Verurteilter Doppelmörder

„Süddeutsche“ räumt fehlende Distanz zu Jens Söring ein – aber nur intern

Karin Steinberger umarmt Jens Söring
Karin Steinberger bei Jens Sörings Ankunft am Flughafen in Deutschland Screenshot: „ARD Crime Time“ / NDR

Die Leiterin der Seite 3 der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ), Karin Steinberger, hat intern Fehler im Umgang mit Jens Söring und seinem „Freundeskreis“ eingeräumt. Die Journalistin hatte viele Jahre lang in der Zeitung über das Schicksal des Deutschen berichtet, der 1990 in den USA wegen des Mordes an den Eltern seiner damaligen Freundin zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt wurde. Außerdem drehte sie einen viel beachteten Dokumentarfilm über den Fall. Als in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) 2019 ein Artikel des amerikanischen Anwalts Andrew Hammel erschien, der Sörings Unschuldsbeteuerungen als Lügen abtat und auch Steinbergers Publikationen kritisierte, half sie Sörings Unterstützern im Geheimen, einen Leserbrief zu formulieren, der die Aussagen scharf angriff.

Sie habe die journalistische Distanz eindeutig nicht gewahrt und Grenzen klar überschritten, sagte sie nach Angaben mehrerer Teilnehmer am Montag in einer Redaktionskonferenz der SZ. Dieser Fehler tue ihr leid, dafür wolle sie sich entschuldigen.

Steinberger bezieht sich konkret auf mehrere Mails, in denen sie die Gruppe von Sörings Unterstützern beriet, wie sie am besten auf den FAZ-Artikel reagieren sollten. Sie schrieb zum Beispiel, „dass wir den jetzt unwidersprochen dastehenden Behauptungen und z.T. Falschaussagen von Hammel etwas entgegenstellen müssen“, und bot sich als Expertin an, wie andere Medien am besten überzeugt werden können:

„Bitte alles auch an mich nochmal schicken, ich weiß, wie die Branche tickt und was jetzt fatal wäre. Bitte gerne alles mit mir absprechen, wir dürfen da jetzt wirklich keine Fehler machen. Und: In keinem Brief dürft ihr oder wir erwähnt werden, das ist auch sehr wichtig!“

Sie mahnte:

„Und dann sollten wir alle drei alle Mails, in denen wir die Leserbriefe hin- und herschicken bitte ganz unbedingt alle löschen.“

Sowie:

„Und wie gesagt, lass uns alle Mails wegschmeißen, sobald das getan ist, ok?“

Neue Dokumentationen, alte Vorwürfe

Dass sie solche Mails geschrieben haben soll, ist schon länger bekannt: Wir haben darüber im Februar 2022 bei Übermedien berichtet. Der NDR hat in seiner „Zapp“-Dokumentation „Jens Söring: Medienkarriere eines Mörders“ und in dem Dreiteiler „Mord. Macht. Medien. Der Fall Jens Söring“ in der vergangenen Woche erstmals Auszüge aus einigen der Mails im Wortlaut veröffentlicht.

Steinberger wollte sich zu diesen Nachrichten und dem Vorwurf, ihre journalistische Distanz zu Söring verloren zu haben, aber nie öffentlich äußern. Weder gegenüber dem NDR für die aktuellen Dokumentationen, noch damals gegenüber uns. Wir hatten Karin Steinberger im Februar 2022 unter anderem gefragt:

Uns liegen Hinweise vor, wonach Sie im Hintergrund eng mit dem sogenannten „Freundeskreis“ zusammengearbeitet haben sollen. Stimmt es, dass Sie beim Formulieren eines Leserbriefs an die FAZ Ende 2019 mitgearbeitet haben, der auf Vorwürfe von Andrew Hammel antwortete? Wenn ja, warum haben Sie das nicht öffentlich transparent gemacht – es ging ja auch um Kritik an Ihrem Film?

Haben Sie gemeinsam mit dem „Freundeskreis“ im Hintergrund nach Wegen gesucht, Hammel als Person in Frage zu stellen und in seiner Berichterstattung zu stoppen? Wäre ein solches Verhalten Ihrer Meinung nach mit Ihrer Rolle als Journalistin vereinbar?

Stimmt es, dass Sie Mitglieder dieses „Freundeskreises“ aufgefordert haben, E-Mails über diese Vorgänge zu löschen? Wenn ja, warum?

Steinberger stellte ihre Sicht auf die Vorgänge zwar in einem einstündigen Telefongespräch dar – allerdings nur unter der Maßgabe, nichts davon zu veröffentlichen. Auch mit der Autorin der „Zapp“-Dokumentation hat sie lange gesprochen – aber auch sie durfte nichts davon verwenden.

