, Erdogan als Trauzeugen einzuladen. Da ich Sie von dieser Einschätzung auch nicht abbringen werde, ganz gleich, wie viele und welche Argumente ich vorbringe, wäre es für alle Parteien nervenschonender, darüber erst gar nicht zu diskutieren. Die Alternativstrategie, die Augen ganz fest zuzudrücken und sich zu wünschen, dass Mesut Özil mal ein missverstandener Junge gewesen sei, ist sicherlich bequemer. Wir müssen die Folgen der von ihm aktiv betriebenen Ideologie ja nicht ertragen. Das übernehmen andere Leute für uns.

    Ich will allerdings einige außer Streit stehende Tatsachen den Zeitraum vor 2018 betreffend festhalten, auch wenn Sie daraus keine neuen Schlüsse ziehen.

    – In der deutschen Nationalmannschaft spielen seit langer Zeit (weit über 20 Jahre) viele Spieler mit Migrationshintergrund. Die haben unterschiedliche Religionen, unterschiedliche Hautfarben und unterschiedliche Muttersprachen. Darunter auch einige andere bekennende Muslime und einige andere mit türkischem Migrationshintergrund. Und mit Gündogan sogar jemand, der sich wie Özil gemeinsam mit Erdogan vor der Wahl fotografieren hat lassen. Dennoch gab es um keinen Spieler einen politischen Streit mit auch nur annähernd vergleichbaren Dimensionen.

    – Es haben weder die türkischen Beschimpfungen nach seiner Entscheidung im Jahr 2009, für Deutschland zu spielen (derentwegen die Kommentarfunktion auf seiner Website gesperrt werden musste), noch das permanente gegen ihn persönlich gerichtete Ausbuhen durch die türkischen Fans bei der EM-Qualifikation 2010 in Berlin dazu geführt, dass er sich jemals in irgendeiner Form negativ darüber geäußert hätte, geschweige denn dazu, dass er deswegen auf einmal zum deutschnationalen Recken mutiert wäre.

    – Emre Can hat auf das Wahlwerbe-Fotoshooting mit Erdogan verzichtet und dafür keine mir bekannten negativen Konsequenzen erfahren.

    – Ilkay Gündogan hat sich noch vor der WM 2018 zum Fotoshooting mit Erdogan erklärt, Özil hat dazu geschwiegen.

    – Mesut Özil ist bei weitem nicht der erste Profifußballer, der nach Misserfolgen von Teilen der Presse und/oder einzelnen Funktionären bzw. „Experten“ und/oder manchen Fans übermäßig hart kritisiert wurde.

    – Es haben einige seiner Mitspieler und Mitglieder des Trainerstabs, also Personen, die Özil über einen langen Zeitraum persönlich gut kennen gelernt haben, angedeutet, dass seine Motivation, in der Nationalmannschaft zu spielen, nicht immer die beste war.

  12. Ich hatte und habe eigentlich immer noch viel Verständnis, dass Özil weder den „Prügelknabe“ noch den „Quotentürken“ geben wollte.
    Andrerseits ist der nationalistische Volksbegriff, den Erdogan, die Grauen Wölfe und damit auch Özil vertreten, doch genau die Art von Mist, die es zu überwinden gilt, und daher habe ich zwar Verständnis, aber keine Sympathie.

  13. @Bernhard

    Ich kann natürlich nicht für Herrn Dell sprechen, aber ich hatte den Punkt, den er bei Özil machen wollte, grundsätzlich so verstanden, dass da jemand massiv rassistisch angefeindet wurde, nachdem der vermeintlich harmlose Partypatriotismus gekippt ist. Es geht also erst einmal nicht um eine Äußerung (auch harter) Kritik, sondern um rassistische Entgleisungen, die meiner Erinnerung nach auch aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft kamen. Spontan fällt mir sofort der Theaterdirektor ein, der schrieb, dass Özil kein Deutscher sei und sich nach Anatolien verpissen solle. Von den Kommentaren der politischen Rechten ganz zu schweigen. Kann mir kaum vorstellen, dass in den letzten 30 Jahren viele Nationalspieler derart angegangen wurden.
    Davon losgelöst kommt dann noch die sachliche Kritik hinzu, die für sich genommen zwar oftmals legitim war, allerdings – wie schon in meinem vorangegangenen Kommentar ausgeführt – eben auch sehr doppelmoralisch. Da wird einem Spieler vorgeworfen, er habe sich für die Propaganda eines Autokraten einspannen lassen, und gleichzeitig bestreitet der DFB ein Turnier in Russland (und Katar winkt schon). Dem Spieler wird fehlende Identifikation mit „unseren Werten“ vorgeworfen, und gleichzeitig kooperiert der DFB mit dem chinesischen Verband und lässt sich von Wettanbietern sponsern. Für mich ist das inkonsequent.
    Ich hege keinerlei Sympathien für Özil, verabscheue den türkischen Nationalismus, den er zur Schau stellt, und habe den Eindruck, sein damaliges Krisenmanagement hätte nur noch schlechter laufen können, wenn er öffentlich eine Deutschlandfahne verbrannt hätte. Dennoch glaube ich, dass der Fall etwas zum Vorschein gebracht hat, was gerne überdeckt wird. Zum Beispiel mit Erzählungen von Sommermärchen, um den Bogen zurück zu spannen. Das schließt ja nicht aus, dass Özil selber in vielen Punkten stark kritikwürdig agiert hat und agiert.

    @Marc-Oliver

    Danke für die Empfehlung, werde ich reinhören und schauen, ob sich vielleicht meine Wahrnehmung der Geschichte ändert.

  14. Und wieder wurde das Thema gekapert und umgedreht. Es wird nicht mehr über Deutschland und sein seltsames Verhältnis zu den Spielarten des zelebrierten Nationalismus gesprochen, sondern nur noch über Özil und seine Verfehlungen.

    Das gehört übrigens untrennbar zu dem seltsamen Phänomen, dass aus allen nationalen Nachkriegsereignissen, die nicht mit brennenden Häusern, Baseballschlägern oder Hitlergrüßen zu tun haben, „Wunder“ oder „Märchen“ macht. Wenn der Özil übelst rassistisch angefeindet wurde, während unseres kollektiven Märchens, dann muss er doch irgendwie selber die Verantwortung dafür tragen.

