In München ist seit vergangener Woche wieder „o’zapft“! Und was tragen die feschen Buam und Madl auf der Wiesn? Freilich: Lederhosn und Dirndl! Wer ein bisschen mehr Diridari hat, geht in der Hirschledernen der Firma Meindl.
Dieser Luxus-Trachten-Trend hat sich bis nach Hamburg herumgesprochen, wo beim „Spiegel“ vergangene Woche ein Interview mit dem Meindl-Chef Markus Meindl erschienen ist. Unter der zünftigen Überschrift „Früher hatten mehr Mannsbilder noch einen sauberen Bierbauch“ darf Unternehmer Meindl ausführlichst erzählen, was den „besonderen Reiz“ so einer Lederhose ausmacht und warum seine Luxus-Trachten viel besser sind als das ganze billige Plastik-Zeug aus dem Supermarkt.
Wer sich mal anschauen will, wie flott so ein „Mannsbild“ im Meindl-Outfit daherkommt, kann das auf der Instagram-Seite des „Spiegel“-Autoren tun, der das Interview mit dem Meindl-Chef geführt hat. Denn Andreas Haslauer, der für den „Spiegel“ als freier Autor tätig ist, ist gleichzeitig Herrenmodel. Auch auf seinem Profil bei der Model-Agentur sind die Bilder von ihm in Meindl-Tracht zu sehen. Unter seinen Instagram-Posts hat er die Firma Meindl verlinkt und schreibt: „Auf geht’s!“ und „Wiesen 2023“.
Ja, Zefix! Des is’ doch a sauberer Interessenkonflikt?! Wer glaubt denn da noch, dass der Journalist Andreas Haslauer dem Meindl-Chef kritische Fragen stellt, wenn das Model Andreas Haslauer gleichzeitig in dessen Tracht posiert?
Wir haben beim „Spiegel“ nachgefragt, was sie zur Doppelrolle ihres Autors sagen – und ob die Redaktion überhaupt davon wusste. Diese ergänzte, nachdem der Text bereits veröffentlicht war, einen Hinweis:
(Was ein bisschen so klingt, als könnten sie das selbst nicht glauben. Und es wird natürlich auch nicht ganz klar, ob „keine Vergütung“ die Bezahlung in Hirschlederhosen ausschließt.)
Der „Spiegel“ antwortete uns:
„Andreas Haslauer arbeitet als freier Journalist und als Model. Er hat uns gegenüber stets versichert, dass er diese beiden Aufgaben strikt voneinander trennt. Da durch aktuelle Instagram-Posts ein anderer Eindruck entstehen kann, haben wir uns entschlossen, sein Interview mit Markus Meindl mit einem Transparenzhinweis zu versehen.“
Außerdem teilte der „Spiegel“ uns mit, dass man nun weitere Beiträge Haslauers prüfe.
„Trenne immer alles“
Auf Übermedien-Anfrage betont Haslauer, er habe „keinen einzigen Euro für das Meindl-Shooting erhalten“. Das sei mit seinen journalistischen Standards auch nicht zu vereinbaren. Er trenne immer alles „pedantisch, akribisch“. Die Fotos habe er gemacht, weil er neue Trachtenfotos für seine Sedcard gebraucht habe. Haslauer erklärt:
„Kunden können sich Models und Schauspieler oft nicht vorstellen, wenn sie dieses oder jenes Foto nicht von einem sehen. Wenn man also keine Bilder in einem weißen Arztkittel hat, dann ist die Chance, als Arzt gebucht zu werden, sehr niedrig. (…) Nun habe ich – zumindest hoffe ich das – bessere Chancen, sollte mal ein Trachtenshooting anstehen.“
Auch wenn Haslauer kein Geld als Meindl-Model bekommen hat, zieht er aus dem Shooting also mindestens den Vorteil, dass er nun Trachtenfotos für seine Sedcard hat, über die er wiederum neue Aufträge als Model generieren kann. Und wenn der Meindl-Chef im „Spiegel“ erzählt, dass der Hirsch ein „erfülltes Leben“ hatte und die Hose, die man aus seinem Leder genäht hat, „eine tolle Passform“ und „wunderschöne exklusive Handstickereien“ hat, dann klingt das ohnehin schon sehr werblich. Aber es klingt noch mehr nach Werbung, wenn man weiß, dass der Autor sich in Meindl-Tracht professionell fotografieren lässt.
Doch Haslauer sieht da keinen Interessenkonflikt. Den „gab und gibt es nicht, weil ich nicht das Werbegesicht bin“, schreibt er auf unsere Anfrage. Es sei weder eine Kampagne für das Unternehmen noch ein Katalog-Shooting gewesen. Sondern einfach nur ein Shooting für seine Fotomappe als Model?
Keine Kampagne?
Die Fotos von Haslauer in Tracht sind tatsächlich weder auf den Sozialen Medien des Unternehmens zu finden, noch im Online-Shop. Dafür findet man auf dem Instagram- und dem Youtube-Kanal von Meindl ein schickes Image-Video, das die Firma zusammen mit der Automarke Bentley produziert hat. Darin fährt Haslauer in einer grünen Limousine vor einem Schwabinger Luxushotel vor. Er trägt Meindl-Tracht, und das Damen-Model, das mit ihm im Video anschließend auf der Hotel-Dachterasse mit Blick über Bayerisch Monaco Aperol Spritz trinkt, ist Daniela Meindl, die Ehefrau von Markus Meindl.
In einem anderen Video der Firma Meindl interviewen Daniela Meindl und Andreas Haslauer gemeinsam den Festwirt und Inhaber des Paulaner am Nockherberg, Christian Schottenhamel. Wobei das eher ein Monolog Schottenhamels ist als ein Interview. Meindl und Haslauer sitzen als Stichwortgeber daneben auf der Bierbank, trinken aus Steinkrügen und sehen fesch aus.