SZ-Chefredaktion gibt sich ahnungslos

Eine Stellungnahme bekam der NDR schließlich von der Chefredaktion der SZ, die allerdings viele Fragen unbeantwortet ließ. Auch zu den Mails wollte sie sich nicht konkret äußern: Sie betrachte die Mails, die Karin Steinberger verfasst habe, als privat – sie seien der Chefredaktion nicht bekannt: „Die SZ-Chefredaktion nimmt grundsätzlich keinen Einblick in Mails von Mitgliedern der Redaktion.“

Das betonte SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach auch in der Redaktionskonferenz. Er sagte außerdem, man habe zu den Mails nichts gesagt, weil man sie nicht gekannt habe: Ihr Inhalt sei der Chefredaktion erst durch die Ausstrahlung des Filmes bekannt geworden.

Dem widerspricht der NDR: Er gibt an, die SZ Chefredaktion vor Veröffentlichung mit dem Inhalt der Mails konfrontiert zu haben. Die SZ-Chefredaktion sei darauf in ihrer Antwort nicht eingegangen.

In der Redaktionskonferenz sagte Krach nun, die Mails von Steinberger seien ein Fehler gewesen: Die Reporterin sei nicht mehr unvoreingenommen gewesen. So schildern es mehrere Teilnehmer gegenüber Übermedien.

„Damit kam alles ins Rollen“

Einen wesentlichen Teil der Kritik aus den NDR-Dokumentationen weist die SZ-Chefredaktion allerdings auch intern zurück: Man habe in den Artikeln zum Beispiel, anders als suggeriert werde, nie behauptet, Jens Söring sei unschuldig. Und der Dokumentarfilm „Das Versprechen“, den Karin Steinberger 2016 gemeinsam mit Marcus Vetter drehte, sei Steinbergers Privatsache.

Der Film verschaffte Sörings Fall zusätzliche Aufmerksamkeit. Er dokumentierte zahlreiche (angebliche) Ungereimtheiten in dem Prozess und weckte Zweifel an seiner Schuld – oder mindestens an der Rechtmäßigkeit seiner Verurteilung. Sie bescherte Söring neue Unterstützer.

Karin Steinbergers Berichte haben die Wahrnehmung Sörings als Justizopfer in Deutschland maßgeblich geprägt. Erstmals verfasste sie Anfang 2007 eine Seite-3-Geschichte in der SZ über ihn – die Überschrift: „Vergessen hinter Gittern“. Vergessen war er danach nicht mehr. 2012 schrieb Steinberger, wieder in der SZ, über die Wirkung ihres eigenen Artikels: „Damit kam alles ins Rollen“. Unterstützter taten sich zusammen, die von Sörings Unschuld überzeugt waren. Es fand sich der „Freundeskreis“ zusammen, mit dem Steinberger ausweislich der Mails aus dem Jahr 2019 in einer Weise kommunizierte, die den Eindruck erweckte, sie verstehe sich selbst als Mitglied.

Dieser „Freundeskreis“ arbeitete in enger Abstimmung mit Söring daran, dass sein Fall – und seine Unschuldserzählung in der Öffentlichkeit präsent blieben. Er fand auch zahlreiche prominente und politische Unterstützer. Deren Druck auf die amerikanischen Behörden dürfte wesentlich dazu beigetragen haben, dass Söring nach insgesamt 33 Jahren im Gefängnis Ende 2019 auf Bewährung entlassen und nach Deutschland abgeschoben wurde – ausdrücklich nicht wegen Zweifeln an seiner Schuld.

12 262 Tage
Der Deutsche Jens Söring wurde in den USA für einen Doppelmord verurteilt, den er immer bestritten hat. Seit mehr als 33 Jahren sitzt er in Haft. Jetzt hat er erfahren, dass er bald ein freier Mann sein wird

„Ach, Gott!“
So also fühlt sich Freiheit an.
Jens Söring, verurteilt für einen Doppelmord, den er immer bestritten hat, ist nach
33 Jahren Haft zurück in Deutschland
Die beiden letzten Söring-Artikel von Karin Steinberger. Anders als sie immer wieder schrieb, hat Söring den Doppelmord nicht „immer bestritten“, sondern zunächst detailliert gestanden. Ausrisse: SZ, 27.11.2019 und 18.12.2019

Panik und Paranoia

Über viele Jahre dominierten Medienberichte im Sinne Sörings die öffentliche Meinung – bis 2019 plötzlich aus dem Nichts Rechtsanwalt Andrew Hammel auftauchte und in der FAZ wort- und detailreich Sörings Unschuldserzählung widersprach. Das löste wohl im Freundeskreis nicht nur Verwunderung, sondern auch Angst aus, um wen es sich bei Hammel tatsächlich handelte. Eine ehemalige Unterstützerin Sörings sagt, Steinberger sei damals „sehr panisch“ gewesen.