    Nun sind schon 60+ Jahre ins Land gegangen, seit wir Millionen Ausländer ins Land gelockt haben, um unser WirtchaftsWUNDER zu wuppen. Aber deren Nachkommen sind bestenfalls „GÄSTE“ im deutschen Sprachverständnis (kein anderes Land achtet seine Gäste so gering, zumindest war das immer mein Eindruck. „Du bist NUR Gast“ macht nur im Deutschen Sinn).

    Auch ich will ganz sicher keine grauen Wölfe verteidigen. Wir könnten aber dennoch mal überlegen, wie sich unsere Jugendlichen entwickeln würden, wenn ihre Heimat, ihr Geburtsland, sie wie Fremdkörper behandelte.

  15. @#12
    Ich meine „Ausschluss“, aber egal. Finde es lustig, dass Sie ihre guten Argumente gar nicht erst anführen. Könnte daran liegen, dass Sie sich vielleicht intensiv mit Fußball beschäftigen, aber null mit Rassismus. Denn nur darum geht es bei meinem Argument, bei Ihnen spielt das keine Rolle („gut integriert“ ist dann die Einbahnstraßen-Kategorie, die Ihnen dazu einfällt, das Entweder-oder; Can und Gündogan machen das besser, geht doch). Özil wird als „gut integriertes“ Migrantenkind in seiner Jugend genug rassistische Erfahrungen gemacht haben und im Alter wurde es trotz WM-Titel nicht besser.
    Wie ungeschickt, naiv und unterkomplex sich Özil verhalten haben mag, das alles rechtfertigt nicht seinen rassistischen Ausschluss aus der deutschen Gesellschaft (im Verband unter dem „innenpolitischen Hardliner“ Grindel – was soll so eine Figur für ein Interesse an/Verständnis von Solidarität haben, wer fragt den nach seinen Motivationen, wo muss der sich erklären, distanzieren? https://www.tagesspiegel.de/politik/schon-der-politiker-reinhard-grindel-war-gegen-multikulti-6034285.html).
    Özil muss sich dafür verantworten, was er heute politisch vertritt (mir geht es überhaupt nicht darum, da etwas zu beschönigen, wie Sie mir unterstellen, aber wie diese Entwicklung irgendwas rechtfertigen soll von der Kampagne gegen, dem Hetzen gegen Özil, die/das 2018 ihren Höhepunkt erlebte, versteh ich immer noch nicht).
    Aber deswegen können wir unseren eigenen Rassismus nicht beschweigen, die Augen ganz fest zudrücken und uns wünschen, dass da schon nichts war, es hat doch den richtigen getroffen, siehe Graue Wölfe.
    Der Querdenker Thomas Berthold macht schön mit dem 90er-Team Jubiläumstreffen. Da stört sich keiner an antisemitischen Lieblingsbüchern und „Reichsbürger“-Ideen vom nicht-souveränen Deutschland. Berthold muss sich nicht erklären, und von Lothar Matthäus und Co. will auch keiner wissen, wie das so geht, mit einem Verschwörungsgläubigen abzuhängen, der nicht auf dem Boden des GG steht.
    Und jetzt kommen Sie (und haben bestimmt ne super Erklärung ;).

  16. @#15
    Genau, es geht mir um den gesellschaftlichen Rassismus, der sich an Özil entladen hat, und der nix damit zu tun hat, dass andere bessere Medienarbeit machen oder er heute Graue Wölfe liked. Das nimmt davon nichts weg, wir können die Augen davor nicht verschließen

  17. Als Juristin schaue ich zuerst auf die Faktenlage und die Kausalkette. „Niemand hat etwas gegen die gute Stimmung, wenn ein sportliches Großereignis den Terminkalender dominiert. …. Aber so einfach ist es nicht.“

    Mal konkret mit dem ehrlichen Wunsch nach Aufklärung: Um welche „Langzeitstudie zweier Universitäten“ handelt es sich und wo ist diese einsehbar?

  18. Wie viel Kompensation muss ich spenden, damit diese brilliante Analyse und wichtige Text vor die Paywall kommt?

    Ernsthafte Frage.

    Schöne Grüße

  19. Das Problem ist, dass in Deutschland (von vielen) etwas zum Problem gemacht wird, was woanders keins ist: Für die eigene Mannschaft jubeln, für die eigenen Sportler in (TV/Rundfunk-) Kommentaren parteiisch sein, …..
    @Matthias Dell
    An Özil hat sich kein gesellschaftlicher Rassismus entladen, Özil hat sich durch seine Erdogan-Hofierung selbst ins Abseits gestellt.
    Welche Menschen/Spieler unter Repressalien/Rassismus zu leiden haben, zeigen andere Dokumentarfilme. Kein Problem, sie in ARD/ZDF-Mediathek zu finden.

  20. @#16 „Und wieder wurde das Thema gekapert und umgedreht.“ Wer mir wirklich gerade Özil als Opfer präsentiert, muss halt mit Widerspruch rechnen. Ist ja nicht so, als gäbe es keine anderen Opfer von Rassismus in der Nationalmannschaft. (Erinnert sich noch wer an Owomoyela?) Muss man das mögen? Nein. Muss man das aushalten? Ja.

    Macht mich das zum Debatten-Freibeuter? Ok, damit hab ich kein Problem.

    „Wenn der Özil übelst rassistisch angefeindet wurde, während unseres kollektiven Märchen“ Vielleicht mal ganz kurz den inneren Faktenchecker anwerfen: Das „Märchen“ war 2006, 2018 war zwar WM in Russland und die Özil-Sache, aber ganz sicher kein Märchen. (Ich versteh schon, solche Nebensächlichkeiten sind nicht so wichtig, wenn man seine brillanten Argumente über den Zustand der Gesellschaft an den Mann bringen will. Helfen aber, wenn man ernst genommen werden will.)