Und in einem weiteren Video chauffiert Daniela Meindl Andreas Haslauer mit dem Bentley in den Paulaner-Biergarten. Darin ist den Machern ein lustiger Continuity-Fehler unterlaufen: Denn nachdem Daniela Meindl vor dem Hotel noch auf der Fahrerseite eingestiegen ist, steigt sie im Paulaner-Biergarten plötzlich auf der Beifahrerseite wieder aus. Wurscht.
Auch wenn das alles semi-professionell gemacht ist: Was soll das denn anderes sein als eine Werbekampagne?
Noch mehr Vermischung
Ehemalige Kollegen vom „Focus“, wo Haslauer von 2010 bis 2017 Leiter des Sportressorts war, sind von solchen Verquickungen nicht überrascht. Hört man sich ein bisschen um, wird klar, dass es auch beim „Focus“ schon mehrere Kollegen gab, die mit Haslauers Definition von Journalismus und den vielen Produkten, die er in die Redaktion bekommen haben soll, nicht ganz glücklich waren.
Der „Hasi“, so nannten sie ihn beim „Focus“, sieht das halt anscheinend alles einfach ein bisschen lockerer.
Das Interview mit dem Meindl-Chef ist übrigens nicht der einzige „Spiegel“-Text gewesen, bei dem die Grenze zwischen Model Haslauer und Journalist Haslauer verschwimmt. Im vergangenen Sommer veröffentlichte das Nachrichtenmagazin eine Reportage von Haslauer über einen Segeltörn in Kroatien. Auf der Seite des Reeders, auf der die Yacht und die Bootstour angepriesen werden, ist Haslauer auch auf Werbefotos zu sehen. Darunter ist sogar das Foto, das der „Spiegel“ als Aufmacherbild verwendet.
Haslauer erklärt dazu: „Bei der Pressereise wurden – wie fast immer – Bilder gemacht. Ich habe dem Reeder erlaubt, diese zu benutzen.“
Nun sind Pressereisen ja schon so eine Sache: Journalisten werden, meist auf Kosten von Agenturen oder Hotels, eingeladen und schreiben dann über ihre Reise. Als wäre das nicht schon Grauzone genug, findet Haslauer das also auch noch ok, als Model auf Werbefotos des Veranstalters aufzutauchen und die Fotos darüber hinaus auch noch für seine Sedcard zu verwenden.
Haslauer schrieb beim „Spiegel“ auch über die „Schuhmanufaktur der Profis“ und den „Skischuhspezialist von Head, einem der größten Hersteller von Wintersportausrüstung“, und posiert auf seinem Model-Profil in Skischuhen der Marke. Er ging für den „Spiegel“ auf Skitour in Norwegen, und zur Reportage erschien ein Foto von ihm im Norweger-Pulli einer Outdoor-Marke, die er auf seinem Instagram-Account unter einem professionellen Foto desselben Fotografen auch verlinkt.
Und was ist mit dem Foto auf seinem Instagram-Kanal, unter dem er Sportmarken verlinkt hat, deren Produkte auf dem Bild zu sehen sind? Ein Foto, das aus der selben Serie und vom selben Fotografen stammt, wie das Foto, das zu einer Reportage über einen Alpen-Urlaub mit seiner Tochter im „Spiegel“ erschienen ist. Haslauer erklärt, dass er die Ausrüstung und die Mountainbikes für die Pressereise ausgeliehen habe. Mit den Outdoor-Bildern sei es wie mit den Trachten-Bildern. Sie seien für ihn als Model wichtig, um neue Jobs zu bekommen. Und da er von solchen Bildern eine Menge habe, sei er nun für die neue globale VW-Kampagne gebucht worden.
Na, herzlichen Glückwunsch!
Haslauer sagt, er habe für all diese Shootings kein Geld erhalten und trenne das von seiner Rolle als Reporter. Für den Betrachter ist diese Trennung, wenn sie denn überhaupt existiert, allerdings nicht zu erkennen.
Nachtrag, 7.11.23: In einer früheren Version des Textes haben wir geschrieben, dass der „Spiegel“ den Transparenzhinweis unter dem Meindl-Interview nach unserer Anfrage ergänzt hat. Laut „Spiegel“ sei dieser schon vorher ergänzt worden, nach einem Hinweis aus der Redaktion.
Die Autorin
Lisa Kräher ist Redakteurin bei Übermedien. Sie hat bei der „Mittelbayerischen Zeitung“ volontiert und von 2013 an als freie Journalistin und Filmautorin gearbeitet, unter anderem für epd. Sie ist Autorin für die „Carolin Kebekus Show“ und Mitglied der Grimme-Preis-Jury.
3 Kommentare
Der Hasi ist halt ein influencendes Gesamtkunstwerk
Das gibt es ja nicht. Seit bald zehn Jahren schreit es draußen „Lügenpresse“. Und dann gibt es solche Hasis, die zu blöd oder zu geldgeil oder beides sind und weiter an diesem Ruf mitarbeiten. Unglaublich.
Die Frage bleibt: hat der Hasi die Klamotten denn hinterher zurückgegeben? Oder hängt die Hirschlederne noch in seinem Kleiderschrank?
Der Hasi ist halt ein influencendes Gesamtkunstwerk
Das gibt es ja nicht. Seit bald zehn Jahren schreit es draußen „Lügenpresse“. Und dann gibt es solche Hasis, die zu blöd oder zu geldgeil oder beides sind und weiter an diesem Ruf mitarbeiten. Unglaublich.
Die Frage bleibt: hat der Hasi die Klamotten denn hinterher zurückgegeben? Oder hängt die Hirschlederne noch in seinem Kleiderschrank?