So soll auch Steinberger in der SZ-Redaktionskonferenz ihre Aufforderungen erklärt haben, alle Mails zu löschen, was sich wie ein Eingeständnis liest, hier unlauter gehandelt zu haben: Es sei zum Beispiel nicht klar gewesen, ob Hammel in Wahrheit jemand ganz anderes und extrem gefährlich sei. Sie sei sehr paranoid gewesen.

Für ihr internes Eingeständnis, einen Fehler gemacht zu haben, wird Steinberger von SZ-Kollegen gelobt. Gleichzeitig gibt es offenbar einige in der Redaktion, die sehr unzufrieden sind mit dem Agieren und dem Krisenmanagement der Zeitung – die, nicht zum ersten Mal, wirke, als kommuniziere sie wie irgendein großer Konzern, der als Reaktion auf kritische Journalistenfragen nur mauert.

Einig ist man sich in der Redaktion, dass die „Zapp“-Doku einen verheerenden Eindruck vom Verhalten der SZ erwecke. Inwieweit das selbstverschuldet oder ungerecht war, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Das Unvermögen, in eigener Sache zu kommunizieren

Bemerkenswert – und typisch für Medienunternehmen im Allgemeinen und die SZ im Besonderen – ist jedenfalls das Unvermögen, in eigener Sache zu kommunizieren. Für die SZ scheint die Berichterstattung über Jens Söring einfach beendet zu sein. Zuletzt erschien im Dezember 2019 ein Bericht von Karin Steinberger über Sörings Ankunft in Deutschland. Aufnahmen in dem „Zapp“-Film zeigen sie am Flughafen auf der Seite seiner Unterstützer – nicht als Teil der großen Journalistenmenge ihnen gegenüber. Steinberger wird kurz von Söring umarmt.

Seitdem hat die SZ nicht mehr über Söring geschrieben. Nicht über über die immer noch an vielen Stellen geführten Diskussionen über Indizien, die für oder gegen Sörings Unschuld sprechen, nicht über den Söring-kritischen Podcast „Das System Söring“ von 2022 und bislang auch nicht über die ARD-Dokumentation, den „Zapp“-Film oder eine Netflix-Dokumentation, die auf die Frage, ob Söring oder seine damalige Geliebte deren Eltern umgebracht haben, zu dem originellen Schluss kommt, womöglich seien es beide gemeinsam gewesen.

Es ist bezeichnend, dass Steinberger die Vorwürfe durch Andrew Hammel zwar unbedingt nicht unwidersprochen stehen lassen wollte – aber ihnen nicht mit offenem Visier widersprach. Dass sie über den Fall und ihre Berichterstattung nicht öffentlich redet. Dass sie und die Verantwortlichen der SZ sich nicht offen den Fragen von Journalisten stellen, sondern, wenn überhaupt, nur Statements verschicken. Dass es trotz der wachsenden öffentlichen Aufmerksamkeit für die Rolle der SZ bis heute keine eigene Aufarbeitung gibt: Es wäre ja nicht nur eine Möglichkeit, eigene Fehler gegenüber den Leserinnen und Lesern einzuräumen, und nicht nur gegenüber den Kollegen. Sondern auch, die eigene Arbeit zu verteidigen: als engagierten, fast anwaltschaftlichen Einsatz für einen Mann, dessen Freilassung nach über 30 Jahren Gefängnis man auch dann begrüßen kann, wenn man ihn nicht für unschuldig hält.

Offenlegung: Ich tauche in den NDR-Dokumentationen als Gesprächspartner auf und kritisiere darin das Verhalten Steinbergers.

Nachtrag, 15. November. Die SZ hat sich nun doch auch zu einer öffentlichen Entschuldigung durchgerungen. Gegenüber dem NDR-Medienmagazin „Zapp“ sagte Chefredakteur Wolfgang Krach:

„Wenn man die Mails liest, dann muss man sagen, dass sie zumindest zum Ende der Recherche nicht mehr die nötige journalistische Distanz hatte zu Jens Söring. Auch nicht zu dem Freundeskreis. Das ist ein Fehler, ganz klar. Und ein Fehler, der ihr heute leidtut. Uns als Chefredaktion genauso. Ein Fehler, für den ich als Chefredakteur nur sagen kann: Ich bitte unsere Leserinnen und Leser um Entschuldigung. Das sollte nicht vorkommen.“