    „‚Du bist NUR Gast‘ macht nur im Deutschen Sinn“ Was dafür im Deutschen keinen „Sinn macht“, ist die Redewendung „Sinn machen“. Wenn wir schon mit den anderen Themen nicht genug haben und auch ums Sprachverständnis diskutieren wollen…

    „Auch ich will ganz sicher keine grauen Wölfe verteidigen. Wir könnten aber “
    Ich bin ja kein Rassist, aber…

  21. @Matthias Dell (#17, #18)

    „er heute Graue Wölfe liked“ Das mag unglücklich formuliert sein, aber nur zur Sicherheit: Der hat sich den grauen Wolf auf die Brust tättowieren lassen und präsentiert das grinsend für die Kamera. Also um Asoziale-Medien-Likes gehts hier nicht.

    „das Entweder-oder; Can und Gündogan machen das besser, geht doch“ Nun, man kann mit einem Beispiel eine These zwar nicht beweisen, aber man kann damit eine widerlegen. Ist eine nette Eigenschaft von Beispielen. ;-)

    „Ausschluss aus der deutschen Gesellschaft“ Wir werden uns auch hier nicht einig werden, aber das ist keine zutreffende Beschreibung für das, was 2018 passiert ist.

    „Querdenker Thomas Berthold“ ist seit gut 10 Jahre nicht mehr nennenswert medial in Erscheinung getreten. Da auch Kimmichs schwurbelige Impfansichten medial ganz gut thematisiert wurden, müsste man Berthold wieder zum Stammspieler in der NM machen, um zu prüfen, ob der sich als Nationalspieler wirklich nicht für Schwurbelei oder Antisemitismus rechtfertigen müsste.

    Matthäus musste sich im übrigen zwar nicht für seine Berthold-Kontakte, sehr wohl aber für seine Russenkontakte rechtfertigen.

    Was den Rest betrifft: Dass wir uns bezüglich Özil nicht einigen, haben wir beide vorher gewusst. Wie gesagt: Wir sollten unsere Nerven schonen und es dabei belassen.

    „Özil wird als „gut integriertes“ Migrantenkind in seiner Jugend genug rassistische Erfahrungen gemacht haben und im Alter wurde es trotz WM-Titel nicht besser.“ Aber wenn Sie mir was zum Nachdenken liefern wollen, dann könnten Sie Özils rassistische Erfahrungen vor 2018 (ob als Kind oder als Weltmeister ist egal) anführen. Mir ist neben den Anfeindungen von türkischer Seite ein Untergriff eines NPD-Politikers in Erinnerung. Was gabs da noch?

  22. @Bernhard

    Die Anfeindungen von Özil begannen doch schon viel früher. 2012, als Özil in absoluter Topform war, gab es hinsichtlich der EM die mal mehr, mal weniger explizit vorgetragene Argumentationskette, dass er mit zu wenig Einsatz spiele, weil er die Nationalhymne nicht singt, er singt die Nationalhymne nicht, weil er sich nicht mit der Mannschaft identifiziert, er identifiziert sich nicht mit der Mannschaft, weil er kein richtiger Deutscher ist.

    Es geht ja nicht um inhaltlich geäußerte Kritik, wie sie Matthäus und Kimmich medial einstecken mussten. Es geht darum, dass beispielsweise die beiden nicht im Stadion bei jedem Auftritt übelsten Beschimpfungen ausgesetzt waren und ihnen nahegelegt wurde, das Land zu verlassen, weil sie hier nicht hingehören. Kroos wurde auch mal mangelnder Einsatz vorgeworfen. Deshalb war er aber kein Ziegenficker, der sich aus Deutschland verpissen soll.

    PS: Ich habe nie ganz verstanden, was an der Formulierung „Sinn machen“ so problematisch sein soll, und gebe mich mit der kleinen Analyse von Anatol Stefanowitsch zufrieden. https://www.sprachlog.de/2007/10/01/sinnesfreuden-i/

  23. Viele gute Kommentare. Sportereignisse sind sicher auch schön und spannend – Probleme aus einer komischen Sehnsucht nach Zwangsharmonie ausklammern hingegen: nö. Auch in einem „gespaltenen“ Land lässt sich leben, wenn einer den anderen in Ruhe lässt. Vorsicht vor Kulturkämpfen, die sind dämlich, können u.U. auch gefährlich werden.

  24. @Bernhard
    „„Auch ich will ganz sicher keine grauen Wölfe verteidigen. Wir könnten aber “
    Ich bin ja kein Rassist, aber…“

    Lese ich gerade zum ersten Mal. Ziemlich absurder Vergleich, selbst für Ihre Verhältnisse. Zunächst einmal geht es nicht um mich.
    Es gibt X-Abhandlungen darüber, wie es dazu kommt, dass Menschen sich radikalisieren. Bei Menschen, deren Vorfahren aus dem Nahen – und Mittleren Osten zu uns kamen, werden aber vorzugsweise kulturelle Inkompatibilitäten oder gleich genetische Unvereinbarkeiten aus dem Hut gezaubert, weil das allemal günstiger ist, als Probleme wie strukturellen Rassismus anzugehen und Chancengleichheit zu schaffen. Seit Jahrzehnten ist bereits klar, dass wir uns an den Kindern der Arbeitsmigrant:innen versündigen, in dem wir Integration als Bringschuld behandeln und nicht etwas, was in unser aller Interesse so leicht wie möglich gemacht werden sollte.

    Wenn das für Sie mit einem dummen Witz abgefrühstückt ist, dann verbrämen Sie das bitte nicht als Seriosität.

    Schön sind auch die Medienvertreter vorzugsweise des geschriebenen Wortes, die sich über sprachliche Lässigkeit echauffieren, während die mediale Revolution schon dabei ist, Ihr Berufsbild zu pulverisieren. Wenn Sie sonst keine Sorgen haben.

    Und ja, ich gebe es zu: Ich habe keine Ahnung von Nationalmannschaftsfußball, wenig von Fußball überhaupt ( verfolge nur die Spiele des FCSP ).

    Wenn wir schon dabei sind:
    Ich habe auch keine Ahnung vom Grillen oder von Autos.

