Holger ruft an (145)

Wäre ein Fall Assange auch in Deutschland möglich?

Foto: BILD

Julian Assange muss weiter bangen. Die womöglich letzten Anhörungen seiner Anwälte vor dem britischen High Court sind diese Woche über die Bühne gegangen, mit einer Entscheidung der Richter wird frühestens im März gerechnet. Im Falle einer Niederlage vor dem Gericht droht dem Wikileaks-Gründer die unmittelbare Auslieferung in die USA.

Der Fall Julian Assange bewegt und polarisiert seit vielen Jahren die Öffentlichkeit – und ganz besonders den Journalismus. Denn obwohl Branchenverbände und einzelne Medien deutlich ihre Solidarität bekunden, fällt es vielen Journalist*innen schwer, Assange als einen der ihren zu akzeptieren. „Dieser Mann ist ein Gefährder“ war diese Woche etwa ein Kommentar von Stefan Kornelius in der Süddeutschen Zeitung überschrieben. Immer wieder äußern daher Leser*innen und Zuschauer*innen den Eindruck, dass über Assanges Schicksal nicht „richtig“ berichtet würde, Medien also die Bedeutung und Schwere des Unrechts an dem Australier nicht deutlich und laut genug herausarbeiten würden.

Georg Mascolo hat 2010 als damaliger Chefredakteur des „Spiegel“ gemeinsam mit New York Times und Guardian Veröffentlichungen auf Basis von Wikileaks-Enthüllungen verantwortet. Er glaubt, dass Medien durchaus angemessen und intensiv berichten würden. Dennoch spricht auch er im Übermedien-Podcast von einem „Grenzfall“, da Assange ein Mensch gewesen sei, der „an Grenzen und darüber hinaus“ gegangen sei: „Deshalb gibt es in dieser Sache eben auch Dinge, die man als Journalist auf keinen Fall verteidigen möchte.“ Welche das sind und warum die Anklage der US-Justiz laut Mascolo dennoch jedes Maß überschreitet und eine Gefahr für die Pressefreiheit darstellt, hören Sie in dieser neuen Folge von „Holger ruft an“.

Es geht im Gespräch mit Host Holger Klein aber auch um die Frage, ob ein Fall Assange auch in Deutschland möglich wäre. Wie gut also der deutsche Staat diejenigen schützt, die mit geheimen Informationen an die Öffentlichkeit gehen. Denn auch das erst nach langer Verzögerung verabschiedete deutsche Hinweisgeberschutzgesetz schließt Angelegenheiten der nationalen Sicherheit explizit aus der Schutzwürdigkeit aus. Mascolo warnt entsprechend davor, den aktuellen Fall ausschließlich als typisch US-amerikanisches Problem zu sehen: „Journalismus war in Deutschland noch nie wirklich gut geschützt, wenn es um Staatsgeheimnisse ging. Auch bei uns ist das Eis außerordentlich dünn.“

Die ganze Folge „Holger ruft an … wegen Whistleblowing“ hören Sie hier:

(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)


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2 Kommentare

  1. Wenn ich den Namen Stefan Kornelius lese, assoziiere ich Atlantikbrücke, Josef Joffe und allmorgentlich frisch im Mainstream aufgewärmte Grausamkeiten vom 7.10.2023. Warum? Liegt sicher an mir, sorry.

  2. Laut Nils Melzer ist der Fall Julian Assange auch ein Justizskandal in Großbritannien, Ecuador und Schweden. Als damaliger UNO Sonderbeauftrager für Folter hat er sich mit dem Fall befasst und ist zu dem Schluss gekommen, dass Assange in Großbritannien gefoltert woren ist. Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Nils_Melzer#Befassung_mit_und_Stellungnahmen_zu_dem_Fall_Julian_Assange und sein Buch (2021: Der Fall Julian Assange – Geschichte einer Verfolgung. Piper Verlag, ISBN 978-3-492-07076-8.) Bei der Einordnung der Vorgänge lese ich über diese sehr wahrscheinliche Folter durch den Britischen Staat viel zu selten etwas. Schade, dass Holger das nicht gefragt hat, weil hier noch weitere Prinzipien eines Rechtsstaat zu verteidigen sind.

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