Karin Steinberger sagte zu „Zapp“:

„Die Mails, die in Ihrer Sendung gezeigt werden und in denen ich die journalistische Distanz zu Söring und dem so genannten Freundeskreis nicht gewahrt habe, waren ein Fehler. Nach meiner jahrelangen Recherche zu dem Thema und nach unzähligen Gesprächen mit Experten, Ermittlern und mit dem Fall Vertrauten sind in den genannten Mails Grenzen überschritten worden. Dafür bitte ich um Entschuldigung.“

8 Kommentare

  1. Na klar, inhaltlich ist in dem Text natürlich alles richtig. So arbeiten Journalisten nicht. Dennoch ist mir die Haltung zu streng.. Auch Journalisten sind Menschen, fiebern mit, leiden mit, sind über das betroffen, über was sie berichten. Der Text feiert das hohe Gut der Neutralität ab. Das ist mir zu einfach.
    Ich stand und stehe mein ganzes Journalistenleben für einen Journalismus mit Haltung und mit Werten. Ich bin dennoch ein guter Journalist und auf meinem Weg erfolgreich.
    In all den Jahren bin ich immer wieder von Menschen über die ich berichtet habe, um Rat gebeten worden. Selbstverständlich habe ich oft Auskunft gegeben, was auch meiner Sicht gut lief, schlecht war oder besser laufen sollte. Damit bin ich ganz sicher nicht der einzige. Ich finde das in Ordnung.
    Wenn die SZ-Kollegin von der Unschuld Sörings überzeugt war, darf sie das kundtun, also auch schreiben. Sie darf es auch gegenüber dem Freundeskreis äußern. Alles andere ist mir zu evangelisch streng. Ihr dann noch vorzuwerfen, dass sie nach seiner Freilassung nichts mehr berichtet hat, ist doch absurd. Wenn sie berichtet hätte, wäre es genauso kritisiert worden.
    Deshalb, KollegInnen, lasst die Moralkeule im.Kofferraum, packt euch an die eigene Nase. Wer wirft den nächsten Stein..

  2. @Martin Busche: Der Text feiert gar nicht das hohe Gut der Neutralität. Ich glaube durchaus, dass ein Journalismus legitim ist, der sich für bestimmte Anliegen oder Personen einsetzt, selbst wenn das zu einer gewissen Einseitigkeit führt. Und natürlich ist da ganz viel Grauzone, wie man im Hintergrund mit Leuten kommuniziert, über die man berichtet und deren Anliegen man teilt.

    Wo genau die Grenze liegt, darüber kann man gut und lange streiten. In der Art, wie Karin Steinberger aber im Geheimen daran arbeitete, einen plötzlich auftauchenden unbequemen Kritiker (wohlgemerkt auch ihrer eigenen Arbeit) zu diskreditierten, sehe ich aber eine eindeutige Grenzüberschreitung. Und Steinberger anscheinend ja selbst inzwischen auch.

    Dass sie über den Fall nicht mehr berichtet hat, werfe ich ihr gar nicht vor. Aber dass für die SZ das Thema insgesamt nun anscheinend Tabu ist, finde ich schon eher unglücklich.

    Das finde ich das eigentlich Enttäuschende: Dass die SZ sich einer ernsthaften öffentlichen Diskussion über ihre Arbeit, über die Fehler, die Grauzonen und die Nicht-Fehler, verweigert.

  3. Schön balanciert der letzte Satz: „dessen Freilassung nach über 30 Jahren Gefängnis man auch dann begrüßen kann, wenn man ihn nicht für unschuldig hält.“

    Das meine ich nicht ironisch. Söring wäre in Deutschland – wahrscheinlich nach Jugendstrafe – zu maximal 10 Jahren oder sonst 15 Jahren verurteilt worden und heute frei.

    Dass er so wenig einsichtig ist, wäre zwar keine gute Prognose. Dennoch, er wäre frei.

    (Habe einen Doppelmörder begleitet. Der bekam 15 Jahre, DDR Stafrecht, und saß das dann nach Wiedervereinigung in verschiedenen Strafanstalten ab. Er bereute allerdings (glaubhaft!) was er tat, leugnete es nicht, tat Dinge, um wieder gut zu machen und tut es noch bis heute. Die Sicherungsverwahrung, die beantragt wurde, wurde abgelehnt.)

  4. #1
    Nee, sorry, eine saubere Fehlerkultur gehört nun mal zur Presse und auch zur persönlichen oder journalistischen Integrität!