  25. @#22, 23
    „Ich bin ja kein Rassist, aber…“ – wie Sie hier Sachen verdrehen, verkürzen oder sich dummstellen, ist unangenehm. Das alles und der viele Text nur, um ja nicht von Rassismus in Deutschland sprechen zu müssen. Es darf nicht sein, was nicht sein darf. Bei Grauen Wölfen und dem türkischen Nationalismus sind Sie der Super-Experte und haben sofort große Empathie für die, die drunter leiden. Aber dass Özil Opfer von etwas gewesen sein könnte? No way. Traurig

  26. @Matthias Dell
    Sicher gibt es in D. ein Rassismusproblem, sicher gibt zwischen Rassismus und Partypatriotismus eine große inhaltliche und personelle Schnittmenge, und selbst wenn es sie nicht gäbe, gibt es keinen logischen Grund, warum Partypatriotismus gegen Rassismus helfen würde; dennoch ist Özil kein besonders gutes, sondern eher ein besonders schlechtes Beispiel*.
    Selbst, wenn Fußballmeisterschaften ein besonders integrierendes Element hätten, würde das dadurch hintertrieben, dass sich ein deutscher Nationalspieler mit einem nationalistischen Politiker trifft, um Wahlhilfe zu leisten.
    Ich will den DFB nicht verteidigen, aber ein DFB-Funktionär, der sich beruflich mit Putin trifft, motiviert wenigstens niemanden, Putin zu wählen.

    *Oder evt. so: wenn sogar Rassismusopfer Özil nationalistisch ist, wie schlimm müssen erst die sein, die damit keinen schlechten Erfahrungen machen?

  27. @28
    Danke für den Link, der nicht wirklich Aufklärung bietet.

    Lange habe ich über Ihren Beitrag nachgedacht.
    Ich bin 1960 geboren und hatte im Jahr vor dem Abitur in Geschichte ausschließlich die Weimarer Republik und das Dritte Reich als Stoff durchgenommen. Ich habe zugehört und gelernt! 1978 erschien die amerikanische Serie Holocaust. Ich war von der Geschichte Deutschlands und den Verbrechen tief getroffen. Meine Generation hatte auch dank der 68er schon viel erfahren. 1979 war ich Aupair in Florenz und habe mit dem Signor der Familie viel diskutiert. Er war Mediziner, Professor an der Uni Florenz, also gebildet. Während er meinte, Mussolini sei doch nicht so schlimm gewesen, habe ich mich meiner Nationalität geschämt. Das hat mich mein Leben lang begleitet. Wir Deutschen dürfen unsere Geschichte nicht vergessen, wir tragen eine Verantwortung, dass sich das nicht wiederholt. Da sind sich hier sicher alle einig.

    2006 beim Sommermärchen haben mein Mann und ich uns zunächst geweigert, auch nur irgendetwas, was mit Schwarz-Rot-Gold zu tun hat, an unser Auto zu hängen, ins Gesicht zu malen oder umzuhängen. Unser 11jähriger Sohn hat das nicht verstanden. Er wollte einfach wie alle seine Freunde feiern, Trikots tragen und mit beflaggten Autos rumfahren. Letztendlich, ich gebe es zu, hat mein Mann nach dem gewonnenen Viertelfinale nachgegeben und auch eine Flagge fürs Auto gekauft. Wir haben also bei der „Sommermärchen-Besoffenheit“ mitgemacht. Ich bereue es nicht, wir haben in diesen Momenten nicht an das dritte Reich, den NSU, Rassismus und die mögliche Korrumpierbarkeit der Fußballfunktionäre gedacht. Es war nur schön! Ich möchte aber nicht eingemeindet werden in „die gesellschaftliche Gefühlslage, die auch gern Ruhe vor der Vergangenheit hätte.“ Dieser Satz stört mich massiv, denn er mag für Einige gelten, aber doch niemals für „d i e Gesellschaft“.

    Sie vermengen in Ihrem Beitrag sehr viele Themen, die natürlich auf den Tisch gehören:
    Die Öffentlich-Rechtlichen, was immer sie senden und warum. Der Profi-Sport, der, der Name sagt es ja schon, ein Beruf ist. Oft wird sehr viel Geld verdient, aber klar, er muss ja ernähren, der Beruf. Manche können davon schon unanständig gut leben. Die Rolle des Sports im dritten Reich. Die NSU-Taten und die undurchsichtige Rolle, die der BND, möglicherweise Politiker und Strafverfolgungsbehörden gespielt haben. Das Attentat in München, an das ich mich, zwölfjährig, erinnere. Überhaupt das IOC, welches seit Jahrzehnten korrupte Funktionäre hätschelt. Oder die Fifa, eine kriminelle Vereinigung. Diktatoren, die Spiele (Fußballweltmeisterschaft 2018, Olympia in China etc.) vereinnahmen und Spieler, die Diktatoren problemlos die Hand reichen (Özil und andere). Und der alltägliche Rassismus!

    Ich halte die Diskussion hier für unnütz und trage dennoch, Entschuldigung, jetzt auch noch dazu bei. Wer Übermedien abonniert hat, ist, so hoffe ich doch, politisch interessiert, gebildet und diskussionsfreudig. Sie verschwenden Ihr Potential, Herr Dell. Mir würde es viel besser gefallen, wenn Sie in Schulen, in Jugendgruppen, überall dahin, wo Kinder und Jugendliche sind, gingen und dazu beitragen, dass die Historie verstanden und nicht vergessen wird. Und historisch ist ja schon, was gestern war. Diskutieren Sie nicht darum, ob und warum Özil grauer Wolf wurde. Wir wissen es nicht, er hat es nie öffentlich gesagt. Aber wen interessierts? Wir müssen ins Gespräch kommen mit jenen jungen Leuten, die planen, eine rechtsradikale oder auch linksradikale Partei (radikal ist immer schlimm) zu wählen, die offen rassistisch und nationalistisch sind. Die jungen Leute, die Populisten mit den einfachen Wahrheiten aufsitzen, für die lohnt es sich, sich anzustrengen. Nicht für uns, die wir das alles intellektuell umfassen und uns ein bisschen an diesem oder jenem in Ihrem Beitrag stören. Das Sommermärchen, wenn es denn eine Wiederholung gibt, ist Mitte Juli vorbei – und alles beim alten, da gebe ich Ihnen recht. Wie können wir positiv etwas verändern?

  28. @#29

    „„Ich bin ja kein Rassist, aber…“ – wie Sie hier Sachen verdrehen, verkürzen oder sich dummstellen, ist unangenehm.“ Unangenehm ist, dass Sie hier einen von mir direkt an den speziellsten Teilnehmer im Kommentarbereich, den Meister des vorsätzlichen Missverstehens, aufgreifen und möglicherweise auf sich beziehen. Ich sehe nicht ein, warum für alle anderen höhere Diskussionsstandards gelten sollen, als für so eine Person.

    „Das alles und der viele Text nur, um ja nicht von Rassismus in Deutschland sprechen zu müssen.“ Ist Ihnen aufgefallen, dass ich keinerlei Kritik an Ihrem eigentlichen Text vorgebracht habe? Dass alles, was ich kritisiere, Ihr in Kommentar #7 gewähltes Beispiel ist? Aber wenn es Sie glücklich macht, dann behaupte ich jetzt: Wir brauchen nicht über Rassismus in Deutschland sprechen. Besser?

    „Es darf nicht sein, was nicht sein darf.“ Ich dachte, das heißt „Es kann nicht sein, was nicht sein darf.“?

    „Bei Grauen Wölfen und dem türkischen Nationalismus sind Sie der Super-Experte“ Ja, das habe ich behauptet.

    „Aber dass Özil Opfer von etwas gewesen sein könnte? No way.“ Dass Özil kein Opfer ist, das kann halt für Sie nicht sein, weil es nicht sein darf. So, jetzt haben wir beide unserem Gegenüber schön untergeschoben, was wir halt als passend empfinden. Eigentlich müssten damit jetzt alle glücklich sein, oder nicht?

    „Traurig.“ Dem stimme ich zu.

  29. Ich fasse zusammen: Nationalist*innen können nicht von rassistischer Diskriminierung betroffen sein und ungetrübt sommermärchenbesoffener Nationalismus ist noch lange kein Anlass, den Leuten ungetrübt sommermärchenbesoffenen Nationalismus zu unterstellen.

  30. @#31
    „Wie können wir positiv etwas verändern?“ Indem wir uns klarmachen, dass Party-Patriotismus ein frommer Wunsch ist. Ich hab doch gar nichts dagegen, Fußball zu gucken und für die Mannschaft zu halten, die einem am nächsten steht. Aber warum muss das alles so überformt werden, was ist das für ein Begehren, „stolz“ auf ein Land sein zu wollen? Warum sagt die eine Doku, wir haben ein Problem, und die andere interessiert das nicht, weil sie halt Nationalgefühl verkaufen will (ohne sich im klaren zu sein, was da alles dranhängt). Sie sind gegen den alltäglichen Rassismus, aber das, was Özil 2018 passiert ist, das interessiert sie nicht. Bei „besorgten Bürgern“ gibts ganz viel Verständnis, mit denen muss man reden, die werden von irgendwelchen Verhältnissen gezwungen, AfD zu wählen und die Demokratie kaputtzumachen. Aber Özil kann kein Opfer sein, weil er sich danach (nie: deswegen) an den Nationalismus und Graue Wölfe verloren hat. Das ist einfach nicht okay. Und das wird man ja noch sagen dürfen

  31. „Özil kann kein Opfer sein, weil er sich danach (nie: deswegen) an den Nationalismus und Graue Wölfe verloren hat. Das ist einfach nicht okay. Und das wird man ja noch sagen dürfen“
    Man darf alles sagen, muss aber Widerspruch ertragen. Ob er sich erst _nach_ seinem Treffen mit dem nationalistischen Präsidenten der Türkei an den Nationalismus „verloren“ hat, kann man nicht wissen.
    Mal etwas hypothetisch gefragt: ich gehe davon aus, dass zumindest einige seiner damaligen Mannschaftskameraden AfD-Wähler waren oder noch sind. Welche Reaktion hätten Sie erwartet, wenn einer von denen Fotos mit Gauland gemacht hätte? Glauben Sie, da wäre es eine (relavante) Verteidigung gewesen, dass das „besorgte Bürger“ seien, deren Sorgen und schwierige Verhältnisse man ernst nehmen müsse (und keine Millionäre, die mit ihren Hobby mehr Geld verdienen als die meisten andere Menschen mit ihren Jobs)?
    Oder wenn das Argument aufgekommen wäre, hätten Sie das akzeptiert?

  32. @Bernhard
    „von mir direkt an den speziellsten Teilnehmer im Kommentarbereich, den Meister des vorsätzlichen Missverstehens, aufgreifen und möglicherweise auf sich beziehen. Ich sehe nicht ein, warum für alle anderen höhere Diskussionsstandards gelten sollen, als für so eine Person.“

    Nun wird es aber albern.

  33. Diskussionen wie diese führen vor allem vor Augen, wie rückständig und ressentimentbeladen im deutschsprachigen Raum über Rassismus und Nationalismus gesprochen wird. Als wäre der Hinweis auf die Tatsache, dass Mesut Özil von rassistischer Diskriminierung betroffen ist, eine Unbedenklichkeitserklärung für den öffentlichen und privaten Menschen Özil. Und als wäre der Hinweis auf die Tatsache, dass in Deutschland täglich von allen möglichen wohlmeinenden und weniger wohlmeinenden Leuten rassistische und nationalistische Muster bespielt und reproduziert werden, ein unverzeihlicher persönlicher Affront. Aber was soll man erwarten in einem Land, in dem inzwischen zwar immerhin ständig über Rassismus geredet wird, die Mehrheit der Bevölkerung aber wahrscheinlich immer noch meint, dabei handele es sich um bewusst böswillige Diskriminierung aufgrund der „Hautfarbe“ und nichts weiter.

  34. @#35
    Aber bei „Widerspruch“ wäre es schon hilfreich, wenn der qualifiziert wäre. Ihr Posting zeugt von Lektürestand, Ahnungslosigkeit, und ihr tollstes Argument ist eine Hypothese im Konjunktiv. Mal nicht hypothetisch gefragt: Wollen Sie rumtrollen oder diskutieren?