    Wenn ich mich meinen Fehler nicht stellen kann und nicht transparent und ehrlich mit ihnen umgehe, verspiele ich jedes Vertrauen. Und Vertrauen in journalistische Arbeit und die SZ wird hier verspielt.

    Eine renommierte Journalistin, zusammen mit einer renommierten Zeitschrift, verspielen Vertrauen, weil sie völlig unfähig sind, transparent und offen mit ihren Fehlern umzugehen. Das trägt dazu bei, dass Misstrauen in Medien zunimmt!

    Ist eine Zunahme an Misstrauen und die Erosion von Vertrauen ernsthaft gewünscht? Hilft das der Gesellschaft weiter?

    Bezüglich Fehleraufarbeitung hat der Spiegel wesentlich besser reagiert und ein gutes Vorbild gegeben – mit dem Fall Relotius meine ich natürlich!

    Diese Kritik, gerade in diesem Fall und ganz generell, finde ich absolut notwendig und gerechtfertigt!

    Wenn man Menschen mit korrekten Informationen, im Sinne der Aufklärung, erreichen will, ist Vertrauen die wichtigste Basis. Sie wird durch eine fehlende Fehlerkultur, Intransparenz und Machtmissbrauch zerstört.

    Mal abgesehen davon, sehe ich hier auch noch einen Fall von Machtmissbrauch. Hier wurde ihre Macht missbraucht, um einen Kritiker mundtot zu machen und (mehr oder weniger) zu verleumden – zumindest aber, zu diskreditieren. Das ist Machtmissbrauch.

    Und nein, ich finde das nicht hypermoralisch oder evangelisch. Ich bin im Bereich Aufklärung zu Missbrauch aktiv und weiß, wie wichtig die Währung des Vertrauens ist, wie schnell man das verspielt und wie viel Chaos und emotionaler Aufruhr entstehen, wenn Menschen einem nicht vertrauen können, weil man das Vertrauen zerstört.

  5. Exzellenter Artikel, wie so oft! Bezeichnend, dass die SZ lange nicht mehr berichtete. Reflexion in der Chefredaktion scheint mir stark abgenommen haben, die Fehlerkultur wirkt angesvlagen – auch bei anden Themen der letzten Jahre.

    (Kleiner Tippfehler: „Unterstützter“)

  6. @Martin Busche (#1): Ich überlege noch, ob ich Ihnen wegen des „evangelisch streng“ einen Strick drehen möchte.
    Ok, Sie finden es also in Ordnung, eine Geschichte auszuschlachten und weiter zu treiben über Jahre hin weg, bis einer kommt und dir sagt, du erzählst gequirlte Scheisse. Hups. Und dann finden Sie es weiter in Ordnung, dass in Ihrem Blatt/Medium, die Sache totgeschwiegen wird, weil Sie wissen, das die gesamte Geschichte nicht auf der Realität basiert.
    Tja, da finde ich es echt gut, das Sie sich für einen guten Journalisten halten.
    Das mit dem „evangelisch streng“ nehme ich Ihnen doch wohl ein wenig übel.

  7. Wie die SZ – seit langem meine Stamm-Tageszeitung – in dieser Angelegenheit agiert, schmerzt geradezu körperlich. Umso mehr, als sich ein mindestens ungeschickter, wenn nicht sogar grenzüberschreitender Journalismus und eine dürftige Kommunikation in eigener Sache in den letzten Jahren gehäuft hat – zuletzt etwa in Sachen Aiwanger-Skandal. Ich kann Stephan Niggemeiers wie immer brillanter Analyse nur uneingeschränkt zustimmen. Die SZ-Chefredaktion hat nach dem Ausscheiden von Klaus Kister leider erkennbar an Format verloren, und dass sie eine „Kampagnenberichterstattung“ auf der renommierten Seite 3 – ausgerechnet von deren Chefin! – und deren nicht offengelegte persönliche Nähe zu Söhring faktisch unkommentiert lässt, ist schon erschütternd. Wie soll denn Frau Steinberger noch für kritisch-distanzierten Journalismus, umfassende Recherche und Transparenz auf der von ihr verantworteten Seite 3 stehen? Und kommt es womöglich nicht von ungefähr, dass in den letzten Jahren so viele hochqualifizierte, renommierte Redakteurinnen und Redakteure die SZ verlassen haben? Man muss sich inzwischen doch ernsthafte Sorgen um diese doch eigentlich ganz und gar unentbehrliche Tageszeitung machen…

  8. Ist doch stets richtig, wenn klar getrennt wird, wo sachliche Berichterstattung „neutral“ vorliegt und wann dazu eine kommentierende Wertung vorliegt.
    Meinungsfreiheit gemäss Art. 5 garantiert das bekanntlich.

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