  35. „Aber bei „Widerspruch“ wäre es schon hilfreich, wenn der qualifiziert wäre.“
    Widerspruch muss der widersprochenen Person nicht „hilfreich“ sein. Aber ich widerspreche ja nicht der Aussage, dass es Rassismus gäbe, insbesondere nicht im dt. Fußbal; Özil ist trotzdem ein denkbar schlechtes Beispiel, weil nicht nur die Art, wie man ihn behandelt hat, sondern auch die Art, wie er sich vorher verhielt, der Idee eines vereinenden statt trennenden Fußball zuwiderlief. Was Ihre Hauptaussage natürlich wiederum bestätigt.

    „Mal nicht hypothetisch gefragt: Wollen Sie rumtrollen oder diskutieren?“ Diskutieren.
    Ich werde keine Fußballfans gegen Rassismusvorwürfe verteidigen, aber ich werde auch Özil nicht wegen etwas in Schutz nehmen, dass ich bei jedem anderen Kadermitglied kritisieren würde. (Konjunktiv deshalb, weil es bis dato nicht vorkam, aber ich behaupte keineswegs, dass das nicht passieren könne.)

  36. Eines möchte ich hier zum Thema „Anekdotische Evidenzen“ noch schreiben:
    Solange diese Fragen kein Thema einer gut gestalteten und verantwortungsvoll ausgeführten Studie gewesen sind, bleiben uns idR anekdotische Evidenzen, bestenfalls noch aus erster Hand.
    In der Form von „Wir hatten auch Schwarzrotgold am Auto und in der Hand und haben trotzdem alle Gäste von Anderswo lieb angelächelt“ sind dabei rein mengenmäßig weniger auffällig und aussagekräftig als „2006 wurde hier in der Straße nach dem Ausscheiden des deutschen Teams die Außenbestuhlung des Italieners an der Ecke abgefackelt“ oder „2014 wurde nach einem public viewing auf dem Heilig Geist Feld die FCSP Fankneipe Shebeen um die Ecke von Faschos überfallen und unter Sieg Heil Rufen komplett entglast, während die Gäste versuchten sich innen vor den Scherben zu schützen“.
    2006 gab es die Hoffnung, wir hätten könnten eine Art positiven Nationalismus entwickeln und damit glänzen.
    Was ich während der Turniere danach bis heute gesehen habe und was allgemein in Deutschland an Rechtsruck zu beobachten ist, lässt mich nun einmal ganz erheblich daran zweifeln.

  37. „Widerspruch muss der widersprochenen Person nicht „hilfreich“ sein.“
    Das habe ich nirgendwo geschrieben. Bitte unterstellen Sie mir nichts, was ich nicht gesagt habe.

  38. @Matthias Dell:
    Wenn Sie nicht der Auffassung wären, dass Widerspruch hilfreich sein müsse, und dazu dann eben qualifiziert, würden Sie sich ja nicht beschweren.

    Ist aber egal, ich fand Partypatriotismus schon 2006 bestenfalls sinnlos, dementsprechend stimme ich Ihrer Kernthese des dt. Selbstbelügens vollinhaltlich zu, wenn Zustimmung von „unqualifizierten“ Menschen auch nicht hilfreich ist, ist das nicht meine Schuld.

  39. @#40

    Anekdotische Evidenz (dis)approved by Frank Gemein. Ich hau mich weg. :-D

    Beste Grüße nach St. Pauli!

  40. //34 „Was Özil passiert ist, interessiert Sie nicht“. Gut, Herr Dell, ich fühle mich herausgefordert!
    Vielen Dank an //14 für die Empfehlung des exzellenten Podcasts „Zu Gast bei Freunden“ über Mesut Özil. Die fast 5 Stunden habe ich mit wachsender Spannung gehört.

    Die beiden Podcaster mit Migrationshintergrund lassen sehr viele Menschen zu Wort kommen, die Mesut Özil quasi von Kindesbeinen an und später lange begleitet haben (der prägende Lehrer: Mesut ist ein feiner Kerl). Man wird erinnert an das Spiel Türkei gegen Deutschland 2010 in Berlin (90 minütiges Pfeifkonzert der türkischen Fans, übelste Beschimpfungen gegen Özil). Der Vater (der hat die falschen Berater), der Anwaltberater (der Vater hat ihn falsch beraten), Weggefährten, Fußballkollegen, Integrationsbambi u.v.m. Seine Karriere wird beleuchtet.
    Es entsteht der Eindruck eines außergewöhnlich talentierten Menschen, der sehr jung zu Geld und hohem Ansehen kam, durch unglückliche Wechsel seines Arbeitgebers unzufrieden wurde und am Ende seine gewohnte Leistung nicht mehr bringen konnte. Und der fast sein ganzes Leben lang nichts selbst entschieden hat, sondern über sich hat entscheiden lassen. Seine einst stolze Familie ist auseinandergebrochen, die beiden Söhne reden seit Jahren nicht mehr mit dem Vater. Das muss man einmal für sich allein betrachten. Dann kommt sein Migrationshintergrund hinzu. Welche Wechselwirkungen sind daraus entstanden? Was wäre ohne das andere nicht denkbar?

    Kesrau Behroz, der Podcaster, fasst das so zusammen: „Mesut Özil ist für mich jemand, der sein Leben lang zwischen zwei Stühlen saß und von beiden Stühlen verdrängt worden ist. Jetzt ist er in der Mitte und fragt sich, wohin er überhaupt gehört. Man darf die Leute allerdings auch nicht aus der Verantwortung ziehen. Wenn sich jemand mit einem Tattoo einer rechtsextremen und gewalttätigen Organisation zeigt, egal wie das in der Türkei wahrgenommen wird, muss er sich als Fußballer mit seiner Reichweite fragen, ob er damit assoziiert werden möchte“.

    Und jetzt zu Ihrem Satz, Herr Dell: „Aber Özil kann kein Opfer sein, weil er sich danach (nie: deswegen) an den Nationalismus und Graue Wölfe verloren hat?“
    Es ist reine Spekulation, ob sich Özil „deswegen“ an den Nationalismus verloren hat, den ihm übrigens die Grauen Wölfe in der Türkei gar nicht abnehmen, wie ich im Podcast gehört habe. Für die ist er leider kein Türke. Warum ist das Spekulation? Weil, so Behroz, Özil nie viel von sich als Mensch verraten hat. „Man weiß wahnsinnig wenig über ihn“. Er ist der Einzige, der sich im Podcast aktuell nicht äußert, es gibt nur wenige Interviews von früher, also vor 2018. Alle reden über Özil, nur er selbst hat fast nie über sich und seine Beweggründe, Gedanken, Wünsche außerhalb des Fußballs geredet und redet auch jetzt nicht.

    Und zum Abschluss noch ein Zitat aus dem Podcast. Ein in Deutschland geborener türkischstämmiger, damals Zwanzigjährigen war beim Berlinspiel 2010 dabei war und jubelte für die Türkei. Mit seinem zwanzigjährigen Ich verbinde ihn nicht mehr viel. Nationalstolz sei ihm heute fremd, sagt er heute. Aber damals: „Es war eine Abgrenzung von Deutschland. Wir fahren alle in die Türkei mit unseren Familien in Urlaub und stellen fest, dass wir gar keine Türken sind. Wir sind dort auch Ausländer. Aber im Fußball gab es manchmal eben Situationen, in denen man diese Eindeutigkeit vielleicht geschaffen hat, die einem im täglichen Leben gefehlt hat.“

    „Was ist das für ein Begehren, „stolz“ auf ein Land sein zu wollen?“ fragen Sie ausgerechnet mich. Da haben Sie eine von vielen Begründungen, zur Abwechslung mal nicht von einem immer mit einem Fuß im braunen Sumpf steckenden Deutschen? Und hören Sie sich doch bitte die letzte Episode an, wo die beiden selbst schwer von Rassimus betroffenen Podcaster darüber rätseln, ob Özil, der ohne jeden Zweifel besonders 2018 rassistisch übelst beleidigt wurde, als Vorzeige-Beispiel für Rassimus-Opfer taugt.

  41. @Berhard:
    Wie meist, inhaltlich sind Sie ja Granate!

    Anekdotische Evidenzen muss niemand „disapproven“.
    Wenn für Sie ausreicht, dass die Mehrheit sich nicht grob rassistisch und übergriffig benimmt, dann haben wir da eben grundsätzlich andere Ansichten.
    Das relativiert dann wohl alles, von Rostock Lichtenhagen bis zu brennenden Aufnahmeheimen.

    Das ist dann wohl in etwa so die Scarlett O’Hara, die als Zeitgenossin die Sklaverei als gar nicht so schlimm erlebt hat. ( Ich kennzeichne das mal als Sarkasmus. Man weiss bei Ihnen ja nicht so genau, ob Sie das von alleine mitbekommen ).

  42. @#45:

    „Anekdotische Evidenzen muss niemand „disapproven“.“

    Aber ich finds trotzdem gut, dass wir jemanden haben, der (in #40) die zur eigenen Position passende anekdotische Evidenz als „auffällig“er und „aussagekräftig“er einstuft als die gegenteilige. Dieser jemand stört sich auch GsD nicht daran, dass in seiner anekdotischen Evidenz im Vergleich zu Presseberichten (https://www.torial.com/tobias.johanning/portfolio/34830) HSV-Hooligans zu Faschos werden und sich Sieg-Heil-Rufe aus dem Nichts materialisieren. Was täten wir nur ohne eine solche Instanz…

  43. @Bernhard:
    Auch ohne Faschos halte ich das für ein deutlich besseres Beispiel von Fremdenhass im Fußball als die Geschichte mit Özil – wenn man schon Fußballfans des „falschen“ Stadt_viertels_ derartig hasst, wie viel mehr erst Menschen aus anderen Städten, Bundesländern, Staaten oder gar (WM!) Kontinenten?

  44. @#48:

    Kann schon sein, aber ich habe den (altmodischen, ich weiß) Anspruch, dass man in seinen Beispielen keine Faschos und Sieg-Heil-Rufe herbeiphantasiert.

    Wenn sich jemand entschließt, das zu tun, dann glaube ich alles, was diese Person von sich gibt, erstmal nicht.

  45. #47
    Jelly Jelly ist ein Song der Allman Brothers Band, veröffentlicht 1973 auf der LP „Brothers and Sisters“. Die Band stammt aus Macon/Georgia und war in den 60ern die erste „Combo“, die in den Südstaaten weiße und schwarze Bandmitglieder hatte. Sie wurde dafür angefeindet. Sie bestand bis 2014, der schwarze Drummer Jaimoe, Gründungsmitglied, war bis zu diesem Zeitpunkt immer noch dabei.

    Und jetzt Ciao zu dieser Disskussionsrunde, irgendeine (!) muss mal arbeiten.

  46. @JellyJelly:
    Das sind die Sprüche, auf die ich in einer erneuten 60h Arbeitswoche ganz besonders gut kann.
    Mein Job ist zu >90% an der Tastatur.
    Neben dem Coden tut dann eine Abwechslung mal ganz gut.
    Aber exakt weil ich so eingespannt bin, lese ich meine Kommentare nie Korrektur.

    @Bernhard: Das damalige Roccos ( wo die Bestuhlung 2006 brannte ) ist etwa 80 m und das Shebeen etwa 200m von meinem zuhause entfernt. Wir haben in der Nacht noch versucht Menschen zusammen zu trommeln und ich weiß sehr genau, was dort gebrüllt wurde.
    Auch wenn der freie Journalist das nicht in Erfahrung bringen konnte.
    Und dass Nazis unter den HSV Hools keine Seltenheit waren ( es ist etwas besser heute ) ist auch ein offenes Geheimnis.
    Sie aber klammern sich hilflos an jeden Strohhalm, um mich anzugreifen.

    Und das ist jämmerlich.

  47. @#49
    Danke für den Hinweis, der allerdings eine Unkenntnis bei der Bedeutung des Begriffs „Mansplaining“ erkennen lässt (die Sie mit Harald Martenstein verbindet – https://www.zeit.de/zeit-magazin/2024/12/harald-martenstein-literatur-womensplaning).
    Es geht beim Mansplainen nicht darum, dass ein Mann mehr redet als eine Frau. Sondern es geht darum, dass eine Person einer anderen Person etwas erklärt, was diese schon bzw besser weiß, weil die erklärende Person davon ausgeht, alles besser wissen (zumeist das Privileg, Entitlement von Männern), während die Person, der gerade etwas erklärt werden muss, ja unmöglich etwas wissen kann, was aus der Perspektive des privilegierten, entitleten Mannes die Frau ist. Das ist der Kern von Mansplaining, in der Ursprungsgeschichte von Rebecca Solnit, aus der der Begriff später hervorgegangen ist, war es sogar so, dass ein Mann Solnit auf einer Party das Buch erklären wollte, das Solnit selbst geschrieben hatte (https://www.zeit.de/kultur/2016-05/mansplaining-gender-sexismus-gleichberechtigung-linguistik/komplettansicht).
    Jetzt zeigt unser Beispiel also lediglich, dass auch Frauen mansplainen können, wenn mir JellyJelly den von ihr gerade gehörten Podcast nacherzählt, den ich kenne und verlinkt hatte, weil der neben anderen Lektüren zu meinen Überlegungen im Text geführt hat (wenn Sie einen anderen Begriff dafür haben, teilen Sie ihn gern).

  48. @#52:

    „ich weiß sehr genau, was dort gebrüllt wurde.“ Klar, du weißt ja auch sehr genau, dass JellyJelly eine garstige Rassistin sein muss:

    „In der Form von „Wir hatten auch Schwarzrotgold am Auto und in der Hand und haben trotzdem alle Gäste von Anderswo lieb angelächelt“ sind dabei rein mengenmäßig weniger auffällig und aussagekräftig“ (#40)

    Du weißt alles. Und das natürlich viel besser als andere.

    @uebermedien: Könnte man den Kommentarbereich irgendwie so umbauen, dass eine Ignore-Funktion zur Verfügung steht? Es wäre so dringend nötig…

  49. @Bernhard wieder mit der Nazikeulen-Keule.

    Ich habe niemanden einen Rassisten genannt.
    Es wird zunehmend billiger.

    Klar, Sie wollen eine Ignorier-Funktion. Das merkt man daran, wie bemüht Sie sind, das letzte Wort zu haben.

  50. Auch, wenn ich jetzt wieder gefragt werde, ob ich trollen will, aber den Link zum Podcast „Mesut Özil zu Gast bei Freunden“ (aus #14) habe ich im eigentlichen Text nicht gefunden, ebensowenig die Erwähnung der Causa Özil.
    Insofern kennt JellyJelly das tatsächlich nur aus dem Kommentar von Marc-Oliver, nicht aus dem Artikel zum Sommermärchen-„Selbst“betrug.

  51. #57 Mycroft: Sie haben recht!

    Zitat von #4 „Komischer, verrührter Beitrag“. Sehe ich genauso.
    Der Autor Dell fängt schon bei #6 an, jeden und jede abzufertigen und setzt damit den Ton. Es geht um sein Herzensthema, er hat sich doch so viel Stoff draufgeschafft und möchte jetzt unter keinen Umständen Meinungen, die zu seiner kritischen Meinung kritisch sind, hören.

    Ich bin in meinem Beruf Meinungs“führer*innen“ gewohnt, gern noch mit Begleiteigenschaften, die sich so ausdrücken: Streithähne und -hühner, Rechthaber*innen, Schlaumeier*innen, Überzeugungstäter*innen (es irrt sich immer der oder die Andere, nie man selbst) und Schuldzuweiser*innen (Ich schuld? Auf keinen Fall!). Und dann noch 25 Stunden am Tag auf der Palme Sitzende („Ich code 10 Stunden“ und klar muss ich mich danach an der Tastatur (immer noch besser als an Mitbewohnern!) abreagieren).

    Ich kann damit gut umgehen und bin entscheidungsfreudig, weswegen ich gestern das Übermedien-Abo gekündigt habe. Ich zahle nicht Geld, um zu lesen, wie sich Journalisten mit zementierter Meinung wegen eines mehr Fragen als Antworten übrig lassenden, von der eigenen Überzeugung der moralischen Überlegenheit besoffenen* Kommentars, von oben herab belehrend und komplett humorfrei gegenüber den eigenen Lesern auskotzen. Das bekomme ich, wenn es mich danach dürsten würde, minütlich kostenlos im Internet.

    *Ich passe mich dem Stil des Schlagabtausches hier, Diskussion würde ich das nicht nennen, an.

    #52 Frank: Lesen Sie nach dem Coden-Marathon gern heute Abend noch meinen Kommentar Korrektur. Danken Sie mir nicht, ich liefere diese Abwechslung gern für Sie!

  52. @#54

    „Es geht beim Mansplainen nicht darum, dass ein Mann mehr redet als eine Frau. Sondern es geht darum, dass eine Person einer anderen Person etwas erklärt, was diese schon bzw besser weiß“

    Weder die englische (https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Mansplaining&oldid=1231496314), noch die deutsche (https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Mansplaining&oldid=240382730#Definitionen) WP-Seite, noch die zahlreichen dort verlinkten Quellen zur Begriffsdefinition stützen diese Behauptung.

    Die Mehrzahl der Definitionen verlangt für „Mansplaining“ einen Mann als Sender (und eine Frau) als Empfänger.

    „Jetzt zeigt unser Beispiel also lediglich, dass auch Frauen mansplainen können“ Wie gesagt: nach der Mehrzahl der Begriffsdefinitionen (siehe die Links) ist das nicht möglich.

    Es steht Ihnen klarerweise frei zu versuchen, diesen (oder andere) Begriffe umzudefinieren und anders zu verwenden. Ich rate aber davon ab.

  53. @JellyJelly:
    „Und jetzt Ciao zu dieser Disskussionsrunde, irgendeine (!) muss mal arbeiten.“
    Auf diesen Satz von Ihnen habe ich geantwortet. Weil das so ein Klassiker ist, sich ins Recht zu setzen, weil man selber arbeite, und dabei mitschwingen zu lassen, andere täten das nicht.

    Ansonsten fand ich Ihre Beiträge eher uninteressant. Wenn nicht marginalisierte Menschen nicht Zeugen von Rassismus werden, ist das keine Nachricht, sondern banal.
    Und natürlich sind meine Beiträge hier ein Beweis meine Defizite, während die Ihren Ihre gelassene Überlegenheit glänzen lassen.

    Interessant wäre dabei die Erklärung, wie man ein Übermedien-Abo kündigt